Weiß-Tanne
Weiß-Tanne | ||||||||||||
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![]() Weiß-Tanne (Abies alba) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Abies alba | ||||||||||||
Mill. |
Die Weiß-Tanne (Abies alba), standardsprachlich Weißtanne, auch Edeltanne[1] genannt, ist eine Nadelbaumart der Gattung Tannen (Abies) aus der Familie der Kieferngewächse (Pinaceae). Sie kann ein Höchstalter von 500 bis 600 Jahren erreichen. Der Name leitet sich von der im Gegensatz zur Gemeinen Fichte auffallend weißgrauen Rinde ab. Die Weiß-Tanne war im Jahr 2004 Baum des Jahres in Deutschland. Mit der botanischen Bindestrichschreibweise wird ihre Zugehörigkeit zur Gattung der Tannen betont.
Beschreibung


Habitus
Sie erreicht eine Wuchshöhe von 30 bis 50 Metern, im Einzelfall sogar bis 65 Meter bei einem Brusthöhendurchmesser von bis zu 2, in Extremfällen bis zu 3,8 Meter. Während die Hauptäste in Scheinquirlen abgehen sind die kleineren Äste spiralig angeordnet. Es werden keine Kurztriebe gebildet.[2] Die Kronenform kann stark variieren und hängt vor allem vom geografischen Standort und dem Lichtverhältnissen ab. Junge Bäume die unter optimalen Lichtverhältnissen wachsen bilden eine spitze Krone aus. Überwachsene Jungbäume sind flachkronig entwickeln aber nach einer Freistellung schnell eine lange spitze bis spitzkegelförmige Krone. Bei Altbäumen reduziert sich das Höhenwachstum der Gipfeltriebe die obersten Seitentriebe wachsen jedoch noch ihn die Länge. Durch das anhaltende Längenwachstum der Seitentriebe bildet sich eine so genannte „Storchennestkrone“ aus welche auch bei, durch Stress vorzeitig gealtertern, Jungbäumen auftreten kann. Schlafende Triebe können entlang ders Stammes Klebäste bilden.[3]
Knospen und Nadeln
Die stumpf eiförmigen Knospen sind hellbraun und harzfrei. Nach dem Austrieb verbleiben die wenigen Knospenschuppen an den Zweigen. Jeder Trieb weist an der Spitze eine Terminal- sowie direkt darunter zwei bis fünf, quirlförmig angeordnete, Lateralknospen auf. Die Triebe 1. Ordnung bilden bei Jungbäumen bis zu 10 und bei Altbäumen 2 bis 3 Lateralknospen aus. Weibliche Blütenknospen werden anstatt von vegetativen Knospen an der Trieboberseite gebildet. Männliche Blütenknospen findet man auf der Triebunterseite in den Nadelachsen.[2]
Die kurz gestielten und ledrigen Nadeln werden bis zu 3 Zentimeter lang und 3 Millimeter breit. Die Größe und die Form variiert je nach Baumalter und der Stellung der Nadeln in der Krone. Lichtnadeln sind kürzer, steifer und schmaler als Schattennadeln. Die Nadeloberseite ist dunkelgrün und die Nadelunterseite ist blaßgrün gefärbt. Lichtnadeln weisen einen rhombischen Querschnitt auf während Schattennadeln im Querschnitt flügelförmig sind. An den Zweigen sind sie spiralig angeordnet und stehen bei an den Gipfeltrieben und an lichtexponierten Seitentrieben radial ab. An schattigen Kronenteilen stehen sie horizontal gescheitelt und es tritt meistens eine Anisophyllie auf. Spaltöffnungen findet man bei Schattennadeln in zwei weißen Streifen an der Nadelunterseite. Lichtnadeln weisen auf allen Nadelseiten Spaltöffnungen auf. Die Nadeln verbleiben zwischen 8 und 12 Jahren am Baum ehe sie abfallen.[2]
Blüten, Zapfen und Samen
Die Weiß-Tanne ist einhäusig-getrenntgeschlechtig (monözisch) und wird im Freistand mit 25 bis 35 und im Bestand mit 60 bis 70 Jahren mannbar. Je nach Standort blüht die Art im Mai oder Juni, kurz vor dem Erscheinen der neuen Triebe.[4] Die 2 bis 3 Zentimeter langen männlichen Blütenzapfen sind gelb gefärbt. Man findet vor allem im mittleren und unteren Teil der Krone an den Unterseiten von vorjährigen Trieben. Die 3 bis 5 Zentimeter langen weiblichen Blütenzapfen sind blaßgrün gefärbt und kommen etwas seltener vor als männlichen Blütenzapfen. Man findet sie an den Oberseiten von kräftigen vorjährigen Trieben. Sie bestehen aus horizontal abstehenden, spitz zulaufenden Deckschuppen. Männliche und weibliche Blütenzapfen sind nur selten auf dem selben Zweig zu finden. Der Pollen weist zwei Lufsäcke auf. Die Bestäubung erfolgt über den Wind (Anemophilie).[5] Die Befruchtung erfolgt vier bis fünf Wochen nach der Bestäubung.[4]
Die walzenförmigen Zapfen werden bis zu 16 Zentimeter lang und 3 bis 5 Zentimeter dick. Sie reifen im Herbst des Blütejahres und sind dann von grünbrauner Farbe. Der obere, zurückgebogene Teil der zungenförmigen Deckschuppen ragt zwischen den Samenschuppen hervor. Jede der Zapfenschuppen trägt zwei Samen. Nachdem die Samen im September bis Oktober[4] des Blütenjahres reifen, fallen die Samenschuppen ab. Die Zapfenspindel kann noch mehrere Jahre am Baum verbleiben ehe sie abfällt.[5]
Die braunen Samen sind unregelmäßig dreikantig geformt und werden 7 bis 13 Millimeter lang. Die Samenunterseite ist glänzend. Die Samenschale ist harzreich und fest mit einem Flügel verwachsen. Dieser Flügel ist relativ breit, dreieckig geformt und sehr brüchig. Das Tausendkorngewicht liegt zwischen 50 und 55 Gramm. Die Samen werden vom Wind verbreitet. Nur 30 bis 60% der Samen sind keimfähig.[5] Die Keimlinge bilden vier bis acht, 20 bis 30 Millimeter lange Keimblätter (Kotyledonen) aus. Die Keimblätter weisen an der Oberseite zwei Wachsstreifen auf.[6]
Wurzelsystem
Ein wesentliches Merkmal der Wurzelform der Weiß-Tanne ist die Beständigkeit, auch bei unterschiedlichen Standorten. Die Polwurzel ist deutlich vorwüchsig. Die Tanne zählt daher zu den am tiefsten wurzelnden Nadelbäumen, anders als die Gemeine Fichte (Picea abies). In Deutschland erreicht sie Wurzeltiefen von gut 1,50 m, in den wärmeren Teilen Österreichs sogar knapp 3 m. Untersuchungen haben ergeben, dass die Wurzeln der Tanne weit über ihren Kronenbereich hinauswachsen und horizontale Längen von teilweise 10 m erreichen. Ältere Bäume bilden gewöhnlich kräftige, starkverzweigte Senkwurzeln an den Seitentrieben aus, die fast so tief wie die Polwurzel gründen. Dadurch ist sie sehr sturmsicher und besiedelt auch feuchtere Böden. In Untersuchungen wurde gezeigt, dass die Weiß-Tanne unter den Nadelbäumen am häufigsten Wurzelverwachsungen aufweist. So wurden in einem geplenterten Tannenwald in Kroatien bei 30 bis 60 Prozent der Bäume Wurzelverwachsungen nachgewiesen. In den Plenterwäldern des schweizerischen Emmentals sollen etwa ein Drittel der Tannenbaumstümpfe zwischen 10 und 20 Zentimeter miteinander verwachsen sein.[7]
Borke
Junge Bäume besitzen eine glatte, hellgraue Rinde, die meist kleine Harzblasen aufweist. Ab einem Alter von 40 bis 60 Jahren bildet sich eine Schuppenborke aus welche von weiß- bis dunkelgrauer Farbe ist. Diese Schuppenborke ist grobrissig und weist deutliche Querrisse auf. Die einzelnen Schuppen sind 3 bis 8 Millimeter stark. Die innere Rinde ist rötlich-braun.[8] Junge Triebe weisen eine dichte braune Behaarung auf.[2]
Holz
Sowohl das Kern- als auch das Splintholz der Weiß-Tanne sind hell und lassen sich farblich nicht voneinander unterscheiden. Die Jahresringe sind aufgrund des fast weißen Frühholzes und des dunkelroten Spätholz gut erkennbar. Der Spähtholzanteil ist meist sehr hoch und die Spätholzzonen können scharf umrissene, zungenförmige Fladern bilden. Es treten keine primären Harzkanäle auf, es können aber gelegentlich traumatische Harzkanäle gebildet werden.[8]
Das Holz ist wenig dauerhaft und besitzt nur eine geringe Widerstandfähigkeit gegenüber Insekten- und Pilzbefall. Es ist witterungsbeständiger als das der Gemeinen Fichte (Picea abies). Unbehandelt nimmt es an der Luft eine graue Färbung an. Es lässt sich gut bearbeiten, imprägnieren, spalten und verleimen.[8]
Kenngröße | Wert | Einheit |
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mittlere Darrdichte (r0) | 0,41 | kg/m³ |
Schwindung (Volumen) | 11,5 | % |
Druckfestigkeit | 46 | N/mm² |
Zugfestigkeit | 82 | N/mm² |
Biegefestigkeit | 73 | N/mm² |
Verbreitung und Standort
Das Hauptverbreitungsgebiet der Weiß-Tanne umfasst die collinen bis subalpinen Regionen Mittel- und Südeuropas. Die Westgrenze des Hauptverbreitungsgebietes verläuft entlang des Schweizer Juras über den westlichen Teil des Schwarzwaldes und Thüringen bis zur Niederlausitz. Weiter westlich findet man noch Teilvorkommen im französischen Zentralmassiv und in den Pyrenäen. Die Nordgrenze verläuft etwas südlich von Warschau sowie durch das Grenzgebiet von Galizien und Wolhynien. Nach Süden kommt die Art bis in die Gebirge der Balkanhalbinsel sowie der südlichen Ausläufer des Apennin und auf Korsika vor. Im Osten umfasst das Verbreitungsgebiet den gesamten Karpatenbogen. Innerhalb des Verbreitunggebietes fehlt die Art nur in Trockengebieten und Tieflagen wie im Prager Becken, Südmähren, der ungarischen Tiefebene und den Gebieten westlich von Wien. Im gesamten Verbreitungsgebiet ist der Weiß-Tannenanteil an der Waldfläche in den letzten 200 Jahren aufgrund von verschiedenen natürlichen Einflüssen und falscher waldbaulicher Behandlung stark zurückgegangen. Menschliche Anbauten erfolgten vor allem entlang der Nordwestküste Europas.[9]
Die Weiß-Tanne ist eine Baumart des ozeanischen und des gemäßigten kontinentalen Klimas. In Mittel- und Südeuropa kommt sie vor allem im Gebirge vor. Im Nordosten des Verbreitungsgebietes findet man sie aber auch im Flach- und Hügelland. So findet man die Art in Minsk ab einer Höhe von rund 130 Metern. Die Obergrenze ihrer vertikalen Verbreitung steigt von Norden nach Süden an und liegt im Thüringer Wald, im Frankenwald und im Fichtelgebirge bei rund 800 Metern während er in den Seealpen bei 2.100 Metern liegt. Im Pirin-Gebirge findet man die Art sogar noch in 2.900 Metern Höhe.[9] Im Zentrum und im Norden des Verbreitungsgebietes wird die Weiß-Tanne als Schattenbaumart, im Süden jedoch als Halbschattenbaumart angesehen. Die Art benötigt eine rund dreimonatige frostfreie Vegetationszeit und eine mindestesn dreimonatige Winterruhe. Sie benötigt eine Jahrsmitteltemperatur von rund 5° C. Auf Spätfröste, Frosttrocknis sowie geringe Niederschläge reagiert die Art empfindlich. Die Jahresniederschläge liegen, je nach Standort zwischen 520 und 1.200 mm. Orte mit Jahresniederschlagsmengen von unter 800 mm werden nur besiedelt wenn ausreichend Bodenwasser zur Verfügung steht. Eine gute Wasserversorgung ist für die Art wichtiger als eine gute Nährstoffversorgung und Durchlüftung des Bodens. Die Art ist bodenvag, stellt also keine hohen Anforderungen an den pH-Wert des Bodens. Man findet die Art auf karbonatreichen Substraten sowie auch auf basenarmen Silikatböden. Weisters auf Rendzinen sowie podsolisierten und vergleyten Böden.[10]
Wanderungen
Während der Würm-Kaltzeit war das Vorkommen der Weiß-Tanne auf einige Refugien auf der Balkanhalbinsel, den Pyrenäen und des Apennin beschränkt. Es werden zudem noch einige Refugien in Süd- und Mittelitalien sowie an klimatisch güsntigen Standorten im südlichen Alpenvorland vermutet. Die Existenz von Refugien in den Pyrenäen wird aufgrund der Homogenität von west- und mitteleuropäischen Herkünften angezweifelt. Ein Vorkommen der Weiß-Tanne in den Pyrenäen vor der Rückwanderung aus Italien wird jedoch durch Pollenanalysen bestätigt. Pollenanalysen bestätigen das sich die Art nach der Kaltzeit auf drei Hauptwegen von Oberitalien und der Balkanhalbinsel oder den Südalpen aus nach Mitteleuropa zurückwanderte.[3]
- Über den „Alpen-Allgäuweg“ wanderte die Art um 7.500 v. Chr. von Oberitalien über die Zentralalpen in die Tallagen der Südschweiz. Über den Leventina- und den Lukmanierpass erreichte sie um 5.000 v. Chr. die Surselva und etwas später das Allgäu, das Bayerische Alpenvorland und den Bodenseeraum. Etwa zur gleichen Zeit erreichte sie über den Reschenpass das Unterengadin. Wahrscheinlich über den Simplonpass gelangte sie in den Kanton Wallis.
- Über den „Juraweg“ wanderte die Art um 4.000 bis 3.500 v. Chr. vom Apennin durch das Rhonetal in die Berner Alpen und den Schweizer Jura. Die Auvergne, der Schwarzwald und die Vogesen wurden zwischen 3.000 und 2.500 v. Chr. erreicht.
- Über den „Ostalpenweg“ wanderte die Art um 6.500 v. Chr. nach Niederösterreich und weiter in die oberbayrischen Mittelgebirge, die Böhmisch-Mährische Höhe, das Erzgebirge und die Sudeten. Ob diese Wanderung von der Balkanhalbinsel oder den Südalpen ausging ist umstritten. Eine Rückwanderung aus Refugien im Balkan wird jedoch aufgrund einer starken boreal-atlantischen Buchensperre als unwahrscheinlich angesehen. An polnischen, slowakischen und tschechischen Populationen durchgeführte Pollenanalysen bestätigen eine Rückwanderung aus den Südalpen.
Nutzung

Das Holz der Weiß-Tanne wird vor allem zur Herstellung von Faserplatten, Furnieren, Sperrholz und Spanplatten sowie als Rohstoff für die Zellstoff- und Papierindustrie verwendet Da es selbst bei ständiger oder wechselnder Feuchtigkeit wenig schwindet und quillt ist es für den Erd- und Wasserbau besser geeignet als Fichtenholz. Wegen des hohen Gewichts und der Ringschäle wird es von Zimmerleuten wenig geschätzt findet aber als Bauholz Verwendung. Aufgrund der guten Spaltbarkeit eignet es sich gut zur Herstellung von Schindeln.[11] (→ Hauptartikel: Tannenholz)
Ökologie
Mykorrhizapartner
Die Weiß-Tanne bildet mit mehreren Pilzarten eine Ektomykorrhiza aus. Auf Humusböden wird diese vor allem vom Trompetenpfifferling (Cantharellus tubaeformis), Cenococcum geophilum, Piloderma bicolor, Poria terrestris und dem Gelbgrünen Ritterling (Tricholoma flavovirens) gebildet. Auf Mineralböden dienen vor allem der Pfifferling (Cantharellus cibarius), der Schwarzpunktierte Schneckling (Hygrophorus pustulatus), Russula azurea sowie verschiedenen Arten von Milchlingen (Lactarius) und der Gattung Salmonicola als Mykorrhizapartner.[8]
Vergesellschaftung
Im natürlichen Verbreitungsgebiet findet man reine Tannenwälder (Abietum) nur dort wo die Rotbuche (Fagus sylvatica) aufgrund von extremen Umweltbedingungen nicht mehr konkurrenzfähig und die Gemeine Fichte (Picea abies) bereits in der Ansamungsphase ausfällt. Bei den reinen Tannenwäldern werden drei, ökologisch differierende, Gruppen unterschieden:[10]
- Reinbestände des kontinental getönten Klima von der Ebene bis zur montanen Höhenstufe die auf mehr oder weniger basenreichen Böden vorkommen. Hier fehlt die Rotbuche aufgrund der klimatischen Bedingungen.
- Reinbestände der montanen bis subalpinen Höhenstufe mit hohen Niederschlägen die auf tonreichen und eher kalkarmen Böden vorkommen.
- Reinbestände der submontanen bis montanen Höhenstufe die auf staunassen und oft sauren Böden vorkommen.
Im ozenanischen Klimabereich des Alpenraumes findet man natürlich vorkommende Buchen-Tannenwälder (Abieti-Fagetum). Diese besiedeln luftfeuchte Lagen und benötigen hohe Niederschlagsmengen. Auf Kalk, Dolomit und tonarmen Moränen dominieren eher Laubbäume während auf Silikatgestein, Flysch, tonreichen Schiefer und verdichteten, skelettarmen Moränen eher die Weiß-Tanne dominiert. Ab der oberen montanen bis zur subalpinen Höhenstufe nimmt der Rotbuchenanteil der Wälder immer mehr ab und der Fichtenanteil immer mehr zu. In diesen Höhenlagen dominieren die Fichten-Tannenwälder (Abieti-Piceetum) die in mehere Untergesellschaften unterteilt werden. In den Fichten-Tannenwäldern kommen neben der Weiß-Tanne und der Gemeinen Fichte auch das Bergahorn (Acer pseudoplatanus), die Europäische Lärche (Larix decidua) und die Bergkiefer (Pinus mugo) vor. Diese Gesellschaft besiedelt luftfeuchte Standorte mit frischen und tiefgründigen Lehm- oder Tonböden.[10]
Krankheiten und Schädlinge
Schadpilze
Die Weiß-Tanne wird von einer Vielzahl an Schadpilzen befallen. Der Gemeine Hallimasch (Armillaria mellea) ist weit verbreitet und befällt hauptsächlich die Wurzeln von geschwächten Bäumen an denen er Weißfäule hervor kann. Melampsorella caryophyllacearum, der Erreger des Tannenkrebses, befällt vor allem die Rinde von Ästen und Stämmen. Bei einem Befall können neben Krebsbildungen auch Hexenbesen mit kleinen, gelben Nadeln auftreten. Der Tannen-Feuerschwamm (Phellinus hartigii) dringt durch Verletzungen und Aststümpfe in den Stamm ein und ruft Weißfäule hervor. Bei einem Auftreten kann es auch zu Kronen- und Stammbrüchen kommen. Lirula nervisequia, der Erreger der Tannenschütte, tritt hauptsächlich in dichten Jungbeständen welche an feuchten Standorten wachsen auf. Er ruft Nadelverluste hervor die jedoch keine wirtschaftliche Bedeutung haben. Sein Befall kann durch Dickungspflege abgeschwächt werden. Die wirtschaftliche Bedeutung des Wurzelschwammes (Heterobasidion annosum) wird unterschiedlich beurteilt. Er wird von Holdenrieder als der wichtigste Kernfäuleerreger der Tanne angesehen während Schütt die Sturmfestigkeit der Weiß-Tanne auf ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber den Wurzelschwamm zurückführt. Pucciniastrum epilobii befällt vor allem die jungen Nadeln ist jedoch von geringer Bedeutung. Kernfäulen treten bei der Weiß-Tanne seltener als bei der Gemeinen Fichte (Picea abies) auf. Ein Grund dafür stellt wahrscheinlich der bei Weiß-Tannen häufig auftretente Nasskern dar. Der Sauerstoffmangel im Nasskern verhindert bzw. hemmt das Pilzwachstum.[12]
Pflanzliche Schädlinge
Ein auffälliger Halbparasit ist die Tannenmistel (Viscum album subsp. abietis) die vor allem durch Vögel verbreitet wird. Die Tannenmistel bildet Senkerwurzel aus welche das Xylem der Äste durchdringen und die Pflanze mit Nährstoffen und Wasser versorgen. Schäden entstehen vor allem durch die Störung des Wasserhaushaltes und Vitaltitätseinbußen des Wirtsbaumes. Weiters nimmt die Fähigkeit zur Kohlenstoffdioxid-Assimilation ab und das Stammholz verliert an Wert.[13]
Tierische Schädlinge
Zu den wichtigsten tierischen Schädlingen zählen Borkenkäfer und Pflanzenläuse aus der Familie Adelgidae. Der Krummzähnige Tannenborkenkäfer (Pityokteines curvidens) besiedelt die Rinde von Bäumen die einen Stammdurchmesser von mehr als 16 Zentimetern aufweisen. Eine großflächige Schädigung von Dickungen und Stangenhölzer werden durch den Kleinen Tannenborkenkäfer (Cryphalus picae) und den Mittleren Tannenborkenkäfer (Pityokteines vorontzowi) verursacht, welche vor allem den Kronenbereich befallen. Befallen werden vor allem durch Immissionen, Trockenheit und anderen Stressfaktoren geschwächte Bäume. Befallene Bäume weisen Harzfluß auf und bilden Harztropfen aus. An den abgestorbenen Ästen ist, nach längeren Befall, feines Bohrmehl erkennbar. Der Riesenbastkäfer (Dendroctonus micans) ruft vor allem am Stammfuss und den Wurzelanläufen von lebenden Altbäumen Schäden hervor. Vor allem an der Stammbasis von 40- bis 100-jährigen Tannen legt der Tannenrüssler (Pissodes piceae) seine, bis zu 50 Zentimeter langen, Larvengänge an. Erste Anzeichen für einen Befall ist das auftreten einzelner Dürräste mit rotgefärbten Nadeln im unteren Kronenbereich.[14]
Die Larven der in Mitteleuropa heimischen Pflanzenlaus Dreyfusia merkeri sowie die der aus dem Kaukasus eingeschleppten Dreyfusia nordmannianae saugen an der dünnen Rinde von Jungtrieben und an den Nadeln. Durch dieses Saugen wird das Kambium geschädigt und es kommt zu Triebdeformationen. Die Nadeln vergilben und fallen ab.[14]
Die Raupen des Tannentriebwicklers (Choristoneura murinana) fressen an den jungen Nadeln im Kronenbereich von Alttannen. Es treten nicht selten Massenvermehrungen auf welche bis zu 10 Jahre andauern können. Ein wiederholter Fraß führt zur Bildung von kugeligen und lichten Kronen sowie zu Triebkrümmungen.[14]
Der Verbiss durch Rehe (Capreolus capreolus) und Rothirsche (Cervus elaphus) kann große Ausmasse erreichen und die Verjüngung der Weiß-Tanne örtlich in Frage stellen. Rehe fegen besonders gerne an jungen Tannen und im Winter können Rothirsche zudem Schälschäden an Stangenhölzern hervorrufen.[14]
Abiotische Schadfaktoren
Obwohl die Weiß-Tanne staunasse und pseudovergleyte Böden toleriert reagiert sie empfindlich auf Überschwemmungen. Gegenüber Trockenheit ist sie aufgrund des tiefreichenden Wurzelsystems wenig empfindlich. Das Vorkommen der Art wird zudem durch Spätfröste und Frosttrocknis begrenzt. Über die Sturmfestigkeit der Art gibt es verschieden Ansichten die mit der unterschiedlichen Wurzelentwicklung in Rein- und Mischbeständen sowie anhand von Standortsunterschieden zu erklären sind. Die Weiß-Tanne gilt als die immissionsempfindlichste, einheimische Baumart. Sie reagiert besonders empfindlich auf Schwefeldioxid. Bereits ab einer Belastung von 0,05 mg/m³ Luft treten Schäden auf. Bei starker Belastung Verfärben sich die jungen Nadeln der peripheren Kronenpartien und des Wipfels rotbraun und es treten Nekrosen an den Nadelspitzen auf. Solche Schäden treten vor allem exponierten Lagen in Windrichtung und in Hochnebellagen auf. Die Symptome der Immissionsschäden ähnelt denen des Tannensterbens und sind von diesem nicht scharf zu trennen.[15]
Tannensterben
Das Tannensterben ist eine Komplexkrankheit die erstmals Ende des 19. Jahrhunderts in Regionen nördlich der Alpen beschrieben wurde. Die Erkrankung trat zuerst nur an der nördlichen Arealgrenze der Weiß-Tanne auf ist aber heute auch im Hauptverbreitungsgebiet vertreten. Sie tritt vor allem an Altbäumen aber auch an Stangenhölzern auf. Die Symptome weisen eine Ähnlichkeit mit einer gravierenden Störung der Wasserversorgung auf. Es werden Klebäste gebildet, die Krone verlichtet sich und die Bäume bilden bereits in einem relativ jungen Alter eine Storchennestkrone aus. Das Regenerationsvermögen des Feinwurzelsystem nimmt ab und die Mykorrhizierung verändert sich. Es wird zudem ein braun-roter, säuerlich riechender Nasskern gebildet der von Bakterien besiedelt wird und den Wassertransport stört. Wahrscheinlch wird das Tannensterben durch das auftreten von einem oder mehreren Streßfaktoren ausgelöst.[15]
Systematik
Die Weiß-Tanne wurde im Jahre 1768 von Philip Miller als Abies alba erstbeschrieben. Synonyme für die Art sind Abies nobilis A. Dietr. und Abies pectinata (Lam.) Dc..[1] Die Chromosomenzahl der Art ist diploid und beträgt 2n = 24.[16]
Herkunftsunterschiede
Obwohl es Verschiedenheiten zwischen verschiedenen Herkünften gibt wird die Art nicht in Unterarten oder Varietäten unterteilt. Bäume aus Südosteuropa unterscheiden sich genetisch von denen aus dem westlichen und südwestlichen Verbreitungsgebiet und weisen eine größere Wuchskraft und eine bessere ökologische Anpassungsfähigkeit auf. Bäume aus Mittel- und Westeuropa unterscheiden sich nur durch die unterschiedliche Zusammensetzung der Monoterpene des Nadelharzes. Eine der Ursachen für die innerartlichen Unterschiede könnten eine primäre Selektion durch die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen in der eiszeitlichen Refugien darstellen. Weitere Ursachen könnten eine sekundäre Selektion durch die Länge und Dauer der Rückwanderung sowie durch konkurrierende Baumarten sein. Einen Einfluss auf die Herkunftsunterschiede könnten Bastardisierungen mit der Griechischen Tanne (Abies cephalonica) und der Nebrodi-Tanne (Abies nebrodensis) haben welche während der letzten Eiszeit in Griechenland und in Süditalien stattfanden.[16]
Hybride
Die Bulgarische Tanne (Abies borisii-regis) wird gelegentlich als natürlich entstandener Hybride zwischen der Weiß-Tanne und der Griechischen Tanne (Abies cephalonica) angesehen. Erfolgreiche Kreuzungsversuche fanden unter anderem mit der Kolorado-Tanne (Abies concolor), der Küsten-Tanne (Abies grandis), der Nikko-Tanne (Abies homolepis), der Nordmann-Tanne (Abies nordmanniana), der Numidischen Tanne (Abies numidica), der Spanischen Tanne (Abies pinsapo) und Veitchs Tanne (Abies veitchii) statt. Als nicht mit der Weiß-Tanne kreuzbar gelten die Sierra-Tanne (Abies concolor var. lowiana) und die Korea-Tanne (Abies koreana).[16]
Waldbauliche Eigenarten
Die Weiß-Tanne vermehrt sich nur über Samen, Pfropfung sowie Stecklingsbewurzelung sind jedoch möglich. Günstige Böden für die Ansamung von Weiß-Tannen sind mäßig frische, saure und humusreiche Oberböden mit einer lockeren und artenarmen Krautschicht oder einer deckenden Moosschicht. In den hochmontanen und subalpinen Fichten-Tannenwäldern entwickelt sich die Weiß-Tannne am besten unter dem Schirm der Fichte.[4]
In schattigen Lagen verläuft das Wachstum der Weiß-Tanne sehr langsam. Eine lämger andauernde Unterdrückung hat jedoch keinen negativen Einfluss auf das spätere Wachstum. Unter günstigen Lichtverhältnissen ist die Art raschewüchsig und weist ein lang anhaltendes Wachstum auf. Unter diesen Bedingungen wird das Höhenwachstum mit etwa 100 Jahren eingestellt. Für eine optimale Entwicklung benötigt die Art eine lange, vitale Krone wie sie bei stufigen Bestandsstrukturen entsteht. Plenterwälder sind aufgrund ihrer eingeschränkten Lichtverhältnisse und des luftfeuchten Bestandsklimas gut geignet für den Tannenjungwuchs. Der Plenterwald und der Femelwald entsprechen am ehesten dem natürlichen Verjüngungsablauf in Tannenwäldern.[17]
Bei der Weiß-Tanne liegen Spitzenleistung und Misserfolg sehr nah beieinander da sie sehr empfindlich auf Umweltveränderungen reagiert. Auf guten Standorten kann ein 120-jähriger Reinbestand mehr als 2000 m³ Derbholz pro Hektar leisten. Der jährliche Derbholzzuwachs beträgt auf so einen Standort rund 26 m³.[17]
Einzelnachweise
- ↑ a b Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 1.
- ↑ a b c d Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 5.
- ↑ a b Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 4.
- ↑ a b c d Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 7–8.
- ↑ a b c Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 5–6.
- ↑ Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 11.
- ↑ Lore Kutschera, Erwin Lichtenegger: Wurzelatlas mitteleuropäischer Waldbäume und Sträucher. Stocker, Graz 2002, ISBN 3-7020-0928-0 (Wurzelatlas, 6. Band)
- ↑ a b c d Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 7.
- ↑ a b Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 2–3.
- ↑ a b c Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 9–10.
- ↑ Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 15.
- ↑ Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 12–13.
- ↑ Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 13.
- ↑ a b c d Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 13–14.
- ↑ a b Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 14–15.
- ↑ a b c Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 8.
- ↑ a b Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 11–12.
Literatur
- Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (Hrsg.): LWF-Wissen 45. Beiträge zur Tanne. LWF, Freising 2004, ISSN 0945-8131
- Pavle Cikovac: Soziologie und standortbedingte Verbreitung tannenreicher Wälder im Orjen-Gebirge (Montenegro). Universität München, München 2002 (Diplomarbeit).
- Manfred A. Fischer (Hrsg.): Exkursionsflora von Österreich. Ulmer, Stuttgart 1994, ISBN 3-8001-3461-6.
- Ulrich Hecker: BLV-Naturführer Bäume und Sträucher. 3. Auflage. BLV, München 2001, ISBN 3-405-14738-7.
- Wolf Hockenjos: Tannenbäume. Eine Zukunft für Abies alba. DRW, Leinfelden-Echterdingen, 2008, ISBN 3-87181-723-6
- Manfred Horndasch: Die Weißtanne (Abies alba Mill.) und ihr tragisches Schicksal im Wandel der Zeiten. Horndasch, Augsburg 1993.
- Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hamburg 2008
Weblinks
Weiß-Tanne. auf FloraWeb.de
- Umfangreiches Kompendium zur Weiß-Tanne - LWF-Wissen 45 der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
- Abies alba in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2008. Eingestellt von: Conifer Specialist Group, 2008. Abgerufen am 31. Dezember 2008.
Verbreitungskarte für Deutschland. In: Floraweb.