David Chalmers
David Chalmers (*1966) ist ein australischer Philosoph. Nach längerer Lehrtätigkeit an der University of Arizona in Tucson lehrt Chalmers heute an der Australian National University (Canberra). Sein Hauptarbeitsgebiet liegt im Bereich der Philosophie des Geistes. Dort gilt er als einer der wichtigsten Vertreter des (Eigenschafts-) Dualismus.
Das schwierige Problem des Bewusstseins
David Chalmers hat die Rede vom „schwierigen Problem des Bewusstseins“ (the hard problem of consciousness) geprägt. Darunter versteht er die Frage, warum es überhaupt Erlebnisgehalte – oder Qualia – gibt. Warum tut es etwa weh, wenn ich mir mit einer Nadel in den Finger steche? Wir verstehen einiges von den internen Prozessen, die in einer solchen Situation ablaufen: Von unserem Finger werden Signale ins Gehirn geleitet, dort finden komplexe Verarbeitungsprozesse statt. Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren können wir sogar heraus finden, welche Prozesse im Gehirn ablaufen, wenn wir Schmerzen im Finger erleben. Nur, so Chalmers, wir haben dennoch nicht die geringste Ahnung, warum es dabei weh tut! Warum passieren all diese Prozesse nicht, ohne dass dabei auch nur ein Funken Bewusstsein entsteht? Dies ist das harte Problem des Bewusstseins und auch das klassische Qualiaproblem, wie es von Thomas Nagel, Frank Jackson und Joseph Levine formuliert wurde.
Dem schwierigen Problem stellt Chalmers ein „einfaches“ Problem gegenüber. Dieses einfache Problem umfasst all die psychischen Phänomene, die nicht mit direkt von der Frage nach dem Erlebnisinhalt abhängen. Also etwa Lernen, Gedächtnis, Denken oder Problemlösen. Es sind solche Themen, mit denen sich die neuro- und kognitionswissenschaftliche Forschung beschäftigt und hier sind auch viele Fortschritte gemacht worden. Nun will Chalmers mit seiner etwas provokanten Rede vom „einfachen Problem“ keineswegs sagen, dass die Ergebnisse dieser Wissenschaften trivial sind. Nur im Vergleich mit der Frage nach dem Erlebnisgehalt handelt sich um einfache Probleme. Wir wissen sehr grob wie eine Erklärung des Lernens aussehen könnte, wir haben nicht den Hauch einer Ahnung, wie eine Erklärung unserer Erlebnisse aussehen könnte.
Eigenschaftsdualismus
Die Diagnose des schwierigen Problems des Bewusstseins hat Chalmers zu einer Position geführt, die Eigenschaftsdualismus genannt wird. Eine solche Position lehnt den Materialismus ab, unterscheidet sich jedoch auch stark vom klassischen Dualismus. Der klassische Dualismus war von zwei Substanzen ausgegangen – Materie und Geist -, während der Eigenschaftsdualist nur eine Substanz anerkennt. Der Eigenschaftsdualist ist jedoch darauf festgelegt, dass nicht alle Eigenschaften physische Eigenschaften sind. Konkret heißt dies bei Chalmers: Der Mensch hat neben den physischen Eigenschaften (etwa Masse oder Form) auch eine Art von nichtphysischen Eigenschaften (nämlich Erlebnisgehalte oder Qualia).
Der Weg vom schwierigen Problem des Bewusstseins zur These des Eigenschaftsdualismus ist recht steinig und liegt auf einem hohen theoretischen Niveau. Die Grundidee lässt sich dennoch verständlich machen: Chalmers geht davon aus, dass der Materialismus auf reduktive Erklärungen festgelegt ist. Dies bedeutet, dass sich der Erlebnisgehalt im Prinzip auf die grundlegenden physischen Eigenschaften reduzierbar sein muss – wenn der Materialismus wahr ist. Eine solche Reduktion setzt nach Chalmers jedoch ein Moment der Notwendigkeit voraus, das die grundlegenden physischen Eigenschaften und die höherstufigen Eigenschaften miteinander verbindet. Diese Notwendigkeit ist aber im Fall des Erlebnisgehalts nicht gegeben. Also ist der Materialismus falsch. Dieses Argument kann man nur dann wirklich verstehen, wenn klar ist, was mit „Notwendigkeit“ gemeint ist. Genau dies versucht Chalmers zu erklären.
Notwendigkeit, Supervenienz und Reduktion
Die Begriffe Notwendigkeit, Supervenienz und Reduktion hängen eng miteinander zusammen. Beginnen wir mit Supervenienz: Eine Eigenschaft A superveniert ganau dann über den Eigenschaften B, wenn es keine Veränderung in A geben kann, ohne dass sich B verändert. Ein Beispiel: Es kann keine Änderung der biologischen Eigenschaften geben, ohne dass sich dabei auch Änderungen von chemischen Eigenschaften ergeben.
Meistens sind solche Supervenienzbeziehungen kein Zufall, und so kommt die Notwendigkeit ins Spiel. A kann mit Notwendigkeit über B supervenieren, weil etwa B durch Naturgesetze A verursacht. Chalmers spricht hier von natürlicher Supervenienz. A kann aber auch mit Notwendigkeit über B supervenieren, weil B A logisch oder begrifflich impliziert. Chalmers spricht dann von logischer Supervenienz.
Chalmers These ist nun, dass nur die logische Supervenienz für Reduktionen hinreichend ist. A kann nur dann auf B reduziert werden, wenn A aus B logisch oder begrifflich folgt. Konkreter: Eine höherstufige Eigenschaft kann nur dann auf physische Eigenschaften reduziert (und so in ein materialistisches Weltbild integriert) werden, wenn aus der Existenz der physischischen Eigenschaften die höherstufige Eigenschaft logisch oder begrifflich folgt.
Wir können nun Chalmers Argument gegen den Materialismus besser verstehen. Chalmers meint, dass fast alle Eigenschaften logisch über den physischen Eigenschaften supervenieren und damit reduktiv erklärbar sind. Ein klassisches Reduktionsbeispiel ist Wasser. Wasser lässt sich auf H20 reduzieren, weil die Eigenschaften des Wasser aus den Eigenschaften des H20-Moleküle mit Hilfe der grundlegenden Naturgesetze logisch-begrifflich ableitbar sind. Nun schlägt aber eine solche Ableitbarkeit bei einer Eigenschaft des Menschen fehl: Aus den biologischen Eigenschaften des Menschen lassen sich nicht die Erlebnisgehalte logisch-begrifflich ableiten. Also schlägt die logische Supervenienz fehl, also schlägt die Reduktion fehl, also lassen sich Erlebnisgehalte nicht in ein materialistisches Weltbild interieren. Es gibt aber Erlebnisgehalte. Also ist der Materialismus falsch.
Literatur
- David Chalmers 1996: The Conscious Mind, Oxford
- Shear (Hg.) 1997: Explaining Consciousness: The Hard Problem, MIT Press (Sammelband zu Chalmers)
- Chalmers (Hg.) 2002: Philosophy of Mind: Classical and Contemporary Readings, Oxford
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Chalmers, David |
KURZBESCHREIBUNG | australischer Philosoph |
GEBURTSDATUM | 1966 |