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Ansiedlung der Banater in Frankreich

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Die Ansiedlung der Banater in Frankreich der während des Zweiten Weltkriegs nach Österreich geflüchteten Banater Schwaben und insbesondere die Ansiedlung in dem Bergdorf La Roque sur Pernes in der Provence ist ein ganz besonderer Aspekt der Fluchtwelle, die in Rumänien nach dem Frontenwechsel vom 23. August 1944 in Gang gesetzt wurde.

Politische Situation

Nach dem Frontwechsel Rumäniens am 23. August 1944 entstand für die Banater Deutschen eine völlig neue Lage. Es wurden Vorbereitungen zur Evakuierung der deutschen Bevölkerung aus großen Teilen des Banats und Nordsiebenbürgens getroffen. Die sich auf dem Rückzug befindenden deutschen Truppen riefen die Bevölkerung zur Flucht auf. Bereits am 15., 16. und 17. September 1944 setzten sich die ersten Wagenkolonnen der Flüchtlinge in Marsch. Die meisten der Flüchtlinge verbrachten den Winter 1944/1945 in Niederösterreich, wo sie bei Bauern untergebracht wurden. Im Frühjahr 1945 zog der Großteil von ihnen in Richtung Westen weiter, manche kehrten aber auch in ihre Heimat zurück.

Österreich war nach dem Krieg wie Deutschland in vier Besatzungszonen eingeteilt. In Wien residierte ein Alliierter Kontrollrat. Die Alliierten blieben auch nach der Bildung einer österreichischen Regierung für die Anliegen der Flüchtlinge zuständig. Einer österreichischen Bevölkerung von 6 Millionen Menschen standen etwa 1,6 Millionen Flüchtlinge gegenüber. Österreich hoffte auf die Durchführung der Potsdamer Beschlüsse, die eine Rückführung der Volksdeutschen nach Deutschland vorsahen, und unternahm keine Anstrengungen, diese Bevölkerungsgruppe zu integrieren.

Situation der Flüchtlinge

Die Flüchtlinge waren staatenlos und mussten sich wiederholt um eine Aufenthaltsgenehmigung bemühen, da deren Gültigkeit auf maximal zwei Monate beschränkt blieb. Zur Arbeitsaufnahme benötigten sie eine Arbeitserlaubnis, wofür aber ein Gleichstellungsschein erforderlich war. Volksdeutsche Studenten mussten die dreifache Studiengebühr im Vergleich zu einem österreichischen Studenten entrichten. Ein Gewerbe auszuüben war nur aufgrund einer förmlichen Zulassung durch den Landeshauptmann möglich. Auch die örtlichen Behörden nutzten vielerorts die Möglichkeit zur Verabschiedung von Restriktionen zum Schutz der Einheimischen. Wie auch in Deutschland, waren es in Österreich die Kirchen und kirchliche Organisationen, die auf Besatzungsmächte und Behörden einwirkten, um die Situation der Flüchtlinge zu verbessern. Nachbarstaaten wie Jugoslawien stellten Anträge auf Rückführung ihrer Staatsbürger, die mit Deutschland kollaboriert hatten. Die Sowjetunion meldete den Bedarf von Arbeitskräften für den Wiederaufbau ihres Landes an, aus den Heimatstaaten der Volksdeutschen kamen Nachrichten von Deportationen, Verschleppungen und Enteignungen.

Appell an Frankreich

In dieser schwierigen Situation ergriff der 1909 in Blumental geborene Johann Lamesfeld, dessen Vorfahren aus dem lothringischen Thionville nach Großsanktnikolaus ausgewandert waren, die Initiative, um seinen Landsleuten zu helfen. Er nutzte die Tatsache, dass die Vorfahren vieler Banater Schwaben aus dem Elsass und aus Lothringen stammten, mitunter also französischer Herkunft waren. Bei der Suche nach Möglichkeiten zur Unterstützung seiner Landsleute in Österreich wurde Johann Lamesfeld von Offizieren der französischen Besatzungsmacht unterstützt. Sie halfen ihm bei der Einrichtung eines Büros in Wien, in dem die Banater für eine Auswanderung nach Frankreich erfasst wurden. Als in der sowjetischen Besatzungszone der Befehl erging, alle Volksdeutschen zu registrieren und in mehreren Ortschaften Züge mit leeren Viehwaggons eintrafen, ließ Lamesfeld Ausweise des Komitees der Banater Elsass-Lothringer drucken, die den Inhaber als Franzosen aus dem Banat auswiesen. Französische Offiziere, die zur Archivarbeit nach Wien abkommandiert worden waren, berichteten, dass tatsächlich viele Elsässer und Lothringer im 18. Jahrhundert ins Banat gezogen waren. Die französische Besatzungsmacht ermöglichte den Banatern, aus der sowjetischen Zone über die amerikanische Zone in die französische Besatzungszone zu ziehen. Das Lager Kematen in Tirol wurde zum großen Sammelpunkt der Banater Flüchtlinge.

Ausführung der Aktion

In einem Brief, der in den Saum des Rockes einer Trachtengruppe eingenäht war, schmuggelten die Banater einen Brief an den französischen Premierminister Robert Schumann. Adressat: Robert Schumann, Premierminister von Frankreich. Absender: Johann Lamesfeld, Präsident des Komitees der aus Frankreich stammenden Banater. In dem Brief bat Lammesfeld Schumann um die Erlaubnis der aus dem Elsass und aus Lothringen stammenden Banater sich in Frankreich niederlassen zu dürfen. Die Antwort kam nach zwei Wochen: „Ich habe ihre Puppe und ihren Brief erhalten. Ich als Lothringer kenne die Geschichte der Banater, und ich werde dafür sorgen, dass sie – meine Banater Landsleute – eine neue Heimat in Frankreich finden.“ Es gelang Robert Schuman, die von ihm geführte französische Regierung für das Projekt der Ansiedlung der Banater in Frankreich zu gewinnen. Am 17. Juli 1948 beschloss der französische Ministerrat die Ansiedlung der Banater in Frankreich durchzuführen. Die Transporte begannen im November 1948 und dauerten bis April 1949 an. Die Züge fuhren von Bregenz ab und überqueren bei Kehl die Grenze nach Frankreich. Gut 10 000 Banater, die sich beim Komitee als Banater registrieren ließen, waren bis zu diesem Zeitpunkt aus allen österreichischen Besatzungszonen nach Frankreich gezogen. In Colmar organisierte die Stadt auf Initiative des Zeitungsverlegers Maxim Felsenstein am 10. Juli 1949 ein großes Fest für die „Heimkehrer“.

Eingliederung

Die Banater Siedler in Frankreich ließen sich auf den Weingütern in Mittelwihr und Benwihr nieder, sie zogen in die Industrieregionen des Landes, sie nutzten aber auch die Möglichkeit, von hier aus nach Deutschland oder in die USA auszuwandern. Am leichtesten fiel der Start den Handwerkern, schwieriger war es für die Bauern, die nur als Landarbeiter ihr Auskommen fanden. Schwer war der Start für Lehrer und Intellektuelle. Ihre Zeugnisse wurden nicht anerkannt, es fehlten die nötigen Sprachkenntnisse, um an der Ausbildung entsprechend arbeiten zu können.

La Roque sur Pernes

Lammesfeld war von der Idee ein Dorf zu finden, in dem seine Landsleute ihren eigenen Grund und Boden bearbeiten können, getrieben. Das Dorf wurde in der Provence gefunden, wo ein alter Lothringer Bauer, den es in den Kriegswirren nach La Roque verschlagen hatte, in den Neuesten Nachrichten aus Colmar von Banatern las, die Land suchten. Der Lothringer legte den Zeitungsartikel dem Bürgermeister von La Roque, Edouard Delebecque, vor. Dieser schrieb umgehend den Ministerpräsidenten, Robert Schumann, an und wies ihn auf die Möglichkeit hin, in La Roque die ehemaligen Lothringer aus dem Banat anzusiedeln. Im Jahre 1950 präsentierte sich La Roque als untergehendes Dorf. Im Ort lebten gerade noch 17 vorwiegend alte Leute. Mit dem Bürgermeister von La Roque und dem Präfekten gründete Lamesfeld vor Ort ein Hilfskomitee, das sich für die Siedler einsetzte. 300 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Kirche und Gesellschaft in der Region gehörten ihm an. Die Siedler kamen aus Kubin, Homolitz und Ploschitz, aus Banat, Brestowatz und Tschawosch, aus Temeswar und Kleinbetschkerek, aus Sackelhausen, Lenauheim und Großsanktnikolaus. In der Kirche von La Roque befindet sich ein großformatiges Triptychon, 2,75 Meter lang, von der Malerin Marie-Louise Lorin, das die wichtigsten Stationen aus der Geschichte der Banater Schwaben darstellt: den Exodus, bedingt durch Krieg und Flucht; die Trecks und die Donau als Metapher für das Gehen und Kommen der Siedler, und La Roque als neue Heimat der Siedler.

Literatur

  • Auf der Suche nach Heimat. Die Banater in Südfrankreich ein halbes Jahrhundert nach ihrer Ansiedlung, Banater Post, 5. März 2005, Peter-Dietmar Leber
  • Der Wunsch nach einem eigenen Dorf als Ersatz für die verlorene Heimat. Die Banater in Südfrankreich ein halbes Jahrhundert nach ihrer Ansiedlung, Banater Post, 20. März 2005, Peter-Dietmar Leber
  • Das Wunder von La Roque sur Pernes. Die Banater in Südfrankreich ein halbes Jahrhundert nach ihrer Ansiedlung, Banater Post, 5. April 2005, Peter-Dietmar Leber
  • Oberläuter, Bruno: Banater siedeln in Südfrankreich. Eindrücke und Erlebnisse von einer Besuchsreise in La Roque-sur-Pernes. Salzburg 1957. 20 S.
  • Schramm, Josef: La Roque-sur-Pernes und seine Umgebung. Freiburg im Breisgau 1959. 25 S.
  • Lipp, Wolfgang: La Roque-sur-Pernes, Frankreich, Ort?, Jahr?, 20 Seiten, Kleinformat