Die Super Nanny
Fernsehserie |
Die Super Nanny ist ein Coaching-Fernsehformat des Senders RTL im Charakter des Reality TV, in welchem die Diplom-Pädagogin Katharina Saalfrank Familien in Erziehungsfragen berät.
Das Format Super Nanny stammt aus Großbritannien (dort unter dem Titel Supernanny erstmals im Juni 2004 ausgestrahlt) und wird weltweit unter verschiedenen Namen produziert. Produzent des Formates ist in Deutschland die Produktionsfirma Tresor TV. Seit der Erstausstrahlung am 19. September 2004 läuft die deutsche Version der Sendung (mit Unterbrechungen) wöchentlich, mittwochs um 20:15 Uhr. Zwischenzeitlich wurde versucht, neben Saalfrank die Diplom-Sozialpädagogin Nadja Lydssan als zweite Super Nanny zu etablieren. Nach einer Staffel, in der beide im Wechsel auftraten, wurde die Sendung ohne Nadja Lydssan fortgesetzt.[1]
Mit der Sendung am 27. Mai 2009 wurde die Super Nanny vorerst eingestellt.[2] Weitere Folgen sind in Auftrag gegeben.[3]
Konzept
In jeder Folge wird jeweils eine Familie in Erziehungsfragen beraten. Die Super Nanny besucht dabei die Beteiligten in ihrem familiären Umfeld und beobachtet die Situation, bevor sie aktiv eingreift. Dabei berät sie insbesondere die Eltern in Erziehungsfragen. In der Selbstdarstellung der Sendung heißt es hierzu: „RTL will mit diesem Format einerseits den betroffenen Familien eine Hilfestellung bieten, andererseits aber auch dem Zuschauer anhand von unterschiedlichen Fällen Lösungsansätze für Probleme in der eigenen Familie aufzeigen.“[4] Die Beraterin Katharina Saalfrank sieht sich dabei als eine „Übersetzerin des Verhaltensmusters der Kinder bei den Eltern“.
Bei ihrer Arbeit für Die Super Nanny betrachtet Saalfrank das Familiensystem in seiner Gesamtheit und wendet Bausteine der Systemischen Theorie an. Auch Methoden aus der Sozialarbeit werden praktiziert.
Erste Schritte ihrer Arbeit sind es, eine neue Perspektive für die Eltern zu schaffen, die meist nur noch defizitorientiert auf ihre Kinder sehen können und bei den Eltern Verständnis für das Kind zu wecken. Ziel ist es dabei, das Kind zu stärken und durch die direkte Unterstützung der Eltern im Alltag möglichst viele positive gemeinsame Erfahrungen zwischen Eltern und Kindern zu vermitteln. Auch die Videoanalyse, die den Eltern oft ihre eigene schwierige Verhaltensweise gegenüber den Kindern vor Augen führt und zu einer intensiven inneren Auseinandersetzung mit sich selbst führen kann, ist ein Element der pädagogischen Arbeit.
Rezeption
Ein Forschungsprojekt des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien versucht, Schwächen und Stärken des Formats aufzuzeigen. Dabei wurden verschiedene internationale Formate der Sendung betrachtet. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die RTL-Sendung von Katharina Saalfrank bei der Art der Orientierungsvermittlung eine Mittelposition zwischen einem paradigmatischen und einem theoretisch abstrahierenden Orientierungsstil einnehme. Die Autoren der Studie sehen das Potential der Sendung unter anderem darin, dass sie „vor allem bei den einkommensschwachen Bevölkerungssegmenten, die über geringe Bildungsressourcen verfügen […] die Akzeptanz für Erziehungsberatung fördern“ könne.[5]
Der Verhaltens- und Sozialwissenschaftler Jan-Uwe Rogge kritisiert unter anderem, dass keine Diagnostik kindlicher Entwicklungsprozesse stattfinde und unangepasstes Verhalten grundsätzlich als behandlungsbedürftig dargestellt werde. Die Sendung sei vordergründig auf Erziehungstechniken reduziert, auf Einsicht und Partizipation aller Beteiligten werde kein Wert gelegt. Sie fördere daher eine Tendenz zum „Machbarkeitswahn“ in der Pädagogik.[6]
Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) der Landesmedienanstalten hat Die Super Nanny überprüft und stuft die Sendung als sehr problematisch ein. Es sei nicht auszuschließen, dass einzelne Kinder durch die gewählten Darstellungsformen in der Öffentlichkeit eine Stigmatisierung erfahren, welche zu nachteiligen Folgen für sie führen kann. Einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages konnte die Kommission nicht feststellen.[7]
Der Deutsche Kinderschutzbund kritisierte, dass die Sendung suggeriere, komplexe Erziehungsprobleme innerhalb von wenigen Tagen lösen zu können. Des Weiteren wurde bemängelt, dass Katharina Saalfrank fast ausschließlich auf die Bedürfnisse der Eltern und nicht die der Kinder eingehe.[8]
Nach Ansicht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel bedient die Sendung „Voyeurismus, Schadenfreude und Besserwisserei des Publikums“.[9]
Die Medienwissenschaftlerin Helga Theunert erkennt eine Gefahr in der „Unterstützung vorurteilsbehafteter und verzerrter Vorstellungen in Bezug auf Familienleben und Erziehungsberatung“,[10] die Erziehungswissenschaftlerin Sigrid Tschöpe-Scheffler sieht die dargestellten Kinder als „Opfer des Reality-TV“.[11] Der Kinderpsychologe Wolfgang Bergmann äußert sich ebenfalls kritisch: Seiner Meinung nach werden Kinder traumatisiert, Eltern entmündigt und einfachste Grundregeln der Psychologie missachtet. Die Pädagogin Andrea Schmidt kritisiert, dass den Zuschauern Inszenierungsmuster zugemutet würden, die dem Sender publikumswirksam erscheinen. Das Format ziele auf Emotionalisierung, Personalisierung sowie vermeintliche Authentizität und sei daher als Affektfernsehen einzustufen. Das soziale Umfeld und andere Sozialisierungsinstanzen würden in der Regel ausgeblendet, die Kinder durch „Draufhalten“ der Kamera in emotionalen Situationen bloßgestellt und durch Kommentare diskriminiert.[12]
Katharina Saalfrank selbst bedauert das Nichtvorkommen von Migrantenfamilien in der Sendung. Es gäbe entsprechende Bewerber, der ausstrahlende Sender RTL möchte den Zuschauern aber keine Untertitel zumuten, so Spiegel Online.[13]
Das NDR-Medienmagazin Zapp berichtete 2009, dass die Familien für die Sendung durch eine spezialisierte Casting-Agentur vermittelt würden und für die Teilnahme 2000 € erhielten. So sei eine „Supernanny“-Familie vorher bereits für verschiedene andere Reality-Formate vermittelt worden.[14]
Literatur zur Sendung
Im Mai 2005 erschien ein Begleitjournal, das Offizielle Super Nanny-Magazin, in einer Auflage von 200.000 Exemplaren, herausgegeben vom Panini Verlag. Es vertiefte die Thematik der Sendung und berichtete von langfristigen Erfolgen der Erziehungsintervention. Wegen geringer Verkaufszahlen wurde das Magazin bereits nach einer Ausgabe eingestellt.
Wissenschaftliche Literatur
- Ulrike Prokop (Hrsg.): Erziehung als Unterhaltung in den populären TV-Ratgebern "Super Nanny" und "S.O.S. Schule". Tectum Verlag, Marburg 2008. ISBN 978-3-8288-9652-9
Auszeichnungen
- 2005: Preis der beleidigten Zuschauer für die Verletzung der Würde von Kindern durch Vorführen in Extremsituationen
- 2007: Deutscher Fernsehpreis in der Kategorie Bester TV Coach an Katharina Saalfrank
Einzelnachweise
- ↑ Mara Thölkes: Aus dem Fernsehen ins anonyme Internet. In: General-Anzeiger Online. 5. Januar 2006, abgerufen am 7. Oktober 2008.
- ↑ Episodenguide bei RTL Now. In: RTL.de. Abgerufen am 23. Juli 2009.
- ↑ Neue Einsätze für "Super Nanny". Abgerufen am 23. Juli 2009.
- ↑ Erziehungsprobleme? Hier für 'Die Super Nanny' bewerben! In: RTL.de. Abgerufen am 27. September 2008.
- ↑ Judith Arnold: Die Super Nannys und ihr Publikum. In: Medienheft. 22. September 2006, abgerufen am 27. September 2008.
- ↑ Jan-Uwe Rogge: Pädagogische Erniedrigung oder niederschwelliges Beratungsangebot. Kritische Anmerkungen zur Super Nanny und Konsorten. In: Kind Jugend Gesellschaft 50.2005, S. 115-118
- ↑ Cordula Diehm: Dick, gewalttätig und asozial. In: Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen. 4. Dezember 2007, abgerufen am 27. September 2008.
- ↑ Deutscher Kinderschutzbund: Stellungnahme zur neuen RTL Reality-Serie die Super Nanny. 7. Oktober 2004, abgerufen am 27. September 2008.
- ↑ TV-Rückblick. In: Der Spiegel. Nr. 43, 23. November 2006, S. 128 (PDF [abgerufen am 27. September 2008]).
- ↑ Helga Theunert: Ist die "Super-Nanny" wirklich super? In: Online-Familienhandbuch des Staatsinstituts für Frühpädagogik. 6. Juli 2005, abgerufen am 27. September 2008.
- ↑ Frank Berzbach: Super Nanny und Konsorten. In: sciencegarden. 1. Januar 2005, abgerufen am 27. September 2008.
- ↑ Andrea Schmidt: Alles super Nanny? Zur medialen Inszenierung von Erziehung. In: Unsere Jugend 60.2008, S. 392 - 398
- ↑ Thorsten Dörting: "Koch hat keine Ahnung". In: Spiegel Online. 17. Januar 2008, abgerufen am 27. September 2008.
- ↑ Zapp am 11. März 2009
Weblinks
- Vorlage:IMDb Titel
- Die Super Nanny auf RTL.de
- Super Nanny bei RTLnow
- TV-Debatte - Super Nannys im Vergleich/Interview mit Kommunikationswissenschaftler Jürgen Grimm - ZEIT ONLINE 5. Dezember 2008
- Super Nanny: Prügeln vor der Kamera - ZEIT ONLINE 5. Dezember 2008