Zum Inhalt springen

Gschliefgraben

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. Februar 2010 um 18:25 Uhr durch XSebastianx (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Datei:Gschliefgraben Gesamtansicht.jpg
Gschliefgraben

Koordinaten: 47° 52′ 25″ N, 13° 50′ 26″ O

Karte: Oberösterreich
marker
Gschliefgraben
Gschliefgraben
Beschreibung Schuttkegel
Lage Bei Gmunden (OÖ) zwischen Grünberg und Traunstein
Länge 3 km
Breite 1 km
Ereignisse ca. alle 100 Jahre schwere Hangrutschungen
Forschungsgebiet Gschliefgraben nach Boué 1832
Forschungsgebiet Gschliefgraben nach Mojsisovics und Schloenbach 1864
Forschungsgebiet Gschliefgraben nach Koch 1894

Der Gschliefgraben liegt am Ostufer des Traunsees im oberösterreichischen Salzkammergut. Zwischen dem 1004 m hohen Grünberg und dem 1691 m hohen Traunstein erstreckt sich der Gschliefgraben über eine Länge von drei Kilometern und einer Breite von einem Kilometer. Bekannt wurde der Gschliefgraben aufgrund von Erdrutschungen und Massenbewegungen von Geröll.


Aufgrund seiner langen Geschichte war der Gschliefgraben Gegenstand zahlreicher geologischer Studien. Der Name kommt aus dem umgangssprachlichen Wort ‚schliefen‘ (rutschen). Es gibt zahlreiche Aufzeichnungen über den sich bewegenden Schuttkegel, der bereits viele Häuser in den Traunsee geschoben hat.


Grünberg
Traunsee Kompassrose, die auf Nachbargemeinden zeigt Hochriedel
Traunstein


Erforschungsgeschichte

Die besonderer Geologie des Gschliefgrabens bemerkte erstmals der Wissenschaftler Ami Boué im Jahr 1832. Weiters berichteten Edmund von Mojsisovics und Urban Schlönbach im Jahre 1864 über Ungereimtheiten in der Gesteinsabfolge des Gschliefgrabens.[1] Sie fanden heraus, dass zwischen den Flysch-Gesteinen des Grünbergs und den Kalkgesteinen des Traunsteins aus der Trias- und Jurazeit Tertiär-Gesteine liegen. Dieser Befund steht im Widerspruch zur normalen stratigraphischen Abfolge.[2]


1983 untersuchte der Geologe Siegmund Prey der Geologischen Bundesanstalt den Gschliefgraben und konnte in weiterer Folge feststellen, dass er ein tektonisches Fenster des Ultrahelvetikums zwischen Rhenodanubikum und den Kalksteinen der Kreide ist. Die Freilegung der Gesteine des Fensters geht auf tektonische Bewegungen und jahrtausendelange Erosion zurück.[2]


Schadensfälle

Die Menschen nutzten den Gschliefgraben schon seit jeher als Besiedlungsgebiet. In regelmäßigen Abständen fanden dort jedoch Hangrutschungen statt; und so wurden immer wieder Häuser und Kulturland in den Traunsee geschoben. Die Aufzeichnungen über Hangrutschungen und Felslawinen reichen bis ins Jahr 1460 zurück, als auf dem Schuttkegel Kulturgründe, Wohn- und Wirtschaftsgebäude verwüstet wurden. Im Jahr 1700 versank ein ganzer Teil des Schuttkegels im Traunsee und hinterließ eine kleine Bucht.[3]


Die letzte Naturkatastrophe ereignete sich im Jahr 2007/2008. 3,8 Millionen Kubikmeter Erdmaterial bewegten sich Richtung Traunsee. Die Erdmassen vernichteten ein Drittel des Gschliefgrabens, und zwölf Häuser drohten in den Traunsee geschoben zu werden. Die Wildbach- und Lawinenverbauung, eine Dienststelle des Lebensministeriums, legte 2007/2008 ein Sanierungskonzept mit einer geplanten Dauer von etwa 10 Jahren auf, dessen Kosten auf etwa 10-15 Millionen Euro geschätzt wurden. Das Land Oberösterreich unterstützt diese Investitionen.[4]


Schadensfälle 14. bis 16. Jahrhundert

Aufzeichnungen über Schadensfälle im Gschliefgraben gehen zurück bis in das 14. Jahrhundert. Ca. 1460 fanden Hangrutschungen im Bereich des Gschliefgrabens statt und beschädigten die dort angesiedelten Häuser und Wirtschaftsgebäude. Während des 15. Jahrhundert gibt es keine Aufzeichnungen über Schadensfälle im Gschliefgraben.


Zwischen 1630 bis 1634 wurde die Brennholzbeschaffung von der K.k Forstdirektion im Gschliefgraben verboten. Bereits zw. 1660 und 1664 ereignete sich erneut eine Hangrutschung im Gschliefgraben. Ausgelöst durch eine Felslawine, begann sich der Gschliefgraben in Richtung Traunsee zu bewegen und versenkte dabei das Bauernhaus „Harschengut“ im im Traunsee.[5]


Schadensfälle 17. bis 18. Jahrhundert

Um 1700 verursacht ein Erdstrom eine Rutschung im Gschliefgraben und Teile des Schuttkegels versinken im Traunsee. Ca. 30 Jahre später, im Jahr 1734, werden durch einen Erdstrom mehrere Wohnhäuser und Gründe in den Traunsee geschoben. Aufgrund der Holzschlägerungen im Bereich des waldreichen Gschliefgraben kam es zu vermehrten Schadensfällen und Rutschungen in dieser Zeit. Die Salzwirtschaft des Habsburger Kaiser verwendete das Holz zur Produktion von Salz.


1860 ereignete sich eine Murrutschung im Bereich des Liedringgrabens, welcher sich im oberen Teil des Gschliefgraben befindet. 1884 und 1891 wurden der Gschliefgraben Haupterdstrom aufgrund von Felslawinen zurückgestaut.[6]


Schadensfälle 19. Jahrhundert

Schäden im Gschliefgraben im Jahr 1910
Gschliefgraben im Jahr 1910


Die erste Katastrophe im 19. Jahrhundert ereignete sich 1910 im Bereich „Hoisn“. Etliche Wald- und Obstbäume wurden von einem 10-15 Meter dicken Erdstrom vernichtet und das dort befindliche Kulturland wurde zerstört. Durch Erd- und Murströme wurden im Jahr 1920 sowie 1947 das Gasthaus Ramsau beschädigt.


Im Jahr 1955 wurde der Gmundner Campingplatz, welcher sich zu dieser Zeit am Ostufer des Traunsees, unterhalb des Gschliefgrabens befand von einer 1 Meter dicken Mure verschüttet. Nur 22 Jahre später, wurde der Campingplatz erneut von einer 2,5 Meter dicken Mure überdeckt. In weiterer Folge wurde der Campingplatz geschlossen und an einer anderen Stelle errichtet.[7]


Gschliefgraben-Rutschung 2007/2008

Sanierungsplan von Adalbert Pokorny
Datei:Kanäle Gschliefgraben.jpg
Kanäle Gschliefgraben
Datei:Gefahrenzone Gschliefgraben.jpg
Gefahrenzone Gschliefgraben


Im Jahre 2007/2008 fand die letzte große Hangrutschung statt. Nach einem Hinweis des Geologen Dr. Johannes Weidinger wurden 2004 Untersuchungen im Gschliefgraben durchgeführt. Die Untersuchungen ergaben, dass eine erneute Hangrutschung bevorsteht. Aufgrund tektonischer Bewegungen und des jahrelangen Versickerns von Wasser im Boden, begann das Erdreich wieder in Richtung Traunsee zu rutschen. Die Bewegungen reichten bis in eine Tiefe von 20 Metern und eine Masse von vier Millionen Kubikmetern bedrohte zwölf Wohnhäuser und gastwirtschaftliche Objekte.[8] Der Gefahrenberich des Gschliefgraben verläuft an der Traunsteinstraße "Unterm Stein" in Gmunden vom Gasthaus Ramsau nach Süden bis zum Traunsteineinstieg "Herndlersteig".Innerhalb diesem Bereiches erfolgte 2007 eine Evakuierung der Bewohner, sowie während der kritischen Phase ein Betretungsverbot.[9]


Der Gschliefgraben wurde zu einer Großbaustelle, und Geologen versuchten die Hangrutschungen zu vermeiden. Die Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) begann mit einem Sanierungsprojekt, um die bevorstehende Katastrophe abzuwenden, und investierte in Stabilisierungsmaßnahmen. Die Bewohner der bedrohten Häuser mussten evakuiert werden, und der Gschliefgraben wurde zum Gefahrengebiet erklärt.[10]


Bereits um 1900 hatte Adalbert Pokorny einen Sanierungsplan für den Gschliefgraben entworfen, indem man das Rutschgebiet mit Kanälen verbauen sollte. Dieser Plan wurde im Jahr 2008 überarbeitet und an die technischen Möglichkeiten des 20. Jahrhundert angepasst. Entlang des Gschliefgrabens wurden Kanäle mit zehn Metern Tiefe und acht Metern Breite angelegt. Diese Kanäle ermöglichen ein Abfließen von Wässern, die den Gschliefgraben zusätzlich gefährden. Die Sanierungsarbeiten sind noch immer im Gange.[11]


Sanierungsmaßnahmen

Geologisches Gutachten von Prof. Gustav Adolf Koch

Im Laufe der Jahre fanden zahlreiche Sanierungsmaßnahmen im Gschliefgraben statt. Ziel dieser Maßnahmen waren die Hangrutschungen zu stoppen und das Leben im Gschliefgraben ohne Gefahren zu ermöglichen. Die ersten Aufzeichnungen über Sanierungsmaßnahmen gehen zurück ins Jahr 1630. Die K. k. Forstdirektion verhängte ein Verbot über die Brenn- und Bauholzbeschaffung im Gschliefgraben.


Nach einer Felslawine im Jahr 1884 beobachtet der K.K Oberförster Höller das Rutschgebiet rund um den Gschliefgraben und sieben Jahre später erfolgte der Auftrag vom K.K Ackerbauministerium an die Wildbach und Lawinenverbauung (WLV) den Gschliefgraben und deren Rutschdynamik zu untersuchen. Im Jahr 1894 erfolgte das erste geotechnische Gutachten von Prof. Gustav Adolf Koch, welcher ein Drainagesystem im Gschliefgraben vorschlug. Die WLV erarbeitete in weiterer Folge einen Plan zur Drainage des Gschliefgrabens aus.


1897 erfolgte die Errichtung der Traunsteinstraße, welche vom Gmundner Seebahnhof bis zum Traunstein reicht. Im Jahr 1910 wurde der Liedringbach eingedämmt um ein Rutschung im Bereich der Ramsau zu verhindern. Der bestehende Wald im Rutschgebiet wurde zum Bannwald umgewidmet. Von 1961 bis 1976 wurde der Gschliefgrabenbach mit 21 Betonsperren versehen. In den Jahren 1974 bis 1983 konnte mithilfe eines Drainagesystem und forsttechnischen Maßnahmen der Errosionsprozess im Gschiefgraben teilweise eingedämmt werden.


Seit dem Jahr 2007 läuft die größte Sanierungsmaßnahme in der Geschichte des Gschliefgrabens. Die Wildbach und Lawinenverbauung erarbeitet ein Konzept zur Sanierung des Gschliefgrabens. Das Projekt wird 10 Jahre in Anspruch nehmen und ca. 10-15 Millionen Euro kosten. Unterstützung erhält die WLV vom Land Oberösterreich, welches die Sanierungsarbeiten fördert und unterstützt.[12]


Sanierungsmaßnahmen Rutschung 2007/2008

Datei:Schäden Gschliefgraben 2008.jpg
Schäden im Gschliefgraben Rutschung 2007/2008
Datei:Arbeiten Gschliefgraben.jpg
Sofortmaßnahmen nach der Rutschung 2007/2008

Die Rutschung im Gschliefgraben begann mit dem 28.11.2007, wo sich starke Massenbewegungen im Bereich des Gschliefgrabens ereigneten. Von diesem Tag an wurde der Gschliefgraben zum Katastrophengebiet erklärt und durch einen Krisenstab, der aus dem Bürgermeister von Gmunden, der Bezirkshauptmannschaft Gmunden und der Wildbach und Lawinenverbauung bestand, wurden erste Sofortmaßnahmen beschlossen. Ca. 100 Personen aus 55 Häusern mussten das Katastrophengebiet verlassen und in weiterer Folge wurde die Traunsee-Ostuferstraße für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Bereits seit 1974 besteht im Gefahrenbereich ein Bebauungsverbot. Ziel dieser Maßnahmen war die Entlastung und Stabilisierung des Schwemmkegels im Gschliefgraben und somit der Schutz für die dort lebende Bevölkerung. Verantwortlich für die Umsetzung ist die Wildbach und Lawinenverbauung, die für die Koordination der Baumaßnahmen verantwortlich ist, sowie ein Frühwarn- und Monitoringsystem errichtete.


Folgende Sofortmaßnahmen wurden durchgeführt:

• Ableitung von 10.000 Tonnen Wasser pro Tag aus dem Rutschgebiet

• Abtransport von 160.000 m³ innerhalb der ersten 7 Monate

• Holzrodungen auf 22ha zur Durchführung der Sanierungsmaßnahmen

• Errichtung von 220 Entwässerungsbrunnen

• Ständige Evaluierung der eingeleiteten Maßnahmen


In weiterer Folge sind noch einige Sanierungsmaßnahmen zu tätigen um den Gschliefgraben zu entschärfen. Zum Einen müssen noch etliche m³ Erdmaterial aus dem Gschliefgraben abtransportiert werden um den Hang zu entlasten, zum Anderen sind es Entwässerungs- und Hochwasserschutzmaßnahmen, die durch die Errichtung von weiteren Ableitungsgräben und Drainagekanälen gewährleistet werden.


Die Wiederaufforstung des Gschliefgrabens zur Entlastung des Gschliefgrabens ist ein weiterer wichtiger Bestandteil der Sanierungsmaßnahmen. Ziel der Errichtung eines Frühwarn- und Monitoringsystem ist die sofortige Evakuierung der Bewohner des Gschliefgrabens im Katastrophenfall. Dies wird gewährleistet durch Refraktionsmessungen, Kernbohrungen, Bodenuntersuchungen und zahlreiche weitere geotechnische Maßnahmen.


Die Sanierungsmaßnahmen werden in etwa 10 Jahre in Anspruch nehmen und voraussichtlich 11,5 Millionen € kosten. Die Arbeiten wurden in drei Dringlichkeitsstufen eingeteilt. Der Versicherungsschaden würde sich auf rund 30 Millionen € belaufen. Da das Projekt zur Sanierung nur ein Drittel, also rund 11 Millionen € kostet, haben sich die Verantwortlichen zur Sanierung des Gschliefgrabens entschlossen.[13]

Dringlichkeitsstufe Zeitraum Kosten in Mio. €
I 2008/2009 5,0
II 2010 - 2014 4,0
III 2015 - 2017 2,5

Literatur

  • P. Baumgartner: Erd- und Schuttströme im Gschliefgraben bei Gmunden am Traunsee (OÖ) – Zur Geologie, Entstehung, Entwicklung und Sanierung. In: Mitteilungen der Gesellschaft der Geologie- und Bergbaustudenten Österreichs. Band 27. Wien 1981, S. 19–38.
  • M. Jedlitschka: Analyse von Massenbewegungen in Verwitterungsdecken auf Flysch und Buntmergel und deren Stabilitätsverbesserung am Beispiel des Gschliefgrabens bei Gmunden. Hrsg.: Universität für Bodenkultur Wien. Wien 1990, S. 1–158 (Unveröffentlichte Dissertation).
  • Die Wildbach- und Lawinenverbauung in Österreich, Forsttechnischer Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung, Sektion OÖ, Gebietsbauleitung Salzkammergut (Hrsg.): Gefahrenzonenplan Gmunden (1. Revision), Gemeinde Gmunden, Bezirk Gmunden. 2000.
  • Johannes Weidinger: Das Gschliefgraben-Rutschgebiet am Traunsee-Ostufer (Gmunden/OÖ) – Ein Jahrtausende altes Spannungsfeld zwischen Mensch und Natur. In: Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt. Band 149, Heft 1, 2009, ISSN 0016–7800(?!), S. 195–206 (Online-Version; pdf-Datei; 6,95 MB).


Einzelnachweise

  1. E. v. Mojsisovics und U. Schlönbach: Das Verhalten der Flyschzone zum Nordrande der Kalkalpen zwischen dem Traun- und Laudachsee bei Gmunden. In: Verhandlungen der Geologischen Reichsanstalt. 1868, S. 212–216.
  2. a b Weidinger 2009, 196ff
  3. Geologische Bundesanstalt (Hrsg.): Zur Entwicklung der Massenbewegungen im Gschliefgraben. S. 2.
  4. Weidinger 2009, Seite 198
  5. Weidinger 2009, Seite 197
  6. Weidinger 2009, Seite 197
  7. Weidinger 2009, Seite 197f
  8. Weidinger 2009, Seite 202
  9. Forstzeitung Special 6/2009, Seite 16
  10. Weidinger 2009, Seite 202
  11. Weidinger 2009, Seite 202
  12. Weidinger 2009, Seite 197f
  13. Die.Wildbach und Lawinenverbauung (Hrsg.): 200 Tage Gschliefgraben.


Siehe auch