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Zulässigkeit von und Haftung für Hyperlinks

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Die Haftung für Hyperlinks ist ein hochgradig umstrittener Bereich des Internetrechts, der u.a. Bereiche des Wirtschaft-, Zivil-, Straf- und Urheberrechts tangiert. Wichtige Rechtsquellen sind u.a. das UrhG und das TDG.

Übersicht

Hyperlinks sind die konzeptuellen Grundbestandteile jedes Hypertextes und damit auch des gesamten World Wide Web und jedes Wikis wie der Wikipedia. Der rechtliche Diskurs um die Haftung für Hyperlinks bezieht sich

  • auf die Art und den Umfang der Zulässigkeit des Anbringens von Hyperlinks, insbesondere im Internet sowie
  • um die Zulässigkeit des Anbringens von Hyperlinks an sich.

Grundlagen

In der mittlerweile recht differenziert geführten juristischen Fachdiskussion wird zwischen verschiedenen prinzipiellen Formen der Verlinkung unterschieden:

  • Surface Links verweisen auf die Startseite eines Web-Angebots, also beispielsweise auf http://www.wikipedia.org
  • Deep Links verweisen auf eine spezielle Datei innerhalb eines Web-Angebots, also beispielsweise auf http://de.wikipedia.org/wiki/Haftung_für_Hyperlinks
  • Inline-Links ermöglichen es mit einer speziellen Technik, externe Inhalte in die eigene Website zu integrieren, ohne dass die Herkunft der externen Elemente für den Benutzer ersichtlich wäre; siehe hierzu auch Immersion und Syndication.
  • Framing ermöglicht es, mit der Technik der Frames, größere Teile eines externen Angebots in definierte Bereiche der eigenen Website einzubinden; auch hier ist die Herkunft der Elemente nicht unmittelbar für den Benutzer ersichtlich.

In allen rechtlich strittigen Kontexten kreist die Frage der Haftung für Hyperlinks immer letztlich darum, in welchem Maß der Verlinkende sich die Inhalte des Link-Ziels zu eigen macht; dies kann entweder urheberrechtlich unzulässig sein, oder auch eine Strafverfolgung bei Verlinkung auf illegale Inhalte zur Folge haben.

Unter dem Aspekt des Urheberrecht ist fraglich, ob der Verlinkende in die dem Urheber zugesicherten Rechte durch Setzen eines Links eingreift. Dabei werden vor allem drei Formen der Verwertungsrechte unterschieden und in Bezug auf die Zulässigkeit von Links differnziert bewertet.

  • In Deutschland geht die herrschende Rechtsmeinung davon aus, dass das Setzen eines Hyperlinks auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk die Vervielfältigungsrechte nicht beeinträchtigt. In der angloamerikanischen Rechtsprechung gibt es eine solche vorrherrschende Auffassung nicht; hier wird häufig noch zwischen Surface- und Deep-Links unterschieden, wobei erstere i.d.R. als zulässig betrachtet werden, während letztere unzulässig sein können.
  • Auch das Verbreitungsrecht wird nach herrschender Rechtsauffassung durch einen Hyperlink nicht tangiert, da das Setzen eines Hyperlinks allein noch nicht als Anbieten oder Inverkehrbringen fremder Inhalte aufgefasst werden kann.
  • Strittig ist dagegen, ob das Setzen eines Hyperlinks ohne Zustimmung des Rechteinhabers in das Bearbeitungsrecht des Urhebers eingreift. Besonders problematisch ist die Einschätzung bei den speziellen Verlinkungsformen des Inline-Links und des Framings.

Rehtsgrundlagen für die wettbewerbsrechtliche Einordnung der Zulässigkeit von Hyperlinks sind neben dem UrhG das UWG. Insbesondere folgende fünf Aspekte werden in der juristischen Diskussion als kritisch eingestuft:

  • Eine Begründung von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen basiert auf der Unterstellung der Irreführung gmäß §§ 1, 3 UWG; argumentiert wird, der Nutzer "gewinne den unrichtigen Eindruck, die fremden Inhalte seien vom Betreiber der verlinkenden Website erstellt oder zumindest mit entsprechender Genehmigung verlinkt worden" ([1]). Die rechtliche Bewertung dieses Aspekts ist umstritten.
  • Der Vorwurf der unlauteren Leistungsausbeutung setzt argumentativ voraus, dass angenommen wird, dass bereits das Setzen eines Hyperlinks eine unmittelbare Übernahme der fremden Leistungen darstellt; diese Annahme widerspricht jedoch der Idee von Hyperlinks ebenso wie der ihnen zugrundeliegenden Idee der Quellennachweise oder Fußnoten. Eine unlautere Leistungsausbeutung kann jedoch vorliegen, wenn der Verlinkende sich einer Herkunftstäuschung schuldig macht.
  • Nach Auffassung von Dittrich in [2] scheidet ein Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Aspekt der Rufausbeutung aus. Diese Auffassung teilt die Rechtsprechung jedoch nicht einheitlich, so widerspricht dieser Interpretation beispielsweise das LG Hamburg im Urteil vom 2. Januar 2001 (312 O 606/00; CR 2001, 265; ITRB 2001, 210) in der so genannten Bundesliga-Manager-Entscheidung; vgl. hierzu [3].
  • Bei dem Vorwurf der Behinderung geht es vor allem um die Annahme einer so genannten Konkurrentenbehinderung an ihrer Möglichkeit, Werbebanner in dem von ihnen gewünschten Umfang zu präsentieren; es wird argumentiert, insbesondere die Verlinkungsvariante der Deep-Links schränke die Möglichkeit des Inhalte-Anbieters unzulässig ein, dem Benutzer eine bestimmte Menge von Werbeflächen zu präsentieren. Die rechtliche Einschätzung dieses Aspekts ist strittig, besonders dann, wenn seitens des verlinkenden Mitbewerbers noch eine Werbebehinderung im Sinne des §1 UWG, beispielsweise durch Störmaßnahmen, hinzukommt.
  • Der Tatbestand der vergleichenden Werbung tritt nur noch dann ein, wenn die Ausnahmetatbestände nach §2 II UWG erfüllt werden. Ein Werbevergleich ist in allen anderen Fällen nach §2 I UWG im deutschen Recht generell zulässig.

Haftung für Inhalt des verlinkten Dokuments

Eine herrschende Rechtsmeinung zur Haftung für Hyperlinks existiert bisher in Deutschland nicht; die Positionen reichen von der Abrede jeglicher Verantwortung für die Inhalte verlinkter Dokumente bis hin zu einer vollen Haftung für das externe Dokument und eventueller Veränderungen desselben. Stadler rät, "genau zu analysieren, welches konkrete Verhalten den Rechtsverstoß begründen soll", da sich die Fragen der Haftung im Zusammenhang mit dem Setzen von Hyperlinks "keinesfalls pauschal und schematisch beantworten" lassen ([4]).

Aussagen nach TDG

Wenn ein Hyperlink manuell ausgewählt und in ein Web-Dokument eingetragen wird, ist § 9 Abs. 1 TDG nicht mehr anwendbar, da der Verlinkende die Information bewusst ausgewählt hat. Diese Argumentation greift jedoch nicht mehr zwangsläufig, sobald die Zusammenstellung und Präsentation der Links durch Algorithmen gesteuert wird; diese Einschränkung betrifft insbesondere Suchmaschinen, könnte aber auch auf Portalsysteme angewendet werden.

Stadler geht davon aus, dass "die rechtswissenschaftliche Diskussion der Linkhaftungsfälle anhand von § 5 TDG a.F. [...] an sich hinfällig" ist (vgl. [5], Abs. 19).

Standpunkte

Keine Verantwortung für verlinktes Dokument

Tim Berners-Lee, der "Erfinder" des World Wide Web, geht in Analogie zu Fußnoten und Querverweisen in der wissenschaftlichen Literatur davon aus, dass das bloße Vorhandensein eines Hyperlinks keine Rechtsverletzung darstellen kann; der Autor eines Textes mache sich durch Anbringen einer Fußnote oder eines Querverweises nicht automatisch den Inhalt des referenzierten Dokuments zu eigen. Berners-Lee weist darauf hin, dass die Konzepte des Verweises und der Inklusion älter seien als das Papier (vgl. [6]).

Das Prinzip des wechselseitigen Verweisens bildet eine der Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens; wäre dieses Verweisprinzip grundsätzlich illegal, würde dies jegliches wissenschaftliche Arbeiten in unserem heutigen Verständnis unmöglich machen (vgl. Auf den Schultern von Giganten).

Berners-Lee differenziert allerdings, dass beispielsweise der den Hyperlink beschreibende Link-Text durchaus bedeutungsvoll sein kann und soll; er fordert daher zur verantwortungsbewußten Behandlung dieser Link-Texte auf, die dem Leser wichtige Hinweise auf den Inhalt des Zieldokuments geben können. Auch aus der Kombination von Linktext, Begleittext um den Hyperlink herum und dem Inhalt der verlinkten Ziel lassen sich Rechtsverletzungen konstruieren.

Volle Haftung für verlinkte Dokumente

Die Auffassung von Berners-Lee teilen nicht alle Gerichte, obwohl die Rechtsliteratur selbst intensiv das Verweisprinzip einsetzt; bisher hat sich allerdings noch keine einheitliche Rechtsprechung herausgebildet.

In Deutschland kann das Anbringen eines Hyperlinks auf einer Website kostenpflichtig abgemahnt werden; dabei werden i.d.R. hohe Streitwerte im Bereich von 50.000 bis 250.000 Euro angesetzt, woraus in jedem Fall hohe Anwaltskosten in der Größenordnung von mehreren tausend Euro resultieren. Die Policen von Rechtsschutzversicherungen decken derartige Rechtsstreitigkeiten grundsätzlich nicht ab.

Bekannt für Serienabmahnungen aufgrund des Anbringens von Hyperlinks auf vorgeblich illegale Inhalte wie Kopierprogramme für Audio-CDs ist die Münchner Kanzlei Waldorf, die zwischen 2003 und 2004 mehrere hundert derartige Abmahnungen ausgeprochen hat.

Mit den Aktivitäten von Serienabmahnungen beschäftigt sich beispielsweise die Forschungsstelle Abmahnwelle e. V..

Spezielle Aspekte

Zueigenmachung des Inhalts des Linkziels

Das höchste österreichische Gericht, der Oberste Gerichtshof, hat im Fall austropersonal.com II, jobmonitor.com argumentiert, der Verlinkende würde sich den Inhalt des fremden Web-Angebots zu eigen machen (OGH, 19. Dezember 2000, Geschäftszahl 4Ob274/00y, ÖOGH MMR, 2001, 518 (519), [7]). Zur Problematik dieser Argumentation vgl. [8].

Nach Art. 5 GG sind Links auf rechtswidrige oder strafbare Inhalte grundsätzlich im meinungs- oder wissenschaftsrelevanten Kontext geschützt; diese Sonderregelung wird in §§ 86 Abs. 3, 86 a Abs. 3, 130 Abs. 5 StGB ausdrücklich bestätigt.

Ein einschlägiges Fallbeispiel aus dem Jahr 1997 ist die Homepage der PDS-Politikerin Angela Marquardt, auf der sich Links auf die Zeitschrift Radikal befanden; Marquardt wurde von der Staatsanwaltschaft wegen willentlicher Verbreitung und Beihilfe illegaler Inhalte angeklagt, vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten jedoch freigesprochen, da ihr eine Kenntnis der unzulässigen Inhalte nicht nachgewiesen werden konnte (vgl. [9], [10] und [11]).

Ein weiteres Beispiel ist das Ermittlungsverfahren gegen den Berliner Journalisten Burkhard Schröder, der zu Fragen des Rechtsextremismus recherchierte und auf seiner Website eine umfangreiche Linksammlung dazu bereitstellte ([12]). Die Berliner Staatsanwaltschaft ging von einer "generellen Möglichkeit eines strafbaren Verhaltens durch Setzen eines Links" aus, Schröder habe zudem keine Distanzierung vorgenommen oder erklärende Hinweise gegeben. Das Verfahren wurde Ende 2001 eingestellt (vgl. [13]).

Während das Richterrecht Ende der 90er Jahre noch deutlich dazu tendierte, eine generelle Illegalität von Hyperlinks abzulehnen, sind möglicherweise in Kürze grundsätzliche rechtliche Neubewertungen von Links auf rechtswidrige oder strafbare Inhalte nach der verschärften Terrorismus- und der novellierten Urheberrechtsgesetzgebung zu erwarten, die potenziell jeden Hyperlink auf ohnehin allgemein zugängliche Quellen kriminalisieren.

Stefan Münz, der selbst im Explorer-Fall im Jahr 2000 Abmahnopfer geworden war, spricht angesichts des derzeitgen Abmahnmißbrauchs im Internet von "Praktiken, die mittlerweile zu einer allgemeingefährlichen Bedrohung geworden sind" ([14]).

Während der Bundesgerichtshof (BGH) noch in seinem Schöner Wetten-Urteil vom 1. April 2004 (I ZR 317/01) eine beschränkte Linkhaftung von Presseorganen entschied, stehen die grundgesetzlich durch Art. 5 GG gesicherte Presse- und Meinungsfreiheit angesichts der verschärften Rechtslage derzeit erneut in Frage.

Siehe auch

Grundlegend

Urteile und Urteilssammlungen