Babylonischer Kalender
Der babylonische Kalender war ein stationärer Kalender, bestehend aus 12 Monaten mit je 30 Tagen. Die Woche hatte 10 Tage. Mithin bestand ein Normaljahr aus 360 Tagen, dem in unregelmäßigen Abständen ein Schaltmonat mit 30 Tagen zugefügt wurde.
Babylonischer Kalender
Frühere Annahmen
Bisher wurde angenommen, dass das babylonische Jahr durch einen Lunisolarkalender bestimmt wurde und die Monate mit den Mondneulicht-Tagen begannen. Zusätzlich vertraten die Forscher die Ansicht, dass im Zusammenspiel der Sonne und dem Frühlings-Äquinoktium der Neujahrsbeginn festgelegt wurde.
Durch Auswertung mehrerer astronomischer Texte kann diese Annahme nicht mehr in allen Stücken aufrechterhalten werden. Vielmehr wurde der Kalender durch so genannte Kalendersterne und den babylonischen Mondkalender bestimmt. Als ein markanter Kalenderstern galt der Sirius, der in den akkadischen Texten als KAK.SI.SÁ (Lanze, Pfeil) bezeichnet wurde. Der Zeitpunkt seines heliakischen Aufgangs bestimmte automatisch das notwendige Schaltjahr, in dem ein weiterer zwölfter Monat (Makarusa Adaru) mit 30 Tagen zugefügt wurde, im jüdischen Kalender auch als Adar II. (We-Adar) bekannt.
Der Schaltmonat wurde durch einen königlichen Erlass ausgerufen, hatte im wirtschaftlichem Bereich jedoch keine verlängernde Wirkung, da in den Verträgen vereinbart wurde, dass bei Schaltjahren die Fälligkeiten um einen Monat vorzuverlegen waren. Das verwendete Sexagesimalsystem kannte keine Sieben-Tage-Woche und legte daher die 30 Tage als Monatsgröße fest.
Schaltjahres-Zeitpunkt
Neben anderen babylonischen Quellen wurde in den MUL.APIN-Keilschrifttexten der genaue Zeitpunkt beschrieben:
„DIŠ ina itiZIZ UD 15 KAM mulKAK.SI.SÁ ina li-la-a-ti IGI MU BI DIRI-at...Übersetzung: Wenn der Pfeilstern (Sirius) am 15. Šabatu am Abend akronychisch aufgeht, ist dieses Jahr ein Schaltjahr.“
Als ein weiteres Kalendergestirn galt der offene Sternhaufen der Plejaden, die in der sumerischen Sprache als MUL.MUL (Die Sterne) sowie in der akkadischen Sprache als „zap-pu“ ((Stern-)Haufen) bezeichnet wurde. Grundlage des Neujahrbeginns bildete der heliakische Aufgang von MUL.MUL am 1. Ajjaru und die dadurch veranlasste Rückrechnung des Starttermins des Neulicht-Mondes (dsin ina IGI) auf den 1. Nisannu. Im Schaltjahr wurde MUL.MUL auf den 1. Simanu verschoben.
Im Zuge fortschreitender Erkenntnisse und Einsichten in astronomische Vorgänge kam es seit Nabopolassar (625-605 v. Chr.) auch zu Versuchen, den Kalender nach festem Schema zu bestimmen und festzulegen. Für kurze Zeit setzte sich ein 8 Jahre-Schaltzyklus, dann - endgültig - der 19 Jahre-Schaltzyklus durch, der seit der Seleukiden-Ära bei Verwendung eines Adaru II bzw. eines Ululu II (Jahresmitte) den Kalender regulierte.
Die scheinbare Helligkeit des Neumonds ist etwa so groß wie die der Venus. Der astronomische Zeitpunkt des Neumonds kann prinzipiell von der Erde aus am Nachthimmel nicht beobachtet werden, da er sich dort immer unterhalb des Horizonts befindet. Auch auf der Tagseite ist er für das bloße Auge unsichtbar, weil die aschgraue Schattenseite am Tage vom Streulicht der Sonne in der Erdatmosphäre überstrahlt wird. Es ist jedoch möglich, das Neulicht wahrzunehmen, wenn der Untergang des Mondes etwa 25 bis 30 Minuten nach Sonnenuntergang und der astronomische Neumond einige Stunden vorher erfolgte. Im Normalfall ist die lichtschwache Mondsichel aber erst am Tag nach Neumond in der Abenddämmerung zu sehen.
Der Beginn des Neujahres in frühester Zeit wird in der modernen Forschung kontrovers diskutiert, da bislang keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorliegen, ob der Beginn des Herbstes oder des Frühlings den Start für das neue Jahr markierte. Bei entsprechenden Aufzeichnungen der heliakischen Aufgänge gibt es Hinweise in der Kompilation Astrolab B (13. Jh. v. Chr.), dass ursprünglich ähnlich dem jüdischen Kalender das landwirtschaftliche Neujahr im Monat September begann. Die Aussage des assyrischen Königs Esarhaddon: Die Köpfe der Feinde fallen wie die Äpfel im Monat Simanu verweist auf die Monate Juni/Juli und meint die faulen Äpfel, die vom Baum fallen. Bemerkenswert ist auch der altbabylonische Text BM 17175+17284 (= 92-7-9,291+400), wonach damals der Beginn des babylonischen Kalenderjahres offenbar nicht mit dem Monat Nisannu, sondern mit dem vorauslaufenden Monat Adaru begann.
Einteilungen
Bei Jahresanfang im Frühling lag dieser und der Vollmond immer in der Nähe des Frühling-Äquinoktiums. Ein neuer Kalendertag begann im babylonischen Kalender immer in der Abenddämmerung und hatte bis zur Abenddämmerung des nächsten Tages Gültigkeit. Die Tabellen-Angaben stellen die Tagesdaten dar; das Neulicht als Startzeichen für den neuen Monat war jeweils am Vorabend zu sehen.
Monatsnamen
Die babylonischen Monatsnamen, die aus der altbabylonischen Zeit (2000–1600 v. Chr.) stammen, leiteten sich aus dem älteren Kalendersystem aus Nippur ab.
Monatsnamen in verschiedenen Epochen und Regionen | ||||
Monats-Nr. | Babylonischer Kalender | Nippur-Kalender | Ur-III-Kalender | Lagaš-Kalender |
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Planmäßiger Schaltzyklus ab 424 v. Chr.
In den Jahren 3, 6, 8, 11, 14 und 19 erfolgte der Einschub des Monats Addaru II; im 17. Jahr dagegen als dreizehnter Monat der Ululu II. Der Zeitpunkt des neuen Jahres wurde durch das erste Neulicht bestimmt, das frühestens am Tag des Frühlingsäquinoktiums in den ersten Monat Nisannu fiel. Aufgrund der planmäßigen Schaltungen bestand für den Zeitpunkt des kalendarischen Neujahrs nur noch eine Schwankungsbreite von 27 Tagen (22./23. März[2] bis 18./19. April[2]); der Durchschnittswert lag bei 14 Tagen (4./5. April[2]).[3]
Im 40. Regierungsjahr von Artaxerxes I. wurde die Schaltregel erstmals angewendet, die Dareios II. in seinem 2. Regierungsjahr (422 bis 421 v. Chr.) fortsetzte. Die Nachfolger von Dareios II. hielten sich ebenfalls an das Schaltschema und setzten die Schaltregel regelmäßig ein.
Schaltjahre im babylonischen Kalender in verschiedenen Epochen | |||||
Zyklusjahr[4] | Datierung | Schaltmonat | Beginn des Schaltmonats | Beginn des nächsten Nisannu | Zyklusjahr[4] |
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Siehe auch
Literatur
- Hermann Hunger: Kalender. In: Dietz-Otto Edzard u.a.: Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Bd.5. de Gruyter, Berlin 1980, ISBN 3-1100-7192-4, S. 297–303.
- Otto Kaiser: Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Bd. 1 (Alte Folge), Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1994
- Dietz-Otto Edzard u.a.: Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Bd. 3, de Gruyter, Berlin 1971, ISBN 3-11-003705-X, S. 74-75
Anmerkungen und Belege
- ↑ Johannes Koch, Ein für allemal: Das antike Mesopotamien kannte kein 364 Tage-Jahr, N.A.B.U.. 1998. 4 (decembre), 121 (112), hier online
- ↑ a b c Datierungen im gregorianischen Kalender unter Berücksichtigung des tagesübergreifenden Systems des babylonischen Kalenders.
- ↑ Hermann Hunger: Kalender. S. 298.
- ↑ a b Schaltzyklusstart spätestens unter Dareios I..
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p Datumsangabe im gregorianischen Kalender: im julianischen Kalendersystem sind 5 Tage zum gregorianischen Datum zu addieren. Datierungsgrundlage sind die NASA-Angaben unter Berücksichtigung des T-Deltas. Für Babylonien ist zu der Universal Time (UT) der Zeitzonenzuschlag von 3 Stunden zu berücksichtigen; gemäß Jean Meeus: Astronomische Algorithmen - Anwendungen für Ephemeris Tool 4,5 -, Barth, Leipzig 2000 für: Ephemeris Tool 4,5 nach Jean Meeus, Umrechnungsprogramm, 2001.
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t Datumsangabe im gregorianischen Kalender: im julianischen Kalendersystem sind 5 Tage zum gregorianischen Datum zu addieren. Datierungsgrundlage sind die NASA-Angaben unter Berücksichtigung des T-Deltas. Für Babylonien ist zu der Universal Time (UT) der Zeitzonenzuschlag von 3 Stunden zu berücksichtigen; gemäß Jean Meeus: Astronomische Algorithmen - Anwendungen für Ephemeris Tool 4,5 -, Barth, Leipzig 2000 für: Ephemeris Tool 4,5 nach Jean Meeus, Umrechnungsprogramm, 2001.