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Sibutramin

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Strukturformel

(S)-Form (oben) und (R)-Form (unten)

Allgemeines
Freiname Sibutramin
Andere Namen
  • (RS)-1-[1-(4-Chlorphenyl)cyclobutyl]- N,N-dimethylisopentylamin
  • (±)-1-[1-(4-Chlorphenyl)cyclobutyl]- N,N-dimethylisopentylamin
Summenformel C17H26ClN
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 106650-56-0
PubChem 5210
DrugBank DB01105
Wikidata Q424151
Arzneistoffangaben
ATC-Code

A08AA10

Wirkstoffklasse

Anorektika

Eigenschaften
Molare Masse 279,85 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung{{{GHS-Piktogramme}}}

H- und P-Sätze H: {{{H}}}
EUH: {{{EUH}}}
P: {{{P}}}
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Sibutramin ist ein Arzneistoff, der als Appetitzügler (Anorektikum) zur Reduktion von starkem Übergewicht (Adipositas) verwendet wird. Die Wirkung kommt über die indirekte Stimulierung des vegetativen Nervensystems zustande.

Nutzen-Risiko-Bewertung

Aufgrund der ungünstigen Nutzen-Risiko-Bewertung hat die Europäische Arzneimittelagentur im Januar 2010 den EU-Mitgliedstaaten empfohlen, das Ruhen der Zulassung für Sibutramin-haltige Arzneimittel anzuordnen,[1] Die Nutzen-Risiko-Bewertung basierte auf der Auswertung der SCOUT-Studie (Sibutramine Cardiovascular OUTcome Trial). Der Hersteller der Medikamente hat daraufhin die Vermarktung in der EU ausgesetzt.[2] Bereits zuvor waren in Deutschland Sibutramin-haltige Arzneimittel nur in stark begrenzten Dosierungen als Arzneimittel zugelassen.[3] In Italien wurden Sibutramin-haltige Arzneimittel im Jahr 2002 auf Grund von zwei Todesfällen vom Markt genommen.[4] In den USA ist die Nutzen-Risiko-Bewertung durch die Food and Drug Administration (FDA) noch nicht angeschlossen, so dass Sibutramin-haltige Arzneimittel dort erst einmal weiterhin im Markt bleiben.

Chemie

Stäbchenmodell des Sibutramin.

Sibutramin ist ein Amphetamin-Derivat. Verwendung findet das Sibutramin Hydrochlorid Monohydrat (CAS-Nummer 125494-59-9).

Synthese

Ein Herstellverfahren, ausgehend von (4-Chlorphenyl)-acetonitril, ist in der Literatur beschrieben.[5]

Stereoisomerie

Sibutramin besitzt ein stereogenes Zentrum. Es gibt also zwei Enantiomere, die (S)-Form und (R)-Form. Arzneilich wird das Racemat (1:1-Mischung der Enantiomeren) eingesetzt, wenngleich aus grundsätzlichen Überlegungen die Verwendung des besser bzw. nebenwirkungsärmer wirksamen Enantiomers zu bevorzugen wäre.[6]

Pharmakologie

Wirkmechanismus

Sibutramin ist ein indirektes Sympathomimetikum und kann oral verabreicht werden. Es hemmt die Wiederaufnahme der Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin in die Nervenzelle, wodurch deren Konzentration im synaptischen Spalt ansteigt, was wiederum die Erregung von Adrenozeptoren verstärkt und somit eine Appetitminderung zur Folge hat.[7]

Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen von Sibutramin sind erheblich und auch der Grund, warum die Anwendung des Wirkstoffs stark eingeschränkt ist. Sie umfassen zahlreiche Beschwerden von Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Übelkeit und Erbrechen bis hin zu Taubheitsgefühlen, Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen.[8]

Die Einnahme von Sibutramin ist kontraindiziert bei Schilddrüsenüberfunktion, Angina pectoris, Schlafstörungen, Bluthochdruck, Epilepsie, Herzrhythmusstörungen und Störungen der Leber- und Nierenfunktion oder bei paralleler Einnahme von Antidepressiva und Neuroleptika.[8]

Nach Studien birgt Sibutramin vor allem für Herz-Kreislauf-Patienten ein deutlich erhöhtes Herzinfarkt-Risiko, eine US-Studie listet 34 Todesfälle durch den Arzneistoff auf.

Handelsnamen

Monopräparate:

Reductil (EU, CH) sowie als Generikum (A) [9][10][11] Meridia (USA), LiDa (China)

Illegaler Import

Während im Jahr 2005 in Deutschland noch 125.000 illegal eingeführte Kapseln des chinesischen LiDa beschlagnahmt wurden, überschritt diese Zahl im Jahr 2006 die Millionenmarke.[3]

Einzelnachweise

  1. BfArM Pressemitteilung: Sibutramin-haltige Arzneimittel: EMA empfiehlt das Ruhen der Zulassungen. 21. Januar 2010
  2. Ruhen der Marktzulassung für Reductil wegen der Beobachtung eines erhöhten kardiovaskulären Risikos im Rahmen der SCOUT-Studie Rote Hand Brief vom 22. Januar 2010
  3. a b Bundesministerium der Finanzen: Schlankheitspillen mit lebensgefährlichen Nebenwirkungen. Auf: Zoll online am 2. Juni 2006.
  4. Appetithemmer Sibutramin: Forderung nach Marktrücknahme. Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe 14 vom 5. April 2002, Seite A-897 / B-749 / C-701
  5. Axel Kleemann, Jürgen Engel, Bernd Kutscher und Dietmar Reichert: Pharmaceutical Substances, 4. Auflage (2000), 2 Bände erschienen im Thieme-Verlag Stuttgart, S. 1872-1873, ISBN 978-1-58890-031-9; seit 2003 online mit halbjährlichen Ergänzungen und Aktualisierungen.
  6. E. J. Ariëns, Stereochemistry, a basis for sophisticated nonsense in pharmacokinetics and clinical pharmacology, European Journal of Clinical Pharmacology 26 (1984) 663-668.doi:10.1007/BF00541922
  7. Lüllmann, Mohr, Hein: Taschenatlas Pharmakologie (5. Auflage). S. 95.
  8. a b Informationen über das Medikament Reduktil. Auf: www.adipositas-online.de von 2005.
  9. Rote Liste Online, Stand: August 2009
  10. Arzneimittelkompendium der Schweiz, Stand: August 2009
  11. AGES-PharmMed, Stand: August 2009