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Wahl zum Repräsentantenrat im Irak 2010

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Die irakischen Parlamentswahlen 2010 waren die zweiten Wahlen zur irakischen Nationalversammlung seit der Verabschiedung der Verfassung von 2005. Sie fanden am 7. März 2010 statt.

Die Wahlen fanden vor dem Hintergrund des zuende gehenden Engagements der Multinationalen Truppe im Irak statt und wurden im Vorfeld durch zahlreiche Sprengstoffanschläge überschattet.

Hintergrund

Ministerpräsident Nuri al-Maliki

Nach dem Sturz Saddam Husseins im Irakkrieg von 2003 wurde das Land zunächst von einer Koalition unter der Führung der Vereinigten Staaten verwaltet. Im Juni 2004 wurde eine Übergangsregierung unter Ghazi al-Yawar eingesetzt, die die ersten freien Wahlen im Irak vorbereitete. Die Wahlen vom 30. Januar 2005 führten zur Bildung eines Übergangsparlaments, das die neue Verfassung des Landes ausarbeitete.

Am 15. Dezember 2005 fanden erstmals Parlamentswahlen nach der neuen Verfassung statt.[1] Als stärkste Fraktion ging die Vereinigte Irakische Allianz hervor, zweitstärkste Kraft wurde die Demokratische Patriotische Allianz Kurdistans. Als Ministerpräsident wurde Nuri al-Maliki gewählt, der eine Einheitsregierung unter Beteiligung sunnitischer, schiitischer und kurdischer Parteien bildete.

Für die nächsten Parlamentswahlen wurde das Wahlgesetz grundlegend geändert. Die wichtigste Änderung war die Einführung offener Wahllisten, sodass die Wähler stärker Einfluss auf die Zusammensetzung des neuen Parlaments nehmen können.[2] Außerdem wurde die Anzahl der zu vergebenden Parlamentssitze von 275 auf 325 erhöht. Eine Auseinandersetzung über das Wahlverfahren in dem Gouvernement Kirkuk sowie über den Einfluss von im Ausland lebenden Irakern verzögerte die Annahme des Wahlgesetzes, welches schließlich am 6. Dezember 2009 verabschiedet wurde.[3]

Die verspätete Verabschiedung des neuen Wahlgesetzes führte dazu, dass der ursprünglich für den 18. Januar 2010 vorgesehene Wahlgang verschoben werden musste, da der Unabhängigen Wahlkommission nicht mehr ausreichend Zeit für die Vorbereitung der Parlamentswahlen zur Verfügung stand.[4] Insgesamt 18,9 Millionen Wähler waren für die Parlamentswahlen registriert.[5]

Kandidaten

Sunnitenführer Iyad Allawi

Um die 325 Mandate bewarben sich mehr als 6000 Kandidaten. Rund ein Viertel der Kandidaten waren Frauen.[5]

Knapp 300 Parteien und Gruppierungen traten in Parteibündnissen an.[6] Die vorwiegend schiitische Vereinigte Irakische Allianz, die im Dezember 2005 41 % der Stimmen erhalten hatte, ist inzwischen gespalten. Während der Oberste Islamische Rat und die Gruppe um Muqtada as-Sadr eine neue Irakische Nationale Allianz (Iraqi National Alliance) gebildet haben, hat sich um die Islamische Dawa-Partei von Ministerpräsident al-Maliki eine neue Koalition des Rechtsstaats (The State of Law Coalition) gebildet. Der schiitische Innenminister Jawad al-Bulani trat wiederum als Vereinigte Irakische Allianz (United Iraqi Alliance) an.

Auch unter den sunnitischen Parteien ist das 2005 geschlossene Wahlbündnis zerbrochen. Als einflussreichste sunnitische Allianz gilt nun die Irakische Nationalbewegeung (Iraqi National Movement), die unter anderem von den Parteien des irakischen Vizepräsidenten Tarek al-Haschemi und des ehemaligen Ministerpräsidenten Iyad Allawi gebildet wird. Der Neo-Baathist Salih al-Mutlaq, der ebenfalls der Irakischen Nationalbewegung angehört, wurde dagegen zusammen mit mehr als 400 anderen Kandidaten von der Parlamentswahl ausgeschlossen.[6]

Die beiden führenden kurdischen Parteien PUK und DKP strebten die Bildung einer Einheitsliste für die Parlamentswahlen an und erneuerten die Demokratische Patriotische Allianz Kurdistans. Die von Nawschirwan Mustafa gegründete Kurdenpartei Rewtî Gorran kündigte aber an, in Konkurrenz zur Demokratischen Patriotischen Allianz Kurdistans anzutreten.[7]

Verlauf

Die Wahlen begannen am 4. März. An diesem Tag konnten rund 800.000 Ärzte, Krankenschwestern, Polizisten und Soldaten wählen.[8] Auslandsiraker konnten zwischen dem 5. und dem 7. März ihre Stimme abgeben. In Deutschland gab es in München, Berlin, Mannheim und Köln Wahllokale.[9]

Am Wahltag kam es zu mehreren Anschlägen, bei denen mindestens 38 Personen starben. Trotz dieser Anschläge wurde ein Wähleranteil nach offiziellen Angaben bei 62 % erreicht. [10] Nachdem am 14. März 2010 drei Millionen der insgesamt rund zwölf Millionen abgegebenen Stimmen ausgezählt worden waren, führte die Allianz von al-Maliki in sieben der 18 Provinzen. Zweitstärkste Kraft war zu diesem Zeitpunkt die Irakische Liste von Iyad Allawi, die in fünf Provinzen die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte.[11]

Mandatsverteilung

Gouvernement (muhafazat) Sitze
Bagdad (بغداد) 68
Ninawa (نينوى) 32
Basra (البصرة) 24
Dhi Qar (ذي قار) 18
as-Sulaimaniyya (السليمانية) 17
Babil (بابل) 16
al-Anbar (الأنبار) 14
Arbil (أربيل) 14
Diyala (ديالى) 13
Nadschaf (النجف) 12
At-Ta'mīm (‏التعميم) 12
Salah ad-Din (صلاح الدين) 12
al-Qadisiyya (القادسية) 11
al-Wasit (واسط) 11
Dahuk (دهوك) 10
Karbala (كربلاء) 10
Maisan (ميسان) 10
Kompensationssitze (Minderheiten) 8
Kompensationssitze 7
al-Muthanna (المثنى) 7
Gesamt: 325

Einzelnachweise

  1. Spiegel Online: Volksabstimmung gegen den Terror, 15. Dezember 2005.
  2. Tagesschau: Irakisches Parlament verabschiedet Wahlgesetz, 8. November 2009.
  3. Tagesschau: Streit um Wahlgesetz im Irak beigelegt, 6. Dezember 2009.
  4. ABC News: Iraq Sets Parliamentary Elections for March 7, 8. Dezember 2009.
  5. a b Die Welt: Wie Iraks Demokratie laufen lernt, 4. März 2010.
  6. a b Deutsche Welle: Neue Wahlen, neue Allianzen im Irak, 2. März 2010.
  7. Al Jazeera: Iraq's most powerful coalitions, 4. März 2010.
  8. Tagesschau: Die größte Gefahr - zur falschen Zeit am falschen Ort
  9. WirtschaftsWoche: Wahl entscheidet über das irakische Öl, 5. März 2010
  10. Focus: Al-Maliki bei Wahlen im Irak vorn – 62 Prozent Beteiligung, 8. März 2010
  11. sueddeutsche.de: Vorsprung für al-Maliki, 15. März 2010