Beschneidung
Beschneidung (mhd: besnîden „stutzen, zurückschneiden“) kann u. a. bestimmte rituell oder kulturell motivierte Eingriffe an den äußeren Geschlechtsorganen Penis und Vulva des Menschen bezeichnen.[1][2][3] Die Existenz solcher Eingriffe wird bereits in Höhlenmalereien überliefert; sie existieren bis heute in unterschiedlichen Varianten und Kulturkreisen.
scheiße
Ausführungen
Beim Mann
Die männliche Beschneidung war bei den Naturvölkern im äquatorialen Bereich weltweit anzutreffen, mit den vorherrschenden Formen der Zirkumzision und der Inzision. Dabei hatten mancherorts unterschiedliche Stämme eines Gebietes klare Präferenzen, in anderen Fällen waren innerhalb eines Stammes unterschiedliche Formen anzutreffen. Ebenso kann eine rituelle Beschneidung aus einer Kombination der im Folgenden beschriebenen Formen bestehen. Eine neuere Untersuchung legt anhand statistischer Daten nahe, dass diese traditionelle Beschneidung auch einen praktischen Nutzen in der Fortpflanzungsselektion hat.[4] Vorherrschend ist jedoch die Beschneidung in Form der Zirkumzision, da diese die religiös begründete Beschneidung im Islam und bei den Juden (Brit Mila) ist und somit weltweite Verbreitung findet.
Zirkumzision
→ Hauptartikel: Zirkumzision
Bei der Beschneidung in Form einer Zirkumzision wird die männliche Vorhaut ringförmig zum Teil oder vollständig entfernt. Die Ursprünge und die Bedeutung sind unklar, eine mögliche Interpretation ist eine rituelle symbolische Opfergabe.
Einschnitt (Inzision/Triple Inzision)
Bei der Beschneidung in Form eines Einschnitts Inzision bleibt – im Gegensatz zur Zirkumzision – die gesamte Vorhaut, inklusive Blut und Nervenbahnen erhalten. Die Technik besteht aus einem Einschnitt quer durch die Verengung. Die Schnittkanten werden daraufhin aber längs der Verengung wieder vernäht, womit der Umfang der Verengung, entsprechend der Länge des Schnitts, zunimmt. Aus ästhetischer Sicht ist diese Technik jedoch bei stärkeren Verengungen nicht befriedigend. An der Schnittstelle ist die Verengung nicht mehr ringförmig, was bei einem längeren Schnitt zu einer Art Hautlappen, beidseitig der Schnittstelle, führen würde. Um das zu vermeiden, werden in solchen Fällen (in der Regel drei) Inzisionen rund um die Verengung gemacht (Triple Inzision). Das Ergebnis ist optisch meist völlig unauffällig und die medizinische Verträglichkeit ist, aufgrund der Einfachheit des Eingriffs, deutlich besser einzustufen, als bei einer totalen Zirkumzision.[5]
Weitergehende Formen ohne Sterilisation
Eine beispielsweise bei den australischen Ureinwohnern praktizierte Form der rituellen Beschneidung war die Subinzision, bei der die Eichel an der Unterseite bis zur Harnröhre aufgeschnitten bzw. 'gespalten' wird.
Sie unterscheidet sich von der Bifurkation, bei der der Penis in unterschiedlichem Ausmaß von der Eichel ab längs geteilt wird. Diese Form hat eher eine Verbreitung in der Body Modification-Szene.
Sterilisation/Kastration
Üblicherweise nicht als „Beschneidung“ bezeichnete Eingriffe sind die Sterilisation und Kastration, welche auf die Zeugungsunfähigkeit des Mannes abzielen und ohne direkte äußerliche Folgen bleiben können (wenn z. B. nur die Samenleiter durchtrennt werden). Sie können aber auch andere Formen bis zur kompletten Penis- und/oder Hodenamputation umfassen.
So gibt es Schildungen von Teilamputationen (Sotho[4]) als Initiationsritus oder vollständiger Amputation als religiösem Opfer (Skopzen).
Bei der Frau
→ Hauptartikel: Beschneidung weiblicher Genitalien
In Abgrenzung zu den "westlichen" kosmetischen Formen und medizinisch indizierten Eingriffen befindet sich seit einigen Jahrzehnten die traditionelle, rituelle Beschneidung weiblicher Genitalien, FGC, (auch Verstümmelung weiblicher Genitalien, FGM), welche vor allem bei verschiedenen Ethnien Afrikas praktiziert wird, weltweit in der Kritik. So haben beispielsweise die WHO und UNICEF Programme initiiert, um über die Probleme dieser Rituale aufzuklären, welche vor allem an Mädchen und jungen Frauen durchgeführt werden, teils unter Zwang. Je nach Region und Kultur werden dabei alle hier genannten weiblichen Beschneidungsformen angewandt, sodass der Begriff nicht konkret an einen medizinischen Sachverhalt geknüpft ist.
Klitorisvorhautbeschneidung
Bei der Beschneidung der Klitorisvorhaut wird diese partiell oder vollständig entfernt. Dies ist die mildeste der weiblichen Beschneidungsformen, ohne negative Folgen für die sexuelle Empfindungsfähigkeit.
Klitorisentfernung
Bei den meisten gängigen Formen der weiblichen Beschneidung wird zumindest die Klitoris teilweise oder ganz entfernt (Klitoridektomie), wobei dies einen massiven Eingriff in die Empfindungsfähigkeit der Frau darstellt. Sie kann in seltenen Fällen aus medizinischen Gründen notwendig sein, der Eingriff wurde aber auch bis in die ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in Europa und Nordamerika gezielt zur Dämpfung weiblicher Empfindungsfähigkeit (Verhinderung der als pervers eingestuften Masturbation) von einigen Gynäkologen durchgeführt.[6][7]
Vernähen (Infibulation)
Bei der, ebenfalls noch verbreiteten, Infibulation genannten Form werden zusätzlich zur Klitorisentfernung noch die Schamlippen zusammengenäht, so dass die Öffnung der Vagina verkleinert wird. Auch dieser Eingriff wurde im Rahmen der Schulmedizin bis Anfang des 20. Jahrhunderts noch bei Frauen vorgenommen, um diese an der als krankhaft empfundenen Masturbation zu hindern.[7] Heutzutage ist die Infibulation vor allem in Afrika verbreitet.
Kosmetische Formen
Im Rahmen der individualisierenden Körpermodifikation findet sich sowohl die Schamlippenplastik als auch die Kürzung der Klitorisvorhaut. Hierbei geht es hauptsächlich um das Erreichen eines Schönheitsideals wie möglichst jung erscheinenden Schamlippen oder einer freigelegt sichtbaren Klitoris. Anbietende Chirurgen nennen solche Eingriffe nicht „Beschneidung“.
Religiöse Formen
Da die Beschneidung bereits aus der Zeit vor den großen Religionen stammt, findet sie sich in vielen (Teil-)Religionen und Sekten wieder, ohne dass dies unbedingt in der Religion selber begründet sein muss.
Judentum
Im Judentum ist die Beschneidung des Mannes als Brit Mila ein verpflichtender Bestandteil der Religionsausübung.
Islam
Der Koran als Hauptwerk des Islam fordert die Beschneidung des Mannes nicht, diese ist aber – bereits in vorislamischer Zeit praktiziert – trotzdem als überlieferte Sunna anzustrebendes Vorbild für alle Gläubigen. Bei der Beschneidung weiblicher Genitalien handelt es sich ebenfalls um eine nicht auf dem Koran gestützte Tradition, sie wird aber zum Teil durch Schriftenauslegung begründet. Jedoch existieren auch gegenteilige Schriftauslegungen.
Christen
Die Christen praktizieren allgemein die Beschneidung nicht als religiöse Pflicht, jedoch werden auch in christlichen Gebieten Jungen und auch Mädchen aus lokalen kulturellen Gründen beschnitten.
Eine religiöse Bedeutung erlangt die Beschneidung als kirchliches Fest der Beschneidung des Herrn, da Jesus als Jude geboren und daher beschnitten wurde. Dies führte auch im Mittelalter zum Kult um die heilige Vorhaut. Allerdings werden im Rahmen der Zelebrierung keine Beschneidungen durchgeführt.
Skopzen
Bei den Skopzen gab es sowohl für Frauen als auch für Männer zwei spezifische Formen der religiös begründeten Körpermodifikation: das kleine und das große „heilige Siegel“. Im Bestreben, ihre Fleischlichkeit zu überwinden, entfernten die Skopzen zunächst Hoden (Orchiektomie) bzw. Klitoris (Klitoridektomie). Die Steigerungsstufe („großes heiliges Siegel“) beinhaltete zusätzlich die Penektomie und die Ablation der weiblichen Brust.
Literatur
- Ad. E. Jensen: Beschneidung und Reifezeremonien bei Naturvölkern, Strecker und Schröder, Stuttgart, 1933
Einzelnachweise/Fußnoten
- ↑ Beschneidung In: WAHRIG.digital - Deutsches Wörterbuch, Wissen Media Verlag, 2005.
- ↑ Beschneidung In: Duden – Das Synonymwörterbuch, Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim 2007.
- ↑ Beschneidung In: Roche Lexikon Medizin, S.209; 5. Auflage, Urban & Fischer Verlag 2003.
- ↑ a b Christopher Wilson:Male genital mutilation: an adaptation to sexual conflict, 2007.
- ↑ PDF Johannes Terhardt "Triple Inzision als sinnvolle Alternative zur Zirkumzision bei der operativen Behandlung der Phimose"
- ↑ Petra Schüll / Terre des femmes (Hg.): Weibliche Genitalverstümmelung - Eine fundamentale Menschenrechtsverletzung. Textsammlung. Göttingen 1999
- ↑ a b Marion Hulverscheidt: Weibliche Genitalverstümmelung: Diskussion und Praxis in der Medizin während des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum], Dissertation, Georg-August-Universität Göttingen, 2000; als Buch erschienen im Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-935964-00-5, Rezension online