Zum Inhalt springen

Rolf Dieter Brinkmann

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 13. Februar 2010 um 23:12 Uhr durch Jürgen Engel (Diskussion | Beiträge) (Veröffentlichungen: Ergänzt u. bearbeitet lt. Udo Seinsoth (Einzelnachweis) u. intern gelinkt.). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Rolf Dieter Brinkmann (* 16. April 1940 in Vechta; † 23. April 1975 in London) war ein deutscher Dichter, Schriftsteller und Herausgeber.

Leben

Nach Schule und Buchhandelslehre lebte Rolf Dieter Brinkmann ab 1962 in Köln, wo er zunächst Pädagogik studierte, sich aber bald für ein Leben als freier Schriftsteller entschied. Zahlreiche kürzere Aufenthalte in London während der 1960er Jahre brachten ihm die anglo-amerikanische Lyrik und Popmusik jener Zeit nahe. In den Jahren 1972 bis 1974 war er Gast der Villa Massimo in Rom sowie Gastdozent in Austin (Texas). Brinkmanns frühe Prosa orientiert sich an der Ästhetik des nouveau roman. Brinkmann machte die amerikanische Underground-Lyrik in Deutschland bekannt und wurde selbst der führende Underground-Lyriker Deutschlands in den 60er Jahren. Lyrik war für ihn Spiegelbild und direkte Reflexion des Faktischen. Auf die kurzzeiligen Gedichte der frühen Gedichtbände folgten nach 1970 prägnant „gesetzte“ Prosagedichte von enormer Vitalität und Bildkraft. Die Beschäftigung mit der US-Avantgarde (Frank O’Hara, William Carlos Williams) ab Mitte der 1960er Jahre beeinflusste Brinkmann stark. Die zusammen mit Ralf-Rainer Rygulla 1969 herausgegebene Anthologie „Acid. Neue amerikanische Szene“ zählt bis heute zu den wesentlichen Zeugnissen der amerikanischen Beat Generation. Der immer wieder als provozierender Rebell auftretende Brinkmann zog sich nach 1970 vom deutschen Literaturbetrieb zurück und widmete sich ausschließlich dem Schreiben und Collagieren der sogenannten „Materialienbände“. Außerdem entstand in den letzten Jahren sein lyrisches opus magnum „Westwärts 1 & 2“, das ihm 1975 posthum den Petrarca-Preis einbrachte und bis heute als einer der wichtigsten Gedichtbände des 20. Jahrhunderts gelten darf. Als weiteres Hauptwerk gilt „Rom, Blicke“, ein mit wilder Unerbittlichkeit auf Verfallenes, Obszönes, fixiertes Konvolut aus Briefen, Notizen, Zeitungsausschnitten, Fotos, das von Brinkmann ursprünglich als „Materialienband“ für künftige Projekte gedacht war. Das Gesamtwerk Brinkmanns erscheint bei Rowohlt.

Brinkmann wurde am 23. April 1975 in London von einem Auto überfahren.

Als radikaler literarischer Erneuerer hat Brinkmann Einfluss auf nachfolgende Lyrikergenerationen im deutschen Sprachraum. Die Stadt Köln vergibt in Erinnerung an den Dichter seit 1990 das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium. In seiner Geburtsstadt Vechta würdigt die Rolf-Dieter-Brinkmann-Gesellschaft das Schaffen und Wirken Brinkmanns.

2005 wurden Originaltonaufnahmen des Autors aus dem Jahr 1973 unter dem Titel „Wörter Sex Schnitt“ veröffentlicht. Harald Bergmanns 2006 in die Kinos gekommener Film „Brinkmanns Zorn“ basiert auf den originalen Tonaufnahmen.

Veröffentlichungen

Bücher
  • Ihr nennt es Sprache. Achtzehn Gedichte. Auflage 500 nummerierte Exemplare, z. T. signiert; Auslieferung durch den Autor verhindert. Willbrand, Leverkusen 1962.[1]
  • Le Chant du Monde. Gedichte mit Radierungen von Emil Schumacher. Olefer Hagarpresse Rolf Kuhn, Olef/Eifel 1964.
  • Die Umarmung. Erzählungen. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1965.
  • Ohne Neger. Gedichte. Handpressendruck in 150 nummerierten Exemplaren. Collispress/Paul Eckhardt, Hommerich 1966.
  • &-Gedichte. Oberbaumpresse, Berlin 1966.
  • Raupenbahn. Erzählungen. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1966.
  • Was fraglich ist wofür. Gedichte. Kiepenheur & Witsch, Köln 1967.
  • godzilla. Gedichte. Wolfgang Hake, Köln 1968.
  • Keiner weiß mehr. Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1968.
    • Taschenbuchausgabe: Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1970.
  • Die Piloten. Neue Gedichte. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1968.
  • Standphotos. Gedichte. Guido Hildebrandt, Duisburg 1969.
  • Gras. Gedichte. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1970.
  • Aus dem Notizbuch 1972, 1973 Rom Worlds End. Villa Massimo Druck, Rom u. Deutsche Akademie, München 1973.
  • Westwärts 1 & 2. Gedichte. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1975.
  • Rom, Blicke. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1979.
  • Standphotos. Gedichte 1962–1970, Rowohlt, Reinbek 1980.
  • Der Film in Worten. Prosa. Erzählungen. Essays. Hörspiele. Fotos. Collagen. 1965–1974, Rowohlt, Reinbek, 1982. Enthält u.a. Wie ich lebe und warum (1970); in einer veränderten Fassung.
  • Eiswasser an der Guadelupe Str. Langgedicht, Rowohlt, Reinbek, 1985.
  • Erzählungen, Rowohlt, Reinbek, 1985.
  • Rolltreppen im August. Gedichte, Rowohlt, Reinbek, 1986.
  • Erkundungen für die Präzisierung des Gefühls für einen Aufstand: Reise Zeit Magazin Tagebuch, Rowohlt, Reinbek, 1987.
  • Schnitte, Rowohlt, Reinbek, 1988.
  • Künstliches Licht. Lyrik und Prosa, Rowohlt, Reinbek, 1994.
  • Guten Tag wie geht es so. Erzählungen, Rowohlt, Reinbek, 1996.
  • Briefe an Hartmut, Rowohlt, Reinbek, 1999.
  • Westwärts 1 & 2. Gedichte. Erweiterte Neuausgabe., Rowohlt, Reinbek, 2005.
Herausgeber und Übersetzer
  • Ron Padgett: Ein Gedicht (A Man Saw a Ball of Gold). In: März-Texte 1, März, Frankfurt am Main 1969 (Nachdrucke 1984, 2004), S. 50. mit Brinkmanns Übersetzung. Auch in Ron Padgett: Große Feuerbälle, Rowohlt, Reinbek, 1973.
  • Mit Ralf-Rainer Rygulla (nach Guillaume Apollinaire, La jolie rousse): Der joviale Russe. Gedicht. In: März-Texte 1, März, 1969 (Nachdrucke 1984, 2004), S. 70, 72. mit Anm. 12. Ein Adaptionsversuch des Apollinaire Gedichtes nach der Lautgestalt, ohne Rücksicht auf die Bedeutung.
  • Frank O'Hara: Lunch Poems und andere Gedichte übersetzt von Rolf Dieter Brinkmann, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1969.
  • Silver Screen; Neue amerikanische Lyrik, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1969.
  • Acid. Neue amerikanische Szene. Herausgegeben mit Ralf-Rainer Rygulla. März, Frankfurt am Main 1969.
  • Ted Berrigan: Guillaume Apollinaire ist tot. Gedichte, Prosa, Kollaborationen. März, Frankfurt am Main 1970.
Einzelveröffentlichungen
  • Vanille und Anmerkungen zu meinem Gedicht „Vanille“. In: März-Texte 1, März, 1969, S. 106–140 und S. 141–144 . Eine Text-Bild-Collage und eine Erläuterung.
  • Wie ich lebe und warum. Fotocollage. In: Renate Matthaei (Hg): Trivialmythen März, Frankfurt 1970. Neuausgabe: Renate Matthaei, u.a.: ‚März-Texte 1‘ & ‚Trivialmythen‘ Area, Erftstadt 2004 ISBN 3899960297; S. 387–393. Online: Jörg Schröder und Barbara Kalender: [1]

Literatur

  • Antiquariat Beim Steinernen Kreuz (Hrsg.): Rolf Dieter Brinkmann zum 50. Geburtstag. Eigenverlag, Bremen 1990.
  • Theo Breuer: Was Neues im Westen oder Brinkmann macht weiter. In: Theo Breuer: Aus dem Hinterland. Lyrik nach 2000. Edition YE, Sistig 2005.
  • Karl-Eckhard Carius (Hrsg.): Brinkmann – Schnitte im Atemschutz. edition text + kritik, München 2008.
  • Stefan Greif: Schlagwörter sind zum Schlagen, hast du das begriffen? Sprache und Gewalt bei Rolf Dieter Brinkmann. In: Gewalt und kulturelles Gedächtnis. Hg. v. Robert Weninger. Stauffenburg, Tübingen 2005, S. 139-151. ISBN 3-86057-219-9
  • Andreas Moll: Text und Bild bei Rolf Dieter Brinkmann. Intermedialität im Spätwerk. Peter Lang, Frankfurt am Main 2006.
  • Hansjürgen Richter: Ästhetik der Ambivalenz. Studien zur Struktur „postmoderner“ Lyrik – exemplarisch dargestellt an Rolf Dieter Brinkmanns Poetik und dem Gedichtband „Westwärts 1 & 2“. Peter Lang, Frankfurt am Main 1983.
  • Jörgen Schäfer: Pop-Literatur. Rolf Dieter Brinkmann und das Verhältnis zur Populärkultur in der Literatur der sechziger Jahre. M & P Verlag für Wissenschaft und Forschung, Stuttgart 1998.
  • Udo Seinsoth: Katalog Nr. 20. (Bibliografie der Veröffentlichungen.) In: Antiquariat Beim Steinernen Kreuz (Hrsg.): Rolf Dieter Brinkmann zum 50. Geburtstag. Eigenverlag, Bremen 1990, S. 38–57.
  • Ingo Sundmacher: Brinkmann meets Burroughs. Literatur und intermediale Postmoderne. In: Z. Zeitschrift für Kultur- und Geisteswissenschaften, 16. Ausgabe 1989
  • Zeitschrift text + kritik, Themenheft: Rolf Dieter Brinkmann Nr. 71, 1981 ISBN 3883770744

Film

Theaterstücke

Obwohl Rolf Dieter Brinkmann keine Theaterstücke geschrieben hat, gibt es vor allem im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts einige Darstellungen seiner Texte.

Einzelnachweise

  1. Udo Seinsoth: Katalog Nr. 20. (Bibliografie der Veröffentlichungen.) In: Antiquariat Beim Steinernen Kreuz (Hrsg.): Rolf Dieter Brinkmann zum 50. Geburtstag. Eigenverlag, Bremen 1990, S. 39.
  2. Webseite zum Film Brinkmanns Zorn