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Gemeindepartnerschaft

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Partnerschaftsschild in Ilmenau
Datei:DPAG-1997-Staedtepartnerschaften.jpg
Postwertzeichen "50 Jahre Städtepartnerschaften" (Deutsche Post)
Partnerschaftsgarten in Cholon (Israel)

Eine Städtepartnerschaft (auch Gemeindepartnerschaft oder Jumelage) ist eine Partnerschaft zwischen zwei Städten oder Gemeinden mit dem Ziel, sich kulturell und wirtschaftlich auszutauschen. Die meisten Partnerschaften bestehen zwischen Städten in verschiedenen Ländern.

Geschichte

Erstmals sind 1920 das englische Keighley, West Yorkshire, und Poix-du-Nord im französischen Département Nord eine Städtepartnerschaft eingegangen, allerdings in der Form, dass die englische Stadt die französische „adoptierte“. 1986 erfolgte dann eine offizielle Partnerschaft.[1] Die erste Partnerschaft mit Beteiligung einer deutschen Stadt erfolgte 1925 zwischen Kiel und Sonderburg, die nächste wurde 1930 zwischen Wiesbaden und Klagenfurt geschlossen.[2] Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ab 1947 verstärkt Städtepartnerschaften gegründet, um Völkerverständigung an der Basis zu praktizieren. Ein Beispiel ist etwa die Partnerschaft Bonns mit dem englischen Oxford.

Die gleiche Intention verfolgten 1951 in Genf auch 50 Bürgermeister deutscher und französischer Städte, als sie den Rat der Gemeinden Europas (seit 1984 Rat der Gemeinden und Regionen Europas, RGRE [3]) gründeten. Dieser hat sich u. a. zur Aufgabe gemacht, die Aussöhnung zwischen den Völkern Europas und die kommunale Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg zu fördern. Damit war eine internationale Grundlage zum Aufbau von Städtepartnerschaften gegeben. Seit 1955 hat der Rat eine deutsche Sektion, die seit 2003 vom Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster als Präsidenten geleitet wird.

Eine Vorreiterrolle bei der Entstehung solcher partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Kommunen hatte vor allem das Land Baden-Württemberg. Hier wurde 1947 die erste deutsch-amerikanische Städtepartnerschaft zwischen Crailsheim und Worthington in den USA aus der Taufe gehoben. 1950 wurde die erste Städtepartnerschaft mit einer Stadt in Frankreich besiegelt. Die Stadt Ludwigsburg nahm seinerzeit mit der französischen Stadt Montbéliard eine Städtepartnerschaft auf. Dabei spielte die Geschichte eine besondere Rolle. Montbéliard, deutsch Mömpelgard, war lange Zeit eine württembergische Exklave in Frankreich. In der Folgezeit nahmen immer mehr Städte in Deutschland freundschaftliche Beziehungen zu Städten anderer Staaten auf.

Historisch betrachtet wurde zwar bereits 836 die älteste europäische Städtefreundschaft zwischen Paderborn und Le Mans (Frankreich) urkundlich erwähnt, aber diese Freundschaft wurde erst 1967 zu einer offiziellen Städtepartnerschaft.

Partnerstädte von Berlin-Tiergarten
Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrags Dresden–Hamburg 1988

In den 1980er Jahren erlaubte auch die Lockerung des Eisernen Vorhangs partnerschaftliche Beziehungen zwischen westdeutschen und ostdeutschen Gemeinden. In diesem Rahmen wurde am 25. April 1986 die erste deutsch-deutsche Städtepartnerschaft aufgenommen, und zwar zwischen Saarlouis und Eisenhüttenstadt. Diese war vor allem auf die Vermittlungen des damaligen saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine und des Vorsitzenden des Staatsrats Erich Honecker zurückzuführen. Ähnliches geschah in Aachen. Seit 1985 bemühte sich der Rat der Stadt Aachen um eine Städtepartnerschaft mit einer Kommune in der damaligen DDR. Durch die Vermittlung des Aachener Kunstsammlers Prof. Peter Ludwig, der seine persönliche Bekanntschaft mit Generalsekretär Erich Honecker in den Sondierungsprozess einbrachte, wurde eine Verbindung zur Stadt Naumburg hergestellt. Der Austausch war zunächst auf offizielle Begegnungen beschränkt ohne Beteiligung der Bürger. Am 30. Mai 1988 wurde die offizielle Partnerschaftsurkunde in Aachen unterzeichnet. Mit dem Mauerfall 1989 erhielt die Partnerschaft neue Impulse. Der Partnerschaftsvertrag wurde im Januar 1990 novelliert. Bei der deutsch-deutschen Partnerschaft war zunächst Aufbauhilfe gefragt. Z. B. unterstützte die Stadt Aachen die Naumburger sachkundig und finanziell beim Aufbau einer neuen Verwaltung. Aachener Unternehmen und Gruppierungen engagierten sich vielseitig in der Partnerstadt. Unmittelbar nach der Vertragserneuerung im Januar 1990 wurde das Bürgerkomitee Aachen-Naumburg „Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Aachen-Naumburg e. V.“ gegründet.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden Städtepartnerschaften zwischen Ost- und Westkommunen beziehungsweise Ost- und Westkreisen geschlossen, die in erster Linie zur Unterstützung der ostdeutschen Kommunen beziehungsweise Kreise bei den Veränderungen in Politik und Wirtschaft dienten.

Seit der politischen Wende in Europa wurden viele Partnerschaften zwischen deutschen und polnischen Städten geschlossen – oft hervorgegangen aus Städte-Patenschaften, die westdeutsche Städte nach dem Zweiten Weltkrieg für Vertriebene aus Städten östlich der Oder-Neiße-Grenze übernommen haben.

Heute pflegen mehrere tausend Städte und Gemeinden in Deutschland partnerschaftliche Beziehungen mit Städten im „anderen Teil“ Deutschlands oder im Ausland. Dabei wurden inzwischen vermehrt auch außereuropäische Städte einbezogen.

Gründung einer Städtepartnerschaft

Entfernungsangaben von Ilmenau zu den Partnerstädten

Im Vorfeld der Gründung einer Partnerschaft wird meist geprüft, ob es evtl. bereits private Kontakte von Bürgern, örtlichen Kommunalpolitikern oder aber auch von Schulen zu einer Kommune im Ausland gibt, die ggf. intensiviert werden und dann in eine Städtepartnerschaft münden könnten. Sind solche Kontakte nicht vorhanden, werden „partnerschaftswillige“ Kommunen auch von überörtlichen Organisationen vermittelt. Viele Städte, die eine internationale Partnerschaft eingehen wollen, werden auch auf der Webseite des Rates der Gemeinden und Regionen Europas veröffentlicht. Hier werden etwa auch Musterverträge für Partnerschaften veröffentlicht.

Stimmen verschiedene Kriterien überein, nicht unerheblich dabei ist auch die Entfernung, kommt es zu einem Besuch der Verwaltungsspitze, des Bürgermeisters oder des Gemeinderates und einem entsprechenden Gegenbesuch. Ein positives Echo führt dann meist zur formellen Aufnahme einer Städtepartnerschaft, die mit der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde besiegelt wird.

In der Folgezeit werden je nach Engagement der Städte oftmals jährliche Besuche organisiert. Die Initiative hierzu geht entweder von der Stadtverwaltung, gelegentlich auch von Vereinen aus. Die Besucher sollen in der Regel bei privaten Gastgebern untergebracht werden, was das Zusammenwachsen der Völker fördert. Nehmen Vereine an einem solchen Austausch teil, so werden nicht selten gemeinsame Veranstaltungen, etwa Wettkämpfe (bei Sportvereinen) oder Konzerte (bei Musikvereinen oder Chören) veranstaltet.

Das tatsächliche Engagement ist jedoch sehr unterschiedlich. Je mehr Partnerstädte vorhanden sind, desto weniger scheint oft ein Austausch stattzufinden.

Einen bislang einmaligen Weg, ihre Städtepartnerschaften dauerhaft lebendig zu gestalten, geht die Stadt Osnabrück: Sie tauscht mit ihren Partnerstädten so genannte Städtebotschafter aus. Dabei handelt es sich um junge Leute, die ein Jahr lang in der jeweiligen Partnerstadt leben und in deren Verwaltung mitarbeiten. Dort erfüllen sie alle Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Städtepartnerschaft anfallen.

Gemeinden, die intensive europäische Partnerschaftskontakte unterhalten, können sich auch um Auszeichnungen des Europarats bewerben. Hierbei gibt es folgende Formen von Ehrungen: „Europadiplom“, „Ehrenfahne“, „Europaplakette“ und „Europapreis“. Diese werden stufenweise vergeben, so dass zunächst eine Bewerbung um das Europadiplom erfolgen muss. Wird dieses gewährt, kann sich die Kommune später um die Ehrenfahne etc. bewerben.

Eine schwächere Form der Städtepartnerschaft ist die Städtefreundschaft. Sie ist meist zeitlich begrenzt oder bezieht sich nur auf bestimmte Projekte einer Beziehung. Eine noch schwächere Form ist der Städtekontakt, welcher nur eine lose Beziehung zwischen zwei Städten oder Gemeinden darstellt. Beispiele hierfür sind die zahlreichen Kontakte deutsch-deutscher Kommunen nach der Wende.

Gründe für Städtepartnerschaften

Sinn und Zweck von Städtepartnerschaften ist das freiwillige Zusammenfinden von Menschen über Grenzen hinweg. In der Vergangenheit haben sich daher Städte nach entsprechenden Partnerstädten umgesehen. Dabei spielt die Größe der Stadt, die Struktur der Stadt (zum Beispiel ländlich geprägt oder Industriestadt) sowie beispielsweise auch das Vereinsleben eine besondere Rolle.

In vielen Fällen beruht die Städtepartnerschaft auf gemeinsamen Eigenschaften der Städte:

Namensgleichheit oder -ähnlichkeit

Persönliche Beziehungen

Wirtschaftliche und geographische Ähnlichkeit

Ähnliche Geschichte

Vergangenheitsbewältigung/Versöhnung

Religiöse Beziehungen

EU-Partnerschaften

Darüber hinaus gibt es auch Städtepartnerschaften, bei denen entwicklungspolitische Aspekte oder die Lokale Agenda 21 im Vorgergrund stehen (sogenannte kommunale Entwicklungspartnerschaften, Nord-Süd-Partnerschaften bzw. Agenda-Partnerschaften):

Lokale Agenda 21

Kommunale Entwicklungspartnerschaft

Es gibt jedoch auch Ausnahmen, wo teilweise das Gegenteil zutrifft.

Dreieckspartnerschaften

Trilaterale Partnerschaft

Zahl

Die Stadt mit den meisten Städtepartnerschaften in Deutschland ist Köln; es pflegt derer 21. Dahinter liegen Berlin (17), Darmstadt (15) und Nürnberg (14), die meisten deutschen Großstädte zählen jedoch weniger als 10 Städtepartnerschaften. Als einzige deutsche Großstadt besitzt Ulm keine offizielle Partnerstadt. Unter Österreichs Städten sind Städtepartnerschaften deutlich häufiger; herausragend sind Klagenfurt mit derer 16 und Linz mit 15; in der Schweiz dagegen ist diese Institution wenig verbreitet (so besitzt etwa Bern keine Partnerstadt).

Kritik

„‚[…] zu teuer und zu aufwendig‘ […] Mitunter müssten solche Partnerschaften sogar künstlich am Leben gehalten werden […] Und da das eigentliche Ziel dieser internationalen Begegnung auf zwischenmenschlicher Ebene angesiedelt sei, könne es dort auch viel besser umgesetzt werden“, meinte ein Bürgermeister in den Westfälischen Nachrichten am 17. August 2005 im Hinblick auf die sonstigen internationalen Kontakte der Bürger bzw. Vereine.

Die Gefahr ist, dass durch Wechsel der Ansprechpartner in einer Kommune Nachfolger nicht den gleichen Ehrgeiz haben und besonders ältere Partnerschaften manchmal als „eingeschlafen“ gelten und einer „Erneuerung“ bedürfen.

Literatur

  • Kai U. Jürgens: „Die Spur ist die Mutter des Weges.“ Tallinn und Kiel – Die Geschichte einer Städtepartnerschaft. Ludwig Verlag, Kiel 2006, ISBN 3-937719-44-X

Einzelnachweise

  1. Susan Handley: Take your partners: The local authority handbook on international partnerships. Local Government International Bureau, London 2006, S. 4 (gov.uk).
  2. Annemie Buchloh: Städtepartnerschaften. In: Der Städtetag. Mitteilungen des deutschen Städtetags 13 (1960), S. 437ff.
    Deutscher Städtetag hg.: Der Städtetag, Kohlhammer, Stuttgart 1968, S. 287,
    Günter Püttner: Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis: Band 2: Kommunalverfassung, Springer, Berlin-New York 2. Aufl., 2007 S. 510 ISBN 3-540-10993-5
    Hans-Jörg Bücking: Entwicklungspolitische Zusammenarbeit in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, Duncker & Humblot, Berlin 1998, S. 70 ISBN 3-428-09425-5
  3. Council of European Municipalities and Regions (CEMR)
  4. Städtepartnerschaft Treptow-Köpenick – Cajamarca/Peru
  5. Aachen-Kapstadt Partnerschaft Aachen - Kapstadt
  6. Lexikon der Superlative. Außerordentliches und Kurioses aus der Welt der Rekorde - Ausgabe 2000. Bertelsmann, 2000, ISBN 3-577-10431-7.

Siehe auch