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Restitutionsklage

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I. Überblick

Die Restitutionsklage im Zivilprozess ist eine Unterart der Wiederaufnahmeklage, die andere Unterart ist die Nichtigkeitsklage. Die Wiederaufnahme bezweckt, ein rechtskräftiges Urteil zu beseitigen und eine neue Entscheidung herbeizuführen.

II. Gesetzliche Regelung

Die Restitutionsklage findet gemäß § 580 ZPO statt:

1. wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;

2. wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;

3. wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;

4. wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;

5. wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;

6. wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;

7. wenn die Partei

a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder

b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

III. Bedeutung und Aktuelles

1. Praktische Bedeutung

Die praktische Bedeutung der Restitutionsklage ist gering, weil sie eine Ausnahmeregelung ist.

2. Aktueller Fall

Sie ist jedoch durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Verfahren im Fall Jahn u.a. gegen die Bundesrepublik Deutschland in die aktuelle Diskussion geraten.

Die 5 Beschwerdeführer waren Erben von Bodenreformgrundstücken. Sie mussten diese Grundstücke aufgrund der Regelungen des 2.Vermögensrechtsänderungsgesetzes wegen fehlender Zuteilungsfähigkeit ohne Entschädigung dem Fiskus überlassen.. Während die Zivilrechtsprechung die Regelungen angewandt hat und das Bundesverfassungsgericht wiederholt in Nichtannahmebeschlüssen eine Verfassungswidrigkeit verneint hat, hat der EGMR einen Menschenrechtsverstoß darin gesehen, dass die Beschwerdeführer keine Entschädigung erhalten haben.

Dieses Kammerurteil hat weithin Beachtung und sehr unterschiedliche Würdigung gefunden. Die Bundesregierung hat angekündigt, die Einlegung des Rechtsmittels zu prüfen. Der Große Senat des EGMR soll jetzt tatsächlich angerufen werden.

Vereinzelte Stimmen der Rechtsliteratur wollen teils § 580 Nr.6, teils § 580 Nr.7 Buchstabe b ZPO entsprechend anwenden und meinen, eine Restitutionsklage könne bei einem späteren EGMR-Urteil zulässig sein.

Von der Rechtsprechung wird eine Wiederaufnahme wegen Entscheidungen des EGMR abgelehnt. So hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Beschluss vom 11.10.1985, der die angestrebte Wiederaufnahme eines Strafverfahrens betraf, entschieden, dass weder die Menschenrechtskonvention noch das Grundgesetz dazu verpflichteten, einem Urteil des EGMR, dass die Entscheidung eines deutschen Gerichts unter Verletzung der Menschenrechtskonvention zustande gekommen sei, eine die Rechtskraft dieser Entscheidung beseitigende Wirkung beizumessen (BVerfG NJW 1986, 1425 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einem Beschluss vom 04.06.1998 entschieden, dass eine einen Konventionsverstoss feststellende Entscheidung des EGMR in einem Fall ähnlicher Art keine Wiederaufnahme eines rechtskräftigen Disziplinarverfahrens rechtfertige (BVerwG NJW 1999, 1649 ff.). Das BVerwG hat auch darauf hingewiesen, dass der EGMR Hoheitsakte der Vertragsstaaten nicht aufheben könne und die Urteile des EGMR nur feststellende, keine kassatorische Wirkung haben.

In den Fällen älterer Urteile ist eine Restitutionsklage schon wegen Zeitablaufs unzulässig, denn gemäß § 586 Absatz 2 Satz 2 ZPO sind die Klagen nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tage der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, unstatthaft.