Zum Inhalt springen

Polnische Sprache

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. Februar 2010 um 16:43 Uhr durch SieBot (Diskussion | Beiträge) (Bot: Ergänze: bn:পোলীয় ভাষা). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Polnisch

Gesprochen in

Polen, Weißrussland, Ukraine, Tschechien, Litauen
Sprecher ca. 56 Millionen[1]
Linguistische
Klassifikation
  • Polnisch
Offizieller Status
Amtssprache in Polen Polen
Europaische Union Europäische Union
Anerkannte Minderheiten-/
Regionalsprache in
Tschechien Tschechien
Slowakei Slowakei
Rumänien Rumänien
Ukraine Ukraine[2]
Sprachcodes
ISO 639-1

pl

ISO 639-2

pol

ISO 639-3

pol

Sprachen und Dialekte in Ostmitteleuropa (Polnisch: Hell-, Mittel- und Dunkelgrüne Töne)

Die polnische Sprache (Polnisch, poln. język polski) zählt zur lechischen Gruppe der westslawischen Sprachen, einer Untergruppe der indogermanischen Sprachfamilie. Sie ist eng verwandt mit dem Kaschubischen, dem Tschechischen, dem Slowakischen und dem Sorbischen (das von einer in Deutschland lebenden Minderheit gesprochen wird). Polnisch ist die Landessprache Polens. Zu den 38 Millionen Polnischsprechern in Polen kommen noch ca. 15–18 Millionen im Ausland. Es gibt größere Sprecherzahlen in Russland, Litauen, Weißrussland, der Ukraine und Tschechien und den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, aber auch in Kanada, Irland, Argentinien und Australien. Bedeutende polnische Minderheiten gibt es in den Vereinigten Staaten, wo Schätzungen zufolge etwa 6–10 Millionen Polnischsprachige leben, sowie Deutschland, Brasilien und Frankreich.[1]

Geschichte

Die ältesten heute bekannten polnischen Schriftzeugnisse sind Namen und Glossen in lateinischen Schriftstücken, insbesondere in der Bulle von Gnesen des Papstes Innozenz II. von 1136, in der fast 400 einzelne polnische Namen von Ortschaften und Personen auftauchen. Den ersten geschriebenen vollständigen Satz fand man dagegen in der Chronik des Kloster Heinrichau bei Breslau. Unter den Einträgen des Jahres 1270 findet sich eine Aufforderung eines Mannes zu seiner mahlenden Frau. „Daj, ać ja pobruszę, a ty poczywaj“, was in der Übersetzung lautet: „Lass mich jetzt mahlen, und du ruh dich aus.“

Zu den frühesten Denkmälern der polnischen Sprache gehören die „Bogurodzica“ – die erste polnische Hymne, die „Heilig-Kreuz-Predigten“ und die „Gnesener Predigten“. Später wurden auch religiöse Texte aus dem Lateinischen ins Polnische übertragen, beispielsweise der Psałterz Floriański („Florianer Psalter“) aus dem 14. Jahrhundert. Im 15. Jahrhundert wurde der zunächst bestehende Einfluss des Tschechischen zurückgedrängt, und das Schriftpolnische emanzipierte sich vom Lateinischen. Nachdem Polnisch bis zum 16. Jahrhundert überwiegend von Geistlichen geschrieben wurde, verbreitete es sich in der Folgezeit auch bei Adel und Bürgertum.

Die moderne polnische Literatursprache entwickelte sich im 16. Jahrhundert auf der Grundlage von Dialekten, die in der Gegend von Posen im Westen Polens gesprochen wurden. Aus dieser Zeit stammen die Eulenspiegel- sowie die Chronikliteratur von Marcin Bielski und die Prosaschriften von Mikołaj Rej. Ihr hohes sprachliches Niveau lässt auf eine lange gesprochene Tradition des Polnischen am Königshof, in der staatlichen Verwaltung sowie auch in der weltlichen und kirchlichen Rhetorik schließen. Im 16. Jahrhundert erreichte die polnische Sprache einen Stand, der sie wegen ihres Reichtums und ihrer Geschmeidigkeit zu den wichtigsten Sprachen Mitteleuropas aufsteigen ließ. Die Gebildeten der Renaissance kämpften um die weitere Entwicklung des Polnischen und seine Durchsetzung gegenüber dem Latein. „Die Völker außerhalb aber sollen wissen, dass die Polen keine Gänse sind, dass sie ihre eigene Sprache haben!“[3] lautete die berühmte Maxime des als Vater der polnischen Literatur geltenden Mikołaj Rej aus dem Jahre 1562.

Im Polnischen gibt es eine Reihe von Lehnwörtern aus dem Alttschechischen und Mittelhochdeutschen sowie aus dem Lateinischen und Griechischen; in jüngerer Zeit gingen Einflüsse auf die polnische Sprache insbesondere vom Italienischen, Französischen, Hochdeutschen, Englischen, Ukrainischen, Weißrussischen, Ungarischen und Türkischen, einige wenige vom Russischen und Jiddischen aus. Gegenwärtig ist ein besonders großer Einfluss des Englischen zu beobachten.

Alphabet

Das polnische Alphabet

Polnisch wurde von Anfang an mit dem lateinischen Alphabet geschrieben (vgl. andere slawische Sprachen) und benutzt zur Wiedergabe der polnischen Laute diakritische Zeichen.

Das polnische Alphabet besteht aus 32 Buchstaben und lautet vollständig:

A, Ą, B, C, Ć, D, E, Ę, F, G, H, I, J, K, L, Ł, M, N, Ń, O, Ó, P, R, S, Ś, T, U, W, Y, Z, Ź, Ż.

Ą, Ę, Ń und Y kommen nie am Wortanfang vor, deshalb sind die entsprechenden Großbuchstaben sehr selten und werden nur dann verwendet, wenn das ganze Wort in Großbuchstaben geschrieben wird. Q, V und X werden nur bei Fremdwörtern benutzt, die (noch) nicht polonisiert wurden. Seit Anfang der 1910er Jahre sind sie aber Teil des modernen polnischen Alphabets.

Phonologie

Siehe auch: Aussprache des Polnischen

Vokale

Das Polnische besitzt acht Monophthonge.

Monophthonge des Polnischen
  vorne zentral hinten
oral nasal oral nasal
geschlossen i   ɨ u  
mittel ɛ ɛ̃   ɔ ɔ̃
offen     a    

Die nasalierten Vokale [ɛ̃] und [ɔ̃] haben eine starke Tendenz zur Diphthongierung (in Richtung [ɛ̃ɯ̃] bzw. [ɔ̃ũ]). Die Vokale werden, ob in betonter oder unbetonter Silbe, gleich klar und deutlich ausgesprochen; reduzierte Vokale und Murmellaute kennt das Polnische nicht. Der expiratorische Akzent liegt im Polnischen auf der Pänultima, was insbesondere bei Fremdwörtern abweichen kann.

Konsonanten und Halbvokale

Das Polnische hat 27 konsonantische Phoneme und zwei Halbvokale (Approximanten).

Konsonanten des Polnischen
  bilabial labio-
dental
dental alveolar post-
alveolar
palatal velar
Plosive p b   t d       k g
Affrikaten     ts dz    
Nasale m   n     ɲ ŋ
Vibranten       r      
Frikative   f v s z   ʃ ʒ ɕ ʑ x
Laterale       l      
Halbvokale w         j  

Dialekte

Zu den polnischen Dialekten gehören Großpolnisch (im Norden und Westen), Kleinpolnisch (um Krakau), und Masowisch (im Norden und Osten mit Warschau) und Goralisch (im Süden) sowie Schlesisch (im Südwesten).

Das Kaschubische (im Norden Polens) wird von der Sprachwissenschaft heute weitgehend als eigenständige westslawische Sprache angesehen, auch wenn es traditionell zu den polnischen Dialekten gezählt wurde.

Das Goralische ist ein Übergangsdialekt vom Polnischen zum Slowakischen, der im äußersten Süden Kleinpolens und in Teilen des slowakischen Gebiets Orava sowie in einigen goralischen Enklaven in der Bukowina gesprochen wird. In der Umgebung der litauischen Hauptstadt Vilnius wird litauisches Polnisch gesprochen.

Grammatik

Das Polnische hat eine sehr freie Wortstellung, tendiert jedoch langsam zur Verbzweitstellung.

Es gibt zwei Numeri:

Bis etwa zum 16. Jahrhundert verfügte Polnisch über 3 Numeri: Singular, Dual, Plural. Hinweise auf den historischen Dual gibt es noch bis heute im Wortschatz (beispielsweise bei Körperteilen, die paarig vorkommen). Zum Beispiel: Nominativ Singular: ręka (Hand), Nominativ Plural: ręce. Der heutige Plural ist ein historischer Dual. Bei dem Wort ist der eigentliche Dual nur im Instrumental (Narzędnik) noch erhalten, bei allen übrigen Fälle sind Dual und Plural gleich.

Beispiel

  • Singular Instrumental: ręką, Dual Instrumental: rękoma, Plural Instrumental: rękami

Traditionell unterscheidet man in der polnischen Grammatik – ebenso wie im Deutschen – drei Genera: Maskulinum, Femininum und Neutrum. Durch den Ausbau der Belebtheitskategorie, der zu verschiedenen Schemata führt, nach denen Kasus im Singular und Plural zusammenfallen, kann man innerhalb des Maskulinums aber drei verschiedene Kategorien unterscheiden, so dass moderne Grammatiken zum Teil insgesamt fünf Genera unterscheiden. Ein mögliches Unterscheidungsmerkmal sind dabei die Formen des Akkusativs Singular und des Nominativs Plural eines kongruierenden Adjektivs (z. B. nowy 'neu’):

Bezeichnung gilt für Beispielwort Akk. Sg. Nom. Pl.
Personalmaskulinum
(rodzaj męski osobowy)
männliche Personen nauczyciel 'Lehrer’ nowego nowi
belebtes nichtpersonales Maskulinum
(rodzaj męski żywotny nieosobowy)
männliche Tiere ptak 'Vogel’ nowe
unbelebtes Maskulinum
(rodzaj męski nieżywotny)
Gegenstände stół 'Tisch’ nowy
Femininum
(rodzaj żeński)
weibliche Personen und Tiere, Gegenstände książka 'Buch’ nową
Neutrum
(rodzaj nijaki)
v. a. Gegenstände okno 'Fenster’ nowe

Das Polnische verfügt über ein gut ausgebautes Formensystem und hat das urslawische Kasussystem bewahrt: 6 Kasus für Nomen, Pronomen und Adjektive und einen siebten Kasus, den Vokativ, für Nomen, der in der direkten Anrede gebraucht wird.

Fall (przypadek) Frage (pytanie)
Nominativ (Mianownik) wer? was? kto? co?
Genitiv (Dopełniacz) wessen? kogo? czego?
Dativ (Celownik) wem? komu? czemu?
Akkusativ (Biernik) wen? was? kogo? co?
Instrumental (Narzędnik) mit wem? womit? (z) kim? (z) czym?
Lokativ (Miejscownik) über wen? worüber? o kim? o czym?
Vokativ (Wołacz) (Anredeform) o!

Der Nominativ ist typischerweise der Subjekt-Kasus, der Genitiv – der Besitzer-Kasus, und der Kasus des direkten Objekts in Sätzen mit Verneinung (etwa: „ich kenne des Menschen nicht“ in der Luther-Bibel); der Dativ ist der Kasus des indirekten, und der Akkusativ des direkten Objekts. Der Genitiv, der Dativ und der Akkusativ können auch mit einigen Präpositionen verwendet werden. Der Instrumental wird hauptsächlich mit Präpositionen verwendet, außer, wenn er das Instrument anzeigt (lateinischer ablativus instrumentalis, te defendo gladio, ich verteidige dich mit dem Schwert, polnisch bronię cię mieczem, „'-em'“ ist die Instrumentalendung bei „miecz“, Schwert). Der Lokativ wird ausschließlich mit Präpositionen verwendet, der Vokativ – in der Anrede oder der Apostrophe. Wie im Deutschen, regieren manche Präpositionen mehrere Kasus, je nachdem, ob sie einen statischen Zustand („die Vögelein schweigen im Walde“) oder eine Bewegung („kommt in den Wald!“) ausdrücken.

Im Polnischen werden Substantive – im Gegensatz zum Deutschen – grundsätzlich kleingeschrieben, Ausnahmen sind Eigennamen und Satzanfänge. Es werden belebte und unbelebte Substantive unterschieden und innerhalb der belebten personale und nichtpersonale. Dies ist für die Deklination der Maskulina wichtig.

Fast alle Adjektive werden nach einem Grundmuster dekliniert. Es gibt zwei Arten von Adjektiven:

  • weichstämmige, die auf einen weichen Konsonanten oder auf k bzw. g auslauten, haben die maskuline Nominativendung -i
  • hartstämmige (alle anderen) haben die Endung -y

Verben werden nach Person, Numerus und Genus flektiert. Wie das Russische und andere slawische Sprachen so verfügt auch das Polnische über ein kompliziertes Aspektsystem. Das Tempussystem hat eine Vereinfachung erfahren, indem drei alte Tempora (Aorist, Imperfekt, Plusquamperfekt) aufgegeben wurden. Das Präteritum ist die einzige Vergangenheitsform, die noch gebraucht wird. Vereinzelt trifft man, vor allem in der Schriftsprache, den Plusquamperfekt, auch wenn es als obsolet gilt.

Präpositionen sind unveränderlich und bilden zusammen mit einem Substantiv oder einem Pronomen eine Sinneseinheit.

Mehr über polnische Grammatik gibt es in den Wikibooks.

Sprachwandel in der Gegenwart

Wie jede lebende Sprache unterliegt auch das Polnische im Laufe der Zeit normalen Entwicklungen und Veränderungen, sowohl in der Grammatik als auch im Wortschatz. Manche Änderungen werden zu einem festen Bestandteil der Sprache, andere wiederum haben kaum einen Einfluss oder geraten in Vergessenheit.

Dialektstruktur: Die Dialekte der polnischen Sprache vereinheitlichen sich im Zusammenhang mit der Umsiedlung der Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg, der Verstädterung, den Einflüssen der Massenmedien und der Bildung, die in der Standardsprache stattfindet, immer mehr. Die Dialekte sind in der jüngeren Generation kaum ausgeprägt, davon ausgenommen sind jedoch der góralische und der schlesische Dialekt, die im Augenblick nicht vom Aussterben bedroht sind. Die Mehrheit spricht als Muttersprache die polnische Standardsprache.

Grammatik: Eine gegenwärtig zu beobachtende Veränderung besteht darin, dass die maskuline unbelebte Sachform durch die maskuline belebte Sachform ersetzt wird. Viele Wörter, die bisher als eindeutig unbelebt betrachtet wurden, werden umgangssprachlich, vor allem in der Jugendsprache, als belebt angesehen. Dies äußert sich dadurch, dass der Akkusativ dem Genitiv gleicht, und nicht wie bisher, dem Nominativ. Oft (noch in der Umgangssprache) anzutreffende Formen sind „mieć pomysła“ (eine Idee haben) oder „obejrzeć filma“ (einen Film ansehen). Doch die meisten Neologismen und Fremdwörter, die sich auf nichtmaterielle oder nichtwahrnehmbare Begriffe beziehen, nehmen auch in der offiziellen Sprache die maskuline belebte Sachform an. Beispiel: „dostać e-maila/SMSa” (eine E-Mail/SMS bekommen).

Wortschatz: Es werden immer mehr Wörter aus dem Englischen entlehnt. Gleichzeitig verschwinden viele französische und russische Fremdwörter. Eine interessante Erscheinung ist die Änderung mancher französischer Fremdwörter von der französischen in die englische Aussprache, z. B. wird image wie im Englischen imidż ausgesprochen und nicht wie im Französischen imaż.

In den letzten Jahren flossen einige bisher vulgäre Ausdrücke in die Umgangssprache ein (z. B. machte das Adjektiv zajebisty eine ähnliche Entwicklung durch wie dt. geil). Auf der anderen Seite werden im Rahmen der politischen Korrektheit manche Wörter als stärker beleidigend empfunden als früher. Zum Beispiel ist es heute nicht mehr angebracht pedał (hier: schwul) zu benutzen (außer in der Bedeutung Pedal), das Wort gej (vom engl. gay) oder homoseksualista (Homosexueller) haben es ersetzt.

Phonologie: Da immer mehr Wörter aus dem Englischen mit seiner unterschiedlichen Sprachstruktur entlehnt werden, verbreiten sich in diesem Zusammenhang bisher selten anzutreffende Lautverbindungen immer mehr. So erscheint z. B. i nach alveolaren Lauten t, d, s, z, r (didżej, tir, ring).

Fremdwörter aus dem Polnischen

Es wurden nur relativ wenige polnische Wörter aus dem Polnischen ins Deutsche übernommen.

  • Gurkemittelgriechisch αγγούρι(ο)ν angouri(o)n „Gurke“ (poln. ogórek), das vom altgriechischen Vorlage:Polytonisch aōros „unreif“ stammt. Das griechische Wort wurde aus dem Polnischen ins Deutsche übernommen.
  • Säbel (poln. szabla) und Peitsche (poln. pejcz) kamen ebenfalls aus dem Polnischen ins Deutsche. Auch das Wort Grenze (poln. granica) sowie einige Vogelarten (z. B. Stieglitz poln. szczygieł) kamen aus dem Polnischen ins Deutsche.
  • Das deutsche umgangssprachliche Wort „Penunze“ ist aus einem polnischen Dialekt übernommen, in dem man pieniądze nicht [pʲɛ'ɲɔndzɛ] ausspricht, sondern mit u statt ɔ. (Und pieniądze hat darüber hinaus denselben Ursprung wie Pfennig und Penny.)
  • In Ostösterreich wird mitunter die Schulnote 5 (ein „nicht genügend“) als pintsch (pl. pięć=5) bezeichnet.
  • Für das diakritische Zeichen, das im polnischen Alphabet zur Bezeichnung der Nasale benutzt wird, wird auch in deutschen Texten manchmal das polnische Wort ogonek benutzt.
  • Der deutsche Ausruf Dalli! stammt vom polnischen Wort dalej (weiter; vorwärts!) ab.
  • Im Ruhrgebiet (Ruhrdeutsch) wird das polnische Wort Mottek für einen Hammer benutzt, im poln. heißt es młotek. In der Jugendsprache wird für Geld manchmal auch Schlotten gesagt, im Polnischen heißt die Währung Złoty (Gold).
  • Wenn man einen pitschen geht (polnisch: pić, deutsch trinken), ging man früher meist einen Kaffee trinken. Diese Wendung ist aber alt und wird in der Jugendsprache neu besetzt. Nun geht man alkoholische Getränke konsumieren, wobei sich ein pitschen soviel wie sich betrinken heißt.[4]

Weibliche Funktions- und Berufsbezeichnungen

Die Bildung femininer Formen von Funktions- und Berufsbezeichnungen (in der Linguistik als Motion bezeichnet) spielt im Polnischen eine geringere Rolle als im Deutschen. Zwar können in der Regel mit Suffixen wie -ka u.Ä. feminine Äquivalente gebildet werden, sie werden aber deutlich seltener verwendet als im Deutschen.

So kann man beispielsweise zu słuchacz (Zuhörer) die feminine Form słuchaczka (Zuhörerin) bilden, doch wirken Ausdrücke wie „Drodzy słuchacze, drogie słuchaczki“ (Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen) gekünstelt und pedantisch und werden daher vermieden. Die maskuline Form słuchacz schließt die Frauen als gewissermaßen ein.

Die Feminina zu Berufsbezeichnungen mit einem hohen sozialen Image wie dyrektor, profesor, psycholog klingen plump-vertraulich oder leicht abschätzig. Zu einem weiblichen Direktor oder Professor sagt man eher pani dyrektor, pani profesor (Frau Direktor, Frau Professor). In dieser Verwendung wird der Titel nicht flektiert.

Weibliche Nachnamenformen

Eine den nicht-Slawen oft verwirrende Eigentümlichkeit des Polnischen sind weibliche Formen von Nachnamen. Heißt der Vater „Suchocki“ so heißen seine Frau und auch seine Tochter „Suchocka“, nicht * „Suchocki“, es sei denn, sie hätten einen ganz anderen Nachnamen. Im Pass des Vaters-Ehegatten steht „Suchocki“, in den Pässen der beiden Damen dagegen „Suchocka“, dies ist kein Fehler und keine Urkundenfälschung. Der Pole empfindet eine solche Abwandlung als natürlich und erforderlich, alles andere empfände er als falsch. Früher war es auch Sitte, von anderen als „-ski“ und „-cki“ (männlichen) Nachnamen weibliche Varianten zu bilden. So bekamen Nachnamen, die der Form nach Adjektive waren, statt der männlichen Nom. sg. Endung „-y“ die weibliche Nom. sg. Endung „-a“. Die Frau oder Tochter eines Herrn Suchy oder Chudy hieß dann „Sucha“, „Chuda“. Alle anderen Nachnamen bekamen den Suffix „-owa“ oder „-yna“ (für verheiratete Frauen) und „-ówna“ oder „-anka“ (für unverheiratete Frauen) drangehängt. Der Vater hieß Łasiewicz, die Frau: Łasiewiczowa, die Tochter - Łasiewiczówna. Der Vater hieß Skarga, die Frau - Skarżyna (mit phonologisch bedingter Mutation des letzten Stammkonsonanten) und die Tochter - Skarżanka. Diese Sitte schwindet jetzt, ist nicht mehr ämtlich und der Usus schwankt, ältere Damen führen gern immer noch ihren weiblichen Namen (auch in der Fräulein-Form, wie z. B. Anna Świderkówna, nicht *Świderek, eine in Polen sehr bekannte Altphilologin und Bibelwissenschaftlerin). Dieser Schwund der suffixalen Verweiblichung von Nachnamen ist einerseits praktisch (keine Verwirrung bei nicht-Slawen), andererseits auch hat er einen gewissen Umstand zu Folge, denn der Systemzwang der polnischen Grammatik erfordert, dass nicht-verweiblichte, maskulin (im grammatischen Sinne) klingende Nachnamen von Frauen nicht gebeugt werden, bzw. in allen Fällen endungslos bleiben. (Siehe oben, zu „Weibliche Amtsbezeichnungen“.) „Die Postulate von Frau Steinbach“ lautet dann auf Polnisch „postulaty pani Steinbach“, nicht *"…Steinbacha“ (mit der regelmäßigen maskulinen Genetiv-Endung „-a“). Dann aber muss man auch sagen - hat man eine Kollegin namens „Chudy“ - „dokumenty od pani Chudy“, auch wenn man sie gewöhnlicherweise nicht „Frau Chudy“, sondern schlicht und einfach „Chudy“ (deutsch etwa: „die“ Chudy) nennt, weil „dokumenty od Chudy“ absolut inakzeptabel klingt (Unterlagen von Frau/„der“ Chudy). In solchen Fällen kehrt häufig die alte Sitte wieder, und man sagt „dokumenty od Chudej“, mit der femininen Genitiv-Endung „-ej“, als wäre der Name der Kollegin, nach alter Sitte, nicht „Chudy“ sondern „Chuda“.

Sprachbeispiel

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte:

Wszyscy ludzie rodzą się wolni i równi pod względem swej godności i swych praw. Są oni obdarzeni rozumem i sumieniem i powinni postępować wobec innych w duchu braterstwa.
[ˈfʃɨsʦɨ ˈluʥɛ ˈrɔdzɔ̃ ɕɛ ˈvɔlɲi i ˈruvɲi pod‿ˈvzglɛndɛm sfɛj gɔdˈnɔɕʨi i sfɨx praf # sɔ̃ ˈɔɲi ɔbdaˈʒɛɲi rɔˈzumɛm i suˈmʲeɲɛm i pɔˈvʲinɲi pɔstɛmˈpɔvaʨ ˈvɔbɛʦ ˈinnɨx v‿ˈduxu braˈtɛrstfa] (IPA-Lautschrift)
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.

Einzelnachweise

  1. a b Auslandspolen
  2. Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen [1]
  3. Polnisch: A niechaj narodowie wżdy postronni znają, iż Polacy nie gęsi, iż swój język mają.
  4. PONS Wörterbuch der Jugendsprache

Vorlage:Link FA