Lusitania (Schiff, 1907)
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Technische Daten | |
Schiffstyp: | Passagierdampfer |
Bauwerft: | John Brown & Company, Clydebank |
Verdrängung: | 44.000 t |
Schiffsvermessung: | 31.550 BRT |
Länge: | 239,3 m |
Breite: | 26,75 m |
Antrieb: | Dampfkessel 4 x Parsons-Dampfturbinen 4 Schrauben |
Leistung: | 68.000 PS nominal 76.000 PS maximal[1] |
Geschwindigkeit: | 25 Knoten |
Passagiere: | 563 Erste Klasse 464 Zweite Klasse 1138 Dritte Klasse |
Besatzung: | 802 (in Friedenszeiten) |
Stapellauf: | 7. Juni 1906 |
Beginn der Probefahrten: | 29. Juli 1907 |
Jungfernfahrt: | 7. – 13. September 1907 (Liverpool - Queenstown - New York unter Kapitän James B. Watt) |
Letzte Fahrt: | 1. – 7. Mai 1915 (New York - Liverpool unter Kapitän William T. Turner) |
Die RMS Lusitania war ein Passagierdampfer der britischen Reederei Cunard Line, der von 1907 an die Linie zwischen Liverpool und New York befuhr und bis zur Fertigstellung des Schwesterschiffes Mauretania das größte Schiff der Welt war.
1915 wurde die Lusitania vor der Südküste Irlands von einem deutschen U-Boot versenkt. Dieser Zwischenfall, die sogenannte Lusitania-Affäre, kostete fast 1.200 Menschen das Leben – darunter 128 US-Amerikaner − und trug wesentlich dazu bei, dass die USA auf Seiten der Entente-Mächte in den Ersten Weltkrieg eintraten. Gemessen an der Zahl der Todesopfer, war die Versenkung der Lusitania der größte Schiffsverlust im Ersten Weltkrieg, hinsichtlich der Tonnage der drittgrößte nach dem der HMHS Britannic und dem der Justicia.[2]
Vorgeschichte und Bau
Planung und Bau der Lusitania fielen in eine Zeit, in der sich Großbritannien – seit Ende des 17. Jahrhunderts die führende Seemacht – der wachsenden Konkurrenz aufstrebender Staaten wie des Deutschen Reichs und der USA ausgesetzt sah. Neben dem Wettrüsten zur See, das nach 1898 mit dem Ausbau der deutschen Kriegsflotte einsetzte, sah die britische Öffentlichkeit zwei weitere Punkte als symptomatisch dafür an:
- Das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung wurde seit November 1897 von deutschen Schiffen gehalten; zuletzt hatten es 1903 die Deutschland auf Westfahrt und 1904 Kaiser Wilhelm II. auf Ostfahrt errungen.
- Die amerikanische International Mercantile Marine Company, die auf Initiative des amerikanischen Bankiers John Pierpont Morgan entstanden war, kaufte zahlreiche Reedereien auf – darunter auch die britische White Star Line –, um sich eine Monopolstellung zu sichern.
Letzteres beunruhigte auch die britische Admiralität, da sie im Kriegsfall Personal der Handelsmarine für die Royal Navy zu rekrutieren pflegte und diese daher nicht in ausländischen Händen wissen wollte. Sie unterstützte daher ein Projekt der Cunard Line, mit dem diese ihre Wettbewerbsposition gegenüber Morgan verbessern wollte: Sie plante den Bau der zwei größten, schnellsten und luxuriösesten Schiffe der Welt. Da die Reederei die beiden Vorhaben jedoch nicht allein finanzieren konnte, ersuchte sie die britische Regierung um ein günstiges Darlehen: 2,6 Millionen Pfund Sterling bei einer Verzinsung von 2,75 % pro Jahr mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren. Die Admiralität befürwortete das Ansuchen, da sie auf diese Weise zu modernen Hilfskreuzern für den Kriegsfall kommen konnte. Am 13. August 1903 beschloss das Unterhaus die Vergabe des Kredits; im gleichen Jahr unterzeichneten die Admiralität und Cunard ein Geheimabkommen, das den Bau von zwei auch für militärische Zwecke geeigneten Passagierschiffen vorsah, deren Baukosten die Admiralität unter den Bedingungen übernahm, dass die Schiffe eine Mindestgeschwindigkeit von 24,5 Knoten erreichten, Aufstellungsmöglichkeiten für zwölf 6-Zoll-Kanonen vorgesehen wurden, die Maschinenräume vollständig unterhalb der Wasserlinie angeordnet waren und diese durch seitliche, an den Bordwänden angeordnete, Kohlenbunker geschützt wurden.[3][4]

Cunard beauftragte nun den Schiffskonstrukteur Leonard Peskett mit dem Entwurf des Schiffes. Dieser sollte auch Geschützunterbauten vorsehen sowie Decksverstärkungen, welche im Kriegsfall Schiffsgeschütze hätten tragen können. Nachdem die Pläne vorlagen, erhielt die Werft John Brown & Company in Clydebank den Auftrag zum Bau des ersten Schiffes, das später als Lusitania bekannt werden sollte. Mit dem Bau der Mauretania wurde Swan Hunter & Wigham Richardson in Newcastle upon Tyne beauftragt. Die Lusitania wurde am 16. Juni 1904 auf Kiel gelegt und am 7. Juni 1906 von Lady Mary Inverclyde, der Witwe des im Vorjahr verstorbenen Cunard-Präsidenten, getauft. Ihr Name bezog sich auf die antike römische Provinz Lusitanien, die etwa das heutige Portugal und Teile Spaniens umfasste.
Zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung im Sommer 1907 war die Lusitania das mit Abstand größte Schiff der Welt. Sie übertraf damit die bisherige Spitzenreiterin, die deutsche Kaiserin Auguste Viktoria der HAPAG, um fast 30 m Länge und rund 7.000 BRT; außerdem war sie das erste Schiff mit einem Rauminhalt von über 30.000 BRT. Zudem galten die Lusitania und ihr etwas später vollendetes Schwesterschiff als “so unsinkbar, wie ein Schiff nur sein kann”.[5] Dies sollte eine komplexe Einteilung des Unterwasserschiffes in wasserdichte Abteilungen garantieren, deren Schotten allerdings 69 Öffnungen hatten, die durch Türen versiegelt werden mussten. Nur 35 dieser Türen wurden hydraulisch betrieben, die restlichen 34 mussten von Hand geschlossen werden.[6] Als potentieller Hilfskreuzer war die Lusitania – anders als andere zeitgenössische Passagierschiffe – nicht nur mit Quer-, sondern auch Längsschotten ausgerüstet. Diese Einteilung sollte besseren Schutz im Falle eines Granattreffers bieten, bedeutete aber im Fall eines Lecks eine höhere Gefahr zur Entwicklung von Schlagseiten, da die Flutung auf eine Schiffsseite beschränkt würde. Dies würde wiederum das Besteigen und Fieren der Rettungsboote wesentlich erschweren.[7] Außerdem war die Stabilität des Schiffes für dieses Schottsystem nicht adäquat: Schon bei Flutung von nur drei Kohlebunkern auf einer Seite konnte die metazentrische Höhe negativ werden.[8] Die strukturelle Stabilität des Schiffes erreichte hingegen ein sehr hohes Niveau, so wurde das Schiff von insgesamt vier Millionen Nieten zusammen gehalten. Zum Vergleich: Für Rumpf und Aufbauten der deutlich größeren Titanic wurden insgesamt „nur“ drei Millionen Nieten benutzt.[9] Offenbar wurde bei der Lusitania ein deutlich höherer Anspruch an die strukturelle Belastbarkeit des Rumpfes gestellt als bei der für rein zivile Zwecke vorgesehenen Titanic.
Da die Lusitania als unsinkbar galt, wurde sie zunächst nur mit insgesamt 16 Rettungsbooten mit einer Gesamtkapazität von etwa 960 Personen ausgestattet; man folgte damit den gesetzlichen Vorschriften, die allerdings noch aus dem Jahr 1897 stammten und dem enormen Größenzuwachs von Passagierschiffen seit der Jahrhundertwende nicht Rechnung trugen.[10]
Erprobung und technische Details
Ein wesentlicher Grund für den Bau der Lusitania war die Rückgewinnung des Blauen Bandes. Die Reederei forderte daher von der Werft, dass das Schiff mindestens 24,5 Knoten schnell sein sollte. Dieser Punkt war Cunard so wichtig, dass jeder Zehntelknoten, den das Schiff unter dieser Geschwindigkeit liegen sollte, mit einer enormen Konventionalstrafe von 10.000 Pfund Sterling belegt war.[11] Die ersten Probefahrten des Schiffes erfolgten daher geheim, um im Falle eines Scheiterns die Blamage möglichst gering zu halten. Die Probefahrten zerstreuten jedoch alle Besorgnisse: Die Lusitania umfuhr Irland und legte zweimal die Strecke Dumfries and Galloway – Cornwall zurück, wobei sie eine Höchstgeschwindigkeit von 26,4 Knoten erreichte. Während der folgenden, nunmehr öffentlichen Probefahrten in der Irischen See übertraf sie diesen Wert mit 26,7 Knoten nochmals deutlich.[12]

Eine technische Besonderheit der Lusitania lag in ihrem Antrieb: Ihre vier je 17.000 PS starken Dampfturbinen trieben jeweils eine Schraube an, und an die beiden mittleren Schrauben war noch je eine weitere Turbine für die Rückwärtsfahrt angeschlossen. Der Turbinenantrieb war ein Wagnis gewesen, da diese Art der Kraftgewinnung damals noch in ihren Anfängen steckte und noch nie für ein Schiff dieser Größe genutzt worden war. Die Turbinen bezogen ihre Energie aus insgesamt 25 Kesseln mit je 5,3 m Durchmesser in vier Kesselräumen, die pro Tag etwa 1.000 t Kohle benötigten.[13] Für die Kühlung der insgesamt sechs Turbinen wurden bei hoher Fahrt 250.000 Liter Wasser pro Minute benötigt.[14] Die Turbinenanlage mit ihren 76.000 PS Maximalleistung übertraf die zwar äußerst starken, aber technisch überholten Kolbendampfmaschinen der deutschen Konkurrenz (insbesondere die Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd der Kaiser-Klasse und die Deutschland der HAPAG) deutlich.
Das Ruder der Lusitania entsprach den Anforderungen, die an die Manövrierfähigkeit eines Kriegsschiffes gestellt wurden. Sie war daher deutlich wendiger als andere Schiffe vergleichbarer Größe. So benötigte die 240 m lange Lusitania einen Wendekreis von nur 870 m, während er bei der 270 m langen, mit einem konventionellen Ruder ausgestatteten Titanic 1.175 m betrug.[15]
Den Erwartungen in Bezug auf ihre Geschwindigkeit hatte die Lusitania zwar voll entsprochen, doch bei den Probefahrten trat ein anderes, massives Problem auf: Bei hohem Tempo vibrierte das Achterschiff so heftig, dass ein Aufenthalt dort kaum möglich war. Das Schiff verholte daher zurück ins Dock, wo im gesamten Bereich der Zweiten Klasse Verstrebungen, Zwischenböden und zusätzliche Deckensäulen eingezogen wurden. Damit konnte das Problem schließlich behoben werden.
Ausstattung

(Detaillierte Deckspläne der Lusitania und Abbildungen einiger der Innenräume finden sich bei den Weblinks.)
Für die Innenausstattung der Lusitania war der Schiffsarchitekt David Millar verantwortlich. Obwohl Lusitania und Mauretania äußerlich recht ähnlich und in der allgemeinen Raumaufteilung identisch waren, unterschieden sich die beiden Schwesterschiffe in Art und Gestaltung ihrer Ausstattung wesentlich: Während auf der Mauretania durch den Einbau dunkler Holztäfelungen ein eher konservativ-klassisches Design erzeugt wurde, das sich dem an Bord anderer Atlantikliner anpasste, war die Innenausstattung der Lusitania ganz auf die Farbe Weiß hin ausgerichtet.
Erste Klasse
Fast alle öffentlichen Räume der Ersten Klasse, die sich auf dem Bootsdeck des Schiffes befanden, verfügten über mächtige zylindrisch gewölbte Glasdächer in voller Raumlänge, was eine lichtdurchflutete Atmosphäre erzeugte und in dieser Form eine völlige Neuheit auf Schiffen war. Auf dem Bootsdeck befanden sich ein Verandacafé, ein Rauchsalon, eine Lounge (auch als Musiksalon bezeichnet), ein großzügiger Eingangsraum als Foyer für das große Treppenhaus des Schiffes sowie ein Lese- und Schreibraum. In der Lounge war das Glasdach besonders aufwändig gestaltet; es war in zwölf Abschnitte gegliedert, in die aus Buntglas Allegorien der zwölf Monate eingearbeitet waren. Ein Deck tiefer war ein so genannter Observationsraum eingerichtet, der aus Bullaugen freie Sicht nach vorne über den Bug aufs Meer erlaubte. Zwar handelte es bei diesem “Raum” an sich nur um einen etwas verbreiterten Kabinengang, doch das Konzept war völlig neu und leitete die Tradition derartiger Beobachtungsräume ein, die noch heute auf vielen Passagierschiffen zu finden sind.[16] Kernelement der Ersten Klasse des Schiffes war ein im Stil Ludwigs XVI. in Weiß und Gold gehaltener Speisesaal, der von einer stuckverzierten Kuppel überragt wurde und insgesamt drei Deckshöhen umfasste. Die besten Kabinen des Schiffes waren die beiden “Regal Suites” (Königssuiten), die neben zwei Schlafzimmern, einem Bad und separater Toilette einen privaten Salon und ein Esszimmer umfassten. Kleinere Suiten, die aus Schlaf- und Wohnraum bestanden und von denen manche ebenfalls über privates Bad und WC verfügten, ergänzten die Luxusklasse der privaten Unterkünfte auf der Lusitania. Insgesamt gab es auf dem Schiff zehn private Wohnräume (also Kabinen, die keine Schlafgelegenheit boten, sondern lediglich zum Aufenthalt der Passagiere gedacht waren); eine für die damalige Zeit außergewöhnlich große Zahl (auf der fünf Jahre später fertig gestellten Titanic gab es nur vier solcher Räume).[17] Für diese besonders teuren Kabinen gab es ein eigenes Telefonnetz, über das die Bewohner miteinander kommunizieren konnten. Das große Treppenhaus des Schiffes verband insgesamt fünf Decks (Bootsdeck bis E-Deck) miteinander und war mit aufwändigen schmiedeeisernen Balustraden mit vergoldeten Elementen ausgestattet. Im Treppenschacht waren zwei parallel laufende Aufzüge installiert. Die prunkvolle und großzügige Ausstattung der Ersten Klasse auf der Lusitania sorgte bei ihrer Jungfernfahrt 1907 für Furore unter den Passagieren. Der US-Senator Sutherland hielt kurz vor der Ankunft eine Lobrede auf das Schiff, in der er die berühmt gewordenen Worte sprach: She is more beautiful than Solomon’s temple and large enough to hold all his wives and mothers-in-law. (Sie [die Lusitania] ist schöner als Salomos Tempel und groß genug, all seine Frauen und Schwiegermütter zu beherbergen.) [18]
Zweite Klasse
Auch die Zweite Klasse war für die damalige Zeit verhältnismäßig luxuriös ausgestattet. Ihre Passagiere verfügten über einen ebenfalls kuppelgekrönten Speisesaal, der allerdings wesentlich schmuckloser ausgeführt war als sein Gegenstück in der Ersten Klasse. Daneben gab es noch eine Lounge, einen so genannten Damensalon (Lese- und Schreibraum) und einen Rauchsalon. Die Räumlichkeiten der Zweiten Klasse befanden sich im hinteren Teil des Schiffes und waren in einem separaten Decksaufbau untergebracht, der sich hinter dem Hauptmast des Schiffes befand.
Dritte Klasse
Die Dritte Klasse verfügte an öffentlichen Räumen über einen großen Speisesaal sowie einen Rauchsalon und einen Aufenthaltsraum für Damen. Die beiden letzteren Räume wurden allerdings - im Falle entsprechend hoher Passagierzahlen - ebenfalls als Speiseräume verwendet. Die Kabinen der Dritten Klasse waren zwar spartanisch, bedeuteten aber im Vergleich zu den Massenschlafsälen auf älteren und kleineren Schiffen eine deutliche Verbesserung des Reisekomforts und der hygienischen Verhältnisse. Es handelte sich überwiegend um 4- und 6-Bett-Kabinen mit eigenem Waschtisch. Die Dritte Klasse war im vorderen Teil der Lusitania untergebracht.[19]
Einsatzgeschichte
Die bevorstehende erste Ausreise der Lusitania sorgte für einen beispiellosen Presserummel in Großbritannien. Das öffentliche Interesse an dem neuen Schiff war so groß, dass Cunard beschloss, die vor Liverpool auf Reede liegende Lusitania am 3. September 1907 für fünf Stunden zur Besichtung freizugeben. Zum Preis von einer halben Krone setzten in dieser Zeit etwa 10.000 Besucher mit einem Tender zu ihr über; der Erlös ging an karitative Einrichtungen in Liverpool.[20] Als die Lusitania dann am Abend des 7. September Liverpool zur Jungfernfahrt verließ, hatten sich rund 200.000 Zuschauer im Hafen versammelt.[21] Das Schiff war bis zum letzten Platz ausgebucht, so dass 200 Passagiere, die beim Zwischenstopp im irischen Queenstown auf eine Passage in letzter Minute gehofft hatten, zurückgelassen werden mussten.[22]

Aufgrund schlechter Wetterbedingungen konnte die Lusitania auf ihrer Jungfernfahrt nach New York das Blaue Band nicht zurückerobern, sie blieb 30 Minuten hinter dem bestehenden Rekord der Deutschland zurück. Im Oktober jedoch war sie mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp über 24 Knoten erfolgreich; sie war damit auch der erste Liner überhaupt, der die Atlantiküberquerung in weniger als fünf Tagen absolvierte. Im November 1907 schrieb die Lusitania Schlagzeilen, als sie auf einer Überfahrt 20 Tonnen Gold im Wert von rund 2,5 Millionen Pfund Sterling (etwa dem doppelten Wert des Schiffes selbst) transportierte; bis heute die größte Menge an Gold, die je auf einem Schiff überführt wurde. Nach ihrer Abfahrt am Sonntag, 8. September 1908 aus Queenstown sah es so aus, als ob mit einer neuen Rekordfahrt zu rechnen sei, da das Schiff binnen eines Tages 625 Seemeilen zurückgelegt hatte, doch am frühen Dienstagmorgen kam es zum Ausfall eines Kessels, was dazu führte, daß die Lusitania verspätet in New York eintraf. Bei dieser Reise hatte der Dampfer 1.872 Passagiere, davon 899 Erster Klasse reisend, an Bord. Einer der bekanntesten Prominenten dieser Fahrt war der Rechtsanwalt, Politiker und Millionär Samuel Untermyer.[23] Ein aufsehenerregender Zwischenfall ereignete sich nach einer Atlantiküberfahrt am 2. Januar 1909, als ein seit dem 21. Dezember im schottischen Glasgow gesuchter Mörder, der unter Falschnamen in der Zweiten Klasse auf dem Dampfer fuhr, in New York von zwei US-Marshals und zwei Pinkerton-Detektiven an Bord festgenommen werden konnte.[24] Als die Lusitania am 15. Februar 1909 in New York eintraf, war sie seit zwei Tagen überfällig. Die Ursache war eine anhaltende Schlechtwetterfront gewesen, die bereits vor der Abfahrt in Großbritannien aufgekommen war. Aufgrund des schlechten Wetters konnte der Kapitän nicht in den Hafen von Queenstown einlaufen und musste auf offener See vor Anker gehen. Im Unwetter ging der damals 600 Dollar teure Steuerbordanker verloren und musste vor der Weiterfahrt ersetzt werden. Im weiteren Reiseverlauf wurde die Lusitania, wie einige Jahre zuvor der Lloyd-Schnelldampfer Kronprinz Wilhelm, mit bis zu 25 m hohen Monsterwellen konfrontiert. Die Brecher verursachten Schäden an der Kommandobrücke und den Aufbauten; der Wind zerstörte die Drahtantenne der an Bord befindlichen Marconi-Funkstation.[25] Das Schiff bewies trotz der Schäden eine außerordentliche Widerstandsfähigkeit, was ihren Ruf als zuverlässiger und sicherer Liner noch förderte. Ende Januar 1910 geriet die Lusitania erneut in einen besonders heftigen Sturm, in dessen Verlauf Passagiere der Ersten Klasse verletzt wurden. Eine Frau, die als Zwischendeckspassagier im Bauch des Schiffes reiste, musste nach der Ankunft in hysterischem Zustand von Bord gebracht werden.[26] Nach dem Untergang der Titanic im April 1912 wurde die Zahl der an Bord befindlichen Rettungsboote erhöht; auch die Lusitania hatte bislang zu wenige Boote für alle Menschen an Bord mitgeführt. Am 1. August 1914 wurde sie in New York vom Kriegsausbruch überrascht, trat aber trotzdem planmäßig ihre Rückfahrt nach Liverpool an.[27]
Die Lusitania im Ersten Weltkrieg
Bereits im Februar 1913 hatte der Erste Lord der Admiralität, Marineminister Winston Churchill mit einem Schreiben der Cunard Line erklärt, dass sich die von der Admiralität bezahlten Schiffe bald bewähren müssten, denn „der Krieg gegen Deutschland ist sicher – spätestens im September 1914 wird er ausbrechen.“[3]
Zu Beginn des Krieges wurde das Schiff der britischen Admiralität unterstellt und am 17. September 1914 als „bewaffneter Hilfskreuzer“ in das britische Flottenregister aufgenommen. In Wirklichkeit war das Schiff zur Umrüstung auf einen Hilfskreuzer aber lediglich vorbereitet (Panzerung, Fundamente für Geschütze), aber zu keinem Zeitpunkt mit schweren Waffen bestückt.
Eine Woche danach erhielt der Schiffskommandant, Kapitän William Thomas Turner, seine Befehle von der Admiralität. Danach hatte Turner die Aufgabe, in einem Schnelldienst kriegswichtiges Material von New York nach Liverpool zu transportieren. Er wusste nun, dass ein britisches Sonderkommando in den USA Munition beschaffen würde und seine jeweilige Kurssetzung ausschließlich von der Admiralität bestimmt werden würde. Außerdem sollten nach diesen Befehlen deutsche Kriegsschiffe damit getäuscht werden, dass man weiterhin Passagiere beförderte und zudem ab jetzt unter der neutralen amerikanischen Flagge fuhr. Würde jedoch ein deutsches U-Boot versuchen aufzutauchen, um die Lusitania zu stoppen, hätte Turner sofort das Feuer zu eröffnen.[3]
Den Briten war jedoch entgangen, dass die Vereinigten Staaten aus Sicherheitsgründen verboten hatten, kriegswichtiges Material auf Passagierschiffen zu befördern. Da die Deckung der Lusitania als ziviles Schiff vor den Amerikanern nicht auffliegen durfte, suchte die britische Admiralität kurzfristig nach einer Lösung. Man stellte fest, dass eine bestimmte Sorte Munition auf Passagierschiffen befördert werden konnte: Jagdgewehrpatronen. So wurde die wahre Fracht umdeklariert und den amerikanischen Behörden gefälschte Papiere vorgelegt. Mithilfe dieser Betrügereien gelang es der Admiralität unter Winston Churchill ab 1914, große Mengen an Munition nach Großbritannien zu manövrieren.
Nachdem die deutsche Kriegsmarine am 4. Februar 1915 aufgrund des wachsenden Drucks der britischen Blockade international den uneingeschränkten U-Boot-Krieg angekündigt hatte, erging eine Note des deutschen Außenministeriums an die USA, dass „angesichts des Missbrauchs neutraler Flaggen“ durch Großbritannien „Fehler nicht immer zu vermeiden“ wären. Nach Bekanntgabe dieses Schreibens kam es zu einer Anfrage des britischen Außenministers Edward Grey an den Berater des US-Präsidenten, Oberst House: „Was wird Amerika tun, wenn die Deutschen ein Passagierschiff mit amerikanischen Touristen versenken?“. House antwortete; „Das würde uns zum Krieg bringen.“[3]
Am 22. April 1915 veröffentlichte die Kaiserliche Deutsche Botschaft eine Warnung in den fünfzig größten amerikanischen Zeitungen, die direkt neben die Abfahrtszeiten der Transatlantikdampfer gesetzt wurde:
„ACHTUNG! Reisende, die vorhaben, den Atlantik zu überqueren, werden daran erinnert, dass Deutschland und seine Alliierten und Großbritannien und seine Alliierten sich im Kriegszustand befinden; dass das Kriegsgebiet auch die Gewässer rings um die Britischen Inseln umfasst; dass in Übereinstimmung mit der formellen Bekanntgabe der Kaiserlichen Deutschen Regierung alle Schiffe, die die Flagge Großbritanniens oder eines seiner Verbündeten führen, Gefahr laufen, in diesen Gewässern zerstört zu werden, und dass Reisende, die im Kriegsgebiet auf Schiffen aus Großbritannien oder seiner Verbündeten reisen, dies auf eigene Gefahr tun. KAISERLICHE DEUTSCHE BOTSCHAFT, WASHINGTON D. C., 22. April 1915.“
Noch am Tag der Abfahrt erschien in der New York Times eine Anzeige mit einer Warnung der deutschen Regierung vor einer Überfahrt.[28] Außerdem berichtet die New York Times in ihrer Ausgabe vom 8. Mai 1915 von anonymen Telegrammen an einzelne Passagiere, die die Warnung enthielten, dass das Schiff torpediert werden würde. Einer der Empfänger soll demnach Alfred Vanderbilt gewesen sein, allerdings ohne dass die Zeitung eine Quelle hierfür benennt.[29]
Letzte Fahrt und Lusitania-Affäre
Abfahrt
Am Sonnabend, dem 1. Mai 1915, 12:20 Uhr lief die Lusitania von New York (Pier 54) mit 1258 Passagieren und 701 Besatzungsmitgliedern (insgesamt 1367 Männer, 463 Frauen und 129 Kinder) zu ihrer 202. Atlantiküberquerung nach Liverpool aus. An Bord waren auch 1248 Kisten mit 3-Zoll-Granaten, 4927 Kisten mit Gewehrpatronen sowie 2000 Kisten mit Munition für Handfeuerwaffen (insgesamt etwa 10,5 Tonnen Sprengstoff) für Großbritannien, das sich gegen das Deutsche Reich im Kriegszustand befand. Die vorgesehene Abfahrtszeit von 10 Uhr verzögerte sich um 2½ Stunden, da noch Passagiere des Cunard-Dampfers Cameronia übernommen werden sollten, dessen Überfahrt kurzfristig storniert worden war.
Während Passagiere einschifften und Gepäck an Bord gebracht wurde, war die Pier überfüllt mit Reportern und Fotografen, die von der viel diskutierten, gefährlichen Überfahrt der Lusitania ins europäische Kriegsgebiet berichten sollten.
Passagiere und Besatzung
Die Passagiere sowie die Besatzung waren sich der Gefahr bewusst, die Warnung der Deutschen Botschaft war allen bekannt. Außerdem war die Atlantiküberquerung der Lusitania, verbunden mit der bestehenden U-Boot-Gefahr, am Morgen der Abfahrt das Thema in allen New Yorker Tageszeitungen. Aufgrund dessen stornierten viele Reisende ihre Buchungen, wie der wohlhabende Bostoner Schuhhändler Edward B. Bowen oder der New Yorker Modedesigner Philip Mangone, der 1937 den Absturz der Hindenburg überlebte. Alta L. Piper, Tochter der amerikanischen Spiritistin Leonora Piper, wartete in ihrem Hotelzimmer, bis sie das Pfeifensignal zur Abfahrt hörte. Es war allgemein bekannt, dass Captain William Thomas Turner, der Kapitän der Lusitania, sehr ungeduldig war und für die Sorgen der Fahrgäste nichts übrig hatte. Am Tag der Abfahrt nahm er sich aber für die besorgten Reisenden Zeit, die ihn in seiner Kabine besuchten, um ihm ihre Bedenken über die Sicherheit bei der Überfahrt – aufgrund fehlender Notfallübungen – auszudrücken.
Der Ozeandampfer war bei dieser Überfahrt bei weitem nicht ausgebucht. Die Räumlichkeiten der Ersten Klasse waren mit 290 Personen geradezu leer, auch die Dritte Klasse lag mit 367 Buchungen weit unter ihrer Kapazität. Lediglich die Zweite Klasse war mit 599 Personen bis an ihre Grenze belegt, da Cunard die Preise für diese Preisklasse gesenkt hatte. Prominenz fehlte jedoch nicht: Der 37-jährige US-Millionär Alfred Vanderbilt war ebenso an Bord wie die englische Operndarstellerin Josephine Brandell, der Generalkonsul von Kuba im Vereinigten Königreich Julián de Ayala und der Chicagoer Großindustrielle Charles Plamondon. Dazu gesellten sich der Schriftsteller Justus Forman, der amerikanische Politiker Ogden Hammond, die amerikanische Architektin und Spiritistin Theodate Pope, der New Yorker Geschäftsmann George Kessler sowie Lady Marguerite Allan, Ehefrau des kanadischen Schiffseigners Sir Montagu Allan mit zwei Töchtern. Mit der Frauenrechtlerin und Autorin Lady Margaret Mackworth und dem Kunstsammler Sir Hugh Lane war auch der britische Adel vertreten. Die zweifellos berühmteste Persönlichkeit war wohl der New Yorker Theaterimpresario Charles Frohman. Auffällig während dieser Reise war die große Anzahl von Müttern mit Kleinkindern. Diese Atlantiküberquerung verzeichnete die größte Anzahl von Kindern an Bord seit dem Beginn des Krieges.
Kurz nach der Abfahrt wurden drei männliche blinde Passagiere entdeckt und unter Deck in eine Arrestzelle gesperrt. Spekulationen zufolge soll es sich bei ihnen um deutsche Spione bzw. Saboteure gehandelt haben, doch dies konnte nie eindeutig geklärt werden.
Leben an Bord
Die 202. Atlantiküberquerung der Lusitania war nicht wie jene vor dem Krieg. Damals hatte die Überfahrt mit einem Ozeandampfer immer einen sehr fröhlichen Charakter, man war stolz, auf einem so luxuriösen Schiff zu fahren, genoss die Annehmlichkeiten an Bord und plauderte mit den Mitpassagieren. Seit Beginn des Krieges war das Bordklima aber umgeschlagen. Die Passagiere hatten Angst vor einem möglichen U-Boot-Angriff in den britischen Hoheitsgewässern, was sich deutlich auf die Stimmung während der Reise auswirkte. Es lag zwar keine Furcht in der Luft, doch man war relativ verhalten und jedes Gespräch kam irgendwann unweigerlich auf das Thema U-Boote. Manche Reisenden übernachteten sogar in den großen, öffentlichen Sälen, weil sie sich dort im Falle einer Torpedierung sicherer fühlten als in ihren kleinen Kabinen.
Den Mittelpunkt des Bordlebens stellten die opulenten Mahlzeiten dar. Die Essenszeiten in den drei Klassen waren nicht gleich, man aß in Schichten, da die Speisesäle nicht alle Gäste auf einmal fassen konnten. Während der Mahlzeiten wurden die Reisenden vom Bordorchester unterhalten, das auf Zuruf dutzende zeitgenössische Stücke von Klassik über Folklore bis Ragtime spielen konnte. Am 6. Mai fand in allen drei Klassen ein Wohltätigkeitskonzert zugunsten eines Seemann-Fonds statt. Als letzte Darbietung des Abends sang eine Passagierin den beliebtesten Schlager der Saison, When I Leave The World Behind (zu dt.: Wenn ich die Welt hinter mir lasse).
Versenkung


Am Morgen des 7. Mai 1915 erreichte die Lusitania die Südküste Irlands. Dort wurde sie gegen 13:20 Uhr 11,5 Seemeilen vor dem Kap Old Head of Kinsale von dem deutschen U-Boot U 20, unter der Führung von Kapitänleutnant Walther Schwieger, gesichtet. Nachdem Schwieger den Dampfer kurze Zeit beobachtet hatte, gab er um 14:10 Uhr den Feuerbefehl. Sein erster Offizier, Charles Voegele, war nicht bereit, an einem Angriff auf Frauen und Kinder teilzunehmen, und weigerte sich, den Befehl an den Torpedoraum weiterzugeben. Aus diesem Grund wurde er von einem Kriegsgericht verurteilt und verbrachte drei Jahre in einem Gefängnis in Kiel.[30]
Die Passagiere saßen gerade beim Mittagessen, das Bordorchester hatte den Donauwalzer beendet und setzte zu den ersten Takten des Marsches It's a Long Way to Tipperary an. Unmittelbar nach dem Torpedotreffer an der Steuerbordseite erschütterte eine zweite, heftigere Explosion das Schiff, das sich sofort nach Steuerbord neigte. Nach den Detonationen herrschten auf dem Schiff katastrophale Zustände. Die Wucht des Torpedoeinschlags schleuderte eine Wassersäule in die Luft, die das Rettungsboot Nr. 5 mit sich riss und eine Flut von Trümmern auf das Deck niederregnen ließ. Die Reste des geborstenen Bootes krachten durch das Glasdach des Verandacafés, in dem sich viele Passagiere aufhielten, um nach dem Essen noch eine Tasse Kaffee zu trinken. Im Schiffsinneren hagelte es Glas; Mobiliar und kleinere Gegenstände wurden durch die Luft geschleudert, Menschen stürzten Treppen herab. Die Menschen in den Speisesälen erhoben sich alle gleichzeitig und stürmten zu den Treppenaufgängen, wobei sie sich gegenseitig schubsten und niedertrampelten. Die Steuerbordseite war schon nach wenigen Minuten fast auf der Höhe der Wasseroberfläche, während die Backbordseite hoch in die Luft ragte. Auf der Backbordseite rissen sich die vollbesetzten Boote aus ihren Halterungen und schlugen binnenbords in die Decksaufbauten, wobei sie wartende Passagiere auf dem Bootsdeck erdrückten. Die Boote, die über die Reling gedrückt werden konnten, polterten die mit Nieten besetzte Außenhaut des Schiffes herab, überschlugen sich, warfen die Insassen ins Meer und zerschellten auf der Wasseroberfläche. Die Explosionen hatten im Inneren derartige Schäden angerichtet, dass die Fahrt des Schiffes nicht gestoppt werden konnte. Das machte das Fieren der Boote noch schwerer. Die kleinen Holzruderboote wurden, sobald sie auf das Wasser aufsetzten, durch die Vorwärtsbewegung mitgerissen und krachten in dahinter befindliche Boote. Außerdem fiel nach noch nicht einmal fünf Minuten der Strom aus. Die Fahrstühle blieben stecken und die sich darin befindenden Passagiere ertranken. Das Schiff legte sich fast auf die Steuerbordseite, so dass die Passagiere an Deck dachten, die Schornsteine würden sie jeden Moment erschlagen.
Die Kinder, welche auf das Bootsdeck gelangten, wurden dort im Gedränge erdrückt oder starben im eiskalten Atlantikwasser. Als das Schiff unterging, brachen die vier riesigen Schornsteine ab und zertrümmerten mehrere im Wasser treibende Boote. Als sie unter Wasser gerieten, saugten sie alles ein, was in der Nähe war. Auch zahllose Menschen wurden hereingesaugt und rußgeschwärzt wieder ausgespien. Nur wenige überlebten dies. Andere Passagiere wurden durch den Sog der Bullaugen unter Wasser gedrückt und zurück ins Schiff gesaugt. Gekenterte Rettungsboote und zahllose Leichen trieben im Wasser. Es entstand ein verzweifelter Kampf um Schwimmwesten und Plätze in den wenigen Booten, die sich über Wasser halten konnten. Erst nach 18 Uhr, fast vier Stunden nach dem Untergang, trafen die ersten Rettungsschiffe am Unglücksort ein. Die meisten konnten nur noch Tote bergen, darunter viele Frauen und Kleinkinder. Die letzten Überlebenden wurden nach Einbruch der Dunkelheit gerettet. Die Lusitania sank in nur achtzehn Minuten auf der Position 51° 25′ N, 8° 33′ W . Dabei kamen insgesamt 1198 Menschen ums Leben (die drei blinden Passagiere sind in dieser Zahl nicht enthalten), darunter 94 Kinder und 287 Frauen. Unter den Todesopfern befanden sich 128 Amerikaner.[31]
Die 761 zum Teil verletzten und unterkühlten Überlebenden wurden in das nahe gelegene Queenstown gebracht und in verschiedenen Krankenhäusern, Hotels und Privathaushalten untergebracht. Unter den Geretteten befanden sich viele zeitgenössische Prominente wie die französische Schauspielerin Rita Jolivet, der walisische Politiker D. A. Thomas, die amerikanische Architektin Theodate Pope und die 15-jährige Virginia Loney, Erbin des Loney-Vermögens. Aus dem Rathaus wurde ein improvisiertes Leichenschauhaus, das sehr schnell voll war und auf einen Schuppen im Hafen und die Hinterzimmer des örtlichen Cunard-Büros ausgedehnt werden musste. Noch Tage später wurden Leichen geborgen. Bis heute gilt die Versenkung der Lusitania als eine der größten Schiffskatastrophen der Geschichte.
Die zweite Explosion
Die Überlebenden berichteten übereinstimmend, dass es kurz hintereinander zwei Explosionen gegeben hatte. Von zentraler Bedeutung war daher in der Vergangenheit die Quelle dieser zweiten Explosion. Vor allem wurde über die Zahl der auf das Schiff abgeschossenen Torpedos spekuliert. Hätte Schwieger zwei Torpedos abgefeuert, wäre dies bei den kurzen Abständen nur in Form eines sog. Zweierfächers möglich gewesen. Damit wäre die Behauptung falsch gewesen, er habe wissentlich ein sinkendes Passagierschiff ein zweites Mal beschossen. Laut Schwiegers Aussage und dem Kriegstagebuch von U 20 wurde jedoch nur ein Torpedo geschossen. Ferner wartete er den Untergang des Schiffes erst gar nicht ab.
Aufnahmen vom Wrack, welche nach ersten Tauchgängen ab 1999 gemacht werden konnten, zeigen, dass weder die Explosion des Munitionslagers noch eine Kohlestaubexplosion für das schnelle Sinken der Lusitania verantwortlich war. Vielmehr weiß man jetzt, dass sich eine Dampfexplosion im Kesselraum 1 ereignet hat. Zum Unglückszeitpunkt fuhr die Lusitania fast volle Fahrt und die Kessel waren sehr heiß. Nach der ersten Explosion, dem Torpedotreffer, im ersten Kesselraum ergoss sich 11 Grad Celsius kaltes Wasser in den Kessel, was zu einer zweiten Kesselexplosion führen konnte. Gegen diese These spricht jedoch, dass die zwei Überlebenden aus Kesselraum 1 knapp zehn Tage nach dem Torpedoangriff unter Eid aussagten, dass ihr Kessel einige Minuten intakt und ihr Raum wasserfrei geblieben war. Ähnliches bestätigte ein Überlebender aus Kesselraum 2.[32] [33]
Diese beiden Explosionen wurden von den Überlebenden wahrgenommen. Die zweite Explosion war so stark, dass sie den Kiel des Dampfers durchschlug. Des weiteren kam ein sofortiger Stromausfall hinzu, der das Schließen der Schotts unmöglich machte. Bullaugen, welche zu Dutzenden offenstanden, beschleunigten den Untergang zusätzlich.
Prominente Opfer der Versenkung
An Bord der Lusitania befanden sich zahlreiche bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die damals großen Status genossen und international bekannt waren. Zu den Vertretern britischen Adels, der amerikanischen Hochfinanz, des Showbusiness und der Geschäftswelt, die durch die Katastrophe ums Leben kamen, zählten u. a.:
- Lindon Bates (* 1883), amerikanischer Ingenieur, Ökonom und Autor
- Albert Bilicke (* 1861), amerikanischer Bauunternehmer und Investor
- Alexander Campbell (* 1871), schottischer Destillateur und Manager von Dewar’s
- William B. Cloete, (* 1851), britischer Geschäftsmann und Ökonom, Gründer der The New Sabinas Company
- Robert E. Dearbergh, (* 1867), englischer Wissenschaftler und Vize-Präsident der Earp-Thomas Farmogerm Company
- Marie Depage (* 1872), belgische Diplomatin und Gründerin der L'École Belge d’Infirmières Diplômées
- Justus Forman (* 1875), amerikanischer Schriftsteller und Bühnenautor (The Hyphen)
- Charles Frohman (* 1860), amerikanischer Theaterproduzent (Peter Pan)
- Edgar E. Gorer (* 1872), britischer Geschäftsmann und Kunsthändler, Gründer des Londoner Unternehmens Gorer
- Amelia Herbert (* 1856), amerikanische Theaterschauspielerin (Jane Eyre, Three Wives)
- Albert L. Hopkins (* 1871), amerikanischer Schiffbauer, Präsident der Newport News Shipbuilding and Drydock Company
- Alice Moore Hubbard (* 1861), amerikanische Frauenrechtsaktivistin und Autorin, Ehefrau von Elbert Hubbard
- Elbert Hubbard (* 1856), amerikanischer Schriftsteller und Satiriker, Begründer von Roycroft
- Carrie Kennedy (* 1862), amerikanische Modedesignerin
- Charles Klein (* 1867), englischer Schauspieler und Bühnenautor (The Lion And The Mouse)
- Sir Hugh Lane (* 1875), irischer Kunstmäzen, Gründer der Dublin City Gallery
- Rev. Dr. Basil W. Maturin (* 1847), britischer katholischer Geistlicher und Rektor der St. Clement’s Church in Philadelphia
- Frederico G. Padilla (* 1880), mexikanischer Politiker, Generalkonsul für Mexiko im Vereinigten Königreich
- Frederick Pearson (* 1861), amerikanischer Bauunternehmer und Manager, Erbauer des Damms von Medina
- Charles Plamondon (* 1858), amerikanischer Großindustrieller
- Mary Crowther Ryerson (* 1859), Ehefrau von Major General George S. Ryerson, Gründer des Kanadischen Roten Kreuzes
- Anne Shymer (* 1879), amerikanische Chemikerin und Präsidentin der United States Chemical Company
- Commander J. Foster Stackhouse, britischer Polarforscher und Entdeckungsreisender
- Herbert Stone (* 1872), amerikanischer Redakteur und Verleger, Vorsitzender des Verlags H. S. Stone & Company, Begründer der Zeitschriften The Chap Book und The House Beautiful
- Frances Stephens (* 1851), Witwe des kanadischen Ministers George Stephens
- Alfred Gwynne Vanderbilt (* 1877), amerikanischer Millionär und Pferdezüchter
- Lothrop Withington (* 1856), britischer Historiker, Genealoge und Schriftsteller
In den Tagen und Wochen nach dem Untergang wurden etwa 280 Leichen geborgen. Die meisten Toten wurden in drei großen Massengräbern auf dem Clonmel Cemetery in Cobh (damals Queenstown) beigesetzt. Eine Identifizierung war bei vielen der geborgenen Toten nicht mehr möglich. Um viele vermisste Passagiere entstand große Unruhe. Die Familie des New Yorker Millionärs Alfred Vanderbilt bot eine Million Pfund für das Auffinden seiner Leiche. Sie wurde trotzdem nie gefunden.
Auswirkungen auf die US-Außenpolitik
Schon mit Kriegsbeginn hatte der konservative Demokrat und stellvertretende US-Außenminister Robert Lansing für die Entente sympathisiert.[34] Dies unterschied ihn vom amtierenden Außenminister William Jennings Bryan, der eine ausgleichende Haltung einnahm. Nach 1914 war Lansings Verhalten gegenüber deutschen Protestnoten, die Waffenverkäufe der neutralen USA an Großbritannien verurteilten, entsprechend. Nach Vorlage des deutschen Kompromißangebotes in dieser Angelegenheit am 16. Februar 1915 erklärte er, dass der bei den Deutschen entstandenen Eindruck, die USA würden die Briten bevorzugt behandeln, als ein Zeichen für die Unterlegenheit der deutschen Marine zu deuten war und das es nicht Sache der USA sei, für eine Chancengleichheit der Kriegsparteien einzutreten.[35] Die deutsche Drohung, einen uneingeschränkten U-Bootkrieg zu beginnen, sah er als Täuschungsmanöver. Lansings Meinung über die deutsche U-Bootwaffe war vielmehr, dass auch die Deutschen nicht an deren Erfolg glaubten. Nach Verschärfung der Seeblockade durch die Entente nutzte Lansing auch diese Möglichkeit, seine „wohlwollende Neutralität” unter Beweis zu stellen, indem er erklärte, dass nun, da für deutsche Schiffe jeder Handel unmöglich gemacht sei, alle deutschen Aktivitäten auf See kriegerischen Zwecken dienen würden. Alle in den USA liegenden deutschen Schiffe sollten jetzt nur noch mit Erlaubnis der amerikanischen Regierung in See stechen dürfen.[36]
Nach Versenkung des britischen Dampfers Falaba am 31. März 1915 durch ein deutsches U-Boot,[37] bei der auch ein amerikanischer Passagier umkam, sprach Lansing von Kriegsverbrechen und Mord.[38] Wilson schwankte nun zwischen der auf Ausgleich bedachten Haltung Bryans, der erklärte, dass sich Amerikaner aus der Kriegszone heraushalten müssten und zwischen Lansing, dem er prinzipiell zustimmte. In der Folge begann Lansing, seinen direkten Vorgesetzten Bryan offen anzugreifen. Sein Einfluss auf außenpolitische Entscheidungen wuchs.[39] Er glaubte nun an eine Gefährdung der amerikanischen Sicherheit und fürchtete ein deutsch-japanisches Bündnis. Die wenige Tage vor dem Auslaufen der Lusitania erfolgte Warnung der deutschen Botschaft an amerikanische Staatsbürger, sich aus der U-Bootkriegszone fernzuhalten, sah Lansing als Bestätigung seiner Einschätzung, die Deutschen würden einen Bruch mit den USA suchen.[40]
Mit der Versenkung der Lusitania und dem Tod von 124 US-Bürgern entzog US-Präsident Woodrow Wilson seinem Außenminister das Vertrauen und übernahm die Haltung Lansings.[40] Der begann sofort, eine Verschärfung des Tons in den deutsch-amerikanischen Beziehungen anzuschlagen. Bryan und andere Politiker, die sich gegen diesen Weg stellten, wurden von ihren Kabinettskollegen sehr schnell isoliert. Der Außenminister hatte noch am Abend der Versenkung eine Kommission beauftragt, die dem längst vorhandenen Verdacht nachgehen sollte, dass die Briten militärische Munition geladen hätten. Bereits am nächsten Tag stand nach Überprüfung der Ladepapiere fest, dass die Lusitania 4.200 Kisten Munition und 1.250 Kisten Geschosshülsen an Bord gehabt hatte. Wilson selbst verfügte, dass ein enstprechender Bericht im Geheimarchiv des US-Schatzamtes unter Verschluss zu nehmen sei, und ließ Protokolle mit Aussagen überlebender Seeleute und Passagiere beseitigen.[41]
Kurz nach der Versenkung ließ die deutsche Regierung eine Mitteilung herausgeben, in der sie den Verlust an Menschenleben bedauerte, jedoch keine Verantwortung übernehmen könne. Großbritannien hätte Deutschland durch die Seeblockade („Aushungerungsplan”) zu solchen Verhaltensweisen gezwungen. Die Lusitania sei dazu noch „mit gefährlicher Geschützstärke ausgerüstet” gewesen, wie die britische Presse berichtet hätte. Zudem sei bekannt, dass die schnellen britischen Cunard-Dampfer Mauretania und Lusitania „infolge ihrer Schnelligkeit als besonders geschützt gegen Unterseebootangriffe betrachtet und mit Vorliebe zum Transport von Kriegsmaterial benutzt wurden.” [42]
In Hinblick auf die nachgewiesene Munitionsladung äußerte sich Bryan gegenüber Wilson, dass es das Recht der Deutschen sei, Konterbanden zu bekämpfen und es nicht angehen könne, Passagiere, Frauen und Kinder als Schutzschilde zu missbrauchen. Ähnlich sah dies auch die amerikanische Bevölkerung, die trotz der Tragödie keinen Anlass einer Verstrickung in den europäischen Krieg sah.[40] Lansing widersprach. Auch der Hinweis auf die geladene Munition war für ihn in dieser Angelegenheit irrelevant und er drohte mit dem Abbruch der Beziehungen zu Deutschland, wenn diese nicht alle amerikanischen Forderungen erfüllen würden. Lansings Haltung war nun mit einer Neutraliätspolitik nicht mehr vereinbar.[43] Nach einer scharfen Debatte während der Kabinettssitzung am 11. Mai 1915, bei der Bryan keine Mehrheit für seine ausgleichenden Ansichten gewinnen konnte, willigte er gegen seine Meinung in die sog. „Erste Lusitania-Note” ein, forderte jedoch, eine abschwächende Erklärung zu dieser Note in der Presse erscheinen zu lassen, was Colonel Edward Mandell House, der damalige Kriegsminister und andere Politiker während einer Intervention bei Wilson vereitelten. Wilson bat Bryan deshalb am 13. Mai, die Erklärung zurückzuziehen. Am 15. Mai wurde daraufhin die Lusitania-Note ohne verständigende Zusätze übermittelt.[44]
Die Note geht davon aus, dass es das Recht der amerikanische Bürger ist, ihre Schiffe selbst zu bestimmen, überall hinzureisen und dabei nicht gefährdet zu werden. Die deutsche Warnung einige Tage vor Abfahrt der Lusitania, die diese Rechte aufgrund der Fahrt durch Kriegsgebiet einschränken würde, wurde in der Note als Ankündigung gedeutet, dass eine ungesetzliche Handlung begangen werden sollte. Diese Ankündigung könne jedoch nicht als Entschuldigung oder Milderung der Handlung angesehen werden.
Nachdem auch eine Zweite Lusitania-Note in aller Schärfe den Angriff des deutschen U-Boots als Verbrechen darstellte und in seiner Form einem Ultimatum glich, das die USA in einen Krieg hätte stürzen können, trat Bryan als Außenminister zurück.
Trotzdem zögerten die USA, sich aktiv am Weltkrieg zu beteiligen. Erst nach der Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Krieges, der Versenkung der Laconia sowie dem Bekanntwerden der Zimmermann-Depesche erklärten die USA am 6. April 1917 Deutschland den Krieg - fast zwei Jahre nach der Versenkung der Lusitania.
Theorien zur Vorsätzlichkeit
Einige Historiker und Sachbuchautoren haben die These aufgestellt, die britische Admiralität unter Marineminister Winston Churchill habe die Lusitania absichtlich vor das deutsche U-Boot gelotst. Sie habe amerikanische Todesopfer bewusst einkalkuliert, um in der US-Öffentlichkeit den Unmut gegen Deutschland zu schüren und ihre Unterstützung für den Kriegseintritt der USA auf Seiten der Entente zu gewinnen. Die These stützt sich auf Ungereimtheiten in der Handlungsweise der Admiralität. So hätte sie z.B. den Verlust der Lusitania leicht vermeiden können, wenn sie ihr den Kurs um die Nordküste Irlands empfohlen hätte. Ob diese Empfehlung aufgrund von Fehleinschätzungen, Fehlern bei der Informationsübermittlung oder aus Vorsatz unterblieben ist, ist nicht zweifelsfrei geklärt. Ein dokumentarischer Beweis für die Vorsatz-These wurde bis heute nicht erbracht. Die Unterlagen zu dem Vorfall beim British Naval Intelligence Department sind weiterhin geheim.
Belegt ist, dass es der britischen Admiralität im Dezember 1914 gelungen war, die kodierten Funksprüche der deutschen Marine zu entschlüsseln. Diese Arbeit erledigte die Room 40 genannte kryptologische Abteilung. Churchill hatte angeordnet, die eingegangenen gegnerischen Funksprüche ihm persönlich auszuhändigen. Über deren Inhalt informierte er dann den Chief of the War Staff, Vizeadmiral Sir Henry Oliver und einige ausgewählte Offiziere. Am 5. Mai 1915, zwei Tage vor dem Untergang, ließ sich Churchill die genaue Position von U 20 erklären. Das deutsche U-Boot befindet sich nahe jener Position bei Fastnet, an der die Juno, ein britischer Kreuzer, den Geleitschutz für die Lusitania übernehmen soll. Nachdem der Chief of the War Staff Churchill erklärt hat, dass der wartende Kreuzer einer deutschen U-Boot-Attacke nichts entgegensetzen könnte, sind sich beide einig, die Juno wieder nach Queenstown zurückzuschicken. Der Kapitän des Schiffes erhält diese Anweisung noch am gleichen Tag. Kapitän Turner wird über diese Maßnahme allerdings nicht unterrichtet. Die Lusitania steuert daraufhin ohne Richtungsänderung auf den nun verlassenen Treffpunkt zu. Erst als U 20 bereits zwei andere britische Schiffe bei Fastnet versenkt hat, meldet die Marinestelle in Queenstown dies mit Verspätung an die Lusitania - ohne jedoch den Zeitpunkt der Sichtung zu nennen, was die Information wertlos machte. Deren Kapitän hält unbeirrt an dem von der Admiralität vorgeschriebenen Kurs fest, wie es seinen Befehlen entspricht – mit Ziel Liverpool. Am Mittag des 7. Mai erhält Turner den verhängnisvollen Befehl, nicht Liverpool, sondern Queenstown anzusteuern, wo bekannterweise seit mehreren Tagen U 20 patrouilliert.
Argumente gegen Vorsätzlichkeit
- Die USA waren Mitte 1915 noch zu schwach gerüstet, um eine bedeutende Rolle in diesem Krieg zu spielen. Die Aussagen des Chefberaters von Präsident Wilson bezüglich des Kriegseintritts der USA wären demnach nur Säbelgerassel gegenüber dem britischen Außenminister gewesen.
- Die Reisegeschwindigkeit der Lusitania war erheblich höher als die Höchstgeschwindigkeit eines U-Boots. Damit konnte ein U-Boot sich nicht selbst in Angriffsposition bringen, sondern musste darauf hoffen, dass der Kurs des Schiffes es zufällig nah genug heranführte, um einen Angriff zu ermöglichen. Die Lusitania gezielt in den sehr kleinen Angriffsbereich zu lotsen, hätte eine extrem genaue Kenntnis über die Position des U-Boots zum Zeitpunkt der Passage des Schiffes erfordert. Die Admiralität konnte aber nur den groben Einsatzbereich des U-Boots kennen, die genaue Position, die das U-Boot mehrere Stunden später haben würde, konnte nicht einmal dessen Kommandant sicher vorhersagen, da dies von zu vielen wechselnden Faktoren abhängig war.
- Die Versenkung fiel in eine Zeit, als der Krieg keineswegs unvorteilhaft für die Entente stand. Serbien hatte den österreichischen Angriffen standgehalten, die Russen standen noch tief im österreichischen Galizien. An der Westfront ergriffen Briten und Franzosen die Initiative. Zudem hatte die Entente ein Geheimabkommen mit Italien über dessen Kriegseintritt abgeschlossen (Londoner Vertrag 1915).
Argumente für Vorsätzlichkeit
- Die Anfrage des britischen Außenministers an den Chefberater des Weißen Hauses über das Verhalten der USA bei einer deutschen Attacke gegen ein Passagierschiff („Das wird den Krieg bringen“).
- Seit dem 5. Mai, dem Tag, als der vorgesehene Geleitschutz zurückbeordert wurde, erhielt die Lusitania irreführende Angaben zur Position des deutschen U-Boots U 20. An diesem Tag erfuhr auch Churchill den genauen Standort von U 20.
- Turner wurde nicht darüber informiert, dass der sicherere Weg nach Liverpool um die Nordostküste Irlands herum bereits einige Tage zuvor freigegeben worden war.
- Das Verhalten der Admiralität gegenüber Turner nach der Versenkung, ihn als Hauptschuldigen darzustellen.
- Der Historiker Janusz Piekałkiewicz äußerte sich in diesem Zusammenhang wie folgt: „Churchill erläuterte später, weshalb ihm diese Verschärfung des U-Boot-Krieges durchaus gelegen kam. Er sei es gewesen, der durch seine Befehle an die britische Handelsmarine die U-Boote gezwungen habe, nur noch unter Wasser anzugreifen: „Getaucht liefen sie ein größeres Risiko, ein neutrales für ein britisches Schiff zu halten und neutrale Seeleute zu töten, womit Deutschland in Auseinandersetzungen mit anderen Mächten verwickelt wurde.“[3]
Sonstiges
Die griechische Erste-Klasse-Passagierin Angela Pappadopoulo aus Athen wurde aus einem kenternden Rettungsboot geschleudert und schwamm allein und ohne Hilfsmittel mehrere Kilometer auf die Küste zu, bis sie schließlich von einem Rettungsschiff aufgenommen wurde.
Eine Frau, deren Name nicht überliefert ist, überlebte, indem sie bewusstlos in einem Sessel sitzend ans Ufer gespült wurde und dort erwachte.
Die Leiche der sich auf Hochzeitsreise befindenden Amerikanerin Leslie Lindsey Mason, Tochter des Millionärs William Lindsey, trug so viele wertvolle Juwelen, dass ihre Eltern ihr zu Ehren allein durch Verkauf des Schmuckes eine eigene Gedächtniskirche, die Leslie Lindsey Memorial Chapel in Boston, errichten konnten.
Manche Passagiere der Lusitania hatten nahe Verwandte, die auch von anderen Schifffahrtstragödien des 20. Jahrhunderts betroffen waren oder hatten bereits selbst Ähnliches erlebt:
- Das Lusitania-Opfer Mary Crowther Ryerson aus Toronto, Kanada war die Ehefrau von Major General George S. Ryerson (1855–1925), dessen Cousin, der Stahlbaron Arthur Ryerson beim Untergang der Titanic ums Leben gekommen war
- Der Lusitania-Überlebende Thomas Home aus Toronto, Kanada war ein Schwager von Major Arthur G. Peuchen, der die Jungfernfahrt der Titanic überlebte
- Der Dritte-Klasse-Passagier Joseph H. Mason aus Detroit, der bei dem Untergang ums Leben kam, hatte ein Jahr zuvor seine Frau und seinen Sohn beim Untergang des CPR-Liners Empress of Ireland verloren
- Der Erste-Klasse-Passagier Frederick A. McMurtry aus New York war mit Gertrude Reeve verheiratet, deren Schwester Mary Reeve Stork unter den Todesopfern der Empress of Ireland war
- Der Zweite-Klasse-Passagier William E. Mounsey hatte seine Frau Fannie beim Untergang der Empress of Ireland verloren
- Der Erste-Klasse-Passagier Leonard L. McMurray, der überlebte, hatte 1909 den Untergang des Passagierdampfers RMS Republic der White Star Line überlebt
Manche Überlebende und deren Angehörige heirateten später untereinander. Die besten Beispiele:
- Die New Yorkerin Beatrice Witherbee, die bei der Katastrophe ihre Mutter und ihren 5-jährigen Sohn verlor, ließ sich 1919 von ihrem Ehemann scheiden und heiratete noch im selben Jahr den Bruder von Rita Jolivet, der französischen Schauspielerin, die ebenfalls den Untergang überlebte
- Der zweite Ehemann von Rita Jolivet, ein italienischer Adeliger, heiratete in zweiter Ehe Helen Hinman Leary, die geschiedene Frau des Lusitania-Überlebenden James Joseph Leary
Heute lebt nur noch eine Überlebende der Lusitania-Versenkung, die in Melchbourne, Bedfordshire, England lebende Audrey Lawson-Johnston (* 1915, damals Audrey Pearl). Zuletzt verstarb die Amerikanerin Barbara McDermott (* 1912, damals Barbara Anderson) am 12. April 2008 in Wallingford, Connecticut.
Verfahren nach dem Krieg
Die britische Admiralität warf dem Kapitän der Lusitania, William Turner, vor, durch falsches Verhalten und durch Missachtung von Befehlen zur Versenkung beigetragen zu haben. In einem Schreiben der Admiralität, dem auch Churchill zustimmte, wurde dem zuständigen Richter Lord Mersey nahegelegt, dass er Turner als Hauptschuldigen verurteilen solle. In dem folgenden Gerichtsverfahren des Board of Trade wurde Kapitän Turner von Lord Mersey jedoch rehabilitiert. Mersey war von dem suggerierenden Vorurteil der Admiralität so empört, dass er von seinem Amt als Richter zurücktrat.
Die spätere gerichtliche Würdigung vor dem New Yorker Appellationsgericht Ende Januar 1923 ergab, dass die Lusitania sehr wohl Munition an Bord gehabt hatte und somit die deutsche Versenkung nicht als Seeräuberverbrechen, sondern als eine regelrechte Kriegshandlung anzusehen ist. Laut eidesstattlicher Aussage des Kapitäns Turner waren u. a. 1271 Kisten Munition, 189 Pack sonstiges Kriegsmaterial, 260.000 Pfund Messingplatten, 111.762 Pfund Kupfer, 58.465 Pfund Kupferdraht sowie 4.200 Kisten Patronen und Munition an Bord des Schiffes. Die völkerrechtlichen Aspekte des Angriffs werden jedoch bis heute kontrovers diskutiert.
Ein Grund für die Wirrungen ist, dass Kapitän Turner am 7. Mai 1915 den Befehl erhielt, nicht wie geplant Liverpool, sondern Queenstown anzulaufen. Dadurch geriet die Lusitania unmittelbar in den Wirkungsraum von U 20, welcher der britischen Admiralität zuvor durch Room 40 bekannt war. Zudem hatte man bereits am 5. Mai den britischen Kreuzer Juno von seiner Position am Fastnet-Felsen abgezogen, der ab dort den Geleitschutz für die Lusitania übernehmen sollte. Die britische Admiralität übermittelte Turner irreführende Positionsangaben des deutschen U-Bootes und verschwieg außerdem die Tatsache, dass drei Tage zuvor die Liverpool-Route um die Nordküste Irlands freigegeben worden war.
Die Akten des British Naval Intelligence Department, die sich auf die Lusitania und ihre Ladung beziehen, sind im Navy Records Office in Bath aufbewahrt. Sie befinden sich auch im Jahr 2005 noch immer auf der Geheimliste.
Die Versenkung der Lusitania erfolgte ohne Vorwarnung durch das getauchte U-Boot, das auf Periskopbefund schoss. Die Kontroverse entzündet sich seerechtlich gesehen an der Frage, ob die Versenkung ohne Vorwarnung zulässig war und ob die Lusitania den U-Boot-Regeln (Cruiser rules) für Passagierschiffe oder denen für Kriegsschiffe unterlag.
- Ungetarnte Schiffe, Neutrale, Passagierschiffe (Liner) durften angehalten und durchsucht werden.
- Schiffe ohne Konterbande durften weiterfahren.
- Beladen mit Kriegsmaterial: Personen ausbooten, dann versenken.
- Frachter im Marine- oder Heeresauftrag: Versenken zulässig, aber vorher mit Schuss vor den Bug durch Deckkanone zur Vorwarnung/Ausbooten der Passagiere und Besatzung.
Die Lusitania fuhr zum Zeitpunkt des Torpedierens ohne Flagge, ihr Name war mit schwarzer Farbe unkenntlich gemacht, ihre Schornsteine zeigten nicht die Cunard-Reedereifarben, sondern waren einheitlich schwarz gestrichen. Ebenso waren ihre Rettungsboote frisch grau – statt wie normal weiß – gestrichen. Die Frage der Schornsteinfarbe bzw. der Rettungsboote war lange umstritten. Der diesbezügliche Logbucheintrag des Kommandanten von U 20 wurde als Schutzbehauptung betrachtet. Der tatsächlich geführte Farbanstrich wurde aber durch Dokumente, wie dem Brief eines Opfers, endgültig geklärt. Außerdem transportierte sie Munition. Dadurch verletzte die Lusitania die cruiser rules. U 20 aber ebenfalls, da es nicht auftauchte und ohne Vorwarnung schoss.
Bailey und Ryan stimmen zu, dass die Lusitania zu den cruiser rules berechtigt war, dass diese Regeln aber nicht anwendbar seien, wenn ein Schiff im Konvoi oder bewaffnet fuhr bzw. Widerstand leistete oder flüchtete (Flucht galt hierbei als Form des Widerstandes).
Literatur
- Robert D. Ballard/Spencer Dunmore: Das Geheimnis der Lusitania. Eine Schiffskatastrophe verändert die Welt. Ullstein, München 1995, 2. Auflage 2000 (Original: Exploring the "Lusitania": Probing the Mysteries of the Sinking that Changed History.Warner Books/Weidenfeld & Nicolson, New York/London 1995, ISBN 0-297-81314-5; Bericht von Taucher und Dokumentarist Ballard über die Tieftauchexpedition zur in ca. 100 m Tiefe liegenden Lusitania 1993)
- Thomas A. Bailey/Paul B. Ryan: The Lusitania Disaster: An Episode in Modern Warfare and Diplomacy., Free Press/Collier Macmillan, New York/London 1975, ISBN 0-0290-1240-6 (ausgewogene historische Darstellung)
- Gary Gentile: The Lusitania Controversies. 2 Bde., PA: Gary Gentile Productions, Philadelphia 1998/1999; Bd. 1: Atrocity of war and a wreck-diving history, ISBN 1-88305-606-3, 1998; Bd. 2: Dangerous descents into shipwrecks and law, ISBN 1-88305-607-1, 1999; zur Lusitania vor allem in Bd. 1)
- Bodo Herzog/Günter Schomaekers: Ritter der Tiefe – graue Wölfe. Die erfolgreichsten U-Boot-Kommandanten der Welt. 2., erweiterte, ergänzte und berichtigte Auflage, Verlag Welsermühl, Wels/München 1976, ISBN 3-85339-136-2
- Diana Preston: Wurden torpediert, schickt Hilfe. Der Untergang der Lusitania 1915. DVA, München 2004, ISBN 3-421-05408-8 (Original: Diana Preston: Wilful Murder: The Sinking of the Lusitania. Doubleday, London 2002, ISBN 0-3856-0173-5; als Paperback bei Corgi books, London 2003, ISBN 0-5529-9886-9; Die Autorin erklärt Walther Schwieger in ihrer 600 Seiten umfassenden Dokumentation zum Mörder.)
- Colin Simpson: Die Lusitania: Amerikas Eintritt in den Ersten Weltkrieg. Fischer, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-596-24384-x
- Patrick O'Sullivan: Die Lusitania: Mythos und Wirklichkeit. Mittler, Hamburg/Berlin/Bonn 1999, ISBN 3-8132-0681-5
- Linda und Gary Cargill Those Who Dream By Day Cheops Books, 2009, ISBN 0979890446, ISBN 978-0979890444
Film
- Der Untergang der Lusitania - Tragödie eines Luxusliners. Dokumentation von Sarah Williams und Christopher Spencer, 2007, DVD, ASIN B001KYJ15A
Fußnoten
- ↑ Layton, S. 59f.
- ↑ Liste der größten Schiffsverluste durch U-Boot Angriffe im ersten Weltkrieg (engl.)
- ↑ a b c d e Janusz Piekalkiewicz: Der Erste Weltkrieg. S. 272f, Econ Verlag, Düsseldorf, Wien, New York, 1988 ISBN 3-430-17481-3
- ↑ Schapiro, Lev Semenovic: Schnelle Schiffe. 2. Auflage. Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989, ISBN 3-327-00713-6.
- ↑ Ballard, Robert: Das Geheimnis der Lusitania. Frankfurt a. Main, 1995, S. 23.
- ↑ Layton, S. 52f.
- ↑ Layton, J. Kent: Lusitania. An illustrated history. Published by author, 2007, S. 40.
- ↑ Layton, S. 55
- ↑ Ballard, S. 23.
- ↑ Layton, S. 67f.
- ↑ Sauder, Eric: RMS Lusitania. The Ship and Her Record. Stout, 2009, S. 26
- ↑ Sauder, S. 20f.
- ↑ Sauder, S. 28.
- ↑ Ballard, S. 22
- ↑ Layton, S. 31.
- ↑ Layton, S. 15.
- ↑ Layton, S. 20.
- ↑ Layton, S. 83.
- ↑ Sauder, S. 39-63.
- ↑ Sauder, S. 21.
- ↑ Sauder, S. 32; Layton, S. 76.
- ↑ Sauder, S. 32.
- ↑ The New York Times vom 12. September 1908, S. 7
- ↑ The New York Times vom 3. Januar 1909, S. 8
- ↑ The New York Times vom 15. Februar 1909, S. 1
- ↑ The New York Times vom 26. Januar 1910, S. 1
- ↑ Sauder, S. 115f.
- ↑ The New York Times vom 1. Mai 1915
- ↑ The New York Times vom 8. Mai 1915
- ↑ Des Hickey and Gus Smith, Seven Days to Disaster: The Sinking of the Lusitania, 1981, William Collins, ISBN 0-00-216882-0. Allerdings schreibt Diana Preston in ihrem Buch über die Lusitania, dass die Einzelheiten der Ereignisse „obskur“ seien. Keines der überlebenden Besatzungsmitglieder könne sich an den Zwischenfall erinnern. Es gebe keine Spur der Gerichtspapiere. Preston schreibt auch, dass Voegele als Elektriker auf U 20 gewesen sei und nicht als erster Offizier. Siehe Blog on BBC docu-drama Lusitania
- ↑ Die Angaben in den Quellen gehen auseinander:
114-128: Walter A. Hazen: Everyday Life: World War I : with Cross-curricular Activities in Each Chapter. Good Year Books, 2006, ISBN 1596470747, S. 52.
123: Sally Dumaux: King Baggot: A Biography and Filmography of the First King of the Movies. McFarland, 2002, ISBN 0786413506, S. 100.
128: Charles Harrell, Rhonda S. Harrell: History's Moments Revealed: American Historical Tableaus Teacher's Edition. iUniverse, 2006, ISBN 0595400264, S. 152. - ↑ Simpson, Colin: Die Lusitania. Frankfurt am Main 1987, S. 175f.
- ↑ Bericht über den Untergang (engl.)
- ↑ Alexander Sedlmaier: „Deutschlandbilder und Deutschlandpolitik – Studien zur Wilson-Administration (1913-1921)”, Franz Steiner Verlag, 2003, ISBN 3515081240, S. 237-238
- ↑ Alexander Sedlmaier: „Deutschlandbilder und Deutschlandpolitik – Studien zur Wilson-Administration (1913-1921)”, Franz Steiner Verlag, 2003, ISBN 3515081240, S. 239
- ↑ Alexander Sedlmaier: „Deutschlandbilder und Deutschlandpolitik – Studien zur Wilson-Administration (1913-1921)”, Franz Steiner Verlag, 2003, ISBN 3515081240, S. 242
- ↑ Theodor Niemeyer, Karl Strupp: „Die völkerrechtlichen Urkunden des Weltkrieges“, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1920, S. 92
- ↑ Alexander Sedlmaier: „Deutschlandbilder und Deutschlandpolitik – Studien zur Wilson-Administration (1913-1921)”, Franz Steiner Verlag, 2003, ISBN 3515081240, S. 242–243
- ↑ Alexander Sedlmaier: „Deutschlandbilder und Deutschlandpolitik – Studien zur Wilson-Administration (1913-1921)”, Franz Steiner Verlag, 2003, ISBN 3515081240, S. 243
- ↑ a b c Alexander Sedlmaier: „Deutschlandbilder und Deutschlandpolitik – Studien zur Wilson-Administration (1913-1921)”, Franz Steiner Verlag, 2003, ISBN 3515081240, S. 244
- ↑ Lusitania-Affäre: Schmutziges Geschäft in: Der Spiegel 45/1972
- ↑ J. P. Buß: „Amerikanische Menschlichkeit im Lichte des diplomatischen Notenwechsels”, Verlag C. A. Schwetschke & Sohn, Berlin 1916, S. 37
- ↑ Alexander Sedlmaier: „Deutschlandbilder und Deutschlandpolitik – Studien zur Wilson-Administration (1913-1921)”, Franz Steiner Verlag, 2003, ISBN 3515081240, S. 245
- ↑ Ralph Dietl: „USA und Mittelamerika: Die Außenpolitik von William J. Bryan, 1913-1915”, Franz Steiner Verlag, 1996 ISBN 3515069143, S. 412
Weblinks
- Commons: RMS Lusitania – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Informationen zum Schiff
- Informationen über die Lusitania (engl.)
- Detaillierte Deckspläne der Lusitania
- Seite mit vielen Bildern zu Bau und Innenausstattung der Lusitania
Informationen zur Vorgeschichte und den Folgen der Versenkung
- Informationen zum Vorfall
- Detaillierte Informationen über das Geschehen (engl.)
- Artikel zum Thema von Keith Allen (engl.)
- „Secret of the Lusitania: Arms find challenges Allied claims it was solely a passenger ship“ Artikel in Daily Mail vom 20. Dezember 2008
- Antwortnote der Deutschen Regierung vom 28. Mai 1915 zur Versenkung der Lusitania