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Lesekompetenz

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Anteile der des Lesens Fähigen weltweit, basierend auf Daten des CIA World Fact Book (Karte aus dem Jahr 2007)

Lesekompetenz (engl. reading literacy) ist die Fähigkeit, einzelne Wörter, Sätze und ganze Texte flüssig lesen und im Textzusammenhang verstehen zu können. Die Lesekompetenz gehört neben der Schreibkompetenz und dem Rechnen zu den Grundfertigkeiten, die bereits während der Grundschulzeit erworben und durch den Besuch weiterführender Schulen ausgebaut werden sollten.

Die OECD definiert Lesekompetenz als die Fähigkeit

„geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial weiterzuentwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.” (Deutsches PISA-Konsortium 2001): PISA 2000, S. 23)

Die Lesekompetenz hängt unter anderem von der Lesegeschwindigkeit und damit in hohem Maße von der Kurzspeicherkapazität der lesenden Person ab. Weitere Determinanten der Lesekompetenz sind Vorwissen, Fähigkeit zum lexikalischen Zugriff, das Vorhandensein von Wortschatz, (Lese-)Motivation und Einstellungen zum Lesen, sowie Kenntnisse von Textmerkmalen und Lesestrategiewissen.[1]

Hintergründe

In den letzten Jahren sind Zweifel an der Lesekompetenz vieler Jugendlicher aufgekommen. Manche verlassen die Schule sogar nur mit rudimentären Lesekenntnissen und entwickeln sich dann in einigen Fällen allmählich zurück zu funktionalen Analphabeten. Daher war die Überprüfung der Lesekompetenz auch Teil der internationalen Pisa-Studie, bei der die Lesekompetenz von Schülern verschiedener Schulsysteme untersucht wurde.

Die Lesekompetenz ist nicht zuletzt die Basis für den Erwerb zusätzlicher weiterer Kompetenzen, denn in vielen Fachbereichen müssen Kenntnisse z. B. in Fachbüchern "erlesen" werden. So kann man die Lesekompetenz wahrhaftig als eine der wichtigsten Schlüsselqualifikationen bezeichnen.

Bisweilen werden auch die Verschiebungen beim Medienkonsum insbesondere jüngerer Menschen (etwa deren zunehmende Internetaffinität) für tatsächliche oder vermeintliche Schwächen beim Lesen und Schreiben verantwortlich gemacht. Dabei ist es höchst umstritten, ob etwa der dramatische Rückgang von Zeitungslesern in den unteren Altersgruppen ursächlich zu den unterstellten Defiziten beiträgt.[2]

Lesekompetenz und Lebenschancen

Lesen zu können ist ein zentraler Teil unseres heutigen Kulturzeitalters. Das unzureichende Beherrschen des Lesens hat auch andere Schwächen zur Folge. Wer schlecht liest, wird sich schwer tun im Begreifen von Rechenaufgaben und im Erfassen von naturwissenschaftlichen Fragestellungen. Nur wenige holen die am Beginn der Pubertät konstatierten Defizite in späteren Jahren noch auf. Gut lesen zu können, bedeutet fließend und sinnentnehmend Lesen gelernt zu haben. In Österreich sind weniger als ein Prozent „echte“ Analphabeten; drei bis vier Prozent gelten hingegen als „funktionale“ Analphabeten. Das bedeutet, dass ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nicht ausreichen, um schriftsprachliche oder rechnerische Aufgaben des Alltags selbstständig bewältigen zu können.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in manchen Berufsschulen das Unterrichtsfach „Deutsch und Kommunikation“ gelehrt wird, wobei den Schülern beigebracht wird, sich verbal auszudrücken und den richtigen Umgang mit Kunden zu lernen. Lesen und Schreiben hingegen wird nicht unterrichtet. Man hängt hierbei der Überzeugung nach, dass es vor allem wichtig sei, auf Kunden eingehen und sich entsprechend verbal ausdrücken zu können - „Ich muss in meinem Beruf nicht schreiben können“, so der Glaube. Die Folge ist, dass ein Großteil der österreichischen Lehrlinge zu wenig Kenntnisse in Mathematik und Deutsch aufweist.[3]

Die Lesekompetenz ist auch grundlegend für die Entwicklung der Internet-Kompetenz. Die Nutzung des Internets ist ohne ausreichende Lesefähigkeit schwerlich vorstellbar.

Geschichte der Lesekompetenz

Im Altertum und auch im Mittelalter war die Fähigkeit zu lesen (und zu schreiben) eher die Ausnahme als die Regel. Selbst Könige konnten manchmal trotz Ausbildung durch Hofmeister nicht lesen (und schreiben). Dafür gab es die Kleriker und das Berufsbild des Schreibers, der solche Aufgaben für Lese- und Schreibunkundige erledigte.

Eine vergleichsweise hohe Lesekompetenz bestand im Volk Israel. Die 5 Bücher Mose wiesen Eltern an, ihren Kindern (und dabei besonders den Jungen) das Lesen (und Vorlesen) des "Wortes Gottes" beizubringen.

Einen Schub für die Lesekompetenz brachte nach der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg in Mitteleuropa die massenhafte Verbreitung der Lutherbibel und der anderen Druckschriften Martin Luthers im Zeitalter der Reformation im 16. Jahrhundert.

Auch die Einführung der Sonntagsschule bei vielen Landes- und Freikirchen im 19. Jahrhundert in Deutschland zum Zwecke der religiösen Unterweisung und des Bibelstudiums war ein großer Fortschritt für die Lesekompetenz der deutschen Bevölkerung.

Schließlich förderte die Einführung der allgemeinen Schulpflicht in der Neuzeit die Lesekompetenz unter der Bevölkerung ungemein, wie auch die Einrichtung öffentlicher Bibliotheken.

Noch heute gibt es in Entwicklungsländern, in denen der Alphabetisierungsgrad sehr niedrig ist, den Beruf des Schreibers, der Schreibunkundigen z. B. bei der Korrespondenz mit Behörden zur Seite steht.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Förderung von Lesekompetenz: Expertise der Bund-Länder-Kommission, S.12
  2. Konrad Lischka und Christian Stöcker: Lesekompetenz: Wie Deutschlands Jugend dummgeredet wird (Spiegel Online, 22. April 2008 – „Die 'Initiative Printpresse' will die Tageszeitung auf Papier retten. Mit Unterstützung der Bundesregierung fordert sie eine Rückbesinnung aufs Gedruckte - und erklärt nebenbei die Jugend von heute für dumm und lesefaul. Dabei erlebt das Schriftliche durch das Netz einen wahren Boom.“ – vgl. Nationale Initiative Printmedien – Zeitungen und Zeitschriften in der Demokratie, Deutsche Bundesregierung, 15. April 2008, PDF, 10 S., 62,1 kB)
  3. Bildungskommission NRW (1995): „Zukunft der Bildung - Schule der Zukunft“, o.O.