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Ontologie

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Die Ontologie ist eine philosophische Disziplin, die sich (primär) mit dem Sein, dem Seienden als solchem und mit den fundamentalen Typen von Entitäten beschäftigt. Der Ausdruck Ontologie leitet sich dabei von dem griechischen Partizip on (Seiendes) ab.

Vor allem in der angelsächsischen Philosophie wird die Ontologie der Erkenntnistheorie (Epistemologie) entgegengestellt. Hierdurch soll unterschieden werden zwischen den Dingen (oder deren Attributen), wie sie "an sich" sind, und ihrer Erscheinung für uns. Insofern auch die Ontologie auf das menschliche Erkenntnisvermögen angewiesen ist, wird diese Unterscheidung von vielen als inkohärent kritisiert.

Die Ontologie stellt in der klassischen (u.a. auf Christian Wolff zurückgehenden) philosophischen Systematik einen Teil der Metaphysik dar, nämlich die Allgemeine Metaphysik (metaphysica generalis) im Gegensatz zur Speziellen Metaphysik (metaphysica specialis), die sich mit Gott (Natürliche Theologie), der Seele (Natürliche Psychologie) und der Welt (Natürliche Kosmologie) beschäftigt. Mit der Speziellen Metaphysik ist der Anspruch verbunden, allein auf Vernunftbasis (also nicht-empirisch) bestimmte Bereiche von Entitäten zu untersuchen: Die natürliche Theologie steht dabei etwa im Gegensatz zur Theologie auf der Grundlage von Offenbarungen, die sich auf "heilige Schriften" stützt; die natürliche Kosmologie im Gegensatz zur empirischen Physik. Typische Fragen einer speziellen Metaphysik wären etwa die Probleme, ob die Welt einen Anfang in der Zeit hat oder ob die Seele unsterblich ist. Demgegenüber beschäftigt sich die allgemeine Metaphysik nicht mit einer bestimmten "Seinssphäre", sondern mit dem Seienden im allgemeinen.

In der traditionellen Ontologie steht dabei vor allem die Frage im Vordergrund, wie sich das Sein zum Seienden verhält (Martin Heidegger spricht hier von der "ontologischen Differenz"). In der scholastischen Philosophie wurden als weiteres Lehrstück die so genannten Transzendentalien diskutiert, also solche Attribute, die jedem Seienden zukommen. Hierzu wurden gezählt: res (Ding), ens (Seiendes), unum (Eines), aliquid (Etwas), bonum (Gutes), verum (Wahres), zum Teil auch pulchrum (Schönes).

Die moderne analytische Ontologie (analytische Philosophie) ist demgegenüber vor allem eine Lehre von den grundlegenden Kategorien, also solchen (allgemeinen) Begriffen wie Ding, Eigenschaft oder Ereignis und solchen Begriffen wie Teil und Ganzes oder (un)abhängig, die Attribute bestimmter Entitäten sind. Dabei steht vor allem die Frage im Mittelpunkt, wie sich die verschiedenen Kategorien zueinander verhalten und ob sich eine Kategorie als fundamentale auszeichnen lässt. Sind einzelne Dinge etwa bloße Bündel von Eigenschaften? Kann es Eigenschaften (Universalien) geben, die unabhängig von Dingen existieren? Braucht man eine eigene Kategorie des Ereignisses?

Hierdurch ergibt sich im übrigen auch eine Verbindungslinie zum Begriff der Ontologie in der Informatik.

Eine ontologisch-kritische Wendung macht der Seinsgedanke in der neueren phänomenologischen Philosophie, die seit den Regionalen Ontologien Husserls über die Ontologische Phänomenologie Heideggers vehement zu einer universalenen Gesamtkonzeption von 'Sein' hindrängt. Diese tieflaufende Grundbewegung des ontologischen Denkens vollzog sich erst mit Heinrich Rombach, der im Durchbruch des Phänomenologie in eine ontologisch radikale Tiefengestalt zugleich neue Dimensionen des Seins öffnete.

Ontologische Ontologie - Ontologie höherer Stufe - Strukturontologie

Die Erneuerung des ontologischen Denkens vollzog sich mit der „Strukturontologie" (1971) von Heinrich Rombach, der die Heideggersche Struktur des Da-seins im Ganzen des Wirklichkeitsgeschehens wiederfindet, so zwar, dass jetzt von verschiedenen Seinsstufen des Wirklichen die Rede ist, die sich alle nach strukturalen Prozessgesetzlichkeiten generieren: Zentralphänomen des Seins ist hier nicht mehr ein substanzialistisch und statisch gedachtes ‘Sein’ und auch nicht ein funktionalistisch angesetztes, finites ‘System’, sondern eben die ontologische Grundwirklichkeit der Struktur, die eigentlich Strukturgenese, genauer Autogenese und damit Je-Ontologie ist. Die fundamentalontologische Unterscheidung von ‘daseinsmäßigem’ und ‘nicht-daseinsmäßigem’ Seienden fällt hier ebenso dahin wie die der ‘ontologischen Differenz’, da die strukturale Ontologie als genetische Ontologie eine schöpferische Identitäts-Konzeption von ‘Sein’ auftut. Alles, was ‘ist’, muss entstehen, so zwar, dass es sich aus seinen eigenen Selbstbedingtheiten qua Freiheitsgenese je und jäh erst konstituiert bzw. - nach Ausrinnen oder Zerfall - rekonstitiuiert und eben darin zur vollen ‘Selbstheit’ als der absoluten Lebendigkeit und Vivifizierung von ‘Sein’ durchbricht.

Die Strukturkategorien (die in der 'Strukturontologie' erhellt werden, z.B. Einbruch und Untergang, Aufgang und Durchbruch, Umbruch und Rekonstitution, Ausrollung und Einrollung) bilden Prozessmodalitäten oder ontologische Geschehens-Grundgesetzlichkeiten ab, welche den Sinn von ‘Sein’ gleichsam ins ‘Werden’ verlegen und focussieren. Darum ist die Strukturontologie im Grunde eine universale Geneseologie, die für alle Wirklichkeitsbereiche (jenseits des Unterschieds von Natur und Kultur, Sein und Bewusstsein, Notwendigkeit und Freiheit) gültig ist und jeweils die transzendentalen Bedingungen der Möglichkeit für Aufgang, Gelingen und Selbstfindung, ja Selbststeigerung und Selbstüberholung exakt anzugeben vermag. Die Strukturanalyse als das methodologische Rüstzeug dieser nicht mehr nur ontologischen Phänomenologie, sondern eben einer universalen Ontologie und strukturalen Phänomenologie bildet das Zentrum einer Ursprungsdimension von Sein und Sinn, die nur noch in der Genese des reinen Selbsthervorgangs urständet.

Darin liegt zugleich der künstlerische und schöpferische Anspruch dieser Radikalontologie, die darum auch aus allen Bereichen der Kunstgeschichte ebenso wie aus den schöpferischen religiösen und sonstigen kulturellen Lebensleistungen der Menschheitsgeschichte die ergiebigsten Modelle humanen Gelingens hervorhebt am Maßstab und am Leitfaden einer Wissenschaft des Geistes, die hier nurmehr als die methodisch gewordene originäre Grunderfahrung der Bewegung von Selbststeigerung, von Aufflug und Erhellung, kurz als eine Erfahrung der Abhebung verstanden und aufgefasst zu werden vermag. Die Ontologie der Struktur ist darum genauer Ausdruck des inneren Genius einer authentischen, weil seinsradikalen Artistenphilosophie, sie kommt geschichtlich als die Erfahrung eines gesteigerten Sehen-Lernens und als die selbststeigende Urbewegung der Genialität eines jeglichen Seins.

Alle Menschlichkeit muss struktural gesehen darum immer auch gleichsam noch zurückgenommen werden in die Demut und Gelassenheit einer universalen und kosmischen Humanität, für deren Umrisse die Strukturontologie erste Erfahrungsmarken öffnet und perspektivische Linien möglicher Selbstfindung aus der Konkretion historischer Strukturanalysen auszieht. Die geschichtliche Herkunft des strukturalen Gedankens wurde von Heinrich Rombach in „Substanz System Struktur. Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische Hintergrund der modernen Wissenschaft" (2 Bde., 1965/1966, 2. Auflage 1986) als eine bis ins Hochmittelalter zurückreichende Gedanken-Tradition nachgezeichnet, die zunächst apokryph gefasst und transportiert und in die Neuzeit weitergereicht wurde, bis sie dort in den periodischen Grundlagenkrisen der Moderne unabweisbar auftauchte und sich heute in der Vielfalt philosophischer Grundkonzeptionen eine neue Basis seiner Selbstvergegenwärtigung bereitet.

Die ontologische Konzeption ‘Struktur’ (die freilich nicht mit dem Strukturalismus französischer Provenienz, De Saussure u.a., zu verwechseln ist) versteht sich selbst als jene Grundphilosophie unserer Zeit und Gegenwart, ohne die der schon in Ansätzen im Gange befindliche, aber zumeist noch mehr misslingende als schon gelingende epochale Übergang in einen neuen Aion der Menschheitsgeschichte geistes- und realgeschichtlich nicht zu schaffen ist. Dennoch verspricht die Strukturontologie nichts, was sie nicht auch überall und ganz konkret einzulösen vermöchte, denn sie bildet dasjenige tiefenphänomenologische Auge gleichsam erst noch mit aus, welches den Tiefenaspekt einer toto coelo neuen ‘Wirklichkeit von Sein’ erst aufgehen lässt.

Literatur

Primärliteratur

  • Thomas von Aquin: Über Seiendes und Wesenheit (De ente et essentia), Lateinisch Deutsch, mit Einleitung, Übersetzung und Kommentar herausgegeben von Horst Seidl, Hamburg 1988

Sekundärliteratur

Einführungen

  • B. Weissmahr: Ontologie (1991)
  • Kälin, Bernhard: Lehrbuch der Philosophie. Band I: Logik, Ontologie, Kosmologie, Psychologie, Kriteriologie und Theodizee (1957) und Band II: Ethik (1954), Sarnen
  • Lehmen, Alfons: Lehrbuch der Philosophie auf aristotelisch-scholastischer Grundlage; Band I: Logik, Kritik, Ontologie, sechste verbesserte Auflage, 1923; Band II: Kosmologie (II.1, d.h. erster Teil), fünfte, verbesserte und vermehrte Auflage 1920 und Psychologie (II.2, d.h. zweiter Teil), fünfte, verbesserte und vermehrte Auflage 1921; Band III: Theodizee, fünfte, verbesserte Auflage, 1923; Band IV: Moralphilosophie, dritte, verbesserte und vermehrte Auflage, 1919, Freiburg im Breisgau
  • Meixner, Uwe: Einführung in die Ontologie, Darmstadt 2004
  • Rombach, Heinrich: Strukturontologie. Eine Phänomenologie der Freiheit, Freiburg/München 1971, 2. unveränderte Auflage 1988
  • ders.: Substanz System Struktur. Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische Hintergrund der modernen Wissenschaft, 2 Bde., Freiburg/München 1965/1966, 2. unveränderte Auflage 1981
  • ders.: Die Welt als lebendige Struktur. Probleme und Lösungen der Strukturontologie, Freiburg i.Br. (Reihe Philosophie Bd. 5) 2003
  • Runggaldier, Edmund / Kanzian, Christian: Grundprobleme der analytischen Ontologie. Paderborn (u.a.) 1998.
  • Schnieder, Benjamin: Substanzen und (ihre) Eigenschaften, Berlin u.a. 2004

Nachschlagewerke

  • Burckhardt, Hans / Smith, Barry (Hg.): Handbook of Metaphysics and Ontology, 2 Bde., München 1991
  • Kim, Jeagwon / Sosa, Ernest (Hgg.): A Companion to Metaphysics, Oxford 1995
  • Loux, Michael J. / Zimmerman, Dean W. (Hgg.): The Oxford Handbook of Metaphysics,

Oxford 2003

  • Ricken, Friedo (Hg.): Lexikon der Erkenntnistheorie und Metaphysik. München 1984

andere Monographien

  • Lakebrink, Bernhard: Hegels dialektische Ontologie und die thomistische Analektik, Köln 1955
  • Steenberghen, Fernand van: Ontologie, aus dem Französischen übertragen, durch eine Einführung und Anmerkungen erweitert von Ddr. Alois Guggenberger, Einsiedeln 1953


Siehe auch: Metaphysik, Hans-Georg Gadamer, Heinrich Rombach

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