Maschinenstürmer
Die Maschinenstürmer waren eine Protestbewegung gegen die Maschinisierung in der Industriellen Revolution. Im Kern der Bewegung stand der Protest der Arbeiter gegen kapitalistische Unternehmer, die die Maschinierung nutzten, um qualifizierte Arbeiter durch Ungelernte und Frauen zu ersetzen und die Löhne zu senken. Die Zerstörung von Maschinen waren häufig nur das Mittel, um gegen die Beschäftigung von Ungelernten und gegen Lohnkürzungen zu protestieren.[1]
Maschinenzerstörung als Mittel des Arbeitskampfes
Gegen den häufig erhobenen Vorwurf der Technikfeindlichkeit der Maschinenstürmer hat der britische Historiker Eric Hobsbawm in seinem Aufsatz "The Machine Breakers"[2] argumentiert, dass die Zerstörung der Maschinen den Arbeitern auch als Druckmittel zur Abwehr von Lohnsenkungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen gedient hätte, da sie zur damaligen Zeit zur Durchsetzung ihrer kollektiven Interessen keine legalen Mittel, wie Arbeitskampf und Tarifverhandlungen, zur Verfügung hatten. Die Zerstörung von Produktionsmitteln löste auch das virulente Solidarisierungsproblem in Arbeitskämpfen, da eventuelle Streikbrecher nicht weiterarbeiten konnten.
Der Widerstand gegen die Maschinen, so Hobsbawm, "was quite conciuosly resistance to the machine in the hands of the capitalist" (war ganz bewusst Widerstand gegen die Maschine in den Händen des Kapitalisten).[3] So bezeichnet Hobsbawm den Maschinensturm als eine Form der „Kollektivverhandlung durch Aufruhr“ ("collective bargaining by riot"). Auch der deutsche Sozialhistoriker Rolf Peter Sieferle dokumentiert zahlreiche Fälle des Maschinensturms bereits im 18. Jahrhundert, denen gemeinsam war, „dass sie im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen stattfanden“ und - bei Abwesenheit von Gewerkschaften - als "wichtiges Druckmittel zur Durchsetzung von (Lohn-)Forderungen"[4] diente.
Schwerpunkt des sogenannten Maschinensturms war England, aber auch in Deutschland und der Schweiz kam es zu ähnlichen Protesten.
England
Siehe Hauptartikel: Luddismus
Die bekanntesten englischen Maschinenstürmer waren die Ludditen. Der Maschinensturm war für sie gut kalkulierte Politik, da sie alle anderen Mittel des Protests gegen die industrielle Revolution als gescheitert ansahen. Gewalt wurde organisiert und diszipliniert eingesetzt. In Mittel- und Unterschicht erfuhren die Ludditen viel Sympathie.
Hauptsächlich Weber und Spinner taten sich zusammen, zerstörten Webstühle und Fabriken. Dies erfolgte oft in Form von Sabotage. Sie ermordeten sogar Erfinder, von denen sie sich um Lohn und Brot gebracht glaubten.
Am bekanntesten wurde der Aufstand der englischen Ludditen, benannt nach ihrem Anführer Ned Ludd (Ludlam), der sich seinem Vater (oder Meister) widersetzte und aus Protest die Nadeln in dessen Strumpffabrik zerbrach. Andere Quellen betiteln "Captain" oder "General Ludd" als Anführer der ersten Proteste.
1811/1812 kam es zu einem regelrechten Aufruhr in Nottingham, den der englische Staat durch 12.000 Soldaten niederschlagen ließ. Erst ein Gesetz ("frame-breaking-bill"), das Maschinensturm unter Todesstrafe stellte und die Forderungen der Ludditen erfüllte, brachte ein Ende in Nottingham.
Später wurden die Erleichterungen allerdings wieder zurückgenommen. "Ludd" und die anderen Anführer wurden zum Tode verurteilt. Die anderen Aufständischen wurden nach Australien deportiert. Solche Strafen, wie auch mehrjährige Gefängnisstrafen, waren in England üblich.
1816 folgten weitere "Ludditen-Unruhen", aufgrund einer erneuten Verschlechterung der Arbeitersituation.
Die letzten englischen Maschinenstürmer gab es in den 1830er Jahren in der Landwirtschaft. Hier stand ein "Captain Swing" im Kampf gegen die Dampfmaschine in der Agrarwirtschaft.
Deutschland
In Deutschland kam es zwischen 1815 und 1849 ebenfalls zu Maschinenstürmen, allerdings in geringerem Umfang, so dass hier besser von „Maschinenprotest“ als Maschinensturm zu sprechen ist. Protest, Gewalt und Aufruhr ging im wesentlichen von hochqualifizierten und gut bezahlten Handwerker-Arbeitern aus und richtete sich dabei selten gegen die Maschinen als solche, sondern eher gegen die ausländische Konkurrenz aus England, Frankreich und Belgien. Diese überschwemmte den deutschen Markt und verdarb die Preise.
In Deutschland fielen die juristischen Konsequenzen, die sich meist nur gegen die Rädelsführer richteten, im Vergleich zu England insgesamt milde aus.[5] Man analysierte die Unruhen und stellte Missstände in den Arbeitsbedingungen fest. Teilweise bemühte man sich um die Aufstellung einer Fabrikenordnung, um die Missstände zu beseitigen, doch diese "Aachener Fabrikenordnung" scheiterte am preußischen Staatsministerium.
In Eupen, Aachen und Schlesien (siehe auch Weberaufstand) sahen die Regierungen die Schuld für die Unruhen eindeutig bei den Fabrikanten, die z. B. durch zu niedrige Löhne indirekt zu den Unruhen beigetragen hatten.
Schweiz
Der bekannteste Fall eines Maschinensturms fand 1832 in Oberuster, der sogenannte Usterbrand, statt.
Literatur
- Martin Henkel / Rolf Taubert: Maschinenstürmer. Ein Kapitel aus der Sozialgeschichte des technischen Fortschritts. Syndikat, Frankfurt am Main 1979.
- Eric J. Hobsbawm: The Machine Breakers, In: Past and Present, No. 1 (Feb. 1952), pp. 57-70.
- David F. Noble: Maschinenstürmer oder die komplizierten Beziehungen der Menschen zu ihren Maschinen, Wechselwirkung-Verlag, Berlin 1986.
- Rolf Peter Sieferle: Fortschrittsfeinde? Opposition gegen Technik und Industrie von der Romantik bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 1984.
- Michael Spehr: Maschinensturm. Protest und Widerstand gegen technische Neuerungen am Anfang der Industrialisierung. Westfälisches Dampfboot, Münster 2000.
Belege
- ↑ Rolf Peter Sieferle: Fortschrittsfeinde? Opposition gegen Technik und Industrie von der Romantik bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 1984, S. 71.
- ↑ Eric Hobsbawm: The Machine Breakers. In: Ders.: Labouring Men. London 1964, S. 5-25.
- ↑ Eric Hobsbawm: The Machine Breakers. In: Labouring Men. London 1964, S.11.
- ↑ Rolf Peter Sieferle: Fortschrittsfeinde? Opposition gegen Technik und Industrie von der Romantik bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 1984, S. 69f.
- ↑ Michael Spehr: Maschinensturm. Protest und Widerstand gegen technische Neuerungen am Anfang der Industrialisierung. Westfälisches Dampfboot, Münster 2000