Empúries
Empúries in Spanien (griech. Emporion, lat. Emporiae, als Ausgrabungsort heute Ampurias) war eine antike griechische (ionische) Kolonie, die auf eine Handelsniederlassung und eine später begründete Siedlung zurückging. Die sichtbaren Teile sind als Archäologischer Park mit angeschlossenem Museum (Museu d’Arquelogia de Catalunya-Empúries) zugänglich, die Hafenmole der griechischen Anlage liegt direkt an einem Badestrand. Die Stadt bestand in der Antike aus drei Teilen, der frühesten „Altstadt“ (Palaiapolis) auf dem Hügel von Sant Martí d’Empúries, griechisch-iberischer Neustadt (Neapolis) und der römischen Municipalstadt. Die Besiedlung reicht damit von der Vorgeschichte mit einer quellenlosen Zeit im frühen Mittelalter bis in die heutige Zeit. In römischer Zeit wird sie von zahlreichen Schriftstellern wie Livius, Polybios oder dem Geographen Strabon als bedeutende Stadt und Hafen an der spanischen Mittelmeerküste erwähnt.



Lage
Die Stadt liegt 35 km südlich der französischen Grenze in Katalonien in der Gemarkung der Stadt L’Escala am Golf von Roses. Die Ruinen von Empúries gaben der Region Empordà (span. Ampurdán) und der Marina Empuriabrava ihren Namen. Das Gebiet um die Palaiàpolis (Altstadt) beim heutigen Sant Martí d’Empúries, einem Teilort von L’Escala, war zur damaligen Zeit noch eine Insel, die Mündung des Flusses Fluvià (lat. Clodianus) wurde als natürlicher Hafen genutzt. Die Entfernung zu den Pyrenäen gibt Strabon mit etwa 200 Stadien an.[1]
Die Insellage ist sehr typisch für die griechischen Handelsniederlassungen in der Region, etwa vergleichbar mit Massilia (heute Marseille) an der Mündung der Rhone oder Agde an der Mündung des Hérault.[2] Das Gebiet ist umgeben von brackigen Gewässern, Mooren und Schilfmeeren, die sehr typisch für die Küste des Ampurdán sind. Die Flussmündung unterhalb des Hügels der Palaiapolis bot als einer der wenigen Häfen der spanischen Ostküste Schutz vor verschiedenen Winden.
Geschichte
Phokäische Stadtgründung
Die früheste Geschichte der Stadt beginnt mit der Gründung einer Handelsniederlassung (sog. Emporion) durch Phokäer aus Massilia um 600 v. Chr.[1] Es handelt sich um die westlichste aller griechischen Koloniegründungen im Mittelmeer. Etwa gleichzeitig entstanden nahe gelegene Kolonien wie Massilia und Rhode (heute Roses). Die griechischen Kolonien vermittelten den Handel mit den iberischen Gebieten im Landesinneren sowie den punischen Städten an der Südküste Spaniens und auf den Balearen. Wirtschaftliche Grundlage dieser Siedlungen war der Tausch hochwertiger Importprodukte wie Metall- oder Tonwaren gegen landwirtschaftliche Produkte und Erze aus dem Binnenland.
Zusammen mit der um 500 v. Chr. gegründeten graeco-iberischen Wohnsiedlung Néapolis bildeten beide Orte die spätere Kolonie Emporion, eine der westlichsten Gründungen der Griechischen Kolonisation im Mittelmeer. Strabo berichtet, dass sich in der Nähe der griechischen Siedlung Iberer vom Stamm der Indigeten niedergelassen hatten. Zum Schutz hätten Iberer und Griechen eine gemeinsame Mauer errichtet. Auf diese Weise sei die Doppelstadt mit gemeinsamer Verfassung entstanden.[1] Eine ausführliche Darstellung bei Livius ist mit den Angaben Strabons weitgehend identisch.[3]
Die Stadt prägte Münzen im punischen Münzfuß[4] mit dem Pegasos auf der Rückseite und der Legende „ЕМПОРІТΩΝ“ (Genitiv). Zeichen für den durch Handel geförderten kulturellen Austausch mit den Iberern waren Imitationen dieses Motivs auf iberischen Münzen, wobei statt dem Pegasos häufig ein Pferd mit Reiter in ähnlicher Pose zu sehen ist. Auch der Import griechischer Keramik hat die iberischen Töpfer zu Imitationen des Stils und der Technik inspiriert. Der griechische Einfluss ist am ehesten greifbar in dem nahe gelegenen iberischen Oppidum von Ullastret. Neben importierter griechischer Keramik sind dort auch eine hellenistische Stadtmauer, ein Heiligtum am höchsten Punkt des Hügels ähnlich einer Akropolis sowie ein Agora-artiger Platz nachgewiesen. Die kulturellen Einflüsse der griechischen Kolonien werden in der Region deutlich durch die Nordostiberische Schrift, deren Buchstaben aus dem griechischen Alphabet abgeleitet wurden.
Römische Republik
Gegen Ende des dritten Jahrhundert v. Chr. wurde die Stadt im äußersten Nordosten der iberischen Halbinsel zum Ausgangspunkt der römischen Eroberung. In der Frühzeit des Zweiten Punischen Kriegs ging hier 218 v. Chr. die erste römische Armee auf spanischem Boden unter Cn. Cornelius Scipio an Land.[5] Nochmals 210 v. Chr. landete hier die römische Verstärkung des P. Cornelius Scipio Africanus.[6]
Wohl aufgrund der Verdienste der Bewohner behielt Empúries den Status als verbündete Civitas und blieb eine bedeutende Stadt an der Ostküste der Provinz Hispania citerior. Oberhalb der Neapolis befand sich auf einem leicht ansteigenden Hügel im 2. Jahrhundert v. Chr. eine kleine römische Miltärstation. Gegen Ende des 2. Jahrhundert wurde sie aufgegeben. An ihre Stelle trat eine römische Planstadt in langrechteckiger Form (300 x 750 m), die den lateinischen Namen Emporiae trug. Ihr Rechtsstatus in republikanischer Zeit war vermutlich als foedus aequo iure geregelt, das bedeutet, die Stadt war auf dem Papier gleichwertiger Verbündeter Roms.[7] In der Kaiserzeit ist sie als Municipium belegt.
Römische Kaiserzeit
In der römischen Kaiserzeit verlor die Stadt gegenüber den aufstrebenden benachbarten Großstädten wie Barcino (Barcelona) und der Provinzhauptstadt Tarraco (Tarragona) an Bedeutung. Wirtschaftlich bot Empúries zwar einen guten Hafen, lag aber abseits der bedeutenden Handelsrouten wie der Straße von Bonifacio, auf der unter anderem tarraconensischer Wein, südspanisches Olivenöl oder Garum auf dem kürzesten Weg nach Italien verschifft wurden. Der gleichzeitige Rückgang italischer Exporte, etwa Keramikprodukte wie die sogenannte Campana-Ware oder Terra Sigillata, von denen die Stadt in republikanischer Zeit noch profitiert hatte, verdeutlicht den wirtschaftlichen Niedergang des einst bedeutenden Handelsplatzes.[8] Als Ursache wird weiterhin eine Versandung des Hafens durch Sedimente aus dem Fluvià erwogen.
Ein Rückgang an finanzieller Kraft ist bereits greifbar in späteren Bauten der Munizipalstadt. Zwar versuchte man, mit dem Bau eines Amphitheaters und einer palaestra an der südlichen Stadtmauer, mit dem Bauprogramm benachbarter Städte Schritt zu halten, die sehr einfache Ausführung der Bauten belegt aber bereits, dass es der Stadt dazu an Mitteln fehlte. Die Zahl der gefundenen Inschriften, die besonders ab der mittleren Kaiserzeit gesetzt wurden, ist, verglichen mit anderen hispanischen Städten, gering.[9] Die südliche Portikus des Forums stürzte in flavischer Zeit ein und wurde nicht wieder aufgebaut. Straßen und Entwässerung wurden kaum noch instandgehalten. Das Leben dürfte seit der hohen Kaiserzeit mehr und mehr zwischen Ruinen stattgefunden haben. Inschriften bezeugen, dass in der Stadt eine vexillatio der Legio VII Gemina gelegen haben muss.[10] Kleinfunde wie Keramik und Münzen zeugen von einer Besiedlung der Planstadt in der Ebene bis in das dritte Jahrhundert n. Chr. Die späteste Münze wurde geprägt unter Claudius Gothicus. Ein Fortbestand der Besiedlung wird durch die Einrichtung einer frühchristlichen Kirche in den Resten der Agora belegt.
Spätantike
In der Spätantike wird in Empúries eine Entwicklung greifbar, die Parallelen in zahlreichen spätrömischen Siedlungen besitzt: Die Besiedlung zieht sich auf höher gelegene, leichter zu verteidigende Areale zurück. Die römische Planstadt in der Ebene wurde verlassen, den Kern der Siedlung bildete nun wieder die ehemalige Palaiapolis im Bereich des heutigen Sant Martí d’Empúries. Damit konnte die Stadt weiterhin den Hafen kontrollieren und am Seehandel beteiligt sein. Im 4. oder 5. Jahrhundert wurde die Stadt Bischofssitz und blieb es bis in die westgotische Zeit. Noch im Jahre 616 unterzeichnete ein Bischof in Tarraco als episcopus Impuritani Civitatis. Die civitas bestand also über das Ende des weströmischen Reiches hinaus.[11] Mit der arabischen Invasion der iberischen Halbinsel im Jahr 711 liegen sowohl über den Bischofssitz, als auch über die Stadt keinerlei schriftliche Quellen mehr vor.
Palaiapolis (älteste griechische Stadt)
Der älteste Teil der Siedlung wurde jahrhundertelang weiter bebaut, da sich dort das mittelalterliche Dorf Sant Martí d’Empúries befand. Entsprechend sind die Möglichkeiten der Archäologie auf sehr wenige Ausschnitte beschränkt. Fragmente eines archaischen Frieses, auf dem zwei Sphingen dargestellt sind, werden mit einem Heiligtum des bei Strabo erwähnten[1] Kultes der Diana von Ephesos in Verbindung gebracht. Weiterhin gehören dazu ein Altar und ein ionisches Kapitell.[12] Die Stücke wurden bei Restaurierungsarbeiten zu Beginn des 20. Jahrhundert in der Nähe der Kirche entdeckt, deren älteste Teile aus dem 10. Jahrhundert stammen.[13]
Neuere Grabungen unterhalb der Plaça Major erbrachten Teile mehrerer Wohngebäude, die in die Zeit zwischen 575 und 550 v. Chr., in die älteste Siedlungsphase der griechischen Kolonie datieren. Es handelte sich um Häuser mit rechteckigem Grundriss, die steinerne Sockel und einen gestampften Lehmfußboden besaßen.[14]
Die Palaiapolis wurde von einer mächtigen Mauer umgeben, deren Reste 1962,1963 und 1975 freigelegt wurden. Einige Teile davon sind nördlich der Kirche sichtbar. Es ist jedoch bislang nicht möglich, eindeutig zwischen den antiken Mauern und spätantiken sowie mittelalterlichen Anbauten zu unterscheiden, da auch diese in mehreren Epochen weiter benutzt und umgebaut wurde.[15]
Literatur
- Barry W. Cunliffe (Hrsg.): Social complexity and the development of towns in Iberia: from the Copper Age to the second century AD. Oxford Univ. Press, 1995, ISBN 0-19-726157-4 (Proceedings of the British Academy 86).
- Emil Hübner: Emporiae. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band V,2, Stuttgart 1905, Sp. 2527–2530.
- Roger Marcet/ Enric Sanmartí: Empúries. Diputació de Barcelona 1990 ISBN 84-7794-105-X.
- Museu d’Arquelogia de Catalunya-Empúries (Hrsg.): Sant Martí d’Empúries. Una illa en el temps. ISBN 84-393-4543-7.
- Enric Sanmartí/ Josep M. Nolla: Guide itinéraire d’Empúries. Diputació de Barcelona 1992 ISBN 84-7794-017-7.
- Heinz Schomann: Kunstdenkmäler der iberischen Halbinsel. Teil III. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1998, S. 46–48.
- Birgit Tang: Delos, Carthage, Ampurias: the housing of three Mediterranean trading centres. "L'Erma" di Bretschneider, Rom 2005, ISBN 88-8265-305-6 (Analecta Romana Instituti Danici Suppl. 36)
- Walter Trillmich und Annette Nünnerich-Asmus (Hrsg.): Hispania Antiqua – Denkmäler der Römerzeit. von Zabern, Mainz 1993, ISBN 3-8053-1547-3, bes. S. 72–80, Kat. S. 250–254, Taf. 6–11. Ortsregister S. 483.
Zeitschrift:
- Empúries: revista de prehistòria, arqueologia i etnologia. (bis Nr. 42, 1982: Ampurias) Herausgegeben vom Museu d'Arqueologia de Catalunya, Barcelona (spanisch/ katalanisch).
Weblinks
- Museu d’Arquelogia de Catalunya-Empúries
- Die Ausgrabungen von Empúries
- Seite über die Ruïnes d’Empúries mit Fotos
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Strabon 3.4.8 – engl. Text bei LacusCurtius.
- ↑ Marcet/ Sanmartí 1990 S. 16.
- ↑ Livius XXXIV 9.
- ↑ M. Blech in Hispania Antiqua, S. 74.
- ↑ Livius XXI 62.
- ↑ Livius XXVI 19.
- ↑ Marcet/ Sanmartí 1990 S. 28
- ↑ Marcet/ Sanmartí 1990 S. 32.
- ↑ Emil Hübner: Emporiae. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band V,2, Stuttgart 1905, Sp. 2530.
- ↑ CIL 02, 06183; CIL 02, 06184b.
- ↑ Marcet/ Sanmartí 1990 S. 34.
- ↑ Sant Martí d’Empúries. Una illa en el temps.S. 26f; Enric Sanmartí/ Josep M. Nolla: Guide itinéraire d’Empúries. 1992, S. 62f.
- ↑ Enric Sanmartí/ Josep M. Nolla: Guide itinéraire d’Empúries. 1992, S. 61.
- ↑ Sant Martí d’Empúries. Una illa en el temps.S. 27f.
- ↑ Enric Sanmartí/ Josep M. Nolla: Guide itinéraire d’Empúries. 1992, S. 60; zu den mittelaterlichen und neuzeitlichen Befestigungen und ihrer Geschichte siehe Sant Martí d’Empúries. Una illa en el temps.S. 41–45.
Koordinaten: 42° 8′ 5,9″ N, 3° 7′ 10,6″ O