Kastell Favianis
Kastell Mautern | |
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Alternativname | Favianis, Fafianae |
Limes | Norischer Limes |
Abschnitt | Strecke 1 Noricum |
Datierung (Belegung) | flavisch, 1. bis 5. Jahrhundert n. Chr |
Typ | Infanterie- und Reiterlager (Auxilia), Flottenstützpunkt |
Einheit | a) legio X Gemina pia fidelis?, b) legio XIIII Gemina Martia victrix?, c) Cohors I Ubiorum (?), d) Cohors I Aelia Brittonum (Antoniana) ? e) Cohors II Batavorum, f) legio I Noricorum |
Größe | 3,6 – 5,25 ha |
Bauweise | a) Holz-Erde Kastell (mehrphasig), b) Steinkastell (mehrphasig) |
Erhaltungszustand | quadratische Anlage mit abgestumpften Ecken, Westmauer in den mittelalterlichen Befestigungen integriert, nordwestlicher Hufeisenturm bis zum 1. OG vollständig erhalten, Kellergeschoß eines östlichen Hufeisenturms erhalten, südwestlicher Fächerturm noch tw. erhalten, Teil der Südmauer in der Margaretenkapelle sichtbar, ein spätantiker Burgus oder ein Restkastell wird unter dem Nikolaihof vermutet |
Ort | Mautern an der Donau |
Geographische Lage | 48° 23′ 37,5″ N, 15° 34′ 39,5″ O |
Vorhergehend | Burgus Bacharnsdorf (westlich) |
Anschließend | Burgus Hollenburg (östlich) |

Kastell Favianis war vermutlich ein römisches Reiterlager und Flottenstützpunkt der Donauflotte (classis histriae) im heutigen Mautern an der Donau in Niederösterreich, Bezirk Krems-Land. Es war Teil der Sicherungsanlagen des Donaulimes der Provinz Noricum und vermutlich vom 1. bis ins 5. Jahrhundert mit römischen Truppen belegt. Das erstmals in der Notitia Dignitatum (ND) erwähnte, aber wahrscheinlich bereits seit der frühen Kaiserzeit bestehende Lager konnte archäologisch einwandfrei nachgewiesen werden. Das Kastellareal ist heute zwar fast zur Gänze durch die Altstadt überbaut, seine Umrisse sind aber noch immer im Stadtbild wahrnehmbar. Bedeutende Reste des spätantiken Kastells (siehe Steinperiode II) haben sich vor allem am westlichen Abschnitt der mittelalterlichen Wehranlagen und in der Margaretenkapelle erhalten.
Name
Der Ursprung und Bedeutung des antiken Kastellnamens konnte bis dato nicht mit Sicherheit eruiert werden. G.Rasch leitet den Kastellnamen von einem Personennamen, wie z. B. Favius, Faventius oder Favonis, ab. [1] Möglicherweise ist er auch auf die - vgl. dazu auch Comagena (Tulln) - hier zuerst stationierte Garnisonseinheit zurückzuführen. In diesem Fall könnte es sich dabei um eine cohors Faviana (oder auch Fabiana) gehandelt haben, die wohl nach ihrem ersten Kommandeur benannt war. Wie damals oft üblich wurde der Kastellname Zug um Zug auch auf die Zivilsiedlung übertragen und hielt sich bis in die Spätantike (castra Faviana oder Fabiana, das flavische Lager). Der antike Name des Kastells findet sich auch in der Notitia Dignitatum (ND), im Abschnitt des norischen Dux (Favianae). Nach Ende der Römerherrschaft wird der Ort (um 899) erstmals in den Fuldner Annalen als "Civitas Mutarensis" (d.h. die Siedlung der Mauteintreiber) erwähnt.
Lage
Am östlichen Ausgang des Durchbruchtales der Wachau fließt die Donau in ein weites Becken, das in der Antike noch eine sumpfige Aulandschaft mit zahlreichen Nebenarmen war, da der Strom mehrmals seinen Lauf geändert hat. Das Kastell stand auf einer tertiären Schotterbank und wurde, laut den Sedimentbefunden, offenbar mehrmals von größeren Hochwasserkatastrophen heimgesucht. Die Überreste des Kastells liegen heute fast zur Gänze unter der Altstadt von Mautern, es ist aber noch an einigen Stellen im aufgehenden Mauerwerk erhalten. Der Vicus breitete sich im Süden, im Osten und im Westen um das Lager aus und bedeckte ein Areal von ca. 22 ha, was ein Vielfaches der Kastellfläche war. Mehrere Gräberfelder konnten im Osten und Südosten festgestellt werden, vereinzelt finden sich auch Gräber an der Straße nach Mauternbach.
Favianis lag, ähnlich wie die Kastelle von Linz, Enns und Klosterneuburg, an einer für den damaligen Fernhandel wichtigen Querung über die Donau. Donauabwärts war ein Übersetzen aufgrund zahlreicher Nebenarme und sumpfiger Auen fast unmöglich, donauaufwärts versperrten die steilen und unwegsamen Abhänge der Wachau den Zugang zum Donauufer. Hier wurden u. a. die binnennorischen Eisen- und Salzhandelsrouten an die am Ostrand des Weinviertels entlangführende Bernsteinstrasse, an Routen die über das Kamptal in das Gebiet von Elbe-Moldau und an Handelswege die weiter Richtung Norden führten angeschlossen. Das Kastell kontrollierte also in erster Linie an diesem strategisch bedeutsamen Punkt die Furt über die Donau. Zudem überwachte es die Verbindung zwischen den oberösterreichischen und den um Wien liegenden Beckenlandschaften. Infolge des sumpfigen und unwegsamen Geländes zwischen Melk (Namare) und Mautern verlief die Limesstrasse hier nicht direkt am Donauufer, sondern einige Kilometer weiter südlich. Um die Wachturmkette an der Donau problemlos erreichen zu können, wurden von der Limesstraße aus Stichwege durch die Täler angelegt. Westlich von Favianis wurden z. B. zwei dieser Talwege durch Türme bei Bacharnsdorf und Rossatz-Windstallgraben gesichert. Die Reste so einer Straße (mit sehr ausgeprägten Spurrillen) kann man noch heute bei Mauternbach sehen. Das Kastell lag ebenfalls nicht direkt an der Limesstraße. Von hier aus ging es Richtung Osten zum nächsten größeren Lager Augustianis (Traismauer) und Richtung Süden nach Aelium Cetium (Sankt Pölten).
Geschichte und Funktion
Die Region um Favianis gehörte ab dem 2. Jahrhundert v.Chr. zum keltischen Regnum Noricum, nach dessen gewaltloser Vereinnahmung durch Rom zum Imperium Romanum . Mit der verwaltungsmäßigen Neuorganisation unter Kaiser Claudius fällt die Region schließlich an die Provinz Noricum. Favianis wird zwar zu den ältesten Kastellen am Donaulimes hinzugezählt, eindeutige archäologische Beweise für die Errichtung eines standardmäßigen Holz-Erde-Kastells in der Zeit der Flavier konnten allerdings bis dato nicht beigebracht werden.
In der Zeit zwischen den ersten und mittleren Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts erfolgte der Umbau in ein Steinkastell, vielleicht durch Angehörige der beiden oberpannonischen Legionen und der cohors I Aelia Brittonum (Steinkastell I). Wahrscheinlich in den Markomannenkriegen schwer beschädigt erfuhr die Anlage wiederum einige Umbauten. Über die Ereignisse rund um das Kastell im 3.Jahrhundert ist nichts bekannt. Favianis muss zu dieser Zeit noch ein bedeutendes Zentrum römischer Präsenz gewesen sein da ab der Regierung des Diokletian die Stationierung einer zweiten norischen Legion, der legio I Noricorum, an diesem Standort erwiesen ist. Wie allgemein am Donaulimes üblich wurde die Umwehrung des Kastells zu Anfang des 4.Jahrhunderts massiv verstärkt und modernisiert (Steinkastell II).
Das Ende von Kastell und Vicus wird in der Vita Sancti Severini überliefert, es wird in dieser Chronik als civitas oder oppidum bezeichnet hatte also offenbar seine ursprüngliche militärische Bedeutung als Grenzfestung im späten 5. Jahrhundert schon gänzlich verloren. Nur mehr eine kleine Besatzung unter Befehl eines Tribunen war für den Schutz der Siedlung und seiner Bevölkerung verfügbar. Diese Truppe hatte sich wohl in ein kleines Restkastell zurückgezogen das wahrscheinlich im Bereich des Nikolaihofes lag.
Als der Getreidenachschub unterbrochen wurde rief die Bevölkerung Severin zu Hilfe, dieser gründete daraufhin in Favianis ein Kloster und hielt sich danach dauerhaft hier auf. Ein aufgedecktes Gebäude mit apsidialer Mauer im Osten des Kastellareals könnten die Überreste der Klosterkirche sein, doch ist dies in der Forschung umstritten. Die Klostergründung erfolgte auch deswegen da die Residenz der örtlichen Machthaber, des germanischen Volkes der Rugier, direkt auf der anderen Seite der Donau lag. Ihr Einflussgebiet erstreckte sich wahrscheinlich bis in die Region um Lauriacum/Enns. In der Endphase der römischen Herrschaft an der Donau wurde Favianis zuerst Sammellager und schließlich Abzugspunkt für die romanische Bevölkerung der oberen Donau. Um 488 wird ein Großteil von ihnen auf Befehl Odoakers nach Italien evakuiert, sie nehmen dabei auch den Leichnam des mittlerweile verstorbenen Severin mit sich. Mit diesen Überlieferungen aus der Vita enden auch die Nachrichten über das Limeskastell.
Forschungsgeschichte
Frühe Beobachtungen
Nachdem bereits schon öfter Funde der Frühen Kaiserzeit ans Tageslicht gekommen waren, 1824 ein Soldatengrabstein, ein von West nach Ost verlaufender römischer Mauerzug wurde bei Kanalisationsarbeiten 1892 in der Kremser Straße angetroffen, ließ sich eine antike Schichtfolge erst 1996 bei den Ausgrabungen in der Melkerstraße dokumentieren. 1874 legte A. Dungel erstmals eine größere Fundzusammenstellung aus der näheren Umgebung Mauterns an. L. Karner führte später einige archäologische Untersuchungen in Mautern durch (1890 und 91). Bis zur Jahrhundertwende sammelten vor allem M.Nistler und J.Oehler Funde und Forschungsergebnisse über das Kastell.
20. Jahrhundert
Nach 1903 waren vor allem Bürger aus Krems an der Donau in der Forschung federführend. R. Weißhäupl nahm sich der Verwaltung der Fundgegenstände an, J.Novotny erstellte eine Fundkarte über Mautern. In den 20er Jahren wurde auch einige kleinere Grabungen durchgeführt, zwischen 1930 und 1939 wurden vor allem Gräber und eine Villa rustica freigelegt. Seit Ende des 2. Weltkrieges wird die Fundstelle überwiegend vom Österreichischen Archäologischen Institut betreut.
1950 konnte im nördlichen Teil der Parzelle 55/2 ein Abschnitt der östlichen Umfassungsmauer des Kastells auf einer Strecke von 100 m verfolgt werden. Bedauerlicherweise kam es zu keiner wissenschaftlichen Untersuchung, sondern lediglich zu oberflächlichen Beobachtungen. Im Westen wurden ein Doppelspitzgraben erkannt. Die Sohle des inneren Grabens war 2,8 m, die des äußeren 3,8 m von der Mauer entfernt. Noch heute sind sie in einem Obstgarten deutlich als Geländestufe erkennbar, ebenso Mauerrisse durch Materialsetzung im Gemäuer der nördlichen Umfassungsmauer des Nikolaihofes, sowie an der Gartenmauer des gegenüberliegenden Anwesens.
1951 konnten bei einer Untersuchung durch H. Thaller mehrere Bauphasen unterschieden werden. Vor der Mauer konnte im Profil ein doppelter Spitzgraben erfasst werden; dadurch ließen sich auch die Fundamente der Stadtmauer römerzeitlich datieren. [2]
1954 untersuchte Herma Stiglitz auch die Margaretenkapelle, eines der nachweislich ältesten Gebäude in Mautern, auf antike Bausubstanz. Das Fundament ihrer Nordwand reicht 1,3 m unter den Kirchenboden, das der Südmauer rund 3 m. Darunter befand sich eine ca. 90 cm hohe Mauer, die um 30 cm nach Norden versetzt ist; sie dürfte zur südlichen Kastellmauer gehört haben. [3] In diesem Jahr wurde von F. Kainz an der Nordgrenze des Grundstücks Frauenhofgasse 49 auch ein Kelleraushub mitverfolgt; der dabei gemachte Befund eines Spitzgrabens wurde vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) aufgenommen. Herma Stiglitz und Christine Ertel weisen ihn dem mittelkaiserlichen Lager (Steinperiode I) zu, da ein dort aufgefundener Steinquader als Bestandteil einer Toranlage gilt. Verena Gassner und Sonja Jilek nehmen jedoch an, dass der Spitzgraben Teil des dreifachen Grabensystems ist, der sich in der Frauenhofgasse (Befund 1996) fortsetzt, allerdings noch dem Holz-Erde-Kastell angehört. [4]
1955-1956 wurde vom Österreichischen Bundesdenkmalamt (BDA), H. Stiglitz, die Westmauer untersucht. 16 m von der Nord-West-Ecke der Römerhalle entfernt, brachte eine Eintiefung für einen flachen Graben [5]zum Vorschein, der bei Hochwasser wohl als Fahrrinne für kleinere Boote verwendet wurde. Die weiteren Ausgrabungen (Suche nach der Nord-West-Ecke des Kastells) ließen erkennen, dass dieses wohl 7 m südlicher als ursprünglich angenommen zu suchen ist[6] 1956 wurde von H. Stiglitz im sogenannten Rehgarten, dem südlichen Teil des Schlossparkes, eine Grabung mit mehreren Suchschnitten in Angriff genommen. Das Keramikspektrum deutet auf eine Belegung des Platzes seit dem späten 1. Jahrhundert hin. [7]
1966 konnte in der nördlichen Hälfte der Westmauer ein quadratischer Zwischenturm erkannt werden dessen Grundmauern sich bis in den Keller des Schlosses fortsetzten. Zusätzlich wurde ein aus der Nordfront vorkragender Verbau (wohl von einer ehemaligen Toranlage) beobachtet der dem in Zwentendorf sehr ähnlich ist.[8] An der Ostmauer ließ sich weiters noch das Kellergeschoss eines U-Turmes ermitteln.
1973 wurden Pfarrhof und Pfarrgarten untersucht. Im Pfarrhof konnte eine Brandschicht festgestellt werden, deren Keramikspektrum bis 170/180 n. Chr. reicht. [9] Nördlich der Halsmauer des südwestlichen Fächerturmes bilden zwei Mauerzüge eine Ecke, die teilweise noch bis unter die Mauern des Fächerturmes hinein reichen. [10] Hier wird die Nordmauer des Steinkastell II vermutet, die anschließend in die Nord-West-Ecke abbog. Eine Müllgrube wurde als Teil des Grabensystems des frühen Holz-Erde-Kastells angesehen. [11]
1974 klärte eine Grabung (H. Stiglitz und F. Fink) die Bauphasen des Fächerturms und des Areals nördlich der heutigen Stadtmauer (westl. Kastellmauer). In einem von West nach Ost verlaufenden Suchschnitt wurde im Profil ein doppelter Spitzgraben erkannt, der auch mit den Befunden von 1951 übereinstimmte. Ein entlang der Kastellmauer führender Suchgraben zeigte deutlich ausgeprägte Baufugen zwischen dem Fächerturm und der ehemaligen nördlichen Kastellmauer, die sich sowohl an den Fundamenten als auch am erhaltenen aufgehenden Mauerwerk zeigten. An Fundobjekten konnte ein Ziegelstempel der Cohors I Brittonum geborgen werden. [12] [13]
1975 sollte vom ÖAI (H. Stiglitz, E. Schedivy) im Margaretenhof der genaue Verlauf des schon 1954 entdeckten Holzbodens in einer archäologischen Untersuchung abgeklärt werden. Dazu wurden zwei Schnitte mit Nord-Süd-Ausrichtung angelegt. Im ersten Schnitt zeigte sich, dass die Fundamente der Margaretenkapelle bis in eine Tiefe von ca. 1,2 m reichten, darunter konnte eine Schicht mit frühkaiserzeitlicher Keramik angetroffen werden. Über einer breiten Brandschicht fand sich wieder ein geschlossener Fundkomplex, der gallische Terra-Sigillata aus der Töpferei von Lezoux enthielt und wohl vor der Zeit der Markomannenkriege in den Boden kam [14] Weiters wurde eine Lehmziegelmauer und zwei Ausrißmauern angetroffen, zur letzteren gehörte nördlich davon eine starke Brandschicht, die auch Ziegelfragmente enthielt. [15]
1977 konnte im Zuge von Bauarbeiten in der Kirchengasse von E. Schedivy ein größeres Areal untersucht werden. Im Hof und östlich des Eingangs im den der Straßen zugewandten Gebäudetrakt wurden mehrere Sondagen angelegt. Die Schichten waren von zahlreichen mittelalterlichen und neuzeitlichen Eingriffen durchwühlt, u. a. wurden auch Kinderbestattungen entdeckt. Im Ostraum des Straßentraktes stieß man auf einen verbrannten Estrich, der auf einem ehemaligen Abwasserkanal aufsaß, der in Richtung Nord-Nord-West verlief und schließlich von einer Mauer abgeschnitten wurde. Darüber lag ein weiterer Estrich, der wiederum von einer starken Brandschicht überlagert wurde. [16]
1978 wurde die Ausgrabung im Margarethenhof wieder fortgesetzt. Zwischen Ostwand der Kirche und einer Gartenmauer konnte ein Planquadrat von 4,5 x 4,3 m untersucht werden. Vorgefunden wurde eine in 1,65 m Tiefe liegende schmale Brandschicht, darüber wieder eine starke Schutt- und eine Brandschicht. Nach der Terra-Sigillata-Keramik (Lezoux) zu urteilen fallen diese in die Zeit vor den Markomanneneinfällen. [17]
1996-1997 konnte im Innenhof Melkerstraße 5 eine ca. 15 m² große Fläche durch Mitarbeiter des Österreichischen Archäologischen Institutes und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften untersucht werden. Der Befund aus Gruben lässt sich anhand der Fundkeramik in eine Phase vorrömischer Bebauung (vermutlich 100/110) datieren. Die darüberliegenden Balkengruben und Pfostenlöchern lassen drei nebeneinander liegende Räume annehmen, die der ersten Bauphase des Kastells angehören. Die darauffolgende Schicht gab eine Steinmauer und eine Lagergrube für gelöschten Kalk frei. Die dem Steinkastell I (ab 130/140) zugeordneten Mauern sind exakt nach den vorangegangenen Bauten ausgerichtet und werden als Mannschaftsbaracken angesehen. Gleichzeitig beobachtete Pfostenlöcher und Abfallgruben gehören der Spätantike an.[18] Nach dem Abriss eines Gebäudes konnte 1996-1997 auf 50m² eine weitere Flächengrabung durch das ÖAI durchgeführt werden. [19] Die Befundsituation erlaubte eine Unterscheidung der Kastellperioden, die durch Auswertung der Funde zusätzlich präzisiert werden konnte. [20] Ein Brandrodungshorizont bildete die unterste Schicht, zwei Spitzgräben gehören dem Holz-Erde-Lager an, das nun zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte [21]. Diese waren 3 m voneinander entfernt, derjenige, der der Kastellumwehrung am nächsten lag, war etwas tiefer. In den Jahren um 100/110 wurden die Gräben wieder zugeschüttet als das Kastellareal nach Süden erweitert wurde. Danach wurden zunächst auch dort Holzbaracken errichtet.
21. Jahrhundert
2007 konnte vom BDA (D. Ruß, M. Singer, U. Zimmermann) eine Rettungsgrabung in der Melkerstraße 6, "Essigfabrik", durchgeführt werden. In der frühesten Kastellperiode (ca. 2. Hälfte 1. Jh.) zeigten sich zwei nach N-S verlaufende Gräben. Im Füllmaterial befanden sich Funde aus der Zeitperiode des frühen 2. Jhdt. In der Schicht um 130/140 n. Chr. kamen auf den nun verfüllten Gräben Standspuren von Piloten und Teile einer Mannschaftsbaracke mit einem östlich vorgelagerten Stallgebäude (Fundamentgräbchen, Urinsammelgruben) zum Vorschein. Die Kastellgraben selbst waren um 8-9m weiter nach Westen verlegt worden und maßen in der Breite ca. 5m (ursprünglich wahrscheinlich sogar 7m). Um 170 n. Chr. wurde auf den Fundamenten einer frühen Baracke ein Steingebäude errichtet, das dabei um eine Raumbreite nach Westen verschoben wurde. Etwas westlich davon konnten Spuren der inneren Lagerstraße, der Via sagularis, erfasst werden. Die gemauerte Kastellmauer, konnte ebenfalls in den Profilen erkannt werden. Der umlaufende Wall war in Holz-Erde-Technik errichtet worden. In der darüberliegenden Schicht (bis Ende des 3. Jahrhunderts.) konnten mehrere kleinere Umbauten festgestellt werden. Am Ende dieser Periode konnten Spuren einer Brandkatastrophe beobachtet werden, weiters wurde ein Zwischenturm des Steinlager I und ein spätantiker U-Turm erkannt.
Kastell
Das Kastell wurde in seiner Anfangsphase ziemlich sicher als Holz-Erde-Lager errichtet an dem nach neuen Untersuchungen mindestens zwei Bauperioden unterschieden werden konnten. Im 2. Jahrhundert erfolgte der Umbau in ein Steinlager. Hierbei handelte es sich wohl um eine klassische, rechteckige Anlage mit abgerundeten Ecken (Spielkartenform), 4 Toren und Zwischentürme in den Maßen 270 x 180 m.
Im 4. Jahrhundert werden mit Rücksicht auf die neuen militärischen Erfordernisse und technischer Neuerungen am Kastell größere bauliche Veränderungen in Angriff genommen. Diese Adaptierungen sind vor allem am Zubau von u-förmigen Zwischentürmen (Hufeisenturm) und der beträchtlichen Verstärkung der Kastellmauer selbst und seiner abgerundeten Ecken durch fächerförmig vorspringende, bastionsartige Türme (Fächerturm) zu erkennen. Schwerpunktmäßig erfolgten die ersten genaueren Untersuchungen an den noch sichtbaren Monumenten. Dies waren vor allem der Fächerturm im Pfarrhof, der nordwestliche Hufeisenturm und die westliche Stadtmauer. 2005 wurde an der Nordmauer ein weiterer Hufeisenturm entdeckt, 2007 auch am südlichen Teil der Westmauer. Bei den Grabungen zeigte sich alsbald, dass hier eine sehr komplexe Baugeschichte vorliegt, die vermutlich mit einem Burgus oder Restkastell im Bereich des Nikolaihofes endet.
Eine genaue Untersuchung des südwestlichen Fächerturmes brachte zutage, dass die Kastellmauer am Zusammenstoß mit dem Fächerturm hier zuerst abgetragen dann aber wieder an den Turm herangebaut worden war. Man hatte also die nördliche Umwehrung des Steinkastell I, die der Donau am nächsten lag, offensichtlich nicht beseitigt, sondern sie wohl als eine Art Fluchtburg (oder vielleicht auch als zusätzlichen Hochwasserschutz) für die Zivilbevölkerung der Umgebung stehen gelassen. [22] Die Rückverlegung des spätantiken Kastells nach Süden und die Lage des später in seinen Mauern entstandenen Oppidums (die civitas des Eugipp) zeichnet sich im Luftbild der mittelalterlichen bzw. neuzeitlichen Stadt noch deutlich ab. Es zeigt sich eine dichte Verbauung der Stadt südlich der Linie Nikolaihof – südwestlicher Fächerturm, während der Nordteil des Kastells größtenteils brach lag da er im Besitz der Kirche verblieb.
Die dem Ufer der Donau zugewandte Nordfront des Kastells verläuft vor der heutigen Römerhalle und unter der Nordmauer des Stadtschlosses. Von dort zieht sie sich nach Osten und biegt unter der Nordfront des Nikolaihofes zu seiner Ostseite hin ab. Die Befestigungen im Norden, hier vor allem die Nodwestecke, wurden durch die Nähe zur Donau immer wieder durch Hochwasser oder Eisstöße beschädigt. Die Lage der östlichen Mauer des Steinkastells II mit ihrem davorliegenden Graben sind heute noch im Garten des Nikolaihofes, anhand einer von Nord nach Süd verlaufenden Bodenwelle, zu erkennen.
Die Südmauer lässt sich an der Frauenhofgasse erkennen die pararell zum einstigen Wehrgraben des Kastells verläuft. Die Kenntnis des genauen Verlaufes der Südmauer ist jedoch nicht gesichert. Man weiß nicht genau, ob Sie bestehen blieb und damit das Kastell im Zuge der Neugestaltung in der Spätantike (Steinkastell II) verkleinert wurde, oder ob die südliche Umwehrung - unter Einbeziehung eines antiken Gebäudes unter der heutigen Margaretenkirche - neu geplant und gebaut wurde.
Bauphasen
Samthaft konnten für die Kastellbefestigungen vier Bauphasen unterschieden werden:
- die Phase 1 ist durch ein doppeltes Spitzgrabensystem greifbar, womit die Westausdehnung des vermuteten ersten Holz-Erde-Kastells nachgewiesen werden konnte,
- in Phase 2 wurde das Holz-Erde-Lager noch weiter nach Westen vergrößert und ein Holzständerbau (Stallungen) errichtet. Auch für dieses Kastell konnte die westliche Begrenzung ebenfalls genau bestimmt werden,
- in Phase 3 fällt eine nochmalige Verschiebung des ummauerten Areals nach Westen und die Errichtung der ersten steinernen Lagermauer (Steinperiode I).,
- in Phase 4 (Steinperiode II) konnte erstmals bei einem rechteckigen Innenturm sein späterer Ersatz durch einen Hufeisenturm (U-Turm) nachgewiesen werden. Man vermutet, dass die U-Türme zur selben Zeit wie die Fächertürme errichtet wurden.
Die Interpretationen der Befunde aus 2007 [23] wurden durch die Ausgräber in den bisherigen Forschungsstand integriert, dabei ist man zu folgenden Ergebnissen gekommen:
- Holz-Erde Kastell (Periode 1): für diese Periode wurde sein Doppelgrabensystem nun auch an der Westseite des Kastells erkannt. Der 1954 bei den Untersuchungen im Pfarrhof als früher Graben erkannte Befund und die Neuinterpretation einer Abfallgrube [24] als Bestandteil eines frühen Spitzgrabens [25] lassen annehmen, dass das westliche Grabensystems noch über die nördliche, mittelkaiserzeitliche, Begrenzung hinausragte. Auch der 2006 nahe der heutigen Römerhalle entdeckte Kastellgraben[26] wird noch der Periode 1 zugerechnet, womit sich eine Ausdehnung des Holz-Erde-Kastells über die nördliche Begrenzung des spätantiken Kastells hinaus ergeben würde.
- Steinkastell I (Periode 2 und 3): erstmals wurde der W-förmige Doppelgraben dieser Periode nachgewiesen, ebenso Stallgebäude, die die Anwesenheit einer berittenen Einheit nahelegen. Weiters wurde die Erweiterung des Kastelareals nach Süden (auch für die westliche Kastellbegrenzung) festgestellt. Die Verschiebung der Kasernengebäude um eine Raumbreite und der Bau der Kastellmauer direkt bei der Innenkante des verfüllten Grabens aus Periode 2 beweist die weitere Vergrößerung der Kastellfläche. Der Mauerverlauf wurde 1966 auch in der Ausgrabung Missongasse, wo ein Graben angeschnitten wurde [27], beobachtet. Entgegen den bisherigen Annahmen verläuft die westliche Kastellmauer weiter westlich, im südwestlichen Bereich des Kastells direkt an der östlichen Häuserzeile der Missongasse. Die Aufdeckung eines Innenturms würde sich mit dem unter dem nordwestlichen Fächerturm liegenden, unsicheren Zuordnung eines Befundes ergänzen, der 1972/73 im Pfarrhof unter dem Hals des dortigen Fächerturmes zutage kam. Die im rechten Winkel abbiegende Mauer wurde erst später als mögliche Kastellecke erkannt. [28]
- Steinperiode II (Periode 4 und 5): Neben der Neugestaltung der Kasernen, bemerken die Ausgräber aber Unsicherheiten in der Datierung der Kastellmauer, deren Umbau ebenso in der Periode 4 hätte stattfinden können. Im Vergleich zu den Interpretationen von Stefan Groh von 1996 sehen die Ausgräber am Gelände der Essigfabrik keinen Hiatus in der Besiedlungsgeschichte der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts. Der Bau des U-Turms könnte schon gegen Ende des 3. Jhdt. stattgefunden haben; weiters wird keine Erweiterung, sondern lediglich eine Verlagerung (Verkleinerung) des spätantiken Kastells nach Norden in Erwägung gezogen.
Holz-Erde-Periode
Die genaue Lage und Größe der frühen Wehranlage ist weiterhin ungeklärt. Für seine Errichtung ist am ehesten die Zeitperode der flavischen Kaiser, um 70/80 n. Chr., ins Auge zu fassen. Diese Annahme wird vor allem durch Funde arretinisch-padanischer Sigillata und Münzfunde unterstützt. Die Befunde zeigen, dass nach Brandrodung der umliegenden Wälder zuerst die Aufstellung einfacher Holzständerbauten [29] und danach die Anlage von Spitzgräben erfolgte. In den Jahren 100/110 n. Chr. wurden die Befestigungsgräben im Süden und Westen wieder planiert um die Kastellfläche zu erweitern. Die flächenmäßige Gesamtgröße des ersten Lagers ist jedoch archäologisch nicht exakt fassbar, da die Abschnitte der späteren mittelkaiserzeitlichen Verbauung keine Funde des 1. Jahrhunderts mehr bergen. Unklar ist auch die genaue Bauausführung der ersten Befestigungsanlagen. Aufgrund der Lage der Zerstörungsschicht und den Funden aus dem Vicus wird dieses frühe Holz-Erde-Kastell im nordwestlichen Areal des Nachfolgebaues (heute etwa Pfarrgarten u.d. Platz südlich des Schlosses) vermutet. In trajanisch-hadrianischer Zeit dürfte das Lager nach Süden hin etwas erweitert worden zu sein. Um das Kastell bildete sich im Süden und Westen - später auch im Osten – nach und nach der zivile Vicus.
Steinperiode I
Ab 100 n.Chr. lag in Favianis die cohors II Batavorum. Ab 110 n.Chr. wurde sie wiederum von der cohors I Aelia Brittonum Milliaria abgelöst. Deswegen erfolgte wohl auch der Umbau des Lagers in Stein da diese Kohorte über 1000 Mann zählte. In der Steinperiode I lassen sich zwei Bauphasen unterscheiden. Der Beginn der Errichtung der Kastellmauern und Innenbauten in Stein fällt in die Jahre zwischen 130/150 n. Chr. Weitere Veränderungen innerhalb des Lagers um 170/180 werden durch Planierungsmaßnahmen und Aufschüttungen dokumentiert. Bisher konnten für die erste Phase zwar keine Überreste nachweisen lassen, man nimmt aber an, dass sich das Kastell aber ähnlich wie Comagenis entwickelte. In diesem Fall ergibt sich nach Auswertung der Keramikfunde folgendes Grundrissschema:
- die Nordwestecke befand sich im Bereich des Pfarrhofes,
- die Nordfront stößt im Osten bis an den Nikolaihof,
- die Westfront zieht sich nach Süden und entspricht der heute noch erhaltenen Stadtmauer bis zur Ecke Missongasse - Alte Friedhofstrasse,
- die Südfront folgt dem Verlauf der Alten Friedhofstrasse.
Die Ausdehnung des ersten Steinkastells betrug 175 x 175 m, d.s. ca. 3 ha. Archäologisch sicher nachgewiesen ist die etwa 1,5 m dicke Kastellmauer in der Nord-West-Ecke. Die Reste des Nordtores, direkt an der Kante der Hochterrasse (Kremserstraße/Kirchengasse) und ein Abschnitt der südlichen Toranlage (Alte Friedhofstraße) wurden bei Kanalarbeiten angefahren. An der westlichen Kastellmauer wurde ein quadratischer Innenturm nachgewiesen. Nach 251 n. Chr. brannte das Lager vollständig ab; der diesbezügliche Brandhorizont konnte an mehreren Stellen angeschnitten werden. Auf diese Katastrophe folgte eine deutliche Abnahme der Importkeramik und des Münzumlaufes, die wohl mit einem massiven Bevölkerungsrückgang im ursächlichen Zusammenhang steht.
Steinperiode II
In der Spätantike werden die Befestigungsanlagen modernisiert und durch Hufeisentürme (U-Türme) und an den Ecken durch Fächertürme verstärkt (U-Turm West, U-Turm Nord. U-Turm Ost. U-Turm Südliche Westmauer). Die bis zu 3 m starke Mauern der spätantiken Befestigung haben sich vor allem in der westlichen mittelalterlichen Stadtmauer erhalten, sind im Norden noch als Fundamente nachweisbar und zeigten sich wiederum im Osten bei den Ausgrabungen im Nikolaihof. Das mehrphasige Steinkastell II bedeckte anfänglich eine Fläche von ca. 3,06 ha. An Innenbauten konnten u.a. Mannschaftsbaracken, Stallgebäude, vermutlich für die Pferde einer Reitereinheit, beobachtet werden. Für die Mitte des 3.Jahrhunderts wurde wiederum ein Zerstörungshorizont festgestellt. In valentinianischer Zeit erfolgen die letzten größeren Umbauarbeiten die sich vor allem in der Erweiterung des umwehrten Areals nach Norden manifestieren. Die anfänglich nur auf das Gebiet der südlichen Schotterterrasse beschränkte Kastellfläche wurde durch Aufschüttungen auf die Niederterrasse im Norden erweitert und niveliert. Das spätantike Areal umfasste nun um die. 5,25 ha. In seiner Endphase wandelt sich das Kastell in ein ziviles Oppidum. Die Fundspektren und die deutlich unregelmäßigere Verbauung mit Lehmziegelhütten lassen auf das Vorhandensein einer zivilen Siedlung im Südteil des Kastells schließen; während sich die wohl schon stark dezimierten Garnisonstruppen auf den nördlichen Teil beschränkten, wahrscheinlich zogen Sie sich in einen - bei norischen Kastellen häufig anzutreffenden – Burgus oder ein Restkastell zurück. Wichtig war nach wie vor auch der so abgesicherte Zugang zur Furt über die Donau.
Tore und Türme
Von den Kastelltoren ist nur die Lage des spätantiken Nordtores (porta praetoria) unter dem Stadtschloss und durch den Fund eines profilierten Eckquaders im Keller eines Hauses in der Frauenhofgasse auch die des Südtores (porta decumana) bekannt. Die Ausgrabungen von 1952 veranlassten das BDA (H. Stiglitz) in der Zeit von 1965-1966 den Bereich nördlich des Schlosses zu untersuchen, wo sich weiter östlich eine ca. 1 m breite Toröffnung fand. Herma Stiglitz vermutete hier eine valentinianische Toranlage, dies ist allerdings nicht stratigraphisch abgesichert. Verena Gassner und Sonja Jilek interpretieren das Fundament als Bestandteil eines mittelalterlichen Torturms. [30] Möglicherweise wurde diese Toranlage noch bis ins frühe Mittelalter als Kleinfestung verwendet.
Die Positionen des westlichen (porta principales sinistra) und des östlichen Tores (porta principales dextra) wurden durch die massiven Umbauten zum Steinkastell II verwischt und sind bis dato unbekannt geblieben. Das Osttor befand sich wahrscheinlich auf dem Areal des Nikolaihofes da sich hier - nach Analyse des Pflanzenbewuchses - eine antike Ausfallsstraße nachweisen lässt. Das Westtor ist laut Stiglitz/Schneider südlich des südwestlichen Fächerturmes zu suchen da hier mittels Sondagen kein durchgehendes Mauerfundament mehr festgestellt werden konnte.
Westlicher Hufeisenturm
Dieser Turmbau (Maße: 11,80 x 9 m) stammt vermutlich aus dem 4. Jahrhundert n.Chr. Sein Mauerwerk wurde größtenteils erst in der Neuzeit abgetragen, als seine – vermutlich durch Hochwasser teilweise zerstörte - Nordflanke abgerissen und die Lücke durch eine neue, schräg verlaufende, Mauer geschlossen wurde. Seine Ostwand wurde in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts (im Zuge der Neuanlage eines Gartens) beseitigt. Von dieser Mauer existiert noch ein zeitgenössisches Foto. Der Turm ist nicht, wie sonst bei Bauwerken dieses Typs üblich, vor der Kastellmauer angesetzt worden. Bei seiner Errichtung war ein Abschnitt der Kastellmauer abgerissen worden. Der Turm ragt an seiner Rückseite noch ein kleines Stück in den Kastellbereich hinein (vgl. hierzu auch U-Turm von Zwentendorf). Dies wahrscheinlich deswegen da er auch eine kleine Ausfallspforte deckte. Ihre Reste sind noch anhand einer Türschwelle an der Nordwand des Turmes und im Osten am Zugang in das Kastellinnere erkennbar.
1969 wurden an der Außenseite des U-Turmes an der westlichen Stadtmauer drei Sondierungsschnitte (H. Stiglitz) angelegt, um einen evt. baulichen Zusammenhang mit der Stadtmauer zu klären. Weiter westlich kam ein weiterer ausgebrochener Mauerrest zum Vorschein, den Christine Ertel als Fundament eines älteren Turmbaues ansieht.[31] In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde der Turm einer genaueren Untersuchung unterzogen. Hierfür wurde der Schutt aus dem Innenbereich vollkommen entfernt. Darunter konnte eine 20 cm dicke Brandschicht festgestellt werden, die bereits auf dem Fundamentvorsprung auflag. 1984 wurde von E. Schedivy eine Flächengrabung und ein Schnitt über die ganze Breite im Ostteil im Bereich der Mauerkrümmung eine durchgeführt. Dabei wurde eindeutig geklärt, dass Turm und Kastellmauer nicht gleichzeitig erbaut worden waren. Die bis zu 2 m breiten Turmmauern sind bis zum zweiten Obergeschoss spätantik. Rechteckige Balkenlöcher markieren die Lage der Stützbalken für die hölzernen Zwischendecken, kleinere Löcher die des Baugerüstes. Die zwei Rundbogenfenster des Obergeschosses sind vermutlich ebenfalls römisch. Das Turminnere wurde nachträglich durch eine 0,9 m breite Mauer abgeteilt. Hier befand sich auch ein Treppenaufgang von der noch vier Stufen erhalten geblieben sind. [32] Im Mittelalter diente der Turm als Mülldeponie.
Südwestlicher Fächerturm
1972 wurde vom ÖAI (H.Stiglitz) nach Entfernung von Schuttmaterial im Pfarrgarten eine archäologische Untersuchung an einem bis dahin als mittelalterlich datierten und als Gartenpavillonfundament dienenden Mauerzuges unternommen. Bei einer Begehung des darunterliegenden Kellerraumes und dessen Vermessung wurde ein viertelkreisförmiger Grundriss erkannt, der zu einen römischen Fächerturm aus dem 4. Jahrhundert ( max. Breite 12,4 m, Länge 14,6 m) gehörte. Seine bis zu 2 m starken Mauern waren noch bis zum ersten Obergeschoss erhalten. Diese Form ist zwar typisch für Ecktürme dieser Zeit, sie hätte hier allerdings fortikatorisch wenig Sinn gehabt. Die Lage dieses Turmes lässt vermuten, dass die Nordmauer etwas vom Donauufer zurückgenommen wurde und das Kastell in der Spätantike in seinem rückwärtigen Teil deutlich verkleinert wurde.
Nordöstlicher Zwischenturm
Um die Nordmauer des Kastells zu ermitteln wurden nordwestlich und nordöstlich der Römerhalle von Herma Stiglitz 1952 wieder Suchschnitte angelegt. Im Nordosten setzte ein Nord-Süd Suchschnitt bei einem aus der Stadtmauer hervorragenden Mauerstumpf an, der als Rest eines Zwischenturmes angesehen wurde [33] 2007 wurde auch tatsächlich ein rechteckiger Zwischenturm des Steinkastell I freigelegt, dessen aufgehendes Mauerwerk noch bis zu einer Höhe von 1,2 - 1,5 m erhalten war. Die rechteckige Grundfläche betrug 3,4 m x 6,3 m, seine Mauerstärke 0,7 m. Die Anbindung an die Kastellmauer konnte jedoch nicht ermittelt werden, das gleiche gilt für den davorliegenden Graben.
Östlicher Hufeisenturm
1979 und 1982 untersuchte das ÖAI (H. Stiglitz, E. Schedivy) den westlichen Teil des historischen Gebäudekomplexes um die Agapitkapelle. Hierbei wurde ein Gußfundament mit noch aufgehenden Mauerwerk erkannt. Es wurde als Rest eines Hufeisenturmes interpretiert.
Burgus oder Restkastell
2,6 m westlich des Gebäudekomplexes um die Agapitkapelle, an der Innenkante einer Mauerrundung liegt eine in den Grabungen 1982 wieder angeschnitte, nach Nord-Süd verlaufende, 2,5 m starke Mauer (östliche Kastellmauer). Ein Neubau ermöglichte 1982 südlich davon eine Ausgrabung (H. Stiglitz, E. Schedivy) im Innenhof, wo diese Mauer weiter verfolgt werden konnte. Weiters wurden sieben Suchschnitte beim Küchentrakt angelegt. Dabei stellte sich heraus, dass die Nordmauer des Schüttkastens auf römerzeitlichen Mauerwerk aufliegt, die an den Ecken gerundet ist. Die Rekonstruktion ergab ein 30 x 21 m großes Gebäude, das als das spätantike Restkastell von Favianis (Steinperiode II) identifiziert wurde. [34] Seine Fundamente waren bis zu 2,3 m stark, im Inneren fanden sich die Pfeilerfundamente einer Unterkellerung und Dachziegel, die von einem eingestürzten Dach stammten. [35]
Innenbauten
Da Mautern von der Antike bis in heutige Zeit durchgehend besiedelt war, liesen sich über Art, Lage und Beschaffenheit der Gebäude im Inneren des Kastells nur sehr spärliche Erkenntnisse gewinnen. Aufgedeckte Reste im Nordteil des Kastells (praetentura) lassen auf steinernen Fundamenten errichtete Fachwerkbauten (Kasernen und Ställe) annehmen die durch Brand zerstört wurden. Die Gebäude im Norden des Areals des ehemaligen Kastells wurden wohl noch in der Antike aus verteidigungstechnischen Gründen abgerissen. Einen Hinweis darauf ergab eine Grabung vor Errichtung von Wohnhäusern im ehemaligen Garten des Stadtschlosses bei denen eine starke Brandschicht beobachtet werden konnte.
Die Errichtung des mehrphasigen Steinkastells I ist vor allem auch durch die Mauerbefunde seiner Lagerbaracken nachvollziehbar. Die Innenbauten des Holz-Erde-Kastells wurden in den Jahren um 170/180 fast restlos entfernt. Die Neubauten (Doppelbaracken) wurden mit Lehmziegeln hochgezogen, wobei wieder dem Grundriss der Vorgängerbauten gefolgt wurde. Diese wiederum wurden durch eine Brandkatastrophe zerstört wie an einer in Fall-Lage erhalten gebliebenen Wand ersehen werden konnte. Das mit Stroh und Holzschindeln gedeckte Holzbalkendach stürzte dabei auf den Boden. Die dazugehörige Barracke stand in NS-Richtung im südwestlichen Teil des Lagerareals. Nach 300 n.Chr. kam es zu einen neuerlichen Umbau in Kalkstein, der sich in seiner Ausrichtung aber nicht mehr an vorangegangene Strukturen hält, und auch von später angelegten Gruben gestört war. [36]
Für die spätantiken Perioden des Steinkastell II konnte 2007 über einem Brandschutthorizont eine Schlauchheizung mit Heizkanälen, ein Lehmestrich und ein Schwellenbalken eines Gebäudes dokumentiert werden, das in Fachwerktechnik errichtet und schließlich durch eine Brandkatastrophe zerstört worden war. Die Mauern und Estriche eines Gebäudes, das direkt an die Innenseite der Kastellmauer gesetzt war, lagen über der ehemaligen via sagularis. In der Schicht der nachvalentinianischen Periode, direkt über einem Zerstörungshorizont, wurde 2007 ein gestampfter Lehmboden dokumentiert, der allerdings nicht in seiner ganzen Ausbreitung erfasst werden konnte. Über dem Intervallum wurde weiters eine von Nord nach Süd verlaufende Mauer von 1 m Breite angelegt, die hauptsächlich aus Lesesteinen in Kalk-Lehm-Mörtelbindung bestand. Über den Befunden des Innenturmes des Steinkastell I konnte der Lehmestrich eines Gebäudes und eines kleineren Anbaues festgestellt werden.
Garnison
Für die Rekonstruktion der Belegungsgeschichte des Lagers wurden vor allem Ziegelstempel herangezogen, da sie wertvolle Aufschlüsse darüber geben können, welche Einheiten im und um das Lager bei Baumaßnahmen eingesetzt wurden. Stammen Sie von Auxiliaren, liegt die Vermutung nahe, dass diese auch im Lager selbst stationiert waren. Funde von Ziegelstempel von Legionsformationen besagen nur, dass deren Angehörige zu Bauaufgaben herangezogen wurde oder, das dass Baumaterial von dieser Legion geliefert wurde. Diese Einzelbefunde dürfen jedoch nicht überbewertet werden, da einzelne Ziegel auch von anderen Orten hierher gelangt sein könnten. Hierorts aufgefundene Ziegelstempel nennen vor allem die in Vindobona/Wien stationierte Legio X Gemina und die Legio XIIII Gemina Martia Victrix aus Carnuntum, die vermutlich nur Bauvexillationen für die Errichtung des Lagers abgestellt hatten. Vielleicht stellten die Angehörigen dieser beiden Legionen in der Zeit des Steinlager I für kurze Zeit die Garnison.
Cohors I Ubiorum
Theodor Mommsen[37] und M. Nistler[38] versuchten anhand von aufgefundenen Ziegelstempel (CHOIVB) einen Zusammenhang mit der "1.Kohorte der Ubier" herzustellen. Die Truppe war bis zur ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts in der Germania Inferior stationiert und wurde im späten 1. Jahrhundert nach Mösien versetzt. Aufgrund der Germanenkriege Domitians gelangte sie laut R. Nistler in den 80er Jahren zunächst noch nach Noricum und quartierte sich in Favianis ein. Auch H.Riedl unterstützte anhand des o.g. Ziegelfragmentes eine Stationierung dieser Ubierkohorte in Favianis (vor 90 n. Chr.)[39] Im war allerdings die geringe Aussagekraft eines einzelnen Ziegelstempels bewusst. H.Stiglitz lehnte die Anwesenheit der Ubier in Favianis jedoch ab[40]
Cohors II Batavorum
Es handelt sich bei dieser Formation um eine cohors millaria, d.h. einer etwa 1000 Mann starke Truppe der Hilfstruppeninfanterie was die relativ große Fläche des Lagers erklären würde. Laut der ''Opinio comunis'' waren die alten, noch bei Tacitus erwähnten Batvaerkohorten von Vespasian nach der Niederwerfung des Bataveraufstandes am Niederrhein aufgelöst worden. Die "2.Kohorte der Bataver" war also vermutlich eine Neuschöpfung und ist bis 80 n. Chr. als Teil des pannonischen Provinzheeres belegt.[41] Hanns-Jörg Ubl vermutet, dass sie aus der Zusammenlegung von zwei Quinquenaria-Einheiten (d.s. 500 Mann) entstanden ist. Für Britannien können in der Zeit der Feldzüge des Agricola insgesamt drei Bataverkohorten nachgewiesen werden. Nach Ende der Kampangnen, frühestens um 110 n. Chr., dürften Sie an die Donau verlegt worden sein. Auch ein Aufenthalt in Mösien in den Jahren 85-86 n.Chr. ist wahrscheinlich. Laut den Inschriften auf dem Ehrenmal von Adamklissi,[42] waren Bataver auch am Dakerkrieg Trajans beteiligt. Ob die Cohors II Batavorum danach in Favianis stationiert wurde und beim Umbau des Lagers beteiligt war, lässt sich allerdings nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Für H.Stiglitz lag die Truppe seit 127/128 bis einschließlich 138 n.Chr. in Favianis. Einen kleinen Hinweis in diese Richtung geben zwei Militärdiplome; eines davon wurde im Vicus gefunden, war für den Veteranen Octavius ausgestellt und stammt aus den Jahren 131-133 n. Chr., ein weiteres, in Stein a. d. Donau entdeckt, lässt sich auf die Jahre 135-138 n.Chr. datieren. Beide lassen auf eine Stationierung dieser Einheit in Favianis schließen. H.Ubl hält aufgrund von vor Ort ausgegrabenen Ziegelstempeln auch eine Stationierung im Kastell Klosterneuburg für möglich.[43] 1976 fand man in der Martinskirche in Linz die Reste einer Weihinschrift dieser Kohorte die eine Anwesenheit dieser Truppe auch im Kastell Lentia als für möglich erscheinen lassen.
Cohors I Aelia Britonum
Viel besser scheint die Kenntnis über die Besatzungstruppe ab den 40er Jahren des 2.Jahrhunderts zu sein. Ihre Anwesenheit in Mautern ist durch die Ziegelstempel bis in das 3.Jahrhundert belegt. Aufgrund von Funden von früher Sigillatkeramik war auch bald klar, dass die "1. Kohorte der Aelischen Briten" auch nicht die erste Garnisonstruppe in Favianis gewesen sein konnte [44] Ausreichend archäologisch dokumentiert ist sie ab dem 2. Jahrhundert n.Chr. da sie in Favianis eine rege Bautätigkeit entwickelte und deswegen zahlreiche Ziegelstempel hinterließ. Sie war laut Ausweis dieser Ziegelstempel zuvor im Wallsee stationiert. Den Namen nach stammte die Kohorte offensichtlich aus Britannien wo sie unter dem Kaisern Hadrian oder Antoninus Pius angeworben wurde. Nach den Vermutungen von F.Kainz und J.Schauer gelangte die Truppe zur Zeit des Marc Aurel an die Donau.[45] Sie übernahm frühestens um 140/150 n.Chr. den Wachtdienst in diesem Lager und löste somit die cohors II Batavorum ab. Ziegelstempel mit dem Aufdruck COIABANT sowie HIABAVTO führte die Einheit auch den Ehrennamen ANTONINIANA was für ihre Anwesenheit in Mautern bis zumindest dem Beginn der Regierungszeit des Caracalla spricht. Nach Einschätzung von A. Aign ging sie im Zuge der diokletianisch-konstantinischen Heeresreform in der neu aufgestellten legio I Noricorum auf.[46] Für Josef Aschbach verblieb sie noch bis in die Zeit von Valentinian I. als eigenständige Truppe an der norischen Donau.[47]
Spätantike
Im Zuge der Heeresreform des Diokletian um 370 n. Chr. wurden in der Spätantgike offenbar Liburnarii (Flottenangehörige) der neu aufgestellten Legio I Noricorum nach Mautern verlegt, was auch zahlreiche Ziegelstempel belegen. Im Abschnitt des norischen Dux in der Notitia Dignitatum wird für Mautern auch ein praefectus legionis liburnariorum primorum Noricorum in Fafianae angeführt.[48] Wo die Legion ihren ursprünglichen Standort hatte ist nicht bekannt. Sie dürfte in ihrem Vollbestand um die 2000 Mann umfasst haben und verteilte sich auf die Kastelle Adiuvense und Favianis. Wahrscheinlich bestand sie aber schon zum größten Teil aus Germanen.[49] Die spätantiken Ziegelstempelfunde verweisen auf letzte größere Baumaßnahmen unter dem (Dux) Ursicinus, der örtlich zuständige Abschnittsgeneral unter Valentinian I.
Der Vita Sancti Severini ist zu entnehmen, dass bei Ankunft Severins in Favianis noch eine Garnisonstruppe unter dem Kommando des Tribunen Mamertinus, ihren Dienst versah. [50]. Er hatte nur mehr wenige und noch dazu erbärmlich ausgerüstete Soldaten unter seinen Befehl. Dennoch überwältigten diese an der Tingutia, wahrscheinlich die Fladnitz bei Furth-Palt am Göttweiger Berg, eine Horde ostgotischer Plünderer, machten sie nieder und eigneten sich u.a. deren Ausrüstung an. Man musste sich also nach Art einer Guerillatruppe den Nachschub von den Barbaren holen. Ein übergeordneter Dux Pannoniae Primae et Norici Ripensis wird in der Vita ebenfalls nicht mehr erwähnt. Zu dieser Zeit hatte sich offensichtlich die römische Grenzarmee und auch ihre Verwaltung vollkommen aufgelöst und die oppida waren auf sich allein gestellt.[51]
Reitertruppe
Bei den Grabungen im Jahr 2007 (siehe Abschnitt Forschungsgeschichte) kamen u.a. auch die Reste von größeren Stallungen zum Vorschein was für die Anwesenheit einer Ala in Mautern spricht. Name und Mannschaftstärke dieser Einheit sind jedoch mangels weiterer diesbezüglicher Funde bis dato unbekannt geblieben.
Vicus
Der Stadtkern des heutigen Mautern liegt fast deckungsgleich über dem ehemaligen Kastellareal. Dieser Umstand erwies sich als ein besonderer Glücksfall da sich dadurch für Untersuchungen am zivilen Vicus bessere Möglichkeiten boten. Der Vicus umschloss das Kastell in einem sich von West nach Ost erstreckenden Bogen und streute auch nach Süden aus. In zahlreichen Untersuchungen seit 1930 konnten Villenanlagen, Wohnhäuser, Brunnenschächte, Straßen sowie Gräberfelder nachgewiesen werden.
Das reiche Fundmaterial zeugt von einem hohen Grad an Wohlstand und einer lang anhaltenden Friedensperiode deren sich die Bewohner dieser Siedlung erfreuen konnten. Die Häuser waren durchwegs mit handwerklich hochwertigen Wandmalereien, Heizungsanlagen und umfangreichen Interieur ausgestattet. Besonders hervorzuheben sind auch die zahlreichen gut erhaltenen Kellerbauten, ein größerer befindet sich in der Schubertstraße, ein weiterer an der Adresse Grüner Weg Nr. 15. Dieser wurde später in einen modernen Wohnhausbau (Herr R. Kurzbauer). Der 1953 von H. Stiglitz freigelegte, gemauerte Keller wurde 1999 dokumentiert. Der ca. 21, x 3,7 m messende Raum ist noch bis zu einer Höhe von 1,8 m erhalten. Vier Wandnischen befinden sich an der östlichen, drei an der südlichen Seite, die zusätzlich einen Schacht aufwies. Die Kalksteinmauern sind gemörtelt und verputzt. Solche Keller wurden im Laufe der Zeit immer wieder freigelegt. Sie waren ebenfalls mit verputzten Wänden, Estrichböden, Wandnischen oder Schlitzfenstern ausgestattet. Bei allen diesen Beispielen konnte eindeutig Ihre Funktion als Lagerräume erkannt werden, es handelte sich nicht um Grabanlagen (columbarien). Eine breite Brandschicht, die durch Kleinfunde auf das 2. Jahrhundert n. Chr. zu datieren ist, markiert das Ende der Blütezeit des Vicus von Mautern und dürfte auf die turbulenten Ereignisse in den Markomannenkriegen zurückzuführen sein. Dennoch ging das Leben weiter, die Ruinen wurden eingeebnet, was auch die gut erhaltenen Kellerräume erklärt, über der Planierungsschicht wurden nun meist, allerdings in ihrer Ausführung einfachere, Fachwerkbauten hochgezogen.
Das Lager und Lagervicus ohne Unterbrechung besiedelt waren ist nicht restlos geklärt, dennoch sehr wahrscheinlich. Nach Ausweis einfacher Schlauchheizungen, die von ihrer Machart her für das ausgehende 4. Jahrhundert typisch sind, herrschte auch in dieser Zeitperiode im Vicus noch eine rege Bautätigkeit, ab dem 5. Jahrhundert n Chr wurde die Siedlung jedoch endgültig aufgegeben. Auch die für bezughabenden Favianis Textstellen in der Vita Sancti Severini bestätigen die dafür maßgeblichen archäologischen Befunde. Dessen Bewohner zogen sich in das längst nicht mehr voll mit Soldaten belegte Kastell zurück dessen Mauern einen besseren Schutz boten. Diese Tendenz ist am gesamten norischen Limes zu beobachten und setzte vermutlich massiv um 349 n Chr ein, als ein kaiserlicher Erlass es - zunächst nur verdienten Soldaten - gestattete mit Ihren Familien innerhalb der Kastelle zusammenzuleben.
Vicus Ost
Seine Ausdehnung lässt sich bis 400 m östlich und südöstlich des Kastells verfolgen, daran schließt sich ein bis ca 1 km entlang der Straße nach Traismauer hinziehendes Gräberfeld an. Nach Entfernung des Waldes durch Brandrodung um 70 n. Chr. erfolgte eine Einteilung in Parzellen, die in ihren Ausrichtungen der Hauptstraße folgte. Neben mehrräumigen Häusern wurden einfache Grubenhütten festgestellt; der Anteil der Keramikfunde an Importware war relativ hoch. Die meisten Werkstätten dienten zur Metallverarbeitung wurden aber noch durch vielerlei andere Betriebe ergänzt. Die lokale Keramikproduktion war stark von außen beeinflusst. Die Blütezeit dieses Vicus setzte um 130 n Chr ein und dauerte bis 160 n Chr. In dieser Zeitspanne zeigt das Areal auch die höchste Nutzungsintensität (bis zu 4000 Bewohner im gesamten Vicusareal). Dies ist deutlich an der Massierung von Keramik und Töpferöfen. In den Jahren nach 160/170 werden Teile des Vicus aufgelassen. Verfallene Häuser werden später allerdings von neuen Siedlern in Beschlag genommen und umgebaut die wahrscheinlich aus dem Südosten der Provinz Noricum stammen. Ein flächendeckender Zerstörungshorizont um 250 n. Chr. ist nicht vorhanden, lediglich punktuelle Brandschichten lassen eine größere Katastrophe annehmen die den Vicus für zwei Jahrzehnte unbewohnt hinterlässt. Danach setzt eine Neubesiedlung, in allerdings reduziertem Ausmaß (ca. 400 Bewohner), ein, die bis ca. 370 n. Chr. verfolgt werden kann. Nachdem das Siedlungsareal östlich der heutigen Burggartengasse eingeebnet worden war, wurde es als spätantikes Gräberfeld weiterverwendet.
Vicus West
Bereits in den 50-er Jahren kamen im Westen des Kastells die ersten antiken Siedlungsbauten zutage. Im Bereich der Hauptschule wurden ab 1971 mehrere Ausgrabungen durchgeführt, die Beweise einer vorrömischen Besiedlung an das Tageslicht brachten. Daran anschließende Ausgrabungen im Bereich der Melkerstraße in den Jahren 2000-2006 zeigen eine planmäßige Bebauung des Siedlungsareals. Hier konnte auch nachgewiesen werden, dass die Bebauung des 3. bis 4. Jahrhunderts nicht mit dem vorherigen Bauraster in Zusammenhang steht. Im westlichen Vicus wurden die bislang ältesten Siedlungsreste (erste Hälfte des 1. Jahrhunderts) nachgeweisen. Seine planmäßige Bebauung entspricht einem orthogonalem Raster, die Streifenhäuser sind nach den Straßen ausgerichtet. Dieser Vicus erreichte seine größte Ausdehnung offensichtlich im 2. Jahrhundert. Eine Neubebauung erfolgte gegen Ende des 2./Anfang des 3.Jahrhundert, wie sich an kleineren Kellern und zahlreichen Gruben zeigt. Auch Fundamente von Steinhäusern sind aus dieser Zeit bekannt. Spuren einer spätantiken Bebauung sowie die eines Töpferofens sind nahe der Westmauer des Kastells nachweisbar. In manchen Bereichen wird das Areal in der Spätantike auch als Bestattungsplatz genutzt.
Vicus Süd
Bereits in den 50-er Jahren fanden unter H. Stiglitz Ausgrabungen ziviler Gebäude mit Kellerobjekte statt, deren Bewohner häufig in einem militärischen Kontext standen, wie der Fund eines Militärdiploms zeigt. Dieses Areal wurde ab 1989 großflächig untersucht, wobei festgestellt wurde, dass die vor 100 n. Chr. einsetzende Besiedlung planmäßig entlang zweier Straßen erfolgte. Neben dem Altersheim (Parzelle 428) führte das Bundesdenkmalamt (H. Thaller-Stiglitz) eine Grabung durch. Mauerzüge eines römerzeitlichen Gebäudes wurden ergraben. Der Inhalt einer antike Abfallgrube konnte geborgen werden, darunter das Fragment eines Militärdiploms.
Die Siedlungstätigkeit an der von Kastelltor nach Süden verlaufenden Straße lässt sich am orthogonalen Raster der Bebauung erkennen, das in der Grabung von 2002 zutage trat. Der geringe Abstand zur mittelkaiserlichen Kastellfront in der Alten Friedhofstraße lässt eine Siedlungstätigkeit in früher Zeit vermuten, da die südliche Begrenzung des Holz-Erde-Kastells weiter nördlich lag. 80-100m weiter südlich des Steinkastells orientiert sich der Raster der offensichtlich planmäßigen Erschließung an einer nach SO verlaufenden Straße, die südlich der W-O verlaufenden Limesstraße liegt. Hier zeigen Befunde eine Neubebauung nach 170/180 n. Chr., die sich an der älteren Struktur orientiert. Brandhorizonte konnten keine festgestellt werden. Für die Spätantike sind spärliches Fundmaterial und eine Begehung nachgewiesen.
Gräberfelder
Das Gräberfeld von derzeit 16 bekannten Gräbern lag im Westen des Grabungsareals Vicus West beidseitig an einer Straße. Die Keramik zeigt eine Belegung bis in das 5./6. Jh., wie ein Vergleich mit dem Gräberfeld Burggartengasse im Vicus Ost zeigt. Der Befund einer Straße in Mauternbach zeigt den Verlauf nach Unterbergern und Oberbergern, wo früh- bis mittelkaiserzeitliche Gräber gehoben wurden. [52] Weiters wurden an der Melker Straße prähistorische Bestattungen und solche nicht eindeutiger Datierung gehoben. [53]
Die Belegung des zweiten Gräberfeldes fand östlich der heutigen Burggartengasse im 4. und 5. Jh. statt und war an der aus dem Kastell führenden nordöstlichen Straße situiert; ein N-S verlaufender Graben begrenzte den Bestattungsplatz gegen das Siedlungsareal. Die an die 270 geborgenen Körperbestattungen waren hauptsächlich W-O orientiert und zeigten kaum Überschneidungen. Hinweise auf Grabraub wurden mehrfach festgestellt. Gegen Osten nahmen die beigabenlosen Gräber zu, sodass die chronologische Ausbreitung des Gräberfeldes nach Osten erfolgte. Dies bestätigt auch die horizontalstratigraphische Betrachtung der Beigaben. [54] Wahrscheinlich erstreckte sich der Friedhof im Norden bis zur Terrassenkante.
Südlich des Vicus Süd wurden im Bereich der nach Südosten führenden Römerstraße weitere Brandgräber und Steinplattengräber gefunden, die nach ihren Beigaben in die Frühe Kaiserzeit bis in das 4.Jh. zu datieren sind. Bereits 1938/39 wurden von H. Riedl Gräber entdeckt. Nach vereinzelten Funden erbrachte eine Ausgrabung 1999 in der Hans-Kudlich-Straße weitere Bestattungen. In der Hans-Kudlich-Straße auf Parz. 711/12 wurden 1999 – 2000 die Kanalisationsarbeiten vom BDA (Verein ASINOE, G. Artner) beobachtet. Im südlichen Teil wurden zwei Bestattungen gefunden, sodass hier die westliche Begrenzung des auf Parz. 710/5 erforschten Gräberfeldes angenommen wird. Im nördlichen Bereich wurden kaiserzeitliche Siedlungsschichten bis zu einer Tiefe von 3,6 angeschnitten. Ein Brunnenschacht wurde erkannt.
Denkmalschutz und Fundverbleib
Römische Funde aus Favianis sind im Römermuseum bei der Römerhalle zu besichtigen. Die Anlagen sind Bodendenkmäler im Sinne des Denkmalschutzgesetzes.[55] Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden ohne Genehmigung des Bundesdenkmalamtes stellen eine strafbare Handlung dar. Zufällige Funde archäologischer Objekte (Keramik, Metall, Knochen etc.) sowie alle in den Boden eingreifenden Maßnahmen sind dem Bundesdenkmalamt (Abteilung für Bodendenkmale) zu melden.
Literatur
- Kurt Genser: Der österreichische Donaulimes in der Römerzeit, Ein Forschungsbericht. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1986, (Der römische Limes in Österreich, 33), S. 273-296.
- Herwig Friesinger und Fritz Krinzinger (Hrsg.): Der römische Limes in Österreich, Führer zu den archäologischen Denkmälern. Verlag der ÖAW, Wien 1997, S. 208-214,
- Stefan Groh, Helga Sedlmayer: Der Römische Limes in Österreich, darin: Forschungen im Vicus Ost von Mautern-Favianis, Die Grabungen im Jahr 1997-1999, Band 44/1 (2006) S. 733-743,
- Stefan Groh, Helga Sedlmayer: Der Römische Limes in Österreich, darin: Forschungen im Kastell Mautern-Favianis, Band 42 (2002), S.32-116,
- Herma Stiglitz und Erna Schneider: Führer d.d.römische Mautern-Favianis, Mautern/D 1991 , S. 7-21,
- Dr Paul Ceska: Studie über die Namen Favianis und Wien, Verlag Ferd.Berger, Horn 1965, S.17-23,
- Der Heilige Severin in Favianis, Mautern, Zwentendorf oder Wien: darin Dr Hannsjörg Ubl: Die Severinsorte des Österreichischen Limesabschnittes im Lichte der archäologischen Forschung, Verlag G.Grasl, Baden/W,
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ 1950 II, 21
- ↑ Fundberichte aus Österreich 5, 1946-1950, S. 110. Thaller 1952 und 1953, S. 193-196. Ertel 1995, S. 230 und 232. Jilek 2000a, S. 346
- ↑ Ertel 1995, S 238f. Gassner-Jilek 2000, S 97
- ↑ Ertel 1995, S. 234-238 und Abb. 8. Gassner-Jilek 2000, S. 120. Zimmermann et al. 2007, S. 594
- ↑ mittelalterlich, Gassner-Jilek 2000, S. 40
- ↑ Stiglitz 1957. Ertel 1996, S. 70f. Gassner-Jilek 2000, S.39f
- ↑ Fundberichte aus Österreich 6, 1951-55, S. 96. Stiglitz 1957, 4. Ertel 1995, S. 252. Gassner-Jilek 2000, S.242. Gassner-Jilek 2000, S. 112
- ↑ vgl. hierzu H.Stiglitz: 1961-1963, S. 167; dies. 1982, S.15
- ↑ siehe dazu auch Gassner Jilek 2000, S. 38
- ↑ Gassner-Jilek 2000, 34 und Abb. 21, Zeichnung E. Schedivy 1973
- ↑ Zimmermann et al. 2007, 594, Fundberichte aus Österreich 12, 1973, S. 104. Stiglitz 1977, S. 247ff. Ertel 1995, S. 234. Ertel 1996, S. 71f. Ertel 1997, S. 241. Gassner-Jilek 2000, S. 32ff. Zimmermann et al. 2007, S. 594.
- ↑ [CO]hors [I] [A]elia [B]rittonum [ANTO]niniana, Jilek 2000a, S. 346
- ↑ Ertel 1995, S. 232f. Gassner-Jilek 2000, S. 30f
- ↑ Kaltenberger 2000, S. 154f
- ↑ Ertel 1996, S. 78, Ertel 1995, S. 254, Ertel 1997, S. 249f, Gassner-Jilek 2000, S. 98-100, Kaltenberger 2000, S. 154f, Gassner 2000, S. 258f, Jilek 2000a, S. 347
- ↑ Ertel 1995, S. 254ff. Ertel 1996, S. 79f. Ertel 1997, S. 251f
- ↑ Ertel 1996, S.79. Ertel 1997, S.250. Gassner-Jilek 2000, S.101.Kaltenberger 2000, S.155. Gassner 2000, S.259f. Jilek 2000a, S.347f
- ↑ Groh 2002, 20ff. und Tabelle 2, 19
- ↑ Groh 2002, 20ff. und Tabelle 2, 19
- ↑ Groh 2002, 14
- ↑ Groh 2002, 30ff.
- ↑ Stiglitz/Schneider, 1991, S. 11-12
- ↑ Fundberichte aus Österreich, Band 46, 2007, S. 23f. Zimmermann et al. 2007
- ↑ Gassner-Jilek 2000, 36, Abb. 25-27
- ↑ Zimmermann et al. 2007, 594
- ↑ Fundberichte aus Österreich, Band 45, 2006, S. 28f.
- ↑ Gassner-Jilek 2000, 104
- ↑ Gassner-Jilek 2000, 34 und Abb. 21, Zeichnung E. Schedivy 1973. Wolfgang Pietsch, 2000, S. 370.
- ↑ Ausgrabung in der Melkerstraße 1996
- ↑ Fundberichte aus Österreich 9, 1966-70, S. 15. C. Ertel 1996, S. 76f. Gassner-Jilek 2000, S. 59ff
- ↑ Ertel 1996, S. 71. Gassner-Jilek 2000, S. 42-44. Kaltenberger 2000, S. 152
- ↑ Ertel 1995, S.248-252. Gassner-Jilek S.44ff
- ↑ Thaller 1953, S. 198ff. Ertel 1995, S. 246. Gassner-Jilek 2000, S. 53
- ↑ Ertel 1995, 243
- ↑ Ertel 1995, S.241-244 und Abb. 14. Ertel 1996, S.80f. Ertel 1997, S.240f. Gassner-Jilek 2000, S.64-69
- ↑ Groh 2002, 103
- ↑ 1873, 2201
- ↑ 1907, S.9ff, vgl. auch E.Zenker: 1918, S. 52
- ↑ 1934, derselbe 1941b, S.4, vgl. auch H.L.Werneck: 1955, S. 13; E.Kainz: 1983, S. 36
- ↑ vgl. auch W.Wagner: 1938, S. 107, Anm.201 S.196
- ↑ Militärdiplom von Felsönana, vom 20. Februar 98, CIL 16, 42
- ↑ CIL 3, 14214
- ↑ vgl. auch E.M. Ruprechtsberger: 1979, S. 14
- ↑ H.Stiglitz 1963
- ↑ 1967, S. 235, vgl. auch W.Zwikker: 1941, S. 110
- ↑ 1965, S.21
- ↑ 1967, S.235
- ↑ ND: Occ. XXXIV 41
- ↑ H.Zabehlicky: 1976, S.157-159
- ↑ Jilek 2000b
- ↑ H.Wolfram: S.21
- ↑ Pascher 1949, 103 und 227
- ↑ Pollak 1993, 222ff
- ↑ Wewerka 2000, 243
- ↑ Denkmalschutzgesetz auf der Seite des Bundesdenkmalamtes