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Physiologus

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Der Physiologus ist ein frühchristliches Kompendium der Tiersymbolik.

Beschreibung

Entstanden ist er im 2. Jahrhundert vermutlich in Alexandria.

Der ursprüngliche Physiologus enthielt 48 Abschnitte, die meist reale oder fabelhafte Tiere, aber auch einen Baum und einige Steine behandeln. Der spätere byzantinische Physiologus enthielt 6 weitere Zusätze. Es gibt darüber hinaus noch eine dem Kirchenvater Basilius zugesprochene veränderte, stärker moralisierende Version, die 30 Abschnitte enthält.

Die einzelnen Abschnitte sind meist so aufgebaut, dass nach einer Einleitung, die das Tier benennt, und einer formelhaften Wendung „Der Physiologus sagt von ...“ Aussagen über das Verhalten des Tieres in bestimmten Situationen gemacht werden. Aus den beschriebenen Eigenschaften, dem Charakter und Verhalten des Tieres wird anschließend eine Analogie zur christlichen Heilsgeschichte hergestellt. Entweder finden sich symbolische Parallelen zu Christus, seinem Opfertod, Auferstehung und Erlösung (z.B. aus dem behaupteten Verhalten der Pelikanmutter, ihre Jungen mit ihrem Blut zu füttern), oder die Tiere geben Beispiel für christliche Tugenden. Ziel ist weniger die naturkundliche Information der Leserschaft als die Beweisführung, dass die sichtbare Schöpfung Zeichen für einen umfassenden christlichen Heilsplan sei. Entsprechend ausgewählt sind auch die einzelnen Tierlegenden. Abgeschlossen werden die meisten Kapitel mit der Formel "Wohlgesprochen hat der Physiologus über ...".

In der Version nach Basilius schließt sich dann noch eine moralisierende Auslegung an.

Verbreitung

Fol. 12v des Berner Physiologus

Der Physiologus wurde bald im ganzen christlichen Orient bekannt. Es gab koptische, äthiopische, syrische, armenische und sogar (vorislamisch) arabische Übersetzungen. Um 400 entstand die erste lateinische Übersetzung. Die lateinischen Übersetzungen ließen aber oft den auslegenden Teil weg. Aus diesen Fassungen entwickelten sich später die mittelalterlichen Bestiarien. Erste deutsche Übersetzungen sind seit dem 11. Jahrhundert bekannt. So entstand 1070 im Kloster Hirsau eine Übersetzung in alemannischer Mundart.

Wirkung

Die Wirkung des Physiologus auf die europäische Kultur kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. So finden sich sowohl in geistlichen, als auch in weltlichen Texten Anspielungen. Noch im Don Quixote finden sich die Berichte von Einhorn, Phönix, Biber und Turteltaube wieder.

Die größte Wirkung entfaltete der Physiologus im Bereich der christlichen Ikonographie. Besonders der Löwe, der seine Jungen durch Anhauchen belebt, der Pelikan, der mit seinem Blut seine Jungen, die er selbst getötet hatte, wieder lebendig macht (die Version, dass er die Jungen mit seinem Blut nährt, ist eine spätere Verharmlosung der Geschichte), das Einhorn, der Phoenix werden häufig dargestellt.

Literatur

  • Physiologus Frühchristliche Tiersymbolik; übersetzt und herausgegeben von Ursula Treu; Union Verlag Berlin 1981 -Mit ausführlichem Nachwort
  • Physiologus Griechisch/Deutsch; übersetzt und herausgegeben von Otto Schönberger; Reclamverlag Stuttgart 2001
  • Nikolaus Henkel: Studien zum Physiologus im Mittelalter. Tübingen, 1976. ISBN 3-484-15034-3
  • Friedrich Lauchert: Geschichte des Physiologus. Straßburg, 1889
  • Ben E. Perry: Artikel "Physiologus" in: Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft 20/1. Stuttgart, 1941
  • Klaus Alpers: Artikel "Physiologus" in: Theologische Realenzyklopädie Bd. 36, Berlin-New York 1996, S. 596-602. ISBN 3-11-017842-7
  • Christian Schröder: Der Millstätter Physiologus. Text, Übersetzung, Kommentar. Würzburg 2005. ISBN 3-8260-2736-1
Commons: Physiologus – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien