Wiener Neustädter Altar

Der Wiener Neustädter Altar in der Domkirche St. Stephan zu Wien, der auch „Friedrichsaltar“ genannt wird, ist ein Pentaptychon, ein Wandelaltar mit einem Hauptschrein, zwei beweglichen Außen- und zwei beweglichen Innenflügeln. Der Schrein ist mit Skulpturen versehen, die Vorderseiten der Innenflügel sind mit Reliefs, die übrigen Flügelseiten mit Gemälden geschmückt. Die Schnitzarbeiten sind teils farbig gefasst, teils vergoldet. Der Altar ist ein Marien- und ein Allerheiligenretabel.
Geschichte
Der Altar gilt als Stiftung von König Friedrich IV., dem späteren Kaiser Friedrich III., für die Kirche des Zisterzienserstifts Neukloster in Wiener Neustadt. Auf der Predella des Altars ist zweifach die Aufschrift 1447 A.E.I.O.U. angebracht. Mit der Datierung auf 1447 ist er der älteste Doppelflügelaltar, der in Österreich noch erhalten ist. A.E.I.O.U. ist ein habsburgischer Wahlspruch, den König Friedrich IV. als Signatur verwendete. Friedrich hatte seine Residenz in Wiener Neustadt und ist auch Stifter des Zisterzienserklosters. Die Forschung geht davon aus, dass das Retabel mit seiner Schreinarchitektur, den Skulpturen und Gemälden um 1447 in der Werkstatt des Friedrichsmeisters gefertigt wurde, die wohl in Wiener Neustadt zu lokalisieren ist.[1]
Der Friedrichsaltar blieb bis ins 19. Jahrhundert an seinem ursprünglichen Aufstellungsort. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurde das Neukloster 1881 dem Stift Heiligenkreuz inkorporiert. Dessen Abt Heinrich Grünbeck entschloss sich zum Verkauf des Retabels an das Domkapitel von Sankt Stephan in Wien, um es vor dem Verfall zu retten. So kam der Altar 1884 in den Wiener Stephansdom, wo er nach einer Restaurierung 1885 zuerst im Apostelchor aufgestellt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Dom schwer beschädigt und der Wiener Neustädter Altar fungierte im Osten des Langhauses als Hochaltar. Im Jahre 1950 wurde er erneut restauriert und 1952 in den Frauenchordes Domes versetzt. Bei diesen beiden Renovierungen wurde aufgrund mangelhafter Kenntnisse der Originalzustand des Retabels verändert, das harmonische Aussehen erheblich beeinträchtigt Die letzte Restaurierung dauerte von 1986 bis 2004, kostete 1.300.000 Euro und hatte zum Ziel, den Originalzustand wiederherzustellen.
Beschreibung
Der Wandelaltar hat zwei bewegliche Außen- und zwei bewegliche Innenflügel, die einen Wechsel zwischen drei Schauseiten ermöglichen. Sowohl die Außenflügel als auch die Rückseiten der Innenflügel sind bemalt. Die Vorderseiten der Innenflügel und der Hauptschrein sind mit Schnitzwerk versehen. Die Schnitzfiguren des Retabels bestehen aus Lindenholz, die Architekturteile aus Fichtenholz. Die Höhe des Retabels einschließlich der Predella beträgt viereinhalb, die Breite bei geöffneten Flügeln etwa fünfeinhalb Meter. Damit ist es eines der größten gotischen Flügelretabel in Österreich. Ursprünglich hatte der Altar mit Mensa und Gesprenge eine Gesamthöhe von etwa zehn Metern. Das Gesprenge ist verloren gegangen, die Mensa steht noch in der Neuklosterkirche in Wiener Neustadt.
Grundlegendes Programm für die Ausgestaltung des Altares ist die Allerheiligenlitanei. Das wird vor allem an der Alltags- und der Sonntagsseite deutlich, wo auf 72 Plätzen mehr als 72 Heilige dargestellt werden. Die Litanei beginnt mit der Anrufung der Dreifaltigkeit und Mariens. Das Retabel, das der Heiligsten Dreifaltigkeit geweiht ist, zeigt auf der Festtagsseite Tod, Aufnahme Mariens in den Himmel durch Christus und neben der Krönung Mariens durch Gottvater eine trinitarische Marienkrönung.
Geschlossene Schauseite (Alltagsseite)
Flügel

Auf der Alltagsseite dominieren die Farben, Vergoldungen kommen eher spärlich vor. Als verbindendes Element wirkt der einheitlich rote Holzrahmen um Malereien. Die geschlossenen Flügel sind in acht rechtecke Tafeln unterteilt die mit Darstellungen von Heiligen gefüllt sind:
- Katharina, Helena, Margareta (17)
- Apollonia, Barbara, Dorothea (18)
- Lucia, Anna selbdritt, Maria Magdalena (19)
- Kunigunde, Ursula, Afra (20)
- Odilia, Elisabeth von Thüringen, Cäcilia (?) (21)
- Leodegar (?), Unbekannter Heiliger, Erhard von Regensburg (?) (22)
- Ladislaus I. (König von Ungarn), Emmerich (ungarischer Prinz), Stephan I. (König von Ungarn), (23)
- Jodok (Einsiedler und Pilger), Unschuldige Kinder, Theobald von Provins (Einsiedler) (24)
Predella
Die geschlossenen Flügel der Predella sind mit gemalten Szenen aus der Passion Christi geschmückt: Vorlage:Spalten
Schauseite mit geöffneten Außenflügeln (Sonntagsseite)

Die Flügel in 16 rechteckige Tafeln unterteilt, die mit gemalten Darstellungen von Aposteln und Heiligen gefüllt sind: Vorlage:Spalten
Schauseite mit geöffneten Innenflügeln (Festtagsseite)
Hauptschrein

Der Hauptschrein besteht aus einem oberen und unteren Teil mit bemalten Holzfiguren. Im oberen Teil wird die Krönung Mariens durch die Dreifaltigkeit (I.) dargestellt, im unteren Bereich (II.) ist von links nach rechts die gekrönte Heilige Barbara mit einem kleinen Turm in ihrer rechten Hand und stehend auf einem kleinen Mann, die Heilige Jungfrau mit spielendem Kind, ihre Füße ruhend auf dem Halbmond, sowie die Heilige Katharina mit ihrem Attribut dem Schwert abgebildet. Die Baldachinfigürchen (von unten nach oben) sind links Jakobus, Judas Thaddäus (?) und Johannes, rechts Andreas, Paulus und Petrus. Über dem Schleierbrett (von links nach rechts) sind Statuen von Benedikt und Bernhard, zwischen den Bögen des Schleierbrettes im Baldachin ist eine Heilige Nonne und ein Heiliger mit Kelch. In der unteren Hälfte befinden sich vier Engel.
Flügel
Auf den geöffneten Innenflügeln sind Reliefs mit Motiven aus dem Leben von Maria und Jesus angeordnet: Vorlage:Spalten
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Linker Seitenflügel oben: Krönung Mariens durch Gottvater
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Hauptschrein oben: Krönung Mariens durch die Dreifaltigkeit
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Rechter Seitenflügel oben: Tod Mariens
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Linker Seitenflügel unten: Geburt Christi - Linker Predellenflügel: Mariä Verkündigung und Mariä Heimsuchung
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Hauptschrein unten: Hl. Barbara, Maria mit Kind, Hl. Katharina
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Rechter Seitenflügel unten: Anbetung der Könige - Rechter Predellenflügel: Geburt Christi und Anbetung der Könige
Predella

Nach Öffnung der Flügel ist der figurlose Schrein der Predella sichtbar. Er weist acht gotische, goldumrahmte Maßwerkfenster auf rotem Hintergrund auf, hinter denen Reliquien aufbewahrt wurden. Die Jahreszahl 1447 und der Schriftzug A.E.I.O.U. sind zweimal in schwarzer Schrift auf kleinen weißen Tafeln oben in der Mitte zu erkennen.
Die Flügel der geöffneten Predella zeigen ebenfalls Motive aus dem Leben von Maria und Jesus: Vorlage:Spalten
Literatur
- von Baldass, Ludwig. Der Wiener Schnitzaltar. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien NF IX (1935).
- Benesch, Otto. Der Meister des Krainburger Altares. In: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte VII (1930), S. 120.
- Benesch, Otto. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch. Westdeutsches Jahrbuch für Kunstgeschichte NF 1 (1930), S. 66.
- Buchowiecki, Walther. Geschichte der Malerei in Wien. In: Geschichte der Stadt Wien, Neue Reihe VIII, S. 24.
- Demus, Otto. Der Meister von Gerlamos. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien NF XII (1938), S. 103.
- Garzarolli-Thurnlackh, Karl. Die steirischen Malerschulen bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts. In: Das Joanneum 3 (1943), S. 217.
- Oettinger, Karl. "Meister des Friedrichsaltares von 1447": In: Jahrbuch der preussischen Kunstsammlung 58 (1937), S. 227ff.
- Pächt, Otto. Österreichische Tafelmalerei der Gotik (Augsburg u.a. 1929), S. 71.
- Stange, Alfred. Deutsche Malerei der Gotik, Bd. 11: Österreich und der ostdeutsche Siedlungsraum von Danzig bis Siebenbürgen in der Zeit von 1400 bis 1500 (München/Berlin 1961), S. 33f.
- Strohmer, Erich. "Die Malerei der Gotik in Wien". In: Richard Kurt DONIN, Geschichte der bildenden Kunst in Wien, Bd. 2: Gotik (Wien 1955), S. 190.
- Zykan, Marlene. Der Stephansdom. Wien, Hamburg 1981. ISBN: 3-552-03316-5
- Der Stephansdom. Geschichte, Denkmäler, Wiederaufbau. Ausstellung veranstaltet von der Dom-und Metropolitankirche zu St. Stephan im Österreichischen Museum für angewandte Kunst, Wien. Sept.-Nov. 1948. Hrsg. von Rudolf Bachleitner (Wien 1948), S. 63. Nr. 199, 200.
- Geschichte und Beschreibung des St. Stephansdomes in Wien. Bearbeitet von Hans Tietze. Mit Planaufnahmen von Michael Engelhart (= Österreichische Kunsttopographie 23, Wien 1931), S. 273ff.
- Meister des Friedrich-Altares von 1447. In: Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 37 (Leipzig 1950), S.108.
- Österreichische Galerie Belvedere (Hrsg.): Der Wiener Neustädter Altar in St. Stephan in Wien (Wien 2004)
Einzelnachweise
- ↑ Der Wiener Neustädter Altar in St. Stephan in Wien, Seite 7
Weblinks
- Der Wiener Neustädter Altar. "Unser Stephansdom" - Verein zur Erhaltung des Stephansdoms, abgerufen am 11. September 2009.
- Alois Penall, Gerhard Bittner: Wiener Neustädter Altar im Dom von St. Stephan, Wien. In: Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums. N.F. 29. Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Kulturreferat, , S. 401, abgerufen am 11. September 2009 (Ausstellung Friedrich III. Kaiserresidenz Wiener Neustadt.).
Koordinaten: 48° 12′ 30″ N, 16° 22′ 22″ O