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Schulpflicht

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Die Schulpflicht (früher Schulzwang) ist die Verpflichtung für Kinder, ab einem bestimmten Alter die Schule zu besuchen. Dies muss durch die Erziehungsberechtigten (i. d. R. die Eltern) umgesetzt werden.

Schulpflicht in Deutschland

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Land Beginn
Alter
Dauer
Jahre
(1) Baden-Württemberg 6 9 (ohne Abschluss verlängerung
auf 10 Jahre, § 75 BW SchG)
(2) Bayern ? 9
(3) Berlin 10 (§ 42 Berliner
SchulG, Link s.u.)
(4) Brandenburg ? 10
(5) Bremen ? ?
(6) Hamburg 6 (frühere
Einschulung
möglich)
9 (Berufsschulpflicht für drei Jahre
oder bis zum 18. Lebensjahr)
(7) Hessen   9 (§ 59 Hess.
Schulgesetz)
(8) Mecklenburg-Vorpommern ? 9
(9) Niedersachsen 6 (oder 7 § 64 (2) ) 12 (oder weniger nach § 65 (2) )
(10) Nordrhein-Westfalen 6 10
(11) Rheinland-Pfalz ? 9?
(12) Saarland ? 9?
(13) Sachsen 6 / 7 9 (Berufsschulpflicht
bis zum 18. Lebensjahr)
(14) Sachsen-Anhalt ? ?
(15) Schleswig-Holstein ? ?
(16) Thüringen 6 / 7 9

In Deutschland ist die Schulpflicht nicht direkt im Grundgesetz verankert, sondern - als Ausdruck der Kulturhoheit der Länder - nur in den einzelnen Landesverfassungen. Dies führt immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, da Eltern sich auf die im Grundgesetz bestehende Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1) berufen, um ihre Kinder daheim zu unterrichten (Hausunterricht). Diese Argumentation erscheint zunächst folgerichtig, da Bundesrecht über Landesrecht geht. Allerdings ergibt sich die Schulpflicht indirekt auch aus dem Grundgesetz. So steht im Art. 7 Abs. 2: „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates“. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich hieraus die Schulpflicht. Plausibel wird dies auch dadurch, dass im folgenden Absatz (Art. 4 Abs. 2 Grundgesetz) den Eltern das Recht eingeräumt wird, über den Besuch des Religionsunterrichts zu bestimmen. Dieser Absatz wäre unnötig, wenn die Eltern generell über den Schulbesuch ihrer Kinder frei verfügen könnten.

Nach der Schulpflicht schließt sich bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres die Berufsschulpflicht an. Sie kann in allen Bundesländern durch die Teilnahme an einer Berufsausbildung oder durch einen weiteren Schulbesuch (wie z.B. die gymnasialen Oberstufe) erfüllt werden. Die näheren Details und weitere Alternativen zum Nachkommen der Berufsschulpflicht unterscheiden sich je nach Bundesland.

Für alle Kinder, die bis zum 30. Juni das 6. Lebensjahr vollenden, beginnt die Schulpflicht am 1. August. (Musskinder) Auf Antrag der Eltern können auch Kinder in die Schule aufgenommen werden, die in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember das 6. Lebensjahr vollenden. (Kannkinder) Die Entscheidung trifft in diesem Fall die Schulleitung unter Berücksichtigung eines schulärztlichen Gutachtens. Es können jedoch auch schulpflichtige Kinder, die noch nicht den für den Schulbesuch erforderlichen körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklungsstand haben, auf Antrag der Eltern unter Beteiligung eines schulärztlichen und schulpsychologischen Dienstes von der Schulleitung für ein Jahr von der Teilnahme am Unterricht der Grundschule oder der Sonderschule zurückgestellt werden. Mehrere Bundesländer haben den Beginn der Vollzeitschulpflicht inzwischen teilweise vorverlegt, so dass auch fünfjährige oder sogar noch jüngere Kinder berechtigt zum Schulbesuch sein können, wenn sie entsprechend weit entwickelt sind. Ein Rechtsanspruch auf eine vorzeitige Einschulung besteht bislang ebensowenig wie eine vorzeitige Einschulungspflicht.


Bereiche der Schulpflicht

Die Schulpflicht erstreckt sich im Wesentlichen auf drei Bereiche: Teilnahme, Anmeldung und Schulwahl.

  • Zum Bereich Teilnahme gehört die regelmäßige Teilnahme am Unterricht sowie an Schulveranstaltungen (sofern diese -z.B. finanziell - zumutbar sind). Bei Ganztagsschulen gilt dies auch für den Nachmittag.
  • Zum Bereich Anmeldung gehört, dass die Eltern verpflichtet sind, ihre minderjährigen Kinder in einer geeigneten Schule anzumelden. Volljährige Schüler sind hierfür alleine zuständig. Falls es aber um die Anmeldung an einer Berufsschule geht, ist der Ausbilder bzw. Arbeitgeber zur Anmeldung verpflichtet.
  • Zum Bereich Schulwahl gehört, dass die schulpflichtige Person in einer deutschen öffentlichen oder Privatschule angemeldet werden muss. Es ist also z.B. nicht möglich ein Kind auf eine Schule eines Nachbarlandes zu schicken. Ausnahmeregelungen sind jedoch möglich und internationales Recht (z.B. in Hinblick auf Diplomatenkinder) wird hiervon nicht berührt.

Ausnahmen und Befreiungen

  • In einigen Bundesländern ist eine Befreiung von der Schulpflicht möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und eine gleichwertige Förderung möglich ist.
  • Es ist in der Rechtsprechung einiger Bundesländer unklar, ob sich die Schulpflicht (nicht jedoch das Recht auf den Schulbesuch) auch auf Asylbewerberkinder erstreckt.
  • In einigen Bundesländern können in besonderen Härtefällen ausländische Jugendliche vom 14. Lebensjahr an von der Schulpflicht befreit werden.
  • Eine generelle Befreiung von der Schulpflicht aus religiösen Gründen ist nicht möglich, wohl aber eine Befreiung an wichtigen religiösen Feiertagen.
  • Eine Befreiung von einzelnen Unterrichtsfächern ist - mit Ausnahme des Religionsunterricht in Deutschlands - nur in besonderen Ausnahmefällen möglich. So kann eine Befreiung vom Sportunterricht erfolgen, solange eine Teilnahme aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist. Eine Befreiung vom Sportunterricht aus religiösen Gründen ist aus besonderen Gründen ebenfalls möglich.
  • Die Schulpflicht erstreckt sich ebenfalls auf Schulfahrten; Befreiungen aus besonderen Gründen sind jedoch möglich.
  • Für Kinder mit Behinderungen bestehen oft sehr verschiedene Sonderregelungen auf Länderebene.


Durchsetzung der Schulpflicht

Die Eltern sind zur Überwachung der Schulpflicht verpflichtet. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, dann stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die einen Bußgeldbescheid zur Folge haben kann. Bei der Verhängung von Ordnungsmaßnahmen muss zwischen Verletzungen der Schulpflicht durch Schüler oder durch die Eltern unterschieden werden. Die Durchsetzung der Schulpflicht ist in den einzelnen Ländern unterschiedlich liberal oder restriktiv. In einigen Bundesländern sind Haftstrafen bis zu sechs Monaten oder Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen möglich. Als vorletzte Konsequenz können die SchülerInnen auch zwangsweise zur Schule gebracht werden, wenn zuvor alle anderen Versuche erfolglos blieben. Als letzte Konsequenz kann den Eltern schließlich durch ein Familiengericht das Personensorgerecht ganz oder teilweise entzogen werden. Von dieser letzten Möglichkeit wird jedoch fast nie Gebrauch gemacht, da diese Maßnahme oft in einem größeren Maße dem Wohl des Kindes schaden würde als der Besuch einer öffentlichen Schule diesem nützen könnte. In Deutschland gibt es derzeit ungefähr 500 Fälle in 200 Familien, bei denen Kinder gegen die Schulpflicht Hausunterricht erhalten. Die Gründe sind meist religiös.

Verwandte Rechtsbereiche

Die Beschulungspflicht

Dadurch dass der Staat die Schulpflicht anordnet, ergibt sich für diesen die Beschulungspflicht. Diese verpflichtet den Staat dafür zu sorgen, dass auch alle schulpflichtigen Menschen in Deutschland eine öffentliche Schule besuchen können.

Die Teilnahmepflicht

Die SchülerInnen sind zur aktiven Mitarbeit am Unterricht verpflichtet. Dies gilt auch für Leistungskontrollen, wie Klassenarbeiten. Bei einer Leistungsverweigerung ist die Note ungenügend (6) zu erteilen. Wenn durch ungenügende Leistungen die Versetzung gefährdet wird, dann müssen die Eltern hierüber informiert werden. Falls durch die Leistungsverweigerung auch der Lernerfolg anderer SchülerInnen gefährdet wird, können die LehrerInnen Ordnungsmaßnahmen ergreifen. Während der Schulzeit müssen die SchülerInnen bis zur neunten Klasse auf dem Schulgrundstück bleiben, so dass die Schule ihrer Aufsichtspflicht nachkommen kann.

Sonstige Pflichten und Rechte

  • Die SchülerInnen haben sich an die Hausordnung zu halten sowie an Weisungen, die für die Aufrechterhaltung der Ordnung notwendig sind.
  • In der Sekundarstufe 1 gilt das Rauchverbot, sowie generell ein Verbot von Rauschmitteln (also auch von Alkohol).
  • Das Mitbringen von Gegenständen, die die Ordnung der Schule stören ist verboten. Der Lehrer darf oder muss solche Gegenstände einsammeln, darf sie aber nicht behalten. Je nach Art des Gegenstandes muss er nach dem Unterricht dem Schüler (z.B. Walkman) bzw. den Eltern (z.B. Alkohol) bzw. der Polizei (z.B. Drogen) ausgehändigt werden.
  • Die Schule muss alle Hilfsmittel untersagen, die die Chancengleichheit beeinflussen oder die Leistung des Schülers unzulässig beeinflusst.
  • Die Schule darf nicht in das äußere Erscheinungsbild des Schülers eingreifen. Eine Ausnahme ist nur dann möglich, wenn durch das Erscheinungsbild ernste Störungen oder Belästigungen entstehen. Es ist in der Rechtsprechung umstritten, ob dieses Recht selbst eine Verschleierung des Gesichtes (im Extremfall durch das Tragen einer Burka) zulässt oder nicht.

Schulpflicht in Österreich

In Österreich gibt es die Schulpflicht. Dies bedeutet, dass alle Kinder, die bis zum 31. August eines Kalenderjahres das sechste Lebensjahr vollendet haben, am darauf folgenden 1. September schulpflichtig sind und jene Grundschule, die in ihrem Schulsprengel (siehe weiter unten) liegt, besuchen müssen. Diese Schulpflicht gilt für alle Kinder, die sich länger in Österreich aufhalten, unabhängig von einem Aufenthaltsrecht in Österreich.

Die Schulpflicht wurde bereits von Maria Theresia im Jahr 1774 für Österreich und die Kronländer generell eingeführt. In Österreich kann ein Kind von den Erziehungsberechtigten zum häuslichen Unterricht abgemeldet werden, was aber im Regelfall fast nie (0,5 Prozent je Schuljahr) in Anspruch genommen wird. Dies erfordert ein Ansuchen seitens der Erziehungsberechtigten, das über die Direktion jener Schule, in der das Kind seine Schulpflicht erfüllen muss, an die Schulbehörde der ersten Instanz (in Österreich ist dies das Amt des Bezirks-Schulrates an der zuständigen Bezirkshauptnmannschaft) gerichtet werden muss. Diese kann frei entscheiden, ob dem ansuchen entsprochen wird oder nicht. Ein Rechtsmittel gegen den Entscheid ist nicht vorgesehen. Am Ende des Schuljahres, für das um häuslichen Unterricht angesucht wurde, hat das Kind eine Feststellungsprüfung abzulegen, in der festgestellt wird, ob das Lehrziel des betreffenden Schuljahres (dem Lehrplan entsprechend) erfüllt wurde. Die Eltern sind im verpflichtet, ihr Kind während der Einschreibungszeit (d.i. in der Regel in der ersten Woche des Januar Anschluss an die Weihnachtsferien) zur Erfüllung der Unterrichtspflicht ab 1. September in der Direktion jener Volksschule vorzustellen, die im Schulsprengel liegt. Die Zugehörigkeit jeder Ortschaft (Dorf, Weiler, Gemeinde, Stadt) zu einem Schulsprengel ist durch ein Landesgesetz geregelt. Die Einschreibungs-termine sind "ortsüblich" zu verlautbaren, dies bedeutet, dass in der Regel im Schaukasten der Schule die Termine kundgemacht werden. In besonderen Fällen werden die Erziehungs - berechtigten der schulpflichtigen Kinder von der zuständigen Gemeinde über die Termine zur Einschreibung verständigt (was eine Serviceleistung, aber keine Verpflichtung ist).Siehe auch: Schulsystem in Österreich

Schulpflicht in anderen Ländern

Auch in Dänemark, Frankreich, Großbritannien und den USA gibt es anstatt der Schulpflicht nur eine Bildungspflicht (bzw. Unterrichtspflicht), die statt durch Schulbesuch auch durch Hausunterricht erfüllt werden kann.

Geschichte

Gesetzliche Bestimmungen zur Schulpflicht wurden zuerst im seinerzeitigen Norddeutschland im 18. Jahrhundert erlassen, z.B. durch die Principia regulativa des Königs Friedrich Wilhelm I., für ganz Preußen durch das Generallandschulreglement Friedrichs des Großen von 1763 bestätigt. Anfang des 20. Jahrhunderts waren derartige Gesetze für ganz Deutschland, Österreich-Ungarn und Skandinavien, Frankreich (seit 1882). Durch das Reichsschulpflichtgesetz führten die Nazis 1938 den Schulzwang ein. In England war die Regelung der Schulpflicht den einzelnen Gemeinden, in den USA den einzelnen Staaten vorbehalten.

Literatur

  • Hermann Avenarius und Hans Heckel, Schulrechtskunde. Neuwied: Luchterhand, 2000 - Ein wichtigstes Standardwerk zum Schulrecht. Das Thema Schulpflicht wird ausführlich behandelt.