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Roundup

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Unter dem Handelsnamen „Roundup“ vertreibt der Chemiekonzern Monsanto eine Serie von Breitbandherbiziden für die Landwirtschaft, aber auch für Hobbygärtner. Breitbandherbizide wirken unspezifisch gegen viele Pflanzenarten.

Zusammensetzung

Der Wirkstoff ist das für fast alle Pflanzenarten toxische Glyphosat. Es hemmt die pflanzliche 5-Enolpyrovylshikimat-3-Phosphatsynthase (EPSP-Synthase) und somit die Synthese aromatischer Aminosäuren.[1] Die einzelnen Roundup-Produkte unterscheiden sich in der Salzformulierung, dem Medium (Lösung in Wasser oder Granulat) sowie der Glyphosatkonzentration. Um eine bessere Haftung an den Pflanzen zu erreichen, wird ein Netzmittel verwendet. Meistens handelt es sich dabei um mehrfach ethoxyliertes Talgamin (engl. polyethoxylated tallow amine; deutsch deshalb auch Tallowamin genannt). Fettamine werden auch in der chemischen und kosmetischen Industrie verwendet, zum Beispiel in Wasch- und Spülmitteln oder Shampoo.[2]

Verwendung in der Landwirtschaft

Klassische Unkrautbekämpfung

Roundup-Einsatz auf einem Acker nördlich von Dresden
Roundup-Einsatz als Alternative zur Mahd in einer Apfelplantage in Südtirol

In der Landwirtschaft wird Roundup seit 1974[3] verwendet, um Felder vor einer Neuansaat von Unkraut oder konkurrierenden Pflanzen in der Fruchtfolge (Weizen-Gerste) zu befreien.

Roundup wirkt ausschließlich über grüne Pflanzenteile und nicht über die Wurzel. Es ist somit möglich, in einem Arbeitsgang Unkraut zu bekämpfen und zusätzlich eine frische Saat einzubringen. Die Keimung und der Wuchs werden nicht negativ beeinflusst. Auch im Weinbau wird Roundup verwendet, um den Unterstockbereich frei zu halten. Solange bei der Anwendung keine Blätter der Reben getroffen werden, schadet diese Anwendung den Reben nicht.

Verwendung mit genveränderten Pflanzen

Parallel zu Roundup verkauft Monsanto gentechnisch verändertes Saatgut von Mais, Soja, Raps und Baumwolle. Entsprechend verändertes Weizensaatgut ist verfügbar, kommt derzeit aber mangels Nachfrage nicht zum Verkauf.

Die Manipulation der Pflanzen besteht darin, dass durch das Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens als Genfähre die Pflanzen-DNA verändert wird: entweder es wird die Erbinformation für eine Glyphosat-unempfindliche EPSP-Synthase aus Salmonellen übertragen oder es wird nur der Promotor für das EPSP-Synthase-Gen durch einen sehr viel stärkeren ersetzt.[4] Die Pflanze übersteht durch diese Manipulation auch die Anwendung von Roundup. Der Anbau soll zusammen mit Roundup relativ kostengünstig sein, da das Breitbandherbizid alle Pflanzen außer der genveränderten Nutzpflanze abtötet und daher den Aufwand von mehreren gezielten Spritzungen von spezifischen Herbiziden, wie in der konventionellen Landwirtschaft üblich, reduziert.

Problem der Resistenzbildung

Laut der Organisation WeedScience gibt es 2009 weltweit insgesamt 16 glyphosatresistente Unkräuter. Bei ALS-Inhibitoren (Acetolactat-Synthase), welche die Grundlage für andere chemische Unkrautbekämpfungsmittel bilden, sind es 101 beobachtete Resistenzen.[5] Diese bei Glyphosat nach über 30 Jahren Gebrauch recht niedrige Rate könnte nach Meinung von Unkrautforschern der Iowa State Univerity bei ausschließlichem Gebrauch von Roundup gefährdet sein, weshalb sie ein differenziertes Modell der Bekämpfung empfehlen, zum Beispiel Wechsel mit anderen Herbiziden.[6]

Roundup-Produkte für Hobbygärtner

In Deutschland sind einzelne Roundup-Produkte auch für den Haus- und Kleingartenbereich zugelassen, sofern sie nur in Kleinstgebinden abgegeben werden. Nach § 6 Abs. 2 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel auf Freilandflächen nur angewandt werden, wenn diese landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden. Sie dürfen jedoch nicht in oder unmittelbar an oberirdischen Gewässern und Küstengewässern angewandt werden. Außerdem ist die Anwendung auf versiegelten Flächen, zu denen gepflasterte oder geteerte Wege und Terrassen zählen, nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde zulässig. Bei Zuwiderhandlung sind Geldbußen bis zu 50.000 € vorgesehen.[7]

Biologische Abbaubarkeit

Die Beständigkeit von Glyphosat in Böden wird als niedrig bis mittel und die Möglichkeit der Wasserkontamination als gering eingestuft.[8]

In New York gab Monsanto 1996 eine Unterlassungserklärung gegenüber dem Generalstaatsanwalt ab. Darin verpflichtete sich Monsanto unter anderem, im Staat New York glyphosathaltige Pestizide nicht mehr als sicher, ungiftig, harmlos, risikofrei, biologisch abbaubar, umweltfreundlich, ökologisch vorteilhaft oder praktisch ungiftig zu bezeichnen. Das wurde unter anderem damit begründet, dass die Hinweise im Sicherheitsdatenblatt diesen Werbeaussagen widersprechen.[9]

Monsanto bewarb seine Produkte Roundup UltraMax und Roundup Turbo im Jahr 2007 in Deutschland mit folgenden Worten:[10]

  • „maximale Wirkung bei nur minimaler Belastung der Umwelt“
  • „Durch starke Adsorption des Wirkstoffes an Bodenteilchen erfolgt keine Verlagerung ins Grundwasser und dieser wird vollständig innerhalb von 30 bis 40 Tagen DT50[11] abgebaut.“

Rein rechnerisch läßt sich aus diesen Angaben ein Zeitraum von 210-280 Tagen ermitteln, in dem die Konzentration auf unter 1% des ursprünglichen Wertes gesunken sein müsste.

In Frankreich verurteilte die Fünfte Strafkammer des Amtsgerichts Lyon zwei Führungskräfte von Monsanto und Scotts France am 26. Januar 2007 zu einer Geldstrafe wegen irreführender Werbung.[12] In der Urteilsbegründung verwies das Gericht unter anderem auf Studien, die Monsanto selbst durchgeführt hatte. Diese hatten gezeigt, dass Roundup nach 28 Tagen erst zu 2 % biologisch abgebaut war.[13] Seitdem wird Roundup in Frankreich nicht mehr als biologisch abbaubar bezeichnet. Die Verurteilten haben Berufung eingelegt; die Verhandlung vor dem Appellationsgerichtshof fand am 1. Oktober 2008 statt.

Toxikologie

Eine Reihe von Studien und Tierversuchen in den 1990er Jahren fand keine Hinweise auf eine karzinogene Wirkung von Glyphosat. Die Environmental Protection Agency stuft die Toxizität von Glyphosat als niedrig ein. Wenn Roundup gemäß der Gebrauchsanweisung verwendet wird, sind toxische Effekte unwahrscheinlich.[8] Eine umfangreiche Risikobewertung erschien 2000 und sah "unter derzeitigen und zu erwartenden Gebrauchsbedingungen" keine Gesundheitsrisiken durch Roundup oder einen der Inhaltsstoffe.[14][15]

Neuere In-Vitro-Studien haben zum Ergebnis, dass giftige Effekte von Wirkstoffkombination bereits bei 5 ppm eintreten. Die toxische Wirkung von vier verschiedenen Glyphosat-Mischungen auf menschliche Leberzellen wird nachgewiesen.[16]

Universität Roscoff: An Seeigel-Embryonen, einem nach Meinung der Autoren geeigneten Modell zu Forschungen in der Entwicklungsbiologie, konnte nachgewiesen werden, dass der Hauptwirkstoff Glyphosat in Synergie mit anderen Inhaltsstoffen von Roundup die Zellteilung stört.[17] Dies kann insbesondere bei Einatmung das Krebsrisiko steigern, da hier die so aufgenommene Dosis den zellschädigenden Wert um das 500 bis 4000 fache übersteigt.[18] Ebenso konnte gezeigt werden, dass ein weiterer Hauptbestandteil von Roundup, das Netzmittel Polyoxyethylen-Amin das Schlüpfen der Seeigel-Embryonen hemmt indem es die Transkription in den Embryonalzellen verlangsamt.[19]

Universität Caen: Eine Studie aus dem Jahr 2007 zeigt, dass eine direkte Kontamination von menschlichen Embryonal- und Plazentazellen mit Roundup schädlich wirkt.[20] Das Forscher-Team um Prof. Gilles-Eric Seralini, Molekularbiologe und Mitglied in zwei Kommissionen der französischen Regierung zur Bewertung von gentechnisch veränderte Organismen (GVO), untersuchte 2008 die Wirkung von vier Herbiziden in der Zusammensetzung des Monsanto-Produktes auf unterschiedliche menschliche Zellgruppen. Trotz einer 100.000-fachen Verdünnung führte der Einsatz zu einem völligen Zellsterben innerhalb von 24 Stunden, er blockierte die Zellatmung und verursachte DNS-Schäden.[21][22]

Die Roundup als Netzmittel beigefügten ethoxylierten Talgamine (beispielsweise , POEA; Gruppenbezeichnung: Tallowamin) stehen im Verdacht, die toxische Wirkung anderer Inhaltsstoffe zu verstärken. Das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat daher Ende 2008 gegenüber den Zulassungsinhabern von Roundup und anderen Pflanzenschutzmitteln, denen Tallowamin beigefügt ist, in einem Expertengespräch eine „dringende Empfehlung“ ausgesprochen, diesen Beistoff bis Ende des Jahres 2010 durch einen anderen zu ersetzen. Monsanto hat gegen die Aufforderung Widerspruch eingelegt.[23][24][25]

Laut Bundesverbraucherschutzministerin Aigner sind den Behörden die französischen Untersuchungen an Zellkulturen bezüglich der zellschädigenden Auswirkungen von Glyphosat bekannt. Die kürzlich durchgeführte Bewertung hierzu habe ergeben, dass die Versuchsanordnungen nicht unter realistischen oder erwartbaren Bedingungen erfolgt seien und die für die Beurteilung der Humantoxizität durchgeführte Tierversuche hätten keine Hinweise auf Schädigungen des Menschen „bei sachgerechtem und bestimmungsgemäßem Umgang“ geliefert. Es bestehe daher „zurzeit kein sachlicher Grund, Zulassungen zurückzunehmen und die Anwendung dieser Mittel zu verbieten“. Bezüglich der Tallowamin-haltigen Beistoffe seien die Zulassungsinhaber vom BVL jedoch aufgefordert worden, weitere Studien und Informationen vorzulegen. Eine abschließende behördliche Bewertung dieser Beistoffe, von der die weitere Zulassungsfähigkeit der betreffenden Pflanzenschutzmittel abhängt, stehe laut Aigner daher noch aus.[26]

Wirkung auf Amphibien

2005 erschien eine Studie, in der die Wirkung von Roundup auf Amphibien getestet wurde[27][28] und die später als Indiz für ein globales Amphibiensterben galt. So wurden Kaulquappen in einem Tank alle vier Tage mit dem Mittel besprüht, was nach drei Wochen zum Tod aller Tiere führte. Die Universität Florida kritisierte den Versuch wegen der extremen Dosis und dem Gebrauch entgegen den Bestimmungen auf dem Etikett als unrealistisch und erklärte, dass es keine Daten gebe, die glyphosathaltige Herbizide für einen globalen Rückgang von Amphibien verantwortlich erscheinen ließen.[29]

Grundsätzlich müssen in Deutschland beim Einsatz von Roundup Abstandsauflagen zu Gewässern und Landschaftselementen beachtet werden, in einigen deutschen Bundesländern sind diese in Sondergebieten aufgehoben (z. B. im Marschland, das mit Gräben durchzogen ist, weswegen dort kein Abstand eingehalten werden kann).

Einzelnachweise

  1. Lexikon der Biologie, sv. "Glyphosat". Spektrum: Heidelberg 2006.
  2. TALLOW AMINES GENERAL DESCRIPTION AND APPLICATIONS (englisch)
  3. Monsanto: Geschichte 1960–1975
  4. Lexikon der Biologie, sv. "Glyphosat". Spektrum: Heidelberg 2006.
  5. Herbicide Resistant Weeds Summary (englisch)
  6. Managing the risk of glyphosate resistant weeds - Summary of three modeling papers [1] (pdf, englisch)
  7. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Verzeichnis zugelassener Pflanzenschutzmittel - Standardsuche (nach Roundup suchen)
  8. a b Glyphosate (General Fact Sheet), National Pesticide Telecommunications Network, November 2000 PDF
  9. Die Unterlassungserklärung dokumentiert bei mindfully.org
  10. Roundup-Kompendium als PDF bei roundup.de (Stand 2007)
  11. Als DT50-Wert wird der Zeitraum bezeichnet, in dem die Anfangskonzentration einer Substanz auf die Hälfte abnimmt.
  12. Eau et Rivières de Bretagne: Le Roundup devant les tribunaux
  13. Auszug aus dem Gerichtsurteil, dokumentiert bei Eau et Rivières de Bretagne
  14. Safety Evaluation and Risk Assessment of the Herbicide Roundup and Its Active Ingredient, Glyphosate, for Humans (englisch)
  15. Monsanto - Summary [2] (PDF; englisch)
  16. Christof Potthof: Roundup bleibt nicht ohne Wirkung; in: Gen-ethischer Informationsdienst, Nr. 195 (August 2009), S. 26
  17. J. Marc, O. Mulner-Lorillon, S. Boulben, D. Hureau, G. Durand, R. Bellé: Pesticide Roundup Provokes Cell Division Dysfunction at the Level of CDK1/Cyclin B Activation. Chem Res Toxicol 15(3):326, 31. März 2002, PMID 11896679
  18. Marc J, Mulner-Lorillon O, Bellé R.: Glyphosate-based pesticides affect cell cycle regulation. Biol Cell. 96(3):245-9, April 2004, PMID 15182708
  19. Marc J, Le Breton M, Cormier P, Morales J, Bellé R, Mulner-Lorillon O.: A glyphosate-based pesticide impinges on transcription. Toxicol Appl Pharmacol. 203(1):1-8, 15. Februar 2005, PMID 15694458
  20. N. Benachour, H. Sipahutar, S. Moslemi, C. Gasnier, C. Travert, G.E. Séralini: Time- and Dose-Dependent Effects of Roundup on Human Embryonic and Placental Cells. Arch Environ Contam Toxicol., 4. Mai 2007, PMID 17486286
  21. Nora Benachou, Gilles-Eric Séralini: "Glyphosate Formulations Induce Apoptosis and Necrosis in Human Umbilical, Embryonic, and Placental Cells". In: Chemical Research in Toxicology, 23. Dezember, 2008 http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/tx800218n
  22. Interview mit Gilles-Eric Séralini: Was haben Sie gegen Monsanto?, GID 198 (April 2010), S. 8
  23. BVL-Fachbeirat Naturhaushalt, Protokoll der 23. Sitzung am 25./26. Februar 2009 im BVL Braunschweig, TOP 10.6: Beistoffe in Glyphosat-haltigen Pflanzenschutzmitteln (Tallowamin-Problematik); Gekürzte Version, (PDF-Format)
  24. Gefährlicher Cocktail, Süddeutsche Zeitung, 7. Juli 2009
  25. Monsanto-Herbizid in der Kritik, Agrarzeitung Online, 9. Juli 2009.
  26. Antwort von Ilse Aigner auf abgeordnetenwatch.de
  27. Rick A. Relyea: The lethal impact of roundup on aquatic and terrestrial amphibians
  28. Rick A. Relyea, Nancy M. Schoeppner, Jason T. Hoverman: Pesticides and amphibians: The importance of community context. Ecological Applications, Vol. 15, Issue 4 (August 2005), S. 1125–1134
  29. Safe Use of Glyphosate-containing Products in Aquatic and Upland Natural Areas