Simultankirche


Der Ausdruck Simultankirche oder Simultaneum bezeichnet einen von mehreren christlichen Konfessionen gemeinsam genutzten Sakralbau. Die Gottesdienste finden im Allgemeinen getrennt statt, ein gemischter Gottesdienst wird allenfalls ausnahmsweise praktiziert. Im kleineren Rahmen werden beispielsweise Krankenhauskapellen oft derart genutzt.
Geschichte
Die erste Simultankirche während und nach der Reformation war vermutlich die Kirche St. Petri zu Bautzen. Hier wurde bereits 1524 das Kirchenhaus geteilt, das Langhaus, die Sakristei sowie die Orgelempore waren seitdem evangelisch, der Chor und die erste Empore wurden von den römisch-katholischen Gläubigen benutzt.
In der Kurpfalz wurde am 29. Oktober 1698 von der Obrigkeit das Simultaneum eingeführt. Die Reformierten mussten ihre Kirchen für den katholischen Gottesdienst öffnen, die Katholiken behielten jedoch ihre Kirchen allein. Insgesamt erlangten die Katholiken ein Mitbenutzungsrecht von 240 Kirchen. In vielen Orten zahlte die größere Konfession um 1900 einen Geldbetrag an die kleinere, damit sich diese damit eine eigene Kirche oder Kapelle bauen konnte. Durch Erlass vom 29. März 1707 wurde das Simultaneum in der Kurpfalz im Zuge der pfälzischen Kirchenteilung wieder aufgehoben. Recht häufig waren Simultan- bzw. paritätische Kirchen in der Eidgenossenschaft, insbesondere in der Fürstabtei St. Gallen, in Glarus und in den von katholischen und reformierten Orten gemeinsam verwalteten Untertanengebieten.
Simultankirchen
In Deutschland gibt es derzeit noch 64 Simultankirchen[1]
- Baden-Württemberg



Biberach an der Riß

- St. Martinus und Maria in Biberach an der Riß (seit 1548)
- Stiftskirche / Kirche St. Juliana in Mosbach
- Johanneskirche in Rohrdorf
- Michaelis-Kirche in Schutterzell (seit 1804)
- Bayern
- St. Margareth in Frankenhof
- St. Magdalena in Götzendorf
- St. Vitus in Illschwang
- Schlosskirche der Plassenburg in Kulmbach
- Kinderlehrkirche in Memmingen
- St. Jakobskirche in Wildenreuth
- St. Ulrich und Stephan Ehingen am Ries
- Hessen
- Schlosskirche in Braunfels (seit 2005)
- Wetzlarer Dom (seit 1544)
Niedersachsen
- St. Michael in Hildesheim
- St. Fabian in Ringstedt (seit 1706, reformiert-lutherisch)
- St. Georg Kirche in Thuine
- Klosterkirche in Vechta (seit 1818)
- Nordrhein-Westfalen
- Altenberger Dom (seit 1857)
- Stiftskirche in Fröndenberg
- Schlosskapelle in Ossenberg
- Pfarrkirche St. Johannes Baptist in Rödgen (Siegerland)
- Rheinland-Pfalz
- Simultankirche St. Maria und St. Christophorus in Bechtolsheim
- St. Martin in Biebelsheim
- Boos (Nahe): Simultankirche[2][3]
- St. Remigius in Brauneberg; die Kirche ist seit 1955 räumlich aufgeteilt.
- St. Rufus in Gau-Odernheim
- Hahn (Hunsrück)
- Stiftskirche in Neustadt an der Weinstraße
- Simultankirche St. Valentin Oberndorf (Pfalz)
- Abteikirche Otterberg
- Simultankirche St. Quintinus in Siebeldingen
- St. Georgskirche in Wachenheim an der Weinstraße
- Mennonitenkirche in Worms-Ibersheim (mennonitisch-evangelisch-uniert)
- Simultankirche Worms-Pfeddersheim
- Simultankirche St. Peter Worms-Rheindürkheim
- Saarland
- Sachsen
- St. Petri Dom in Bautzen – älteste Simultankirche Deutschlands
- Sachsen-Anhalt
- Althaldensleber Kirche
- ehemalige Klosterkirche in Groß Ammensleben (seit 1614)
- Schleswig-Holstein
- Mennonitenkirche in Friedrichstadt (mennonitisch-lutherisch)
- weitere
- etwa 50 Kirchen im Elsass
- mehrere Kirchen in den Kantonen Thurgau und St. Gallen, z. B. Ermatingen und Sommeri
- Versöhnungskirche in Taizé
- Geburtskirche in Bethlehem
- Grabeskirche in Jerusalem
Ehemalige Simultankirchen
- Unser Frauen zu Memmingen (1530–1805)
- Cosmas- und Damiankirche in Ennabeuren (1603–1936)
- Apostelkirche zu Gütersloh (1655–1890)
- Vituskirche in Heidelberg-Handschuhsheim (1650–1905)
- Pfarrkirchen St. Cornelius und Cyprian (Biberach) (1675–1863)
- Elisabethkirche in Marburg (1811–1827)
- St. Laurentius in Kürzell (1831–1962)
- Stadtkirche Glarus (1866−1964)
- Heiliggeistkirche in Heidelberg bis 1936
- Paritätische Kirche in Birmenstorf AG
- Margaretenkirche Gebenstorf
- Friedrichswerdersche Kirche
- St. Martin in Gensingen
- Frauenkirche in Lauban
- alte Dorfkirche in Laudenbach (Bergstraße)
- St. Bonifatius zu Bechstedtstraß (1946–1972)
- St. Michael in Weiden-Oberpfalz (1653/1656–1899[4])
- Nahezu sämtliche alte Kirchen auf dem Hunsrück, insoweit vorher die Reformation eingeführt worden war.
Literatur
- Henke, Heinz: Wohngemeinschaften unter deutschen Kirchendächern: Die simultanen Kirchenverhältnisse in Deutschland − eine Bestandsaufnahme; Engelsdorfer Verlag, 2008; ISBN 978-3-86703-932-1
- Roehrich, Timotheus Wilhelm: Das Simultaneum in den elsaessischen Kirchen, Straßburg, 1846.
- Schäfer, Christoph: Das Simultaneum : ein staatskirchenrechtliches, politisches und theologisches Problem des Alten Reiches, P. Lang, Frankfurt, New York, 1995, 168 S. ISBN 978-3-631-49090-7
Quellen
- ↑ Henke 2008
- ↑ Mirca Waldhecker: In Boos nutzen Katholiken wie Protestanten gleichermaßen die einzige Kirche im Ort; in: Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom 24. Dezember 2008.
- ↑ Gemeinde Boos: Booser Kirche
- ↑ Im Text der deutschsprachigen Wikipedia über die St.-Josefs-Kirche in Weiden heißt es 1656–1899. Auf der Homepage des Evangelisch-lutherischen Pfarramts St. Michael werden die Jahre 1653–1899 genannt.