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Unierte Kirchen (evangelisch)

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Der Begriff Unierte Kirche bezeichnet die aus der Vereinigung (Union) verschiedener protestantischer Konfessionen hervorgegangenen Kirchen.

Kirchenfenster in der Stadtkirche Wiesloch mit Martin Luther (l.) und Johannes Calvin (r.) zur Erinnerung an die Badische Union von 1821.

Geschichte

Der lutherische und der reformierte oder calvinistische Zweig der Reformation entstanden unabhängig voneinander in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Versuche, die beiden Zweige zu vereinen, scheiterten insbesondere wegen unterschiedlicher theologischer Auffassungen über das Abendmahl (vgl. dazu etwa das Marburger Religionsgespräch 1529 zwischen Martin Luther und Ulrich Zwingli) und zur Christologie.

In Sachsen wurde 1601 der ehemalige Kanzler Nikolaus Krell als des Kryptokalvinismus Beschuldigter auf Betreiben der sächsischen Kurfürstin-Witwe Sophie von Sachsen hingerichtet. Sein Ziel war eine europäische Union aller Protestanten und die Beendigung des Bruderkrieges zwischen den beiden Kirchen der Reformation, der „lutherischen“ und der „reformierten“ Kirche.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts, bedingt durch alternative philosophische Ansätze im Zeitalter der Aufklärung, verflachten diese theologischen Unterschiede.

Durch die napoleonischen Kriege verursachte wirtschaftliche Schwierigkeiten ließen die theologischen Differenzen endgültig in den Hintergrund und die möglichen Synergieeffekte einer Vereinigung in den Vordergrund treten. So kam es am Anfang des 19. Jahrhunderts in einigen Gebieten Deutschlands, in denen die beiden protestantischen Konfessionen bis dahin parallel existiert hatten, zu Kirchenunionen.

Unionsbewegung im 19. Jahrhundert

Vereinigung von oben

In den meisten Fällen ging die Initiative von der staatlichen Obrigkeit aus – der Landesherr war nach deutschem Staatskirchenrecht ja zugleich (Not-)Bischof seiner evangelischen Landeskirche(n).

So wurde in Preußen aus lutherischen und reformierten Gemeinden 1817 die „Evangelische Kirche in Preußen“, später Evangelische Kirche der altpreußischen Union, zusammengeschlossen. Gegen diese von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen verordnete Union wandten sich die – später abwertend als Altlutheraner bezeichneten – lutherischen Bekenntnisgemeinden mit ihren Pfarrern im Agendenstreit.

Vereinigung von unten

In einigen wenigen Fällen kam es auch zu einer Vereinigung der Kirchen von unten. Zum Teil setzten Unionsbestrebungen in Deutschland schon zur Zeit der Aufklärung ein; in den linksrheinischen Gebieten wurden sie zur Zeit der Französischen Revolution populär.

So gab es z.B. schon im Jahre 1801/02 Unionsbestrebungen in Simmern/Hunsrück, Meisenheim (Glan) und Saarbrücken sowie im Donnersbergkreis. Die staatlichen Behörden dieser damals französisch besetzten Gebiete gaben jedoch den Gesuchen der Pfarrer und Gemeinden nicht statt, weil sie in die bestehenden kirchlichen Verhältnisse nicht eingreifen wollten. Erst im Jahre 1817, nachdem das heutige Saarland an Preußen gefallen war, wagten die Saarbrücker lutherischen und reformierten Pfarrer einen neuen Vorstoß, der von den Berliner Behörden genehmigt wurde. Damit kam es zur „Saarbrücker Union“, noch bevor der Unionsbeschluss der preußischen Regierung für die übrigen preußischen Gebiete „von oben“ dekretiert wurde.

Zu diesen Unionen „von unten“ zählt auch die Hanauer Union. Hier vereinigen 1818 auf einer Synode für den Bereich der ehemaligen Grafschaft Hanau-Münzenberg, damals Bestandteil des Kurfürstentums Hessen, 59 reformierte und 22 lutherische Pfarrer sowie zahlreiche Kirchenälteste ihre Gemeinden zu einer Unierten Kirche. Diese Union wird auch „Buchbinderunion“ genannt, weil man – aus ökonomischen Gründen – einfach den reformierten Heidelberger Katechismus und Luthers Katechismus in einem Buch zusammenband und es den Gläubigen überließ, was sie verwendeten.

Auch in einigen anderen deutschen Ländern schlossen sich lutherischen und reformierten Kirchen zu unierten Kirchen zusammen, so etwa in Baden (Unionsurkunde von 1821), Hessen und der Pfalz.

Kirchenkampf und „Bekennende Kirche“

Die Lehrdifferenzen des 16. Jahrhunderts verloren in Deutschland in der Weimarer Zeit an Bedeutung. Die in der die Bekennende Kirchezusammengeschlossenen Gemeinden und Strömungen setzten sich gegen die die Evangelische Kirche infiltrierenden hitlertreuen Deutschen Christen nicht nur organisatorisch, sondern auch inhaltlich zur Wehr. Nach dem Zusammenbruch des 3. Reichs näherten sich im Nachkriegsdeutschland die Standpunkte an und es resultierte später das Bewusstsein, gemeinsam aus lutherischer und reformierter Wurzel heraus „Evangelische Kirche“ zu sein. Diese inhaltlich sich ergebende „Union“ schlug und schlägt sich im hohen Stellenwert der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 nieder. Sie kann rückblickend als unierte Bekenntnisschrift gewertet werden. --DUduMartin 12:19, 5. Feb. 2010 (CET)

Heutiger Stand

Ohne die Traditionsgrenzen zu verwischen, ist eine Überwindung der gegenseitigen konfessionellen Verwerfungen zwischen Reformierten und Lutheranern immer ein besonderes Anliegen der unierten Kirchen gewesen. Das schließt auch ein besonderes Interesse am ökumenischen Dialog ein.

Die unierten Kirchen gründeten nach dem Zweiten Weltkrieg die Arnoldshainer Konferenz und die Evangelische Kirche der Union (EKU), welche zum 1. Juli 2003 in der Union Evangelischer Kirchen (UEK) aufging.

Arten des Zusammenschlusses

Bei den hier beschriebenen Unionen unterscheidet man zwischen einer Verwaltungsunion und einer Bekenntnisunion.

Es handelt sich um eine Verwaltungsunion, wenn nur die Kirchenverwaltungen vereinigt werden, die einzelnen Gemeinden aber ihre unterschiedlichen Bekenntnisse (lutherisch, reformiert oder uniert) behalten – so das genannte Hanauer Beispiel, aber auch die Union in der damals preußischen Rheinprovinz (heute: Evangelische Kirche im Rheinland). Faktisch kann man den sog. Bekenntnisstand einer Gemeinde an der Agende (Gottesdienstordnung) und bzw. oder am verwendeten Katechismus erkennen (für reformierte Gemeinde in der Regel der Heidelberger Katechismus, ansonsten meist der sog. Kleine Katechismus Martin Luthers).

Dagegen schafft die Bekenntnisunion eine neue Bekenntnisgrundlage für alle Gemeinden, indem bisher umstrittene theologische Fragen durch neue Bekenntnisschriften oder Katechismen entschieden oder einfach ausgeklammert werden. Für die Evangelische Landeskirche in Baden etwa hat die Unionsurkunde von 1821 die Differenzen im Sakramentsverständnis der badischen Reformierten und Lutheraner beigelegt. Meist ist mit einer Bekenntnisunion auch die Abschaffung der bisherigen Katechismen und die Einführung eines neuen, gemeinsamen Katechismus verbunden.

Weltweite Situation

Auch außerhalb Deutschlands gibt es unierte Kirchen. Neben rein organisatorischen Verwaltungsunionen wie der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich gibt es auch wirkliche Bekenntnisunionen, so etwa die United Church of Christ in den USA oder die United Church of Canada.

Auf dem indischen Subkontinent gibt es vier unierte Kirchen, die sowohl der Anglikanischen Kirchengemeinschaft als auch dem Weltrat methodistischer Kirchen angehören: die Church of South India, Church of Pakistan, Church of Bangladesh und die Church of North India. Diese vier Kirchen bestehen aus Presbyterianern, Methodisten und Anglikanern und vereinigten sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Im ökumenischen Sprachgebrauch ist zwischen „united“ und „uniting“ zu unterscheiden. Die „united“ churches sind bereits vereinigt, die „uniting“ churches befinden sich in der Regel noch im Vereinigungsprozess (ausgenommen z.B. die Uniting Church in Australia).

Weltweite Beispiele für unierte Kirchen

Bekenntnisunionen

Verwaltungsunionen

Es gibt sowohl reformierte, altreformierte, lutherische als auch protestantische (unierte) Gemeinden.

Unierte Landeskirchen innerhalb der EKD

Bekenntnisunionen

Verwaltungsunionen

Siehe auch