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Benutzer:Reply~dewiki/Apostasie im Islam

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Apostasie im Koran und der Sunna

Der Abfall vom Islam und die dafür zu erwartende göttliche Strafe findet in mehreren Koranversen Erwähnung. Demnach haben Apostaten zu erwarten, dass...:

„...der Fluch Gottes und der Engel und der Menschen insgesamt auf ihnen liegt. (Sie werden zum Höllenfeuer verdammt) um (ewig) darin zu weilen, ohne daß ihnen Straferleichterung oder Aufschub gewährt wird, - ausgenommen diejenigen, die danach umkehren und sich bessern. Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben. Diejenigen (aber), die ungläubig geworden sind, nachdem sie gläubig waren (...) deren (verspätete) Buße wird nicht angenommen werden. (...)“

3:87-90 nach Paret; vgl. 4:137

Ausgenommen von einer solchen Strafe sind diejenigen, die unter Zwang ihren Glauben abgeschworen haben. Dementsprechend heißt es in Sure 16, Vers 106:

„Diejenigen, die an Gott nicht glauben, nachdem sie gläubig waren - außer wenn einer (äußerlich zum Unglauben) gezwungen wird, während sein Herz (endgültig) im Glauben Ruhe gefunden hat, - nein, diejenigen, die (frei und ungezwungen) dem Unglauben in sich Raum geben, über die kommt Gottes Zorn (w. Zorn von Gott), und sie haben (dereinst) eine gewaltige Strafe zu erwarten.“

Übersetzung nach Paret; siehe auch: Taqiyya

Historische Bedeutung der Ridda

In der frühislamischen Geschichte bezeichnete die Ridda das Abfallen der arabischen Stämme Zentralarabiens von der Religion, die unmittelbar mit der Verweigerung der Zakat-Zahlungen an den ersten Kalifen Abu Bakr nach dem Tod des Propheten Mohammed verbunden war. Die abgefallenen Stämme wurden daraufhin in den sogenannten Ridda-Kriegen gezwungen, den Islam anzunehmen. In jener Zeit waren auch einige nach der islamischen Tradition „falsche Propheten“ in Zentralarabien aktiv. Für die historische Bedeutung der Ridda spricht die Tatsache, dass islamische Historiographen des 8. Jahrhunderts diese Ereignisse in den sog. Ridda-Büchern (kutub al-ridda) nach älteren, überwiegend mündlichen Überlieferungen verarbeitet haben. Wie Bernard Lewis vermerkt orientierten sich die meisten späteren Abhandlungen zum rechtlichen Umgang mit Apostaten an diesen Kriegen und "an den Maßnahmen und Entscheidungen, die in diesem Zusammenhang von seiten der muslimischen Autoritäten getroffen wurden (...) Darüber hinaus dienten sie als Modell oder Paradigma für den Umgang mit Herrschern oder Gruppen, die man als Abtrünnige betrachtete."[1]

Islamisches Recht

Traditionelle Lehrmeinung

Derjenige, der vom Islam abgefallen ist, wird Murtadd (Apostat) genannt. Nach dem klassischen islamischen Recht ist die Todesstrafe die allgemein anerkannte und in der Sunna des Propheten verankerte Strafe für Apostaten. Dabei beziehen sich die verschiedenen Rechtsschulen auf überlieferte Aussagen (hadith) des Propheten Mohammed, wie: „tötet denjenigen, der seine Religion wechselt“. Dieser für die Verurteilung eines Apostaten maßgebliche Hadith wird schon im Muwatta' des Malik ibn Anas im 8. Jahrhundert und in den kanonischen Hadithsammlungen der Traditionswissenschaft einstimmig überliefert.

Der oben genannte Prophetenspruch bezieht sich ausschließlich auf den Abfall vom Islam, denn die Schari'a kümmert sich naturgemäß nicht um den Religionswechsel der Angehörigen der anderen monotheistischen Religionen. Mit Ausnahme der hanafitischen Rechtsschule ist nach historischer Rechtsauffassung auch die Apostatin zu töten; Schwangere aber erst nach der Niederkunft. Für Frauen ist bei den Hanafiten lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehen.

Arten der Apostasie im islamischen Recht

Das islamische Recht zählt, auch in seinem zeitgenössischen Verständnis, vier Arten der Apostasie – im folgenden nach dem islamischen Begriff „Ridda“ genannt – auf:[2]

  • Ridda in Glaubensfragen
  • Ridda durch Aussagen
    • die Leugnung von Gottes Attributen; Gott andere Wesen (wie Gottessohn) zuschreiben;
    • den Koran oder Teile davon leugnen;
    • Mohammed der Lüge bezichtigen;
    • Verbotenes (haram: wie „Unzucht“, Alkoholgenuss oder ähnliches) für erlaubt (halal) erklären;
    • Gotteslästerung, sei es aus Überzeugung, aus Spaß oder durch Verspottung; denn im Koran steht: „Und wenn du sie fragst (und wegen ihrer spöttischen Bemerkungen zur Rechenschaft ziehst), sagen sie: ‚Wir haben nur geplaudert und gescherzt (w. gespielt).‘ Sag: Wie konntet ihr euch über Gott und seine Zeichen (oder: Verse) und seinen Gesandten lustig machen? Ihr braucht keine Entschuldigungen vorzubringen. Ihr seid ungläubig geworden, nachdem ihr gläubig waret […]“ (Sure 9:65-66)
    • Die Verspottung, Schmähung oder Beleidigung des Propheten. Es herrscht Übereinstimmung unter den Gelehrten aller Rechtsschulen darüber, dass die Schmähung Mohammeds, seiner Abstammung, die Leugnung seiner Sendung als Prophet Ridda ist. Denn in einem solchen Fall liegt Religionswechsel vor und konnte somit genauso bestraft werden wie jeder Apostat: so die Hanafiten und Hanbaliten. Der Lehre der Schafiiten nach ist dieses Vergehen mehr als nur Ridda: derjenige, der den Propheten verspottet, beleidigt oder verleugnet, ist zum einen ein kafir, zum anderen ein Lästerer des Propheten. Sie ist mit der Blasphemie vergleichbar.
  • Ridda durch Taten
    • Die Missachtung des Korans dadurch, dass man ihn oder Teile davon wegwirft, gilt als Missachtung von Gottes Wort; damit gilt der Tatbestand der Ridda als erfüllt.
    • Die Verehrung von Götzenbildern, der Sonne oder des Mondes ist „Unglaube“ (kufr) und damit Ridda desjenigen Muslims, der sie praktiziert.
  • Ridda durch Unterlassung
    • Die Unterlassung des Gebets aus Überzeugung gilt als Ridda. Die Unterlassung des Gebets aus Faulheit wird nach den überlieferten Aussagen vieler Prophetengefährten in der Lehre der Malikiten, Hanbaliten und Schafiiten als Ridda geahndet. Nach den Hanafiten ist eine solche Person ein Frevler/Sünder; er konnte so lange eingesperrt werden, bis er die vorgeschriebenen fünf Gebete wieder verrichtete.

Die dargestellten vier Arten der Apostasie gelten nicht etwa nur als Indizien des Glaubensabfalls, auch nicht als bloße gesetzliche Vermutungen, sondern erfüllen in der islamischen Jurisprudenz jeweils für sich schon den vollendeten Tatbestand der Apostasie.

Die Bestrafung des Apostaten obliegt dem Herrscher; tötet ihn aber ein anderer Muslim, so wird dieser dafür lediglich getadelt (ta'zir), da er durch seine Tat die dem Herrscher vorbehaltenen Rechte, die Todesstrafe zu verhängen, ignoriert hatte.

Straffreiheit bei Apostasie im islamischen Recht

Apostasie ist schari’arechtlich nicht strafbar im Falle von:

  • Geisteskrankheit
  • Trunkenheit (die Hanbaliten und die Schafi’iten sind – nach der klassischen Auffassung ihrer Rechtsschulen – der Meinung, dass der Tatbestand der Apostasie auch in diesem Falle vorliegt)
  • Zwangslage gemäß Sure 16:106:

„Diejenigen, die an Gott nicht glauben, nachdem sie gläubig waren – außer wenn einer (äußerlich zum Unglauben) gezwungen wird, während sein Herz (endgültig) im Glauben Ruhe gefunden hat – nein, diejenigen die (frei und ungezwungen) dem Unglauben in sich Raum geben, über die kommt Gottes Zorn, und sie haben (dereinst) eine gewaltige Strafe zu erwarten.“

  • Minderjährigkeit – die Todesstrafe ist auch bei Volljährigkeit der Person muslimischer Eltern nicht zu verhängen, wenn sie weiterhin den Islam ablehnt. Vielmehr wird sie zum islamischen Glauben gezwungen, aber nicht getötet. Diese Rechtsfrage hat Asch-Schafii in seinem grundlegenden Rechtswerk seiner Schule, im Kitab al-Umm, mit Hinweis auf Präzedenzfälle abgehandelt. [3]

Einzelnachweise

  1. Bernard Lewis: Die politische Sprache des Islam. Rotbuch Verlag, 1991. S. 143
  2. Nach: Die Enzyklopädie des islamischen Rechts (al-mausūʿa al-fiqhiyya); Kuwait: Ministerium für religiöse Angelegenheiten und fromme Stiftungen (waqf), Bd. 22; S. 180ff; Kuwait 2003.
  3. Die Enzyklopädie des islamischen Rechts (al-mausūʿa al-fiqhiyya); Kuwait: Ministerium für religiöse Angelegenheiten und fromme Stiftungen (waqf), Bd. 22; S. 181-182; Kuwait 2003. Nach den allgemein anerkannten Grundwerken der sunnitischen Rechtsschulen bis in das 19. Jh.

Khoury: Heiliger Krieg, Seite 78ff. Khoury Lexikon!

+ "Islamisches Recht"!