Die Quantentheorie und das Schisma der Physik
Die Quantentheorie und das Schisma der Physik (im Original Quantum Theory and the Schism in Physics) ist ein Buch des Wissenschaftstheoretikers Karl Popper, das im Hauptbestand des Textes bereits um das Jahr 1957 geschrieben und 1982 als dritter Band eines Postskriptums zu Logik der Forschung veröffentlicht wurde.
Publikationsgeschichte
Bei Poppers Werk handelt es sich um einen Teil seiner Nachträge zu seinem vielfach überarbeiteten wissenschaftstheoretischen Hauptwerk Logik der Forschung. Dieses war zuerst in deutscher Sprache 1934 erschienen, die englische Übersetzung in Erstauflage erst 1959. Zahlreiche zwischenzeitliche und nachfolgend entwickelte Ideen Poppers waren nicht mehr in Neuauflagen einarbeitbar. Für sie war die Veröffentlichung in einem Nachtragsband geplant. Die Arbeit daran stellte Popper jedoch zwischenzeitlich ein, obwohl bereits diverse Druckfahnen und Überarbeitungen vorlagen. Auf Initiative von W. W. Bartley III erschienen dann schließlich 1982/83 diese z.T. weit früher, größtenteils 1951-56,[1] entwickelten Überlegungen; einer der drei Bände widmet sich u.a. dem „Schisma der Physik“.[2] Nicht gedruckte Vorfassungen zirkulierten z.T. bereits zuvor als Druckfahnen.
Erste Werkteile
- Vgl. für eine Einführung in die zugrundeliegenden Problemaspekte z.B. die jeweiligen Einzelartikel sowie überblicksweise die sehr kurze Übersicht in Philosophie der Physik, die etwas längere in Quantenmechanik oder die ausführlichere Darstellung in Interpretationen der Quantenmechanik.
Die erste Hälfte des Buches besteht aus Essays, die in den Jahren vor der Veröffentlichung geschrieben wurden und die Poppers Sicht auf die Wahrscheinlichkeitstheorie, Forschungen zur Bellschen Ungleichung und neuere Diskussionen über das Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon darstellen. Nach einer Diagnose gegenwärtiger Kontroversen (siehe den nachfolgenden Abschnitt zum "Schisma der Physik") folgen weitere eigene Vorschläge. Popper arbeitet dabei vor allem diverse seiner z.T. bereits zuvor vorgestellten, weitreichenden systematischen Überlegungen zur Interpretation der Quantenmechanik weiter aus, u.a. seinen Vorschlag einer Propensitäteninterpretation, die realistisch, objektivistisch, nicht-deterministisch ist und weder Beobachterabhängigkeit noch Welle-Teilchen-Dualismus benötigt.
Das "Schisma der Physik"
Der Ausdruck „Schisma der Physik“ (engl. schism in physics) beschreibt die Gegensätzlichkeit zweier Familien von Interpretationen der Quantenmechanik nebst damit verknüpfter Hintergrundannahmen.
Ähnliche Ausdrucksweisen fanden sich bereits zuvor.[3] So sprach etwa Werner Heisenberg in „Wandlungen der Grundlagen der exakten Naturwissenschaft in jüngster Zeit“, einem 1934 vor der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte gehaltenen Vortrag, davon, dass „in unserer Erforschung atomarer Vorgäge ein eigentümlicher Zwiespalt unvermeidbar ist“ zwischen einer Beschreibung in „anschaulichen Begriffe[n] der klassischen Physik“ und mathematischen Objekten, „die keine einfache anschauliche Deutung zulassen.“[4] Die engl. Übersetzung spricht an dieser Stelle von einem „peculiar schism“.[5].
Popper sortiert die Interpretationen der Quantentheorie in zwei lagerbildende Parteiungen, deren erste er durch die Namen Faraday, Einstein, Schrödinger kennzeichnet, deren zweite als Kopenhagener Interpretation. Popper zufolge werden dabei jeweils alternative nicht experimentell testbare Ontologien, also systematische Annahmen über die Grundstrukturen der Realität, sowie Meta-Annahmen über das methodische Vorgehen wissenschaftlicher Forschung vertreten; er spricht von „metaphysischen Forschungsprogrammen“. Beide Partien träfen bestimmte Festlegungen hinsichtlich interpretationsrelevanter Aspekte: typisch für die erste Partei sei die Verpflichtung auf Determinismus, Realismus und Subjektivismus; typisch für die zweite Indeterminismus, Instrumentalismus und Objektivismus. Es resultiere eine problematische Spaltung der Physik.
Literatur
- Karl Raimund Popper: Die Quantentheorie und das Schisma der Physik. Aus dem Postskript zur Logik der Forschung III Tübingen: Mohr Siebeck, 2001. ISBN 3161475682, Online bei Google Books.
- Jeffrey Bub / Itamar Pitowsky: Review: Postscript to the Logic of Scientific Discovery by Karl R. Popper, in: Canadian Journal of Philosophy 15/3 (1985), 539-552.
- N. D. Mermin: Review: The Great Quantum Muddle, in: Philosophy of Science 50/4 (1983), 651-656.
Einzelnachweise
- ↑ So der Herausgeber Bartley, vgl. Popper 2001, S. 245.
- ↑ Postscript to the Logic of Scientific Discovery, Rowman and Littlefield, New Jersey 1983, Bd. 1: Realism and the Aim of Science, Bd. 2: The Open Universe: An Argument for Indeterminism, Bd. 3: Quantum Theory and the Schism in Physics.
- ↑ Vgl. Thomas J. Hickey: History of Twentieth-Century Philosophy of Science, Teilband 5/2, 2005 (Druckausgabe Forest Park, Ill. 1995, ISBN 0964466503).
- ↑ Werner Heisenberg: „Wandlungen der Grundlagen der exakten Naturwissenschaft in jüngster Zeit“, in: Die Naturwissenschaften 22/40 (1934), 669-675, hier 670.
- ↑ Heisenberg: Recent Changes in the Foundations of Exact Sciences, übers. F. C. Hayes, in: Philosophic Problems in Nuclear Science, Faber and Faber, London 1952, 11–26, hier 15.