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Klaus Hinrich Stahmer

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Klaus Hinrich Stahmer (* 25. Juni 1941 in Stettin) ist ein deutscher Komponist. Er gab der Entwicklung der E-Musik in den 80er-Jahren Impulse durch seine multimedialen Arbeiten (u.a. Musik mit Klangskulpturen und Musikalischen Grafiken). Bahnbrechend wirkte er auch durch seine Kompositionen für außereuropäische Instrumente.


Biografie

Klaus Hinrich Stahmer wurde als erstes Kind des Musiklehrerehepaars Edgar Stahmer und seiner Ehefrau Marianne (geb. Renner) in Stettin [heute: Szczecin] geboren. Auf der Flucht vor russischem Militär verließ die Familie im Januar 1945 ihre Heimat und nahm vorübergehend Aufenthalt in der Nähe der Stadt Marburg/Lahn. Die Schulzeit (1947-60) erlebte Stahmer in Lüneburg, wo er auch seinen ersten Instrumentalunterricht erhielt und in Chören mitsang und im Schulorchester als Violoncellist mitwirkte. Nach Abschluss seiner Musikstudien am ''Dartington College of Arts'' (England; SS 1960), am Hochschulinstitut für Musik Trossingen (WS 1960/61) und der Musikhochschule Hamburg (1961-66) sowie an den Universitäten Hamburg (1961-66) und Kiel (1966-69) übte Stahmer eine Tätigkeit als Hochschullehrer am Bayerischen Staatskonservatorium für Musik Würzburg (seit 1973 Hochschule für Musik). Hier gründete und leitete er das Festival “Tage der Neuen Musik” (1977-2001) auf und übernahm die Leitung des “Studio für Neue Musik” (1989-2003). Neben seiner vielseitigen Tätigkeit als Hochschullehrer, Festival- und Konzertorganisator und Cellist (u. a. wirkte er regelmäßig mit bei den Hochschulkonzerten im Rahmen des Würzburger Mozartfests und der Bachtage sowie bei den Tourneen des Ensembles „pro musica da camera“) machte sich Stahmer einen Namen als Buchautor und Journalist, wobei er hauptsächlich Themen aus dem Bereich der neuen Musik bearbeitete. Als freier Mitarbeiter mehrerer Rundfunkanstalten produzierte er zahlreiche Sendungen zur aktuellen Musik. Kulturpolitisch war Stahmer in mehreren Gremien (Deutscher Musikrat u. a.) für die Belange der zeitgenössischen Musik tätig. Mehrfach auch Präsident der deutschen Sektion der IGNM (1983-87; 2000-2002), besuchte er zahlreiche Länder der Erde. Den Schwerpunkt seines öffentlichen Wirkens sah er in der Vertiefung der Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sowie in der Annäherung Polens und Deutschlands. Seit seiner Emeritierung vom Hochschuldienst (2004) arbeitet Stahmer primär als Komponist und nimmt von seinem Wohnsitz Würzburg aus auch weiterhin Vortrags- und Studienreisen in die Länder des nahen und des fernen Ostens wahr.


Werkübersicht

Nach '''Threnos''' für Viola und Klavier (1963; Simrock-Verlag), Sonatine für Violine und Viola (1964; Möseler-Verlag) und weiteren Jugendwerken fand Stahmer mit Beginn seiner Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern zu neuen Ausdrucksformen, teilweise unter Verwendung elektronischer Mittel. Schlüsselwerke wie die Transformationen (1972) und das Schlagzeugduo I can fly (1975) zeigen Stahmer als Experimentator, der sich neben visueller Darstellungsmittel auch der zeitgenössischen Lyrik bediente und in kammermusikalischen Stücken wie Quasi un requiem (Texte: Henry Miller;1974) und Tre paesaggi (Texte: Cesare Pavese;1976) Musik mit hohem Symbolgehalt schuf. Seit Mitte der 70er-Jahre finden sich auch Bühnenwerke wie das mit elektronischen Mitteln gestaltete und 1980 in Zagreb unter Mitwirkung des Gitarristen Siegfried Behrend uraufgeführte Ballett Espace de la solitude oder das in Gemeinschaftsproduktion mit dem Jazz-Saxofonisten Bernd Konrad entstandene und 1983 am Staatstheater Oldenburg uraufgeführte Ballett Die Nashörner (nach Eugène Ionesco). Größer besetzte Kammermusikzyklen wie beispielsweise die Acht Nachtstücke (1980), die sechs Momentaufnahmen – schwarz/weiß (1986/89) und der Bühneneinakter Singt, Vögel (1985/86; Inszenierungen an den Bühnen der Landeshauptstadt Kiel, im Marstalltheater München und im Gasteig München) oder auch die Drei Bagatellen – in memoriam Igor Strawinsky (1992) lassen eine neue Dimension im Schaffen des Komponisten erkennen. Mit der Sicherheit im Umgang mit komplexeren Klangkörpern war auch das Bedürfnis nach Erweiterung der Formen gewachsen. Daneben erforschte Stahmer die klanglichen Möglichkeiten von Elmar Dauchers Klangsteinen und Installationen von Edmund Kieselbach. Hatte er zuvor meist improvisatorisch mit ähnlichen Klangskulpturen gearbeitet, entwickelte er nunmehr systematisch Klangstrukturen, bei denen Klangsteine mit herkömmlichen Klangkörpern wie dem Streichquartett (Kristallgitter; 1992) oder Akkordeon (To lose is to have; 1999) zusammenwirken. Seit 1994 macht sich zunehmend der Einfluss außereuropäischer Musizierformen bemerkbar, ablesbar etwa an den drei Songlines (1994) oder dem einstündigen, in Australien uraufgeführten Klavierzyklus Sacred Site (1996). Stücke wie There is no return (1998) zeigen, dass Stahmers Beschäftigung mit fremden Ethnien – in diesem Fall mit südafrikanischen – nicht nur musikimmanent auf sein Komponieren ausstrahlt, sondern auch politisches Engagement für die Opfer weißer Gewaltherrschaft beinhaltet. Vom Mitgefühl für die Opfer des Holocaust geprägt ist das in mehrjähriger Arbeit entstandene Tonbandstück (mit Vibrafon-Solo) Che questo è stato (1999). Das Duo für die chinesische Mundorgel Sheng und die chinesische Zither Guzheng Silence is the only Music (2004) eröffnet eine Serie von Stücken, in denen Stahmer die Spielweise und Tongebung nichteuropäischer Instrumente zur Darstellung seiner musikalischen Vorstellungen heranzieht. Bisher jüngstes Dokument dieser integrativen Praxis ist der in Zusammenarbeit mit dem libanesischen Dichter Fuad Rifka entstandene Zyklus Gesänge eines Holzsammlers (2009), wo arabische Instrumente wie die Zither Qanun und eine Rahmentrommel zum Einsatz kommen.


Stilistik

Als Komponist zunächst im Fahrwasser einer Hindemith-, Bartók- und Berg-Nachfolge anzutreffen, entdeckte Stahmer durch eingehende Beschäftigung mit der Bildersprache zeitgenössischer Maler und Bildhauer zunehmend die Möglichkeit, der Enge traditioneller Hörgewohnheiten zu entgehen. Seit 1972 band er instrumental oder elektronisch realisierte Klangfarben so in zeitliche Prozesse ein, dass diatonisches oder chromatisches Skalendenken ebenso wenig Sinn macht wie die etwaige Observanz motivisch-thematischer Vorgänge. Improvisatorisch und kompositorisch fand Stahmer seinen eigenen Weg zu ausdrucksstarken und vornehmlich am Klangerlebnis orientierten Stücken. Wurde auf der einen Seite der herkömmliche Instrumentalklang geräuschhaft erweitert und aufgebrochen, zeichnet sich auch in Vokalwerken wie Die Landschaft in meiner Stimme (1978) die Hinwendung zu den phonetischen Valeurs der mit Mund und Stimmbändern produzierten Klänge ab. Nach einer überwiegend vom Klangexperiment geprägten Schaffensphase suchte Stahmer dann ab 1980 nach Möglichkeiten, seine neuen Erfahrungen auch auf die eher traditionellen Spiel- und Gesangstechniken zu übertragen und war dabei erfolgreich in unbegleiteten Solokompositionen wie Aristofaniada (1979) und Now (1980). Hieraus entwickelte Stahmer dann eine verstärkt auf der stilistischen Retrospektive aufbauende, das Vorbild jedoch nur in gebrochener Form erkennbar werden lassende Schreibweise, die sich zunehmend an solchen Idealen wie Klangschönheit und Spielfreude orientiert. Parallel hierzu kommt es allerdings, beginnend mit der musikalischen Grafik Geburtstagskanon für John Cage (1982) und deutlicher erkennbar noch mit dem Tonbandstück Der Stoff aus dem die Stille ist (1990) zu einer Gegenbewegung. Der klanglichen Üppigkeit begegnet der Komponist nunmehr zunehmend mit einer Reduktion der Mittel und einer Zurücknahme des Ausdrucks. Knapp und klar geschnitten erscheinen die Klanggesten schließlich in den beiden Klavierstücken Musik der Stille (1994/98) und dem an japanisches Nô-Theater erinnernden Duo Ima (2007). Hatte Stahmer sich Anfang der 70er-Jahre vehement von den melodischen und harmonikalen Denkmodellen der Schönbergschule abgewendet und einem erneuerten Form- und Klangdenken Raum in seinem Schaffen gegeben, so lässt sich in den letzten Jahren eine Rückkehr zur Tonalität konstatieren, zu einer Tonalität indessen, die jenseits aller funktionsharmonikalen Klangverbindungen eher mit den modalen Klangvorstellungen arabischer "Maqame“ [Modi] oder fernöstlicher Stimmungen operiert und dabei zuweilen auch die reine (pythagoräische) Intonation einbezieht. Dass dabei Stahmers Musik immer noch „westlich“ klingt, verdankt sie einer klaren Abgrenzung des Komponisten gegenüber jeglicher Form von Stilkopie.

Werke

Noch zu bearbeiten

Auszeichnungen und Preise

1981 1. Preis (für Pages for Four) im Wettbewerb „Junge Komponisten gesucht“ der Stadt Koblenz; 1984 1. Preis (für Nocturne für Enzensberger) im Wettbewerb der Onyûkai Association Tokyo; 1986 Johann-Wenzel-Stamitz-Preis der Künstlergilde e.V.; 1994 Kulturpreis der Stadt Würzburg; 1996 Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland; 2001 1. Preis (für Musik für die weißen Nächte) im Georg-Friedrich-Händel-Wettbewerb der Stadt Halle; 2006 Ehrenpreis (für Silence is the only Music) im Tsang-Houei-Hsu-Wettbewerb Taipeh.

Literatur (Auswahl)

Artikel Klaus Hinrich Stahmer in: Brockhaus Riemann Musiklexikon (Ergänzungsband), Mainz (1989) Artikel Klaus Hinrich Stahmer in: Komponisten der Gegenwart, Edition Text & Kritik München, Loseblattsammlung (seit 1992). Artikel Klaus Hinrich Stahmer in: The New Grove Dictionary of Music and Musicians, Vol. 24 (2001). Artikel Klaus Hinrich Stahmer in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. Ausgabe Bd. 14, Kassel (2006)

http://www.KHStahmer.de http://www.wergo.de/shop/de_DE/artists/1/38561/ http://www.verlag-neue-musik.de/verlag/ http://www.breitkopf.com/authors/abisz http://www.miz.org/index.php?seite=details_komponisten&id=180