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Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

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Das Alte Rathaus (Frontansicht)
Neubau des Stadtgeschichtlichen Museums an der Ecke Reichsstraße/Böttchergäßchen, rechts das Museum der bildenden Künste
Neubau bei Nacht

Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig als Einrichtung der Stadt Leipzig sammelt, dokumentiert und präsentiert in seinen Ausstellungen Objekte, Informationen und Kontexte des Stadtgeschehens von der Stadtwerdung Leipzigs im frühen Mittelalter bis zur Gegenwart. Mit durchschnittlich 400.000 Besuchern pro Jahr[1] stellt das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Leipzigs dar.

Geschichte

Im Jahr 1867 gründete sich der Verein für die Geschichte Leipzigs. Neben der Erforschung der Geschichte Leipzigs, verbunden mit zahlreichen Publikationen des Vereins und seiner Mitglieder, wurden zahlreiche Zeugnisse zur Stadtgeschichte zusammengetragen. 1905 entschied der Rat der Stadt, die bis dahin im Alten Johannishospital untergebrachten Sammlung in das Alte Rathaus aufzunehmen.

Der Umbau des Alten Rathauses (1906–1909) wurde durch diese Entscheidung maßgeblich beeinflusst, gleichzeitig übertrug der Verein seine Sammlungen der Stadt Leipzig. 1908 wurde im Stadtrat beschlossen, dass das Alte Rathaus als Stadtgeschichtliches Museum fungieren sollte, im darauffolgenden Jahr wurde Albrecht Kurzwelly, bis dahin stellvertretender Direktor des Kunstgewerbemuseums, als Direktor des neuen Museums bestätigt. Seine Festlegung, die Sammlungen nicht chronologisch, sondern thematisch zu ordnen, hat bis heute weitestgehend ihre Gültigkeit.

Am 20. April 1909 fand die offizielle Übergabe der Sammlungen an die Stadt Leipzig statt, die vorhandene Sammlung wurde durch Objekte aus der Stadtbibliothek, dem Kunstgewerbemuseum, dem Museum der bildenden Künste, dem Völkerkundemuseum sowie durch Gegenstände aus dem Fundus des Stadttheaters ergänzt. Im Dezember 1911 konnte schließlich das Hauptgeschoss des Alten Rathauses samt Festsaal mit seiner Ausstellung eröffnet werden, am 12. Juni 1916 erfolgte die Öffnung des Obergeschosses.

Kurzwellys Nachfolger ab 1917, der liberal eingestellte Publizist und Vorsitzende des Geschichtsvereins Friedrich Schulze, führte das Museum durch die Zeit des Nationalsozialismus bis 1945. 1938/39 zogen die Verwaltung und Bibliothek des Museums nach Umbauarbeiten in bis dahin privatgeschäftlich genutzte Bereiche des Erdgeschosses links vom marktseitigen Eingang. Nach dem Bombenangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943 brannten Dachgeschoss und Turm des Alten Rathauses aus, durch bauliche Veränderungen aus früheren Jahren blieben der Festsaal im Hauptgeschoss sowie große Teile der Sammlungen unversehrt.

Nach kleineren Ausstellungen während der Wiederaufbauzeit wurde im Jahr 1952 das Museum offiziell neu eröffnet. Im Jahr 1960 erfolgte der Zusammenschluss mehrerer Einrichtungen zum Museum für Geschichte der Stadt Leipzig, dazu gehörten: das Stadtgeschichtliche Museum, das Museum für Geschichte der Arbeiterbewegung (untergebracht im ehemaligen Georgi-Dimitroff-Museum, heute Bundesverwaltungsgericht), das Schillerhaus, das Völkerschlachtdenkmal, die Lenin-Gedenkstätte, die Iskra-Gedenkstätte sowie die Karl-Liebknecht-Gedenkstätte. In der Folgezeit wurde die Dauerausstellung – erweitert auf das Obergeschoss – bis in die 70er Jahre hinein kontinuierlich erweitert, begleitet durch zahlreiche Sonderausstellungen. 1988–1990 wurde die Dauerausstellung im Alten Rathaus, einhergehend mit überfüllten Depots und strukturellen Schwierigkeiten, im Rahmen von Sanierungsarbeiten im Alten Rathaus geschlossen.

Mit der Wiedereröffnung 1990 wurden Iskra- und Lenin-Gedenkstätte geschlossen sowie die Karl-Liebknecht-Gedenkstätte abgegeben. Eine neu erarbeitete Gesamtkonzeption für das Museum, ab 1995 konkret werdend, führte letztendlich zur Neustrukturierung und zum Neubau, der im Jahr 2004 eröffnet wurde.

Heute bildet das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig ein Netzwerk von insgesamt acht Einrichtungen mit jeweils unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten. Insgesamt beinhalten die Sammlungen des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig gegenwärtig ca. 500.000 Objekte.[2]

Einrichtungen

Altes Rathaus

Das Stadtmodell Leipzigs im Festsaal

Den Kern des Museums bilden das Alte Rathaus am Markt mit der zentralen Dauerausstellung zur Leipziger Stadtgeschichte sowie der Neubau im Böttchergäßchen.

Im Hauptgeschoss des Alten Rathauses ist die derzeitige Dauerausstellung zur Geschichte Leipzigs von Beginn der Stadtwerdung bis zur Völkerschlacht im Jahr 1813 zu besichtigen. Rund um den Renaissance-Festsaal mit einem rund 25 Quadratmeter großen Stadtmodell, welches Leipzig im Jahre 1823 zeitgenössisch detailliert darstellt, befinden sich unter anderem Bereiche zu einzelnen Themen wie Alltag, Kunst, Musik, Handwerk, Universität, Kirche, Messe, Reformation, Völkerschlacht. Im Obergeschoss mit einer Fläche von ca. 1.500 Quadratmetern, derzeit noch für Wechselausstellungen genutzt, soll zukünftig der zweite Teil der Dauerausstellung (Leipziger Geschichte ab 1815) präsentiert werden.[3] Über die Rückseite des Gebäudes kann man Einblick erhalten in die im Keller gelegenen ehemaligen Kerkereinrichtungen des Alten Rathauses.

Neubau

Der 2004 eröffnete Neubau im Böttchergäßchen enthält neben Foyer, Studio und Besucherbetreuung den Sonderausstellungsbereich, das Kinder- und Jugendmuseum „Lipsikus“, Bibliothek und Fotothek, Werkstätten sowie die Dokumentation und die Verwaltung des Museums. Das Zentraldepot über drei Etagen (1.900 m²)[4] bildet den Kern des Neubaus. Roter Rochlitzer Porphyrtuff bildet die Natursteinfassade des fünfgeschossigen Gebäudes, die nach oben hin durch ein gläsernes Staffelgeschoss geöffnet wird.

Kinder- und Jugendmuseum „Lipsikus“

Das Kinder- und Jugendmuseum „Lipsikus“ im Mezzaningeschoss wurde mit einer Ausstellung im November 2004 eröffnet. Seitdem bildet es das Zentrum der museumspädagogischen Angebote im Neubau des Stadtgeschichtlichen Museums. Neben dauerhaft eingerichteten Bereichen (z. B. Vorstellung der Einzeleinrichtungen des Museums, selbst zusammenstellbares dreidimensionales Stadtmodell, frei nutzbares Kinder(puppen)-Theater, Automat mit stereoskopischen Ansichten des alten Leipzigs, Präsentation von privaten Kindersammlungen) werden regelmäßig Wechselausstellungen präsentiert und Veranstaltungen durchgeführt.

Bibliothek

Die wissenschaftliche Spezialbibliothek (Präsenzbestand) umfasst etwa 100.000 Bände mit dem Schwerpunkt Stadt- und Regionalgeschichte. In den Beständen sind neben dem ersten in Leipzig nachweisbar gedruckten Buch (Giovanni Nannis „Glosa Apocalipsim“ aus dem Jahr 1481) andere Inkunabeln und Frühdrucke, städtische Verordnungen seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert, rare Schriften aus der Reformationszeit sowie zahlreiche regional bedeutsame historische Chroniken zu finden. Sondersammlungen u.a.:

Fotothek

Die Fotothek stellt mit ihren ca. 105.000 Objekten eines der großen Sammlungsbereiche des Stadtgeschichtlichen Museums dar. Dazu gehören u.a.:

  • Nachlass Bertha Wehnert-Beckmann (83 Daguerrotypien, 3.500 Glasnegative, Papierabzüge)
  • Nachlass Hermann Walter (4.000 Negative und Vintageprints zur Leipziger Architekturgeschichte um 1900)
  • 220 Originalnegativplatten von Hermann Vogel (Leipziger Baudenkmäler um 1900)
  • Nachlass Johannes Widmann (1877 Negative, Schwerpunkt Zerstörung und Wiederaufbau Leipzig um 1945)
  • Sammlung zum Volksaufstand am 17. Juni 1953 in Leipzig
  • Sammlung des ehemaligen Museums zur Geschichte der Arbeiterbewegung
  • 330 Fotografien der Ereignisse des Leipziger Herbstes 1989 (Urheberrechte bei den Fotografen)[6]

Dokumentation

Seit dem Jahr 1999 werden die Sammlungen des Museums retrospektiv und laufend elektronisch erfasst. Mehr als 260.000 Objekte des Museums sind mittlerweile elektronisch inventarisiert und erschlossen worden (größtenteils mit Objekt-Fotografien) und vor Ort und per Internet über eine Datenbank recherchierbar.[7]

Themenmuseen

Um den Museumskern mit den Positionen Altes Rathaus und Neubau liegt der Ring der dezentralen Themenmuseen. Dazu gehören das Schillerhaus in Leipzig-Gohlis, das Museum Zum Arabischen Coffe Baum, die Alte Börse, das Völkerschlachtdenkmal und Forum 1813 (Ausstellung zur Völkerschlacht) sowie das Sportmuseum (derzeit ohne Ausstellung).

Das Forum 1813 befindet sich in einem Nebengebäude des Völkerschlachtdenkmals und ist eine Ausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums zur Geschichte der Völkerschlacht. Sie richtet den Blick auf die Lebenswelt der Menschen von der Französischen Revolution bis zum Ende der Befreiungskriege. So beleuchtet die Ausstellung unter anderem den Widerhall der Französischen Revolution in Sachsen, die Auswirkungen der Allianz mit Napoleon auf den Alltag in Leipzig und die Lebensader der Stadt, die Messe. Ein Diorama stellt das Schlachtfeld im Maßstab von 1:72 nach. Rekonstruiert wurde eine Brandrakete mit leiterartigen Abschußgestell, die englische Einheiten am 18. Oktober 1813 auf Paunsdorf feuerten und damit das Dorf in Brand setzten.[8]

Einzelnachweise

  1. Volker Rodekamp: Wir über uns. (Abgerufen am 3. März 2008)
  2. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Hrsg.): InfoService. Sammlungen. (Informationsblatt), Leipzig 2007
  3. thema.M7. Moderne Zeiten. Leipzig von der Industrialisierung bis zur Gegenwart. Konzept für die Ständige Ausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig. (Teil 2), Leipzig 2007
  4. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Hrsg.): Schatzkiste und Geschichtslabor. Der Neubau des Stadtgeschichtlichen Museums. Leipzig 2004
  5. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Hrsg.): InfoService. Bibliothek. (Informationsblatt), Leipzig 2007
  6. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Hrsg.): InfoService. Fotothek. (Informationsblatt), Leipzig 2007
  7. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Hrsg.): InfoService. Sammlungen. (Informationsblatt), Leipzig 2007
  8. Museumsdatenbank kunst-und-kultur.de

Siehe auch

Literatur

  • thema.M. Veröffentlichungen des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig. Leipzig ab 1998
  • Volker Rodekamp (Hrsg.): Leipzig original. Stadtgeschichte vom Mittelalter bis zur Völkerschlacht. Katalog zur Dauerausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums im Alten Rathaus. (Teil I), Verlag DZA, Altenburg 2006, ISBN 978-3-936300-24-6
  • Volker Rodekamp (Hrsg.): Das Alte Rathaus zu Leipzig. Verlag DZA, Altenburg 2004, ISBN 3-936300-11-9
  • Doris Mundus: Das Alte Rathaus in Leipzig. Lehmstedt Verlag, Leipzig 2003, ISBN 3-937146-01-6
  • Volker Rodekamp (Hrsg.): Völkerschlachtdenkmal. Verlag DZA, Altenburg 2004, ISBN 3-936300-05-4
  • Steffen Poser: Völkerschlacht. (Ausstellungskatalog des FORUM 1813 – Museum zur Völkerschlacht bei Leipzig), Passage-Verlag, Leipzig 2003, ISBN 3-932900-16-2
  • Volker Rodekamp (Hrsg.): Das Schillerhaus in Leipzig-Gohlis. Stadtgeschichtliches Museum, Leipzig 1998, ISBN 3-7950-3905-3
  • Hannelore Stingl: Der „Kaffeebaum“ in Leipzig. Lehmstedt Verlag, Leipzig 2003, ISBN 3-937146-02-4