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Karl Binding

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Karl Lorenz Binding (* 4. Juni 1841 in Frankfurt am Main; † 7. April 1920 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Rechtslehrer (Hauptarbeitsgebiet: Strafrecht).

Karl Binding

Leben

Binding entstammte einer Juristenfamilie. Er studierte 1860-1863 in Göttingen Rechtswissenschaft und Geschichte. Er wurde 1863 promoviert. Nach seiner Habilitation 1864 in Heidelberg war er Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Staatsrecht in Basel (1865), Freiburg im Breisgau (1870), Straßburg (1872) und von 1873 bis 1913 in Leipzig. In den akademischen Jahren 1892/93 und 1908/09 war er Rektor der Universität Leipzig. Die Stadt Leipzig ernannte ihn 1909 in seiner Funktion als Rektor des Universitätsjubiläums in Wertschätzung für die Universität zum Ehrenbürger; die Turnerschaft im VC Istaevonia ernannte ihn zum Ehrenmitglied.

Bindings Sohn Rudolf G. Binding war ein bekannter Schriftsteller.

Werk

Nach Binding sind es nicht die Strafgesetze, die von Verbrechern verletzt werden (im Gegenteil: ihre Handlungen erfüllen ja gerade die Tatbestandsmerkmale), sondern die - dem öffentlichen Recht angehörenden, von Strafgesetzen fundamental verschiedenen - „Normen“. Die Strafgesetze erlauben es aber immerhin, die Normen, die ihnen zugrunde liegen, zu erkennen (gedankliche Umwandlung in einen Befehl).

Bindings Normentheorie sieht das Wesen des Verbrechens in der Verletzung des staatlichen Anspruchs auf Gehorsam gegenüber den Normen als Sonderform des Do ut des. Da der Staat den Einzelnen durch die Rechtsordnung vor der Verletzung seiner Rechte schützt, kann der Staat vom Bürger auch die Respektierung der Rechtsordnung verlangen. Wer ein Verbrechen begeht, verletzt die entsprechende Norm und gefährdet die Autorität des Gesetzes. Da es Binding vor allem auf die Respektierung der Rechtsordnung ankam, bestand für ihn ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen bewusster und unbewusster Auflehnung gegen das Recht. Eine Vorsatzstrafe sollte im Gegensatz zur Rechtsprechung nur dann greifen, wenn der Täter das Unrecht seiner Tat erkannt hatte (sog. Vorsatztheorie).

Um die Autorität des Gesetzes zu bewahren, bedarf es nach Binding der Strafe (= vom Staat erzwungene Einbuße des Täters an Rechten oder Rechtsgütern). Die Strafe und der Strafvollzug dienen nicht der Resozialisierung o.ä., sondern allein der „Unterwerfung des Verbrechers“ unter die siegreiche Gewalt des Rechts. Wie und wozu die Strafe ansonsten vollzogen wird, interessiert Binding darüber hinaus allenfalls am Rande. Das bringt Binding in Konflikt mit der modernen oder soziologischen Schule der Strafrechtswissenschaft um Franz von Liszt und dessen Konzept der „Zweckstrafe“.

In einem anderen Licht erscheint Binding wegen des gemeinsam mit Alfred Hoche verfassten Werks Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens: Darin sprechen sich die Autoren dafür aus, die Tötung unrettbar Todkranker und unheilbar Verblödeter -- von Hoche so genannte „geistig Tote“, die nicht in der Lage seien, einen Willen zu bilden oder auch nur Gefühlsbeziehungen zur Umwelt aufzunehmen, die also „Vollidioten“ im psychiatrischen Sinne seien --, nach Mass und Form zur Vernichtung freizugeben .[1] Der Unwert eines Lebens kann sich nach Binding und Hoche dementsprechend nur daraus ergeben, dass es sowohl „für die Lebensträger wie für die Gesellschaft“ keinen Wert hat. Die Mehrzahl der „Ballastexistenzen“, die gesellschaftlich ohne Nutzen seien, komme für die vorgeschlagene „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ nicht in Betracht, so Hoche abschließend.

Quellen

  1. Wolfgang Naucke, Einführung zu "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens"

Werke

  • Die Normen und ihre Übertretung, vier Bände (1872 bis 1920)
  • Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, bes. Teil, zwei Bände (1902 bis 1905)
  • Die Schuld im deutschen Strafrecht (1919).
  • Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form, zusammen mit Alfred Hoche postum 1920
  • Der Versuch der Reichsgründung durch die Paulskirche, Nachdruck, Schutterwald/Baden 1998

Literatur

  • Armin Kaufmann: Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie. Schwartz 1954
  • Rezension mit dem Titel „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, verfasst von F. Limacher aus Bern, Internationales Ärztliches Bulletin, Dezember 1934, Nummer 12 (Erscheinungsort: Prag), 181-183, hier 183, neu erschienen in Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik, Band 7, Internationales Ärztliches Bulletin, Jahrgang I-VI (1934-1939), Reprint, Rotbuch Verlag, Berlin 1989.
  • Ortrun Riha (Hrsg.): Die Freigabe der Vernichtung Lebensunwerten Lebens - Beiträge des Symposiums über Karl Binding und Alfred Hoche am 2. Dezember 2004 in Leipzig. Shaker Verlag, Aachen, 2005.