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Blaukehlchen

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Blaukehlchen

Weißsterniges Blaukehlchen (Luscinia svecica)

Systematik
Ordnung: Sperlingsvögel (Passeriformes)
Unterordnung: Singvögel (Passeri)
Familie: Fliegenschnäpper (Muscicapidae)
Unterfamilie: Schmätzer (Saxicolinae)
Gattung: Luscinia
Art: Blaukehlchen
Wissenschaftlicher Name
Luscinia svecica
Linnaeus, 1758

Das Blaukehlchen (Luscinia svecica) ist eine Singvogelart aus in der Familie der Fliegenschnäpper (Muscicapidae). Namensgebend ist die auffallende, blaue Kehle und Vorderbrust, die das Männchen im Brutkleid zeigt. Je nach Unterart kann diese Zeichnung einen zentralen weißen oder roten „Stern“ tragen. Die zehn Unterarten werden daher in zwei Gruppen geteilt, das „Weißsternige“ und das „Rotsternige“ Blaukehlchen. Bei manchen Unterarten fehlt dieser „Stern“ jedoch auch ganz.

Das Blaukehlchen besiedelt meist buschbestandene Biotope an häufig sehr feuchten Standorten. Es kommt in weiten Teilen der Paläarktis vor und hat jenseits der Beringstraße auch einen Teil Nordalaskas besiedelt. In Europa ist das Verbreitungsgebiet stark zersiedelt und die Art vielerorts durch Mangel an geeignetem Lebensraum bedroht. Das Blaukehlchen ist ein Zugvogel. Die europäischen Blaukehlchen überwintern in Südspanien, Nordafrika und Südasien, wobei das Weißsternige Blaukehlchen ein Kurzstreckenzieher und das Rotsternige Blaukehlchen ein Weitstreckenzieher ist.

Beschreibung

Aussehen und Maße

Dem Weibchen fehlt die blaue Färbung der Kehle manchmal völlig

Das Blaukehlchen ist ein schlank gebauter, hochbeiniger Vogel, mit 13-14 cm Länge etwa rotkehlchengroß und somit etwas kleiner als die nahe verwandte Nachtigall. Die Flügellänge liegt beim Männchen bei durchschnittlich etwa 78 mm, die Schwanzlänge bei 54 mm. Beim Weibchen liegt die Flügellänge bei 74 mm, die Schwanzlänge bei 52 mm. Das Gewicht liegt zwischen 16 und 18 Gramm.

Die Oberseite ist überwiegend dunkelgraubraun, Bürzel und Oberschwanzdecken etwas wärmer getönt. Die Scheitelseiten sind dunkel gestrichelt, davon hebt sich deutlich ein beiger Überaugenstreif ab. Die Zügel und die Ohrdecken sind dunkel graubraun und tragen eine hellere Strichelung. Die Körperseiten sind blassbeige, Hinterbrust und Bauch weißlich und die Unterschwanzdecken rahmfarben. Bestes Artmerkmal in allen Kleidern sind die zweifarbigen Seiten des Stoßes. Die beiden mittleren Steuerfedern sind braun, bei allen äußeren ist die basale Hälfte rostrot, die terminale Hälfte schwarzbraun. Hand und Armschwingen sind ebenfalls schwarzbraun und tragen helle Säume. Die Oberflügeldecken sind dunkelbraun mit rötlichbraunen Säumen. Der Unterflügel ist braun. Der Schnabel ist dunkel hornbraun bis schwarzbraun und innen lebhaft zitronengelb. Die Füße, sind gefärbt wie der Schnabel, der Lauf rötlich durchscheinend. Die Iris ist schwarzbraun.

Beim Männchen im Brutkleid sind Kinn, Kehle, Bartstreif und oberer Brust seidenglänzend und lebhaft blau. Unterhalb der Kehle liegt inmitten der blauen Färbung zentral ein nierenförmiger „Stern“, der je nach Unterart rostrot („Rotsterniges Blaukehlchen“) oder weiß („Weißsterniges Blaukehlchen“) sein kann, in der Ausdehnung variieren oder ganz fehlen kann. Der blaue Kehlfleck ist zum Bauch hin eingefaßt von einem dunklen Rand, auf den ein beiges Band und eine rostrot Brustbinde folgt, die zum Bauch hin ausläuft. Kehlfleck und Brustband können von hellen Federsäumen durchsetzt sein. Im Ruhekleid ist die blaue Färbung weniger ausgeprägt, Kinn und Kehle sind keilförmig weiß mit schmalem, schwärzlichbraunem Bartstreif.

Im Brut- und Ruhekleid des Weibchens sind die blauen Partien des Männchens hellbeige und zeigen dazu kontrastierend den dunklen Bartstreif, der auch im Ruhekleid des Männchens sichtbar wird. Das Brustband ist dunkel gewölkt bis gestrichelt. Bei einigen Weibchen ist die Wölkung auch blassblau durchsetzt. Das rostrote Band zum Bauch hin ist allenfalls angedeutet.

Im ersten Winter ähnelt das Ruhekleid dem adulter Vögel, allerdings sind beim Männchen die weißen und schwarzen Partien ausgedehnter, das Blau auf den Bartstreif beschränkt und die rostrote Binde wenige ausgeprägt. Beim Weibchen sind die weißen Partien ausgedehnter, eine blaue Färbung ist höchstens sehr schwach angedeutet. Ebenso schwach ausgeprägt ist das dunkle und das rostrote Brustband.

Im Jugendkleid ist die Oberseite schwarzbraun mit eine keilförmigen, rostbeigen Fleckung, die Oberschwanzdecken sind rötlichbraun. Kehle, Brust und Bauchseiten sind beige mit dunklen Spitzen, Bauch und Unterschwanzdecken weißlich.

Stimme

Der Gesang des Blaukehlchens trägt im Unterschied zu anderen Arten der Gattung nicht sehr weit. Er ist melodisch und rauh und kann viele Elemente anderer Arten oder auch imitierte mechanische Geräusche enthalten. Besonders charakteristisch ist die Einleitung der Strophen, die mit einem zögernd gereihten djip-djip-djip oder zri-zri-zri beginnt, das dann schneller und kräftiger wird und in eine meist längere Passage von melodisch-flötenden, rohrsängerartig rauhen oder hart klirrenden Lautfolgen einmündet.[1][2] Da die Anzahl der eingeflochtenen Imitationen anderer Arten meist sehr groß ist und diese sehr vielfältig sind, fällt es oft schwer, die arttypischen Laute herauszuhören. Es wurde beobachtet, dass das Repertoire an Imitationen die Zusammensetzung der Vogelwelt in der Umgebung des Brutortes gut wiedergibt und auch von Tag zu Tag in der Zusammensetzung wechseln kann.[3]

Der Alarmruf ist ein rohrsängerähnlich rauhes, manchmal schnalzendes rack oder track, ist härter als der entsprechende Ruf der Nachtigall. Er wird manchmal als hüi-dack[4] zweisilbig mit dem sanft pfeifenden Lockruf (huid, iht oder si) gepaart. Außerdem gibt es Rufreihen – etwa djüp-djüp-djüp – die der Einleitung der Gesangsstrophen ähneln und ebenfalls bei Erregung vorgebracht werden. Weiterhin sind ein erregtes chrää oder ein stark frequenzmoduliertes chiit zu hören.[5][2]

Verbreitung

Die Verbreitung des Blaukehlchens ist transpaläaktisch, weist aber große Lücken auf. Sie erstreckt sich vom Nordrand der Strauchtundra südwärts bis in die Steppenzone und in einige südpaläarktische Gebirgszüge. In der Nearktis gibt es ein kleines Kolonisationsvorkommen in Nordalaska.

In Westeuropa beschränkt sich das Vorkommen auf einige Gebirge der Iberischen Halbinsel sowie einige kleine, disjunkte Teilareale in Frankreich, vor allem einen 10 km breiten Streifen entlang der Atlantikküste (Unterart namnetum). Größere Areale gibt es in den Beneluxländern, nördlich der Alpen in Deutschland und Österreich und entlang der Donau im ungarischen Raum. Das mehr oder weniger geschlossene Areal reicht von Nordostdeutschland und Polen ostwärts. In Skandinavien beschränkt sich die Verbreitung auf die Hochgebirge Norwegens, Nordschweden, Nordfinnland sowie die Halbinsel Kola und ist entlang der Küste des Weißen Meeres mit dem geschlossenen Areal verbunden. Dessen Nordgrenze verläuft ostwärts zwischen 70 und 72° Nord bis zur Tschuktschen-Halbinsel, nach Kamtschatka und Nordalaska. Im Süden reicht die dort teils sehr disjunkte Verbreitung bis in die Gebirgsregionen des nordwestlichen Kaukasus, des Zagros, des Pamir, Tian Shan, Altai, Tannu Ola und Changai. In Jakutien kommt die Art nur im Norden und sonst sehr lokal vor. Es ist anzunehmen, dass die Konkurrenz zum Rubinkehlchen, das hier seinen Verbreitungsschwerpunkt hat, zu groß ist.

Geografische Variation

Verbreitung und Unterarten des Blaukehlchens

Eine auffällige Variation besteht bezüglich der Färbung des zentralen Kehlflecks bei den adulten Männchen. Man unterteilt daher die zehn Unterarten in zwei Subspezies-Gruppen: das „Weißsternige Blaukehlchen“ (cyanecula-Gruppe), das vorwiegend im Süden und Westen des Verbreitungsgebietes zu finden ist und das „Rotsternige Blaukehlchen“ (scvecica-Gruppe), das eher im Norden und Osten vorkommt. Dazwischen liegende Populationen variieren stark und zeigen bisweilen auch einen roten „Stern“ mit weißer Basis. Bei manchen Populationen der cyanecula-Gruppe (z.B. magna) kann der „Stern“ auch vollständig fehlen. Andere Merkmale wie Größe und Färbung der Oberseite variieren nur geringfügig.

Cyanecula-Gruppe

  • L. s. cyanecula (Wolf, 1810) – Niederlande, Nordöstliches Frankreich und Iberische Halbinsel, östlich bis nach Weißrussland und in die nordwestliche Ukraine
  • L. s. namnetum Mayaud, 1934 – Südwestliches und zentrales Frankreich
  • L. s. magna (Zarudny & Loudon, 1904) – Östliche Türkei, Transkaukasien und nordwestlicher Iran

Übergangspopulationen

  • L. s. volgae (O. Kleinschmidt, 1907) – Nordöstliche Ukraine und Zentralrussland
  • L. s. abbotti (Richmond, 1896) – Nördliches Afghanistan, Nord-Kaschmir, Karakorum und Ladakh

Svecica-Gruppe

  • L. s. svecica (Linnaeus, 1758) – Skandinavien und nördliches Asien sowie Nordalaska
  • L. s. pallidigularis (Zarudny, 1897) – Tiefebene von Kasachstan und ostwärts bis nach Tien Shan und zum Pamir
  • L. s. saturatior (Sushkin, 1925) – Altai, nordwestliche Mongolei und Gebirge Mittelasiens
  • L. s. kobdensis (Tugarinov, 1929) – Westmongolei, Süden des Altaigebirges westwärts zum Saissansee sowie in Westchina (Provinz Xinjiang)
  • L. s. przevalskii (Tugarinov, 1929) – Zentralchina (Qinghai bis zum Nan Shan und östlich bis zum Alataw-Pass und zum Ordos-Plateau)

Lebensraum

Blaukehlchen in einem Röhrichtbestand

Das Blaukehlchen besiedelt nasse Standorte, die eine Kombination aus schütterem Bewuchs und guter Deckung bieten. Bei letzterem muß es sich nicht wie bei der Nachtigall um dichtes Gebüsch handeln, sondern es reichen entsprechend dichte Bestände aus Altschilf oder Hochstauden. Gewässernähe ist nicht unbedingt erforderlich, jedoch werden solche Biotope vielerorts bevorzugt angenommen.

Bei den Primärhabitaten der Unterart cyanecula handelt es sich um zwei recht kurzlebige Sukzessionsstufen der Niedermoor- und Fließgewässerverlandung. Zum einen ist dies die Pflanzengesellschaft des Weiden-Faulbaum-Gebüsches (Frangulo-Salicetum cinereae), in dem Gebüsche aus Grau- und Ohren-Weide die Übergangsstufe vom Röhricht zum Erlenbruch darstellen. Zum anderen sind dies der Korbweidenbusch (Salicetum triandro-viminalis), in dem Korb- und Mandel-Weide entlang von Fließgewässern Gebüsche mit einer artenarme Krautschicht bilden und dem Bruchweiden-Auwald (Salicetum fragilis), in dem Gebüsche aus Bruch-, Silber- oder Purpur-Weide an Fließgewässern oder Altarmen zum Auwald überleiten.[6][7]

In der Kulturlandschaft, wo diese Stadien aufgrund der Gewässerregulierung meist fehlen, ist das Blaukehlchen auf Biotope angewiesen, die kurzfristig durch menschliche Eingriffe entstehen und dann verbuschen oder mit Röhricht überwuchern. Dies können Baggerungen und Aufschüttungen in Kiesgruben, an Flussufern, Baggerseen oder Fischteichen sein. In der Agrarlandschaft werden bisweilen auch schilfbestandene Entwässerungsgräben, Wegränder, Naßbrachen und Ruderalflächen besiedelt. An der französischen Atlantikküste brütet das Blaukehlchen in verlandenden und verbuschenden Salinen.[6] In den Niederlanden besiedelt die Art auch Rapsfelder und trockene Gräben in Poldern. In Spanien werden auch trockene, steinige Gebirgshänge besiedelt.[8]

Die Unterart svecica brütet in Skandinavien in sumpfigen Buschwäldern der Bergbirke (Betula tortuosa), an sumpfigen Standorten mit Gestrüpp aus Weiden und Birke in Fjell und Tundra, in Zwergstrauchheiden, sowie an Gewässern und Moorrändern der Nadelwaldzone. Im Gebirge, so etwa dem Riesengebirge, der Tatra oder den Zentralalpen, werden Hochmoore, Moorheiden und Kleinseggenriede mit mindestens 50% Deckung aus Latschenkiefer besiedelt, in den Alpen auch Blockhänge mit alpinen Stäuchern, die an Quellfluren oder nasse Runsen angrenzen. Die Höhenverbreitung liegt dort zwischen 1300 und 2100 Metern über dem Meer.[9]

Auf dem Zug sind beide Unterarten in Gebüschen an Flußmündungen, Reisfeldern oder Gewässern anzutreffen.[6]

Verhalten

Blaukehlchen sind tag- und dämmerungsaktiv. Sie jagen bevorzugt an schlammigen Uferstellen sowie auf landwirtschaftlichen Nutzflächen und in Büschen nach Insekten. Sie nisten versteckt, meist nahe am Wasser in Erdlöchern, zwischen Wurzeln und Gestrüpp. Im Mai legt das Weibchen 6-7 licht blaugrüne, rotbraun gepunktete Eier, welche beide Geschlechter in etwa zwei Wochen ausbrüten. Der Gesang ist hauptsächlich am frühen Morgen und nach Einbruch der Dunkelheit zu hören.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Glutz v. Blotzheim, S. 217 (s. Literatur)
  2. a b L. Svensson, P. J. Grant, K. Mularney, D. Zetterström: Der neue Kosmos-Vogelführer, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH, Stuttgart 1999, ISBN 3-440-07720-9, S. 260
  3. Glutz v. Blotzheim, S. 218 (s. Literatur)
  4. u. a. bei Jean C. Roché: Die Vogelstimmen Europas auf 4 CDs – Rufe und Gesänge von 396 Vogelarten, Kosmos-Verlag, ISBN 3-440-07030-1
  5. Glutz v. Blotzheim, S. 219 (s. Literatur)
  6. a b c Glutz v. Blutzheim, S. 257f (s. Literatur)
  7. F. Runge: Die Pflanzengesellschaften Mitteleuropas, Aschendorff Verlag, Münster 1990, ISBN 3-402-04383-1
  8. R. Meijer, K. Štasný: Bluethroat (Liscinia svecica) in W. J. M. Hagemeijer, M. J. Blair: The EBCC Atlas of European Breeding Birds – their distribution and abundance, T & A D Poyser, London 1997, ISBN 0-85661-091-7
  9. Glutz v. Blutzheim, S. 227f (s. Literatur)
Commons: Blaukehlchen (Luscinia svecica) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien