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Albert Camus

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Albert Camus

Albert Camus (gesprochen: alˈbɛːʀ kaˈmy; * 7. November 1913 in Mondovi, Algerien; † 4. Januar 1960 nahe Villeblevin, Yonne, Frankreich) war ein französischer Schriftsteller und Philosoph und gilt als einer der bekanntesten französischen Autoren des 20. Jahrhunderts. 1957 erhielt er für sein erzählerisches, dramaturgisches, philosophisches und publizistisches Gesamtwerk den Nobelpreis für Literatur.

Leben

Kindheit und Jugend

Camus stammte aus einer seit zwei bis drei Generationen in Algerien ansässigen Familie mit südfranzösischen Wurzeln väterlicherseits und spanischen mütterlicherseits. Sein Geburtsort Mondovi (nahe Bône, dem heutigen Annaba) war ein Zentrum der Weinproduktion. Camus' Vater Lucien, ein ungelernter, aber offenbar tüchtiger Fuhrmann, war kurz zuvor von seiner im Weinanbau und -export tätigen Firma aus Algier dorthin geschickt worden, um als Kellermeister in einem ihrer Weingüter zu arbeiten.

Der Vater wurde 1914 gleich zu Beginn des Ersten Weltkrieges zur französischen Armee eingezogen, in der Schlacht an der Marne verwundet und starb im Oktober in einem Lazarett in der Bretagne. Daraufhin zog die Mutter mit Albert und seinem älteren Bruder Lucien zurück zu ihrer verwitweten Mutter nach Algier, in das Kleine-Leute-Viertel Belcourt. Hier trug sie, zusammen mit ihrem unverheirateten, sprechbehinderten Bruder, einem Böttchergesellen, zuerst als Fabrikarbeiterin und später als Reinigungskraft zum Unterhalt der Familiengemeinschaft bei, die unter der Fuchtel der verwitweten strengen Großmutter stand.

1924 erhielt Camus’ Grundschullehrer mühsam die Erlaubnis von Mutter und Großmutter, den begabten Jungen für die Aufnahmeprüfung des Gymnasiums vorzubereiten. Camus bestand und pendelte hinfort zwischen der ärmlichen Welt von Belcourt und dem bürgerlichen Milieu der Schule, wo er seine Herkunft vor den Klassenkameraden versteckte. Denn er schämte sich seiner Mutter, die nicht nur Analphabetin, sondern auch leicht hör- und sprechbehindert war. Um seinen Status in der Klasse zu verbessern, trieb er Sport und spielte als Torwart beim Fußballverein Racing Universitaire d’Alger.

Nach dem ersten Teil des Baccalauréat ("bac") 1930 erkrankte er an Tuberkulose und musste für mehrere Monate in ein Sanatorium in Südfrankreich. Nach seiner Rückkehr wurde er von einer kinderlosen Schwester seiner Mutter und ihrem Mann, einem wohlhabenden und literarisch interessierten Metzgermeister, aufgenommen. Hier fühlte er sich wohl, las, schrieb und entwickelte Dandy-Allüren. Seine Mutter sah er nur selten.

1932 legte er den zweiten Teil des bac ab. Sein Traum wäre die École normale supérieure in Paris gewesen, die französische Elitehochschule für die Lehramtsfächer, doch gab es in ganz Algerien keine Vorbereitungsklassen für die Zulassungsprüfung (concours).

Studium und erste politische Aktivitäten

Camus begann also ein Studium der Philosophie an der neu eröffneten Universität von Algier, wo er Freundschaft schloss mit einem jungen Professor, Jean Grenier. 1934, mit 21, d. h. eben volljährig geworden, heiratete er die 19-jährige Simone Hié, die hübsche, aber auch extravagante (und morphinsüchtige) Ex-Verlobte eines Freundes. Simone war zwar gutbürgerlicher Herkunft, doch hatte ihr Vater die Familie verlassen, was mitsamt ihren Extravaganzen ihren Wert auf dem Heiratsmarkt ausreichend minderte, um sie für Camus erreichbar zu machen. Dass seine Tante und der Onkel diesen Wert sogar für Null erachteten und strikt gegen die Heirat waren, störte Camus wenig, seine Mutter informierte er gar nicht erst.

Er zog zu den Hiés und schrieb für Simone kleine Texte über seine Jugend, die er zu einem ersten Büchlein zusammenfasste: L’Envers et l’Endroit (gedruckt 1937).

1935, nach der Bildung der „Volksfront“, eines antifaschistischen Bündnisses der französischen linken und halblinken Parteien (Kommunisten und Sozialisten sowie Radikalsozialisten), wurde er, wie viele andere junge Intellektuelle, politisiert und Mitglied in der Kommunistischen Partei (die in Algerien, obwohl es offiziell Teil Frankreichs war, eine eigene Organisation zu bilden versuchte).

Die Partei setzte ihn ein, um im muslimischen Bevölkerungsteil der Stadt antikolonialistische und prokommunistische Propaganda zu betreiben sowie Mitglieder zu werben. Letzteres erwies sich allerdings als fast unmöglich, da der marxistische Atheismus die Moslems abstieß. Immerhin erhielt Camus Einblick in die sozialen und psychologischen Probleme der damals etwa 8 Millionen arabo- und berberophonen „Eingeborenen“, die beherrscht wurden von etwa 800.000 „weißen“ Algerienfranzosen, d. h. den Nachkommen französischer, spanischer und italienischer Einwanderer sowie französisierter einheimischer Juden.

Als im Frühsommer 1936 die Volksfront die Wahlen gewann und in ganz Frankreich neue kulturvermittelnde Einrichtungen geschaffen wurden, um das Bildungsniveau der Werktätigen zu heben, gründete Camus mit anderen Linken in Algier ein Théâtre du travail (dt. „Theater der Arbeit“), wo er ein erstes Stück mitverfasste und einstudierte: Révolte dans les Asturies. Dieses Stück verarbeitete einen Streik spanischer Bergarbeiter von 1934, wurde jedoch vor der Aufführung verboten. Mehr nebenbei, denn er war inzwischen auch Mitglied der Schauspieltruppe von Radio Algier, absolvierte Camus sein Diplôme d'études supérieures mit einer Examensarbeit über die antiken nordafrikanischen Philosophen Plotin und Augustinus.

Im Spätsommer 1936 reiste er mit Simone nach Norditalien, Österreich und in die Tschechoslowakei. In Prag bemerkte er, dass sie sich bei Ärzten prostituierte, um an Morphium zu kommen. Er war zutiefst getroffen und brach mit ihr.

Zurück in Algier fand er eine Parteiführung vor, die soeben auf Anweisung von Moskau jegliche antikolonialistische Propaganda eingestellt hatte, weil diese die Verteidigungskraft Frankreichs gegenüber dem aufrüstenden Deutschland hätte schwächen können, vor dem auch Stalin Angst zu bekommen begann.

Camus, dem inzwischen die soziale und politische Gleichberechtigung der „Arabes“ am Herzen lag, war empört von diesem Kurswechsel seiner Partei und wollte weiter im alten Sinne agitieren. Doch wurde er mit Parteiausschluss bestraft. Ebenso enttäuscht war er 1937 über das Scheitern eines Gesetzesvorhabens in der Assemblée nationale, wonach zumindest die gebildete und teilweise frankophile autochthone Elite in Algerien das volle französische Bürgerrecht erhalten sollte. Ein weiterer – persönlicher – Schlag war, dass er wegen seiner Tuberkulose nicht zu den Prüfungen (concours) für die Agrégation zugelassen wurde, sich also von einer Einstellung als beamteter Gymnasialprofessor ausgeschlossen sah.

Beginn der Schriftstellerei

In seiner Enttäuschung begann er einen ersten Roman über einen tuberkulosekranken jungen Mann, der einen reichen Krüppel ermordet und bestiehlt, um dann selbst zu sterben: La Mort heureuse. Dieses ihm vielleicht allzu persönlich und /oder unreif erscheinende Werk stellte er jedoch nicht fertig. Vielmehr benutzte er es ab 1938 als Steinbruch für L’Étranger, einen zunächst politisch motivierten Roman um einen ganz normalen jungen Algerienfranzosen namens Meursault. Dieser erschießt eher zufällig einen jungen Araber, von dem er sich vage bedroht fühlt, will für sein Vergehen aber einstehen wie ein tumber Tor und wird so zum Sündenbock, an dem die Justiz erst zögernd, dann jedoch mit voller Härte ein Exempel statuiert. (Der Name Meursault könnte zu deuten sein als „meurs, sot!“ = „stirb, du Tor!“)

Obwohl Camus nur mühsam von einem Hilfsjob im meteorologischen Institut von Algier lebte, schlug er 1938 einen Posten als angestellter Lehrer in einer algerischen Kleinstadt aus; nicht zuletzt vielleicht auch, weil er sich gerade mit seiner späteren zweiten Frau liiert hatte, der Mathematikstudentin und dann Mathematiklehrerin Francine Faure.

Über einen Freund, Pascal Pia, bekam Camus einen Posten als Reporter bei dem neuen (linken) Blatt Alger républicain. Eine seiner Spezialitäten dort wurden Gerichtsreportagen, besonders von Prozessen gegen Araber und Berber, die in einer von den Algerienfranzosen dominierten Justiz gar zu leicht die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekamen. Nebenher verfasste Camus eine erste Version seines ersten vollständig eigenen Stücks: Caligula, ein Drama um die Sinnsuche eines jungen Mannes.

In dieser Zeit auch, einer Phase existenzieller Enttäuschungen, aber auch gewisser Lichtblicke, begann er den philosophischen Essay Le Mythe de Sisyphe, in dem er das menschliche Dasein als fundamental absurd, aber dennoch wert, angenommen und gelebt zu werden, darstellt. Im Sommer 1939 schrieb er eine anklagende Artikelserie über eine Hungersnot im Hinterland Algiers, gegen die seines Erachtens die Behörden nichts taten, weil dort ja nur Berber verhungerten.

Als im September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach und eine Zensur eingeführt wurde, hatten Camus und seine Zeitung ständig Ärger mit der neuen Behörde. Anfang 1940 ging die Zeitung aus verschiedenen Gründen ein; Camus musste sich, nachdem er endlich geschieden war und sich wiederverheiratet hatte, von Francine durchfüttern lassen. Er hielt das nicht aus, sondern ging (ohne aus Algerien, wie man oft liest, ausgewiesen zu sein) nach Paris, nachdem er dort, erneut über Pia, einen Job als Reporter bei der Zeitung Paris Soir bekommen hatte.

Die Kriegszeit

Unmittelbar vor Beginn des blitz allemand (siehe: Blitzkrieg) am 10. Mai stellte er den Étranger fertig, der sich in der Zwischenzeit mit zusätzlichen Themen, insbesondere den Lehren des Sisyphe, aufgeladen hatte, die die ursprüngliche politische Intention fast verdecken. Kurz bevor die deutschen Truppen in Paris einmarschierten, flüchtete Camus mit der Redaktion seiner Zeitung nach Clermont-Ferrand und bald weiter nach Lyon, wo er den Waffenstillstand (22. Juni) und die Anfänge des neuen État français unter Marschall Pétain erlebte.

In der Folgezeit führte er ein unstetes Leben zwischen Frankreich und Algerien, schrieb aber fleißig und beendete im Winter 1941/42 in Oran (dem Heimatort seiner Frau, wo er eine Lehrerstelle bekommen hatte) Le Mythe de Sisyphe. Der Essay, der die Überwindung der Sinnlosigkeit der Existenz durch trotziges Akzeptieren von deren Tragik und durch Pflichterfüllung zu propagieren scheint, traf bei seiner Publikation im Oktober offenbar die Stimmung im besetzten Frankreich. Denn hier neigte man dazu, die gerade erlittene Niederlage durch eine Flucht in die alltägliche Pflicht zu kompensieren. Camus wurde bekannt, zumal auch der im Juni endlich herausgekommene Étranger gut einschlug (der nun jedoch nicht mehr als ein algerisch-politisch motivierter Roman gesehen wurde, sondern als Meditation über den Sinn der menschlichen Existenz).

Ende 1942 war Camus wieder zu einer Kur in Südfrankreich und konnte nicht nach Oran zurück, nachdem Algerien von anglo-amerikanischen Truppen eingenommen worden war und die Deutschen am 11. November auch den bisher unbesetzten Süden, die zone libre, ihrer direkten Kontrolle unterstellt hatten. Er ging deshalb nach dem Ende der Kur nach Paris, wo er bei seinem Verlag Gallimard einen Posten als Lektor bekam und nunmehr hautnah die Verhältnisse im besetzten Frankreich miterlebte, wo sich nach dem Desaster der deutschen Truppen in Stalingrad die Stimmung zu ändern begann. In diesem Umfeld begann er den Roman La Peste, der seine persönliche Situation, d. h. das Getrenntsein von seiner Frau und seinen Willen, sich politisch zu engagieren, ebenso spiegelt wie die allgemeine Lage im Land, dessen Menschen meist noch willig oder gleichmütig mit dem Pétain-Regime und den Besatzern kollaborierten, teils aber schon, wie bald auch Camus selbst, sich der Widerstandsbewegung anschlossen, der Résistance. La Peste erschien erst 1947, war dann aber trotzdem noch ein großer Erfolg, weil es, als ein Hohes Lied der Pflichterfüllung, speziell unter Männern, den Franzosen offenbar die letzten Kriegsjahre verklären half, in denen sie gemäß dem rasch entstehenden Mythos angeblich allesamt erklärte oder doch wenigstens heimliche Widerständler gewesen waren.

Ebenfalls 1943 schrieb Camus das Stück Le Malentendu und begann seine Mitarbeit an dem im Untergrund erscheinenden Blatt Le Combat, dessen Chefredakteur er 1944 nach der Befreiung Frankreichs wurde. Trotz seines Wirkens als Widerständler versuchte er, mit seinen Lettres à un ami allemand (1945) an der deutsch-französischen Versöhnung zu arbeiten.

Herman Melville wird zu dieser Zeit von Camus in einem privaten Brief an Liselotte Dieckmann ausdrücklich als eines seiner wichtigsten Vorbilder genannt.

Die Nachkriegszeit

In den Nachkriegsjahren war er zusammen mit Sartre (mit dem ihn kurze Zeit lang auch ein freundschaftliches Verhältnis verband) einer der Vordenker des Existentialismus. Sein bekanntestes philosophisches Werk aus dieser Zeit ist die Essay-Sammlung L’Homme révolté (1947–1951), die ihm neben viel Beifall auch Polemik eintrug, nicht zuletzt die von Sartre, der ihm den Verrat linker Ideale vorwarf.

Weniger erfolgreich, vielleicht weil zu wenig schwarz-weiß, waren seine politische Stücke dieser Jahre: L’État de siège (1948) oder das im zaristischen Russland spielende Les Justes (1949), das anhand des 1905 von Iwan Kaljajew verübten Attentats auf Großfürst Sergei Alexandrowitsch Romanow die immer wieder aktuelle Problematik der politisch motivierten Attentate behandelt, deren Sinnhaftigkeit Camus in Frage stellt, aber nicht völlig verneint (womit er sich der Political Correctness zur Zeit unmittelbar nach Okkupation und Résistance beugt).

Ähnlich wie Sartre begnügte auch Camus sich nicht mit einer Literatenrolle, sondern versuchte darüber hinaus, journalistisch in die Politik hineinzuwirken als ein humanitärer, gemäßigt linker Pazifist, als der er insbesondere die Unnachgiebigkeit der französischen Kolonialpolitik und die Grausamkeiten der Kolonialtruppen brandmarkte. Seine Zeitschriftenartikel gab er ab 1950 regelmäßig auch in Sammelbänden mit dem Titel Actuelles heraus.

Da er über den Parteien zu stehen bemüht war, geriet er oft zwischen die Fronten. So etwa scheiterten 1956 seine Vermittlungsversuche in den sich langsam zum Krieg entwickelnden Unruhen in Algerien, denn sein Plädoyer für eine bürgerrechtliche Gleichstellung der Arabes war den meisten Franzosen viel zu radikal, wogegen seine Vorstellung von einem letztlich doch französischen Algerien für die meisten autochthonen Algerier inzwischen inakzeptabel war.

Sein belletristisches Schaffen war in diesen Jahren weniger intensiv, zumal ihn seine Tuberkulose häufig am Arbeiten hinderte. Immerhin kam 1956 der kurze Roman La Chute heraus und 1957 ein Sammelband von meist in Algerien spielenden Erzählungen, L’Exil et le Royaume.

1957 erhielt Camus den Literaturnobelpreis.

Das Ende

Albert Camus' Grabstein in Lourmarin, Vaucluse, Frankreich

Am Nachmittag des 4. Januar 1960 kam Camus bei einem Autounfall als Beifahrer auf der Fahrt von Lourmarin nach Paris in der Nähe von La Chapelle Champigny ums Leben. Der von Michel Gallimard, einem Neffen von Camus’ Verleger, gelenkte Facel Vega kam ins Schleudern, als ein Hinterreifen platzte, und prallte mit der rechten Seite gegen einen Baum. Camus war sofort tot, Michel Gallimard starb am 14. Januar 1960 an den Unfallfolgen im Krankenhaus. Die Passagiere im Fond – Madame Gallimard mit Tochter Anne – überlebten.[1] Camus hatte sich von Gallimard zur Mitfahrt überreden lassen; er trug die unbenutzte Bahnfahrkarte nach Paris in der Tasche.

Der Tod riss ihn aus der Arbeit an Le Premier Homme, einem autobiografischen Roman um seine Kindheit und frühe Jugend als Sohn eines ihm nur vom Hörensagen schemenhaft bekannten Vaters. Das Roman-Fragment erschien postum 1994.

Philosophie

Klassifizierung von Camus’ Philosophie

Albert Camus, der in Deutschland eher als Philosoph denn als Literat bekannt ist, zählte sich selbst nicht zu den Vertretern des Existenzialismus. Insbesondere zu Beginn steht sein Werk dieser philosophischen Strömung jedoch sehr nahe. So würdigte Jean-Paul Sartre seinen Roman Der Fremde (1942) als wichtiges Werk für den Existentialismus.

Das philosophische Werk Camus’ hat jedoch auch einen eigenständigen Charakter. Die Camus’sche Philosophie wird daher in Abgrenzung zum Existenzialismus oft mit dem eigenen Titel „Philosophie des Absurden“ gekennzeichnet. Dies erscheint gerechtfertigt, da insbesondere Camus’ Sicht der Revolte von der existentialistischen Philosophie abweicht, was schließlich auch zum Bruch mit Sartre führte.

Die zwei philosophischen Hauptwerke Camus’ sind die Essays Der Mythos des Sisyphos (Le Mythe de Sisyphe, 1944) und Der Mensch in der Revolte (L'Homme révolté, 1951). Daneben kommt seine Philosophie jedoch auch in seinen Romanen und Bühnenstücken zum Tragen.

Das Absurde

Das Absurde ist der Ausgangspunkt der gesamten Philosophie Camus’. Das Absurde ist für Camus nicht irgendein Begriff, der isoliert denkbar wäre, sondern es ist die Erkenntnis eines Menschen, dass man all dem Leid und Elend in der Welt keinen Sinn abgewinnen kann. Der „absurde Mensch“ Camus’ ist stets atheistisch, da das Leid für ihn unerklärbar bleibt. Hinter Camus’ atheistischem Standpunkt steht also letztendlich das Theodizee-Problem, für das er keinerlei Lösung – eben keinen Sinn – sieht. Der Mensch fühlt, wie „fremd“ alles ist, die Außenwelt und ihre Sinnlosigkeit bringen ihn, der stets nach Sinn strebt, in existenzielle Konflikte. Dabei macht das Absurde vor niemandem halt: „Das Absurde kann jeden beliebigen Menschen an jeder beliebigen Straßenecke anspringen“. Für Camus besteht das Gefühl des Absurden also in der Entzweiung des sinnstrebenden Menschen und der sinnleeren Welt.

Der Tod als absolutes Ende und unausweichliche Fatalität

Der Tod ist für Camus folgerichtig ein absolutes Ende, das, genau wie das Leben, keinen Sinn hat. Der Tod ist die einzige Fatalität, die schon vorgegeben ist und der man nicht entrinnen kann (hier zeigt sich der Einfluss Martin Heideggers). Oft ist der Tod „ungerecht“, etwa wenn er wie in dem Roman Die Pest unschuldige Kinder trifft. Wichtig dabei ist, dass der Tod für Camus auch ein abschließendes Moment gewinnt: All die sinnlosen Taten und Auflehnungen gegen das Absurde werden durch den Tod ein für alle Mal besiegelt. Der Tod ist für Camus' Menschen ein krönender Abschluss eines absurden Lebens.

Der Tod ist für Camus (vielleicht) unausweichliche Fatalität, aber keinesfalls das Ende bzw. der Endpunkt des absurden Lebens; vielmehr ist der Tod bzw. der Selbstmord die Umkehrung des Absurden, vor dem die Augen geschlossen werden. Die Möglichkeit, trotz der Absurdität des Daseins - Unvereinbarkeit von Mensch und Welt - als Mensch Bestand zu haben, liegt für Camus im "existentiellen Sprung". Diesen kann er selbst nicht genau definieren, scheint damit aber ein "Weitermachen" zu meinen, das sich der Unvereinbarkeiten bewusst ist, also ein Trotzdem-Leben.

Die „permanente Revolte“ als Weg zur Überwindung des Absurden

Es gibt zwar keinerlei „Ausweg“ aus der absurden Situation, dennoch kann das Absurde überwunden werden: durch die Annahme der absurden Situation seitens des Menschen. Der Mensch gesteht sich die Absurdität seiner Lage ein, sieht aber auch die Selbsttötung nicht als Lösung. Vielmehr strebt er trotz allem (und auch das sei absurd) weiter, nach vorne. Der Mensch ist – ebenso wie bei anderen Vertretern des Existenzialismus – ein Handelnder, ein Drängender. Sinnbild für diesen „absurden“ Menschen ist die mythologische Gestalt des Sisyphos (vgl. Der Mythos des Sisyphos).

Dennoch löst sich der Widerspruch des Absurden durch diese „permanente Revolte“ nie ganz auf. Die Revolte ist notwendig, führt aber letztlich nie zum Ziel. Es ist in gewisser Hinsicht ein ewiges Aufstehen mit einem „höhnischen Trotzdem“, mit dem der absurde Mensch den Tag aufs Neue beschließt. Dieser Prozess selbst ist endlos. Jene Sicht der Revolte entzweite Camus mit dem inzwischen marxistischen Sartre, der sich eine gesellschaftliche Revolte vorstellte, die zum historischen Ziel des Kommunismus führen sollte.

Menschliche Solidarität und Liebe als Werte

Schon in der Novellensammlung "Das Exil und das Reich" (L`Exil et le Royaume, 1952) und ansatzweise in "Le Mythe de Sisyphe", 1942, wird deutlich, dass "solidaire", Beziehungen zu anderen Menschen, und "solitaire", Alleinsein, zwei Seiten derselben Medaille sind, das Eine so einseitig wie das Andere. Würde man sich entscheiden, beträte man einen Irrweg. Nach Camus sind die zwischenmenschlichen Beziehungen ebenso absurd wie die Situation des Menschen in der Natur, die ihn umgibt. Beides ist komplementär wie zwei Seiten eines Schriftstückes, die dem Leser nie zugleich sichtbar sind. Sie schließen sich aus und bedingen sich gleichzeitig. In der "Pest" versucht er eine Entwicklung dieses Gedankens - allerdings selbst wohl nicht überzeugt, eher der politischen Situation geschuldet. Es bleibt letztlich dabei, dass der Mensch "vor dem Sprung" bleiben muss, um nicht einen von beiden sich bietenden Irrwegen zu beschreiten. In seinem Roman Die Pest reicht die Revolte allein nun nicht mehr zur Sinngebung des Menschen aus. In ihrer hoffnungslosen Situation und ihrem aussichtslosen Kampf dagegen finden die Menschen zur gegenseitigen Solidarität, zu Freundschaft und Liebe:

„Letztendlich ist es sehr dumm, nur mit der Pest zu leben. Ein Mensch muss natürlich kämpfen […]. Aber wenn es damit endet, dass er sonst nichts mehr liebt, wofür ist dann das Kämpfen gut?

(À la fin, c’est trop bête de ne vivre que dans la peste. Bien entendu, un homme doit se battre […]. Mais s’il cesse de rien aimer par ailleurs, à quoi sert qu’il se batte?) [2]

Ohne Werte ergibt die Revolte keinen Sinn. Aber diese Werte müssen sich auf das richten, was wirklich existiert: auf die Menschen selbst. Was der Mensch braucht, ist „menschliche Wärme“ („chaleur humaine“).

Ähnlich thematisiert Camus in seinem Drama Der Belagerungszustand den Widerstand gegen jede Form der Inhumanität, politischer wie existenzieller Art. Die spanische Stadt Cádiz ist als Schauplatz exemplarisch gewählt, weil dort in der Vergangenheit zum einen die Pest bereits gewütet hat und sie zum anderen eine wichtige Rolle in der spanischen Revolution von 1823 hatte, die mit der Schlacht von Trocadero niedergeschlagen wurde. Ähnlich manchen Republikanern gibt auch der Held Diego in diesem Drama trotz teils aussichtsloser Lage den Kampf nicht auf. Das Stück wurde daher oft als dramatische Variante des Romans Die Pest bezeichnet. Die Helden Bernard Rieux und Diego haben zwar manches gemeinsam, dennoch gibt es unterschiedliche Diskurse in beiden Werken.

In seinem Roman Der Fall (La chute, 1956) kritisiert Camus den oft heuchlerischen und oberflächlichen Charakter der menschlichen Beziehungen.

Quellen

  1. Zeit Online: Der Zeitgenosse unserer Träume
  2. La Peste, colléction folio Gallimard, S. 230f. (Übersetzung von Gert Pinkernell)

Werke

  • Licht und Schatten (L’envers et l’endroit, 1937), in: Literarische Essays. Rowohlt, Hamburg 1959
  • Caligula (1938), in: Dramen. Rowohlt, Hamburg 1959
  • Die Besessenen (Les possédés, 1959), in: Dramen
  • Hochzeit des Lichts. Impressionen am Rande der Wüste (Noces, 1938). Arche, Zürich 1954
  • Heimkehr nach Tipasa (L’été, 1938). Arche, Zürich 1957
  • Der Mythos des Sisyphos. Ein Versuch über das Absurde (Le mythe de Sisyphe, 1942). Rauch, Bad Salzig/Düsseldorf 1950
  • Der Fremde. Erzählung (L'étranger, 1942). Rauch, Boppard/Bad Salzig 1948
  • Das Missverständnis (Le malentendu, 1944), in: Dramen. Rowohlt, Hamburg 1959
  • Die Pest. Roman (La peste, 1947). Abendlandverlag, Innsbruck 1948
  • Der Belagerungszustand (L’état de siège, 1948), in: Dramen. Rowohlt, Hamburg 1959
  • Die Gerechten (Les justes, 1949), in: Dramen. Rowohlt, Hamburg 1959
  • Der Mensch in der Revolte (L’homme révolté, 1951). Rowohlt, Hamburg 1953
  • Der Fall. Roman (La chute, 1956). Rowohlt, Hamburg 1957
  • Das Exil und das Reich. Erzählungen (L’exil et le royaume, 1957). Rowohlt, Hamburg 1958
  • Der glückliche Tod. Roman (La mort heureuse, 1970). Rowohlt, Reinbek 1972 (Frühe Version bzw. Vorgänger von Der Fremde)
  • Der erste Mensch. Roman (Le premier homme, 1994). Rowohlt, Reinbek 1995 (Camus starb, als er am Manuskript arbeitete)

Literatur

Zum Leben

Als Standardwerk gilt Lottmans Biographie (die Originalausgabe erschien 1978 in Paris).

  • Germaine Brée: Albert Camus. Gestalt und Werk. Rowohlt, Reinbek 1960
  • Morvan Lebesque: Albert Camus in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt (rm 50), Reinbek 1960
  • Conor Cruise O' Brien: Albert Camus. dtv, München 1971
  • Brigitte Sändig: Albert Camus. Eine Einführung in Leben und Werk. Reclam (UB 1006), Leipzig 1983
  • Herbert R. Lottman: Camus. Eine Biographie. Hoffmann und Campe, Hamburg 1986
    • als Taschenbuch unter dem Titel Camus. Das Bild eines Schriftstellers und seiner Epoche erschienen: Heyne (Biographien 169), München 1988
  • Heiner Feldhoff: Paris, Algier. Die Lebensgeschichte des Albert Camus. Beltz & Gelberg, Weinheim 1991/1998
  • Olivier Todd: Albert Camus. Ein Leben. Rowohlt, Reinbek, 1999, ISBN 3-498-06516-5
  • Brigitte Sändig: Albert Camus. Rowohlt Taschenbuch (rm 544; neu rm 635), Reinbek 1995; neu 2000, ISBN 3-499-50635-1
  • Marie-Laure Wieacker-Wolff: Albert Camus. dtv, München 2003, ISBN 3-423-31070-7

Zum Werk

  • Leo Pollmann: Sartre und Camus. Literatur der Existenz. Kohlhammer (Sprache und Literatur 40), Stuttgart 1967
  • Johannes Pfeifer: Sinnwidrigkeit und Solidarität. Beiträge zum Verständnis von Albert Camus. Die Spur, Berlin 1969
  • Heinz R. Schlette: Wege der Deutschen Camus-Rezeption Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1975
  • Heinz R. Schlette: Albert Camus: Welt und Revolte. Alber, Freiburg/München 1980
  • Walter Neuwöhner: Ethik im Widerspruch. Zur Entfaltung der Sittlichkeit unter dem Vorzeichen des Unglaubens, dargetan an den Essays „Le Mythe de Sisyphe“ und „L’Homme révolté“ von Albert Camus Lang, Frankfurt 1985
  • Albert Camus: Weder Opfer noch Henker Hg. Internationale der Kriegsdienstgegner/innen Oppo Verlag Berlin 1991 (mit einem Nachwort von Wolfram Beyer)
  • Lou Marin: Ursprung der Revolte. Albert Camus und der Anarchismus Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 1998 ISBN 3-9806353-0-9
  • Asa Schillinger-Kind: Albert Camus zur Einführung Junius (reihe: Zur Einführung 299) Hamburg 1999 ISBN 3-88506-309-3
  • Heinz Robert Schlette: Rejoindre les Grecs. Griechen und Christen bei Albert Camus in: Jahrbuch für Antike und Christentum 42 (1999) S. 5-19
  • Jean Firges: Camus. Das Absurde und die Revolte Sonnenberg, Annweiler 2000 ISBN 3-933264-03-0 (Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie)
  • Heiner Wittmann: Albert Camus. Kunst und Moral. Hrsg. v. Dirk Hoeges. Dialoghi/Dialogues. Literatur und Kultur Italiens und Frankreichs, Band 6, Peter Lang Lang, Frankfurt 2002 ISBN 3-631-39525-6
  • Heiner Wittmann: Sartre and Camus in Aesthetics. The Challenge of Freedom. Hrsg. v. Dirk Hoeges. Dialoghi/Dialogues. Literatur und Kultur Italiens und Frankreichs, Band 13, Peter Lang, Frankfurt 2009 ISBN 978-3-631-58693-8
  • Brigitte Sändig: Albert Camus. Autonomie und Solidarität Königshausen & Neumann, Würzburg 2004 ISBN 3-8260-2630-6
  • Horst Wernicke (Hg): Albert Camus - René Char. Einsam und gemeinsam. Spuren einer Freundschaft Osiris. Zeitschrift für Literatur und Kunst Heft 5 /1998, Rimbaud ISBN 3-89086-829-0 Inhalt: [1]
  • Anne-Kathrin Reif: "Die Welt bietet nicht Wahrheiten sondern Liebesmöglichkeiten." Zur Bedeutung der Liebe im Werk von Albert Camus [2], Wuppertal 1999
  • Wolf-Dieter Narr: Die Aktualität des anarchistischen Kampfes. Vor 50 Jahren starb Albert Camus. Lust, sich mit ihm auseinanderzusetzen, macht: „ Ich revoltiere, also sind wir“, in: Graswurzelrevolution Nr. 345, 2010, S. 22 online
  • Rupert Neudeck: Die politische Ethik bei Jean Paul Sartre und Albert Camus. Dissertation, Bonn 1975. ISBN 3416010086

Verfilmungen

Commons: Albert Camus – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien