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Föderalismus

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Föderalismus (abgeleitet von lateinisch: foedus - Bündnis) ist eine Staatsform, bei der die einzelnen Gliedstaaten eines Bundesstaates oder Staatenbundes ihre Selbständigkeit in großem Maß behalten und auch an der Regierung beteiligt sind.

Dieses Prinzip steht im Gegensatz zum Zentralismus, Frankreich ist bspw. ein Zentralstaat. Beispiele für föderalistische Staaten sind die USA, die Bundesrepublik Deutschland oder die Schweiz.

Föderalismus in Deutschland

Grundgesetz

In der Bundesrepublik Deutschland ist der Föderalismus durch das Grundgesetz geregelt. Schon die Präambel bringt zum Ausdruck, dass der Gesamtstaat aus mehreren Gliedstaaten besteht. In Art. 20 Abs. 1 GG wird die Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich als Bundesstaat konstituiert. In Art. 79 GG ist die Institution des Bundesrates als Vertretung der Bundesländer festgeschrieben, die in der Gesetzgebung Deutschlands ein Zweikammersystem einführt.

Mitglieder der Landesregierungen stellen die Mitglieder des Bundesrates. Die Anzahl der Stimmen pro Land hängt von der Einwohnerzahl der einzelnen Länder ab und variiert von drei bis sechs Stimmen.

Der Bundesrat hat über alle Gesetze, die zuvor vom Bundestag beschlossen wurden, zu beraten und zu entscheiden. Je nach Rechtsmaterie und Auswirkungen des neuen Gesetzes unterscheidet man Zustimmungsgesetze, die ohne Zustimmung des Bundesrates nicht in Kraft treten können, und Einspruchsgesetze, bei denen der Bundestag den Einspruch des Bundesrats mit absoluter Mehrheit zurückweisen kann. Im Falle der Uneinigkeit zwischen Bundestag und Bundesrat kann vom Bundestag, vom Bundesrat oder der Bundesregierung der Vermittlungsausschuss - ein gemeinsamer Ausschuss aus Vertretern von Bundestag und Bundesrat - angerufen werden (Art. 50 f., 77 GG). (Aber: Bundestag und Bundesregierung können nur bei Zustimmungspflichtigen Gesetzen den Vermittlungsausschuss anrufen)(Art. 50 f., 77 GG).

Geschichte

Im Deutschen Bund, einem Staatenbund der 1815 gegründet wurde, gab es bereits föderale Elemente: Die einzelnen Fürstentümer entsandten Vertreter in den Bundestag in Frankfurt. Dieser Bundestag hatte jedoch nicht die Möglichkeit, in die Souveränitätsrechte der einzelnen Bundesstaaten einzugreifen, und regelte in erster Linie den Verteidigungsfall und die gemeinsame Unterdrückung von nationalen und liberalen Bewegungen.

Im Deutschen Reich ab 1871 vertrat der Bundesrat und in der Weimarer Republik ab 1919 der Reichsrat die Interessen der Länder. Die Nationalsozialisten zerschlugen den deutschen Föderalismus (so genannte "Gleichschaltung") und beherrschten die zu Gauen umgebildeten Einheiten mit Hilfe des Führerprinzips.

Probleme

Der Föderalismus birgt in sich die Gefahr, die Einheit des Gesamtstaates, des Bundes, zu zerstören. Um diesem Problem entgegenzuwirken, schufen die Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland Institutionen, die ein gemeinsames Vorgehen in wichtigen Bereichen abstimmen.

Ein Beispiel hierfür kann die Kultusministerkonferenz sein, die dafür sorgen soll, dass möglichst einheitliche Kriterien im Schulwesen der einzelnen Länder angewendet werden. Ein Teil der Kritiker meint, dass dadurch eine Gleichmacherei entsteht, die den großen Vorteil des Bildungsföderalismusses, ein Wettstreit der Länder um das beste System, in einen faulen Kompromiss auflöst. Andere sind der Auffassung, die Schulsysteme hätten sich bereits so weit auseinander entwickelt, dass die Probleme beim Umzug und bei der Anerkennung der Abschlüsse ein echter Standortnachteil Deutschlands seien.

Ein weiteres Problem ist der so genannte Dauerwahlkampf, der dadurch entsteht, dass durch die Vielzahl der Bundesländer in irgendeinem Teil Deutschlands fast immer die nächste Wahl bevorsteht. Dies lähme auch die Bundespolitik, meinen Kritiker, da sich Bundespolitiker in Wahlkampfzeiten auch in den Bundesländern engagieren und viele Bürger nicht deutlich zwischen Bundes- und Landespolitik unterscheiden. Dieses Problem könnte man lindern, indem man die Wahlen in allen Bundesländern zum einem gemeinsamen Stichtag veranstaltet. Dies würde die Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit der Regierung erhöhen, erregt jedoch regelmäßg Widerspruch aus den Reihen der jeweiligen Oppositionsparteien.

Weiterhin ist Föderalismus teuer: Eine große Zahl, durch bundesweite Vereinheitlichung und Kompetenzabgabe an den Bund weitgehend einflusslos gewordene Länderparlamente müssen unterhalten werden, dazu die Verwaltungen und Gerichte (mit jeweils eigenen Gesetzen, Anordnungen und Durchführungsbestimmungen, eigenen Drucksachen, eigener Software und speziell ausgebildeten Beamten).

Aus diesen Gründen wird seit Beginn der Bundesrepublik immer wieder gefordert, kleinere Bundesländer zusammenzulegen: Im Dezember 2003 forderte beispielsweise Matthias Platzeck die Zusammenlegung von Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Immer wieder werden auch die Zusammenlegungen von Bremen, Hamburg und Niedersachsen, sowie von Rheinland-Pfalz und dem Saarland gefordert.

Föderalismus in der Schweiz

In der Schweiz ist der Föderalismus seit der Gründung ein Grundprinzip des Staates, das auch heute noch in der Bevölkerung einen hohen Stellenwert hat. Der Schweizer Föderalismus geht weit über eine Beteiligung an der Bundesregierung hinaus, sehr viele staatliche Aufgaben werden von den Kantonen in eigener Kompetenz geregelt.

Artikel 3 der Bundesverfassung lautet:

Art. 3 Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.

Aufgabenteilung

Der Bund darf also nur Aufgaben übernehmen, die ihm ausdrücklich übertragen sind - alle andern staatlichen Aufgaben werden von den Kantonen geregelt. Und die Kantone (und der Souverän) wachen eifersüchtig darüber, dass sich der Bund nicht, z.B. durch Verfassungsänderungen, Rechte aneignet, die er nicht hat.

Der Bund ist z.B. zuständig für Gesetzgebung im Zivil- und Strafrecht, Aussenpolitik, Geldwesen, Mehrwehrtsteuer und Zölle, Messwesen, Einsatz der Armee.

Ganz in der Kompetenz der Kantone liegt Kultur, Schulwesen, direkte Steuern, Gerichtswesen, Natur- und Heimatschutz, Strafvollzug, sie bestimmen ihre Amtssprache(n) und regeln das Verhältnis von Kirchen und Staat.

Viele Aufgaben sind geteilt - der Bund stellt allgemeine Regeln auf, die Kantone kümmern sich um die Durchführung.

Eine weitere Variante sind die Konkordate zwischen den Kantonen: mehrere (oder sogar alle) Kantone einigen sich, unabhängig vom Bund, darauf, gewisse Aufgaben aus ihrer Zuständigkeit (Fachhochschulen, Strafvollzug, Lehrerausbildung) gemeinsam zu lösen.

Mitsprache bei der Regierung

Die Beteiligung der Kantone bei der Bundesregierung geschieht im Wesentlichen auf drei Ebenen:

  • Bei einer Vernehmlassung werden alle betroffenen Kantone um Stellungnahme gebeten und können so ihre Ansicht einfliessen lassen, bevor das Gesetz überhaupt formuliert wird.
  • Die kleine Kammer des Parlaments, der Ständerat ist Vertretung der Kantone: jeder Kanton stellt zwei Ständeräte (Halbkantone einen), die gewöhnlich in Majorzwahl vom Volk gewählt werden. Der Ständerat ist dem Nationalrat gleichgestellt - alle Bundesbeschlüsse benötigen die Zustimmung beider Kammern.
  • Verfassungsänderungen, über die das Volk obligatorisch abstimmt, benötigen nicht nur ein Volksmehr sondern auch ein Ständemehr (die Mehrzahl der Kantone muss zustimmen).

Vorteile des Schweizer Föderalismus

Der Föderalismus fördert Stabilität und den Zusammenhalt des Bundesstaates:

  • Angesichts der Vielfalt von Kulturen, die sich nicht nur bezüglich Sprache sondern auch bezüglich Stadt/Land und katholisch/reformiert unterscheiden (französisch-ländlich-katholisch (Wallis), französisch-ländlich-reformîert (Waadt), französisch-städtisch-reformiert (Genf), deutsch-städtisch-reformiert (Zürich), deutsch-ländlich-reformiert (Bern), deutsch-ländlich-katholisch (Uri), deutsch-städtisch-katholisch (Zug) etc.) wäre es bei vielen staatlichen Aufgaben kaum möglich, eine Mehrheit für einen gemeinsamen Nenner zu finden.
  • Dadurch, dass diese Aufgaben der Kantonshoheit unterstehen, ist die Lösung für viel mehr Leute befriedigend, als das mit einer Einheitsregelung möglich wäre.
  • Minderheiten fühlen sich nicht durch den Staat übergangen oder in ihren Interessen verletzt
  • Viele Aufgaben des Staates werden näher beim Bürger gelöst, was die Staatsverdrossenheit einschränkt

Nachteile des Schweizer Föderalismus

Die Nachteile zeigen sich sehr schön beim Paradebeispiel Schule: Es gibt für sechs Millionen Einwohner sechsundzwanzig Schulsysteme - auch eines für die 15 000 Einwohner von Appenzell Innerrhoden. Jeder Kanton hat seine eigenen Schulbücher und seine Lehrerausbildung (mit einigen Ansätzen zur Koordination). Je nach Kanton (oder sogar Gemeinde) ist die Unterrichtssprache Deutsch, Französisch, Italienisch oder Rätoromanisch; kommt die erste Fremdsprache im zweiten, vierten, fünften, sechsten oder siebten Schuljahr, beginnt die Oberstufe im fünften, sechsten oder siebten Schuljahr... Nach jahrzehntelanger Anstrengung ist es jetzt gelungen, dass alle Kantone das Schuljahr im Herbst beginnen (d.h. irgendwann zwischen August und Oktober). Schulpflichtige Kinder von Familien, die innerhalb der Schweiz mehrmals umziehen, können da leicht ein Jahr verlieren. Übrigens sind eigentlich alle Kantone im Prinzip dafür, dass das Schulsystem in der Schweiz endlich vereinheitlicht wird - jedenfalls, "sofern die andern es so machen, wie es sich bei uns seit langem bewährt hat".


siehe auch: Bundesstaat, Subsidiarität