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Brun Candidus von Fulda

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Brun (auch Bruun) Candidus (* ca. 770–780; † 845), Maler und Schriftsteller, war Priestermönch im Kloster Fulda, wo er als Urkundenschreiber 811 bis 813 mehrfach belegt ist. Er ist zum einen Verfasser zweier Abtsbiographien, der verlorenen Vita Abt Baugulfs von Fulda und der erhaltenen Vita Abt Eigils von Fulda, die er seinem Mitbruder Reccheo Modestus widmete. (Weitere unter dem Namen Candidus überlieferte theologische Werke stammen dagegen von dem Alkuinschüler Candidus Wizo.) Zum anderen ist er ein Hauptmeister der Fuldaer Malschule des 9. Jahrhunderts.

Leben

Brun Candidus scheint etwas älter als Hrabanus Maurus gewesen zu sein und dürfte daher in den siebziger Jahren des 8. Jahrhunderts geboren sein. Nach eigener Angabe wurde er im Kloster erzogen, muss also als Oblate von seinen Eltern bereits als Kind dem Kloster übergeben worden sein. Dort muss er die Klosterschule durchlaufen haben und durch besondere Begabung aufgefallen sein. Deshalb wurde er von dem dritten Fuldaer Abt Ratgar, der sich im Rahmen der karolingischen Renaissance um die Hebung des Bildungsniveaus seines Klosters bemühte, zur Vervollständigung seiner Bildung an die Hofschule zu einer der vielseitigsten Figuren am Hof Karls des Großen, dem Leiter der Hofwerkstätten und späteren Kaiserbiografen Einhard gesandt. Von 811 bis 813 ist er als Urkundenschreiber belegt. Auch ein Codex der Benediktsregel (Würzburg, Universitätsbibl., M.p.th.q.22) von seiner Hand hat sich erhalten. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde er zum Priester geweiht. Innerhalb der Klosterhierarchie zählte Brun Candidus seither als einer der Gebildetsten und Einhardschüler zur engsten Führungsschicht, denn er nennt sich magister, was eine Rangbezeichnung zu sein scheint, die nicht notwendig eine Lehrtätigkeit einschließt, und leitete zuletzt eines der sogenannten officia, d. h. ein Zentrum der Wirtschaftsverwaltung außerhalb des Hauptklosters. Er mag dort auch eine der Fuldaer scholae exteriores, Schulen für Nichtangehörige des Konvents, geleitet haben. Zumindest fortgeschrittene Schüler hatte er jedoch nicht, klagt er doch in der Vorrede, er habe niemanden, mit dem er über theologische Themen diskutieren könne. Außerdem verfügte er nach eigenen Angaben über enge persönliche Kontakte zu Eigil und Hrabanus Maurus, von dem er zur Abfassung der Vita Abt Eigils angeregt worden war. In der Krisensituation von 817, die zum Sturz Abt Ratgars führte, spielte er trotz der scharfen Kritik, die er später in seiner Vita Abt Eigils an Ratgars Amtsführung übte, offenbar eine Vermittlerrolle, denn er scheint es gewesen sein, der die aus dem Kloster geflohenen Brüder zur Rückkehr veranlasste.[1] Möglicherweise spekulierte er zur Zeit der Abfassung dieser Biografie auf die Nachfolge seines Abtes Hrabanus Maurus, dessen Stellung durch seine Parteinahme im Streit zwischen den Söhnen Ludwigs des Frommen zugunsten des erstgeborenen Kaiser Lothar I. und gegen Ludwig den Deutschen, in dessen Machtbereich das Kloster Fulda lag, immer unhaltbarer wurde.[2] Doch setzte sich Abt Hatto durch. Zu 845 erscheint Bruns Name in den Fuldaer Totenannalen.

Werk

Die Vita Abt Eigils

Die Vita Abt Eigils, als vierter Fuldaer Abt Nachfolger des 817 aufgrund schwerwiegender Zerwürfnisse mit dem Fuldaer Konvent abgesetzten Ratgar und Vorgänger des berühmten Hrabanus Maurus, ist ein literarisches Monument von erheblicher historischer und literaturgeschichtlicher Bedeutung. Sie ist zum einen eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte Fuldas im Zeitalter der sogenannten anianischen Klosterreform, die im Auftrag Kaiser Ludwigs des Frommen von Benedikt von Aniane mit dem Ziel der reichsweiten Vereinheitlichung der Mönchsregeln und monastischen Consuetudines, den ergänzenden Bestimmungen, vorangetrieben wurde. Zum anderen ist sie ein hochinteressantes literarisches Monument der karolingischen Renaissance, das höchsten formalen und stilistischen Anforderungen genügen sollte. Formgeschichtlich handelt es sich um ein sogenanntes Opus geminum, d. h. ein Werk, das denselben Stoff doppelt, einmal in Prosa, einmal in Versen, abhandelt. Darüber hinaus hat Brun Candidus das zweite, in Hexametern verfasste Buch der Vita Aegil abbatis Fuldensis mit einem Bildzyklus ausgestattet. Damit ist sie die älteste bekannte illustrierte Biographie. Dieses allein erhaltene Werk stellt noch in manch anderer Hinsicht ein Formexperiment dar, denn es integriert zwei Kaiserreden, eine Erzbischofsrede (Buch I), Weihenotizen in Prosa sowie Altartituli und Epitaphien in Distichen sowie Versifikationen des Te Deum in Hexametern und des Gloria in Terentianeen (Buch II). Widmungsbrief, Kapitelverzeichnis und ein Widmungsgedicht in dem erlesenen Versmaß des Terentianeus markieren den Anspruch des Autors. Dieser beruft sich auf kein geringeres Vorbild als den Figurengedicht-Zyklus zum Lob des heiligen Kreuzes De laudibus sanctae crucis des Hrabanus Maurus, das wohl ambitionierteste Werk der ganzen Epoche, das ebenfalls in Prosa und Vers abgefasst ist und bei dem Zahlensymbolik und biblische Allegorien eine ähnlich wichtige Rolle spielen. Allerdings ist die Vita Eigils nicht als Figurengedicht angelegt, sondern begnügt sich mit textbegleitender Illustration. Von architekturhistorischem Interesse ist eines der ersten bekannten Beispiele für die Auslegung der Bausymbolik einer Kirche, der Michaelskirche in Fulda, das sich in Buch I findet. Der über einer Krypta mit Mittelsäule auf acht Säulen errichtete Gewölbezentralbau wird als Abbild der von Christus (Mittelsäule) begonnenen, durch die von ihm gestiftete Kirche (acht Säulen) weitergeführten und bei seiner Wiederkunft dereinst zu vollendenden (Schlussstein) Heilsgeschichte gedeutet. Die Achtzahl ist Zeichen der Auferstehung, die Ringform Zeichen der Ewigkeit. Von historischem Interesse ist der in Buch I ausführlich und lebendig dargestellte Streit um die Wahl des Nachfolgers des gestürzten Abtes Ratgar. Brun Candidus zeigt zum einen ein durch die Reformgeschichte geschärftes Bewusstsein für historische Veränderungen, zum anderen eine in dieser Zeit ungewöhnliche Selbstreflexivität von hohem Niveau. Die Vita versteht sich als Abts- und als Klosterspiegel. Dabei herrscht in Buch I, der Prosafassung, die moralische, in Buch II, der Versfassung, die heilsgeschichtliche Ausdeutung des Geschehens vor, worin der Sinn der Doppelform zu erblicken ist.[3]Die einzige Handschrift ist bei der Zerstörung der Fuldaer Bibliothek im dreißigjährigen Krieg vernichtet worden, so dass nur der Erstdruck der Vita durch den Jesuiten Christoph Brouwer in seinen Sidera illustrium et sanctorum virorum (Albinus, Mainz 1616) den Text vor dem Untergang bewahrt hat. Brouwer hat auch in seinen Antiquitatum Fuldensium libri IV (Plantinus Moretus, Antwerpen 1612) drei der Abbildungen, darunter die auf Psalm 21 rekurrierende allegorische Darstellung Abt Ratgars als Einhorn, eine der frühesten Darstellungen dieses Tieres, durch Kupferstichreproduktionen überliefert.[4]

Malerisches Werk

Brun Candidus war zur Vervollkommunung seiner Ausbildung von Abt Ratgar einst zu dem Biographen Karls des Großen Einhard gesandt worden, der als Leiter der kaiserlichen Werkstätten auch in künstlerischen Belangen über große Kompetenz verfügte. Nach eigenem Zeugnis (Vita Aegil II c. 17, 131–137) hatte Brun Candidus außer den Illustrationen zur Vita Abt Eigils auch die Westapsis der 819 geweihten Ratgar-Basilika ausgemalt. Wahrscheinlich entsprach dieses Apsisgemälde ikonographisch dem zum Fest Allerheiligen in den Fuldaer Sakramentaren des 10 Jahrhunderts überlieferten Bildtypus, einer Anbetung des Lammes durch die himmlischen Heerscharen, deren unterste Reihe die Mönche einnehmen. Für diese ottonischen Sakramentare können karolingische Vorbilder vermutet werden, die ihrerseits wieder auf die prominente Apsismalerei zurückgingen.[5] Brun Candidus muß daher der oder einer der Hauptmeister der Fuldaer Malschule gewesen sein, die durch hervorragende Werke der Buchmalerei, vor allem Evangeliare, bezeugt wird, und gehört somit zu den wenigen namentlich bekannten Künstlerpersönlichkeiten des Frühmittelalters.

Literatur

  • Gereon Becht-Jördens: Die Vita Aegil abbatis Fuldensis des Brun Candidus. Ein Opus geminum aus dem Zeitalter der anianischen Reform in biblisch-figuralem Hintergrundstil. (Fuldaer Hochschulschriften 17). Josef Knecht, Frankfurt am Main 1992.
  • Gereon Becht-Jördens: Die Vita Aegil des Brun Candidus als Quelle zu Fragen aus der Geschichte Fuldas im Zeitalter der anianischen Reform. In: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 42, 1992, S. 19–48.
  • Gereon Becht-Jördens: Text, Bild und Architektur als Träger einer ekklesiologischen Konzeption von Klostergeschichte. Die karolingische Vita Aegil des Brun Candidus von Fulda (ca. 840). In: Gottfried Kerscher (Hrsg.): Hagiographie und Kunst. Der Heiligenkult in Schrift, Bild und Architektur. Dietrich Reimer, Berlin 1993, S. 75–106.
  • Gereon Becht-Jördens: Vita Aegil abbatis Fuldensis a Candido ad Modestum edita proasa et versibus. Ein Opus geminum des IX. Jahrhunderts. Einleitung und kritische Edition. Selbstverlag, Marburg 1994.
  • Gereon Becht-Jördens: Litterae illuminatae. Zur Geschichte eines literarischen Formtyps in Fulda. In: Gangolf Schrimpf (Hrsg.): Kloster Fulda in der Welt der Karolinger und Ottonen (Fuldaer Studien 7). Josef Knecht, Frankfurt am Main 1996, S. 325–364.
  • Franz Brunhölzl: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Bd. 1. Wilhelm Fink, München 1975, S. 341–343; S. 557.
  • Christine Ineichen-Eder: Künstlerische und literarische Tätigkeit des Brun Candidus von Fulda. In: Fuldaer Geschichtsblätter 56, 1980, S. 201–217; auch in: Winfried Böhne (Hrsg.): Hrabanus Maurus und seine Schule. Festschrift der Rabanus-Maurus-Schule 1980. Selbstverlag, Fulda 1980 (ohne Anmerkungen, aber mit Bildmaterial).
  • Mechthild Sandmann: Artikel: Brun Candidus. In: Karl Schmid (Hrsg.): Die Klostergemeinschaft von Fulda im früheren Mittelalter (Münstersche Mittelalterschriften 8), hier Bd. 2.1, S. 238 f.

Einzelnachweise

  1. Becht-Jördens: Die Vita Aegil des Brun Candidus als Quelle (s. unten: Literatur) S. 23 f.
  2. Gereon Becht-Jördens: ebd. S. 47f.
  3. Gereon Becht-Jördens: Litterae illuminatae (s. unten: Literatur) S. 343–352
  4. Gereon Becht-Jördens: ebd., S. 346 f.; Abb. 2.
  5. Gereon Becht-Jördens: Litterae illuminatae (wie oben) S. 347–351; Christine Sauer: Allerheiligenbilder in der Buchmalerei Fuldas. In: Gangolf Schrimpf (Hrsg.): Kloster Fulda in der Welt der Karolinger und Ottonen (Fuldaer Studien 7). Josef Knecht, Frankfurt am Main 1996, S. 365–402, hier Abb. 1–3)