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Geschichte Nordrhein-Westfalens

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Nach einem nicht verwirklichten französischen Entwurf von 1946 sollte das Ruhrgebiet und angrenzende Region von Deutschland getrennt werden. Stattdessen wurde auf Betreiben der Besatzungsmächte das Land 1946 gegründet


Die Geschichte Nordrhein-Westfalens beginnt 1946, als aus dem Nordteil der preußischen Rheinprovinz sowie der ebenfalls preußischen Provinz Westfalen auf Betreiben der Britischen Besatzer das Land Nordrhein-Westfalen gegründet wurde. Nach Beitritt des Landes Lippe im Jahr 1947 war der heutige territoriale Zuschnitt erreicht. Im Gegensatz zu einigen anderen neu geschaffenen oder restituierten Ländern im Gebiet des untergegangen Deutschen Reiches gab es für Nordrhein-Westfalen keinen historischen Vorgänger. Im Vordergrund stand vor allem der Wunsch der Alliierten das Ruhrgebiet als Ganzes in ein gemeinsames Land einzubetten.

Trotz Ermangelung historischer Vorgänger, hat das Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens dennoch eine Geschichte, die untrennbar mit den Regionen des Landes verbunden ist und die zeitweise immer wieder Parallelen und Gemeinsamkeiten zwischen den Regionen aufweist. Zeitweise gab es auch im Gebiet des heutigen Landes Verwaltungsgebiete, die große Teile des späteren Landes umfassten oder die Teilgebiete in größeren Staatengebilden miteinander verband.

Vorgeschichte

Urgeschichte

Funde aus dem Oberkasseler Grab

Die Funde in der Balver Höhle und weiterer Höhlen im Sauerland deuten beispielhaft darauf hin, dass Verwandte oder Vorgänger des modernen Menschen bereits in der Urgeschichte in den Raum des heutigen Landes drangen. Auch die berühmten Funde aus dem Neandertal beim heutigen Düsseldorf bestätigen, dass bereits der Neandertaler, eine Verwandter des modernen Menschen, frühzeitig bis in den Raum des heutigen Nordrhein-Westfalens vordrang. Das Doppelgrab von Oberkassel sowie die Funde der Blätterhöhle beim heutigen Hagen geben Hinweise darauf, dass der moderne Mensch mindestens bereits seit 12.000 vor Christus ins Rheinland, ab etwa mindestens 10.000 vor Christus auch in das heutige Westfalen wanderte. Die Fundstellen Balver und Blätterhöhle aber auch beispielsweise vom Hohlen Stein bei Soest zeigen, dass auch in der Zeit nach 10.000 vor Christus im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens Menschen verschiedener Kulturen lebten.

Frühgeschichte

Römische Kaiserzeit

Das römische Köln,
Schaubild im Römisch-Germanischen Museum

Die Berichte antiker, meist römischer Geschichtsschreiber erlauben erstmals um Christi Geburt eine Darstellung der Region des heutigen Nordrhein-Westfalens abseits der archäologischen Erkenntnisse. Die Geschichtswissenschaft beschreibt diese Epoche als Römische Kaiserzeit, wenngleich die größeren Teile des heutigen Landes nie fester Teil des römischen Imperiums wurden. Die noch im Gegensatz zur antiken Welt in der keltisch-geprägten La-Tène-Zeit oder in ihrer germanisch-geprägten Kultur lebende Bevölkerung zwischen Maas und Weser rückte seit den Gallische Kriegen vermehrt in das Blickfeld des Reiches. Durch die Eroberung Galliens im Gallischen Krieg (58 bis 51/50 v. Chr) durch Gaius Iulius Caesar bis zur Nordsee und östlich bis zum Rhein, fielen erste Gebiete des heutigen Nordrhein-Westfalens in den Machtbereich Roms. Relativ schnell übernahmen die Bewohner dieser Regionen Teile der römischen Zivilisation (vgl. Romanisierung). Die Bewohner der Gebiete links des Rheines zählten die Römer seit Caesar meist pauschal zu den Galliern, für die rechtsrheinisch siedelnde Bevölkerung prägte Caesar wenig differenziert den Begriff „Germanen“. Eine Differenzierung und die Beziehungen der germanischen Stämme untereinander und eine genaue Verortung der germanischen Bevölkerungsgruppen (Stämme) im rechtsrheinischen Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens bleibt während der gesamten Römischen Kaiserzeit und darüber hinaus auf Grund der insgesamt nur bruchstückhaften und oft ungenauen Quellenlage schwierig. Die modernen Wissenschaft ordnet die Stämme im heutigen rechtsrheinischen Nordrhein-Westfalen meist der Gruppe der Rhein-Weser-Germanen zu. Von den gesicherten linksrheinischen Gebieten führten Feldzüge römische Truppen bis weit hinein nach Germanien. Der erste römische Heerführer, der größere Heerzüge in die rechtsrheinischen Gebiete unternahm, war Drusus ab 12 vor Christus. Seine Nachfolger errichteten im heutigen Nordrhein-Westfalen verschiedene teils für mehrere Jahre belegte Heerlager im heutigen Nordrhein-Westfalen, etwa das Römerlager Haltern, und drangen entlang der Lippe bis in das heutige Ostwestfalen und weiter vor. Langfristiges Ziel der Römer war wohl die Errichtung einer Provinz Magna Germania im Rechtsrheinischen. In der Varusschlacht 9 . Chr. in der Nähe oder sogar im heutigen Ostwestfalen erlitt das expandierende Imperium gegen eine vom Cheruskerfürsten Arminius geführte germanische Stammeskoalition einen empfindlichen Rückschlag. Zwar gab es auch danach bis etwa 16 n. Chr. noch unter Germanicus große Eroberungsfeldzüge nach Germanien, eine massive römische Siedlungs- oder Eroberungspolitik fand aber im heutigen Nordrhein-Westfalen nicht mehr statt, obwohl auch danach Quellen vereinzelt vom Vordringen römischer Truppen in das Gebiet berichten (vgl. auch Römisches Schlachtfeld bei Kalefeld). In der Folge wurde die römische Provinz Germania Inferior um 85 errichtet, die alle linksrheinischen Teile des heutigen Landes umfasste. Ausnahme war lediglich der kleine rechtsrheinischen Brückenkopf Divitia (heute Köln-Deutz). Während die rechtsrheinischen Stämme bis zum Ende der römischen Provinz in ihrer dörflich-agrarisch geprägten Stammeskultur verblieben, wohl aber Handel mit dem Imperium betrieben, entwickelten sich teils aus römischen Militärlagern heraus im bereits früh eroberten und als relativ friedlich geltenden Germania inferior für damalige Verhältnisse große Städte wie wie Colonia Ulpia Traiana (beim heutigen Xanten) oder die Hauptstadt der Provinz Colonia Claudia Ara Agrippinensium (das heutige Köln), das eine der größten und bedeutendsten Städte nördlich der Alpen war. Auch Städte wie das das heutige Bonn oder Neuss haben römische Ursprünge.

Siehe auch: Geschichte der Römer in Germanien

Zeit der Völkerwanderung

Grab Karls des Großen im Aachener Dom

Um 400 geriet die Germania inferior zunehmend unter den Einfluss germanischer Stämme, die selbst durch Völker aus dem Osten bedrängt in einer großen Völkerwanderung nach Westen drängten. Um 400 brach die römische Provinz noch vor dem Fall des Weströmischen Reichesim heutigen Land Nordrhein-Westfalen zusammen. Obgleich kaum gesicherte Detailkenntnisse zu den Wanderungsbewegungen der germanischen Stämme oder deren Entwicklung zu Stammesverbünden nach dem Rückzug der Römer aus Germania magna vorliegen, nimmt man an, dass sich im heutigen Nordrhein-Westfalen vor allem zwei Volksgruppen zu den größten Machtfaktoren entwickelten. Zum einen waren dies die fränkischen Volkstämme, zum anderen die Sachsen. Die Franken attackierten bereits in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts die römischen Gebiete von ihrem rechtsrheinischen Herkunftsgebiet aus und dehnten ihr Siedlungsgebiet teils von den Römern geduldet bis auf das römische Gebiet am Niederrhein aus, aber auch in Germanien dehnte sich Einflussbereich um 400 merklich aus. Im gallischen Teil des fränkischen Machtbereiches entwickelte sich mit dem Schwinden der römischen Macht eine franko-gallische Kultur, die aber auch starke römische Elemente besaß. Während der Völkerwanderung konnten sich die Franken gegen die Völker aus dem Osten rund um ihr Kerngebiet um das heutige nordrhein-westfälische Rheinland behaupten. Die zweite große Volksgruppe im heutigen Land Nordrhein-Westfalen, die Sachsen, waren wohl in der römischen Kaiserzeit ähnlich wie die Gruppe der Franken durch Zusammenschluss mehrerer Stämme entstanden, wenngleich die Ursprünge und die Geschichte der Sachsen ebenfalls nicht im Detail bekannt sind. Der Kern ihres Siedlungsgebietes, dass sich während der Völkerwanderungszeit relativ stabil zeigte, lag schwerpunktmäßig im heutigen Norddeutschland. Im heutigen Nordrhein-Westfalen siedelten die sächsischen Westfalen und Engern also (nord-) östlich der Franken, also in etwa im heutigen Westfalen-Lippe, während die Franken in etwa den heutigen rheinischen Landesteil beherrschten.

Frühmittelalter

Säulen im Westwerk des Klosters Corvey

Den fränkischen Merowingern gelang nach Zusammenbruch Westroms bis zum 6. Jahrhundert die Festigung eines Frankenreiches, dass sich über weite Teile des heutigen Frankreichs (damals: Gallien) sowie große Teile Süddeutschlands und sogar darüber hinaus erstreckte. Die fränkischen Könige, zunächst die Merowinger später die Karolinger dehnten ihr Reich bis ins 9. Jahrhundert immer weiter aus und wurden zur bestimmenden frühmittelalterlichen Großmacht Westeuropas. In den Sachsenkriegen gelang es den christlichen Franken unter Karl dem Großen bis 804 das lose sächsische Stammesherzogtum und seinen größten Widersacher Widukind weitestgehend zu unterwerfen und zu christianisieren. Während die Römer in ihren Versuchen das gesamte Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen in ihren Staat einzubetten scheiterten, gelang den Franken hingegen also (vermutlich erstmals) die Zusammenfassung aller heutigen Landesteile in einem - wenngleich wohl lockeren - Staatswesen. 776 gründete Karl der Große eine Pfalz und eine Karlsburg in Paderborn als seine Residenz. 777 fand dort der erste Reichstag und eine Missionssynode in Paderborn statt. Der Ort gilt als Geburtsstätte des mittelalterlichen Deutschen Reiches. 799 traf sich Karl der Große in Paderborn mit Papst Leo III. und verabredete seine Kaiserkrönung im Jahr 800. Die von den Franken geförderten christlichen Zentren wie Corvey oder Herford trugen die fränkische Zivilisation, die sich mit den antiken Resten der römischen Kultur verbunden hatte, bis weit in das heutige Westfalen. Das damals immer noch agrarisch geprägt Land verfügte im Gegensatz zu den ehemals römischen Gebieten im Rheinland eine unterentwickelte Infrastruktur und über kaum größere Siedlungen. Im Mittelalter bedeutende Städte wie Paderborn, Münster, Herford oder Soest entwickelten sich erst ab etwa 800. Das heute nordrhein-westfälische Aachen entwickelten sich im karolingischen Frankenreich von einer Siedlung mit römischen Ursprüngen zu einer der wichtigsten Residenzstädte der fränkischen Könige.

Das Frankenreich zerbrach Mitte des 9. Jahrhunderts. Der Westen des heutigen Nordrhein-Westfalens wurde durch den Vertrag von Verdun Teil des Ostfrankenreichs, das sich später auch den Nordteil des ebenfalls im Vertrag von Verdun entstandenen Lotharii Regnum aneignete. Dieser als Lotharingien bezeichnete Nordteil umfasste auch das das heutige Rheinland, so dass das heutige Nordrhein-Westfalen wieder vollständig in einem Staat - im ostfränkischen Reich - vereint war. Lebendig waren im losen und über seine Führer tief zerstrittenen ostfränkischen Reich immer noch die Stammeskulturen und Einflussbereiche der von den Franken ursprünglich unterworfenenen Völker. Im heutigen Osten Nordrhein-Westfalens war das Stammesherzogtum Sachsen von besonderer Bedeutung. Mit Heinrich I. wurde zu Beginn des 10. Jahrhunderts schließlich sogar ein sächsischstämmiger Herzog aus dem Geschlecht der Liudolfinger zum ostfränkischen König gewählt. Sein ebenfalls sächsischstämmiger Nachfolger Otto I. formten aus dem Ostfrankenreich das Heilige Römische Reich und wurde anknüpfend an die Tradition Karl des Großen in Aachen zum König gekrönt. Aachen blieb aus dieser Tradition heraus im weiteren für Jahrhunderte Krönungsort römisch-deutscher Kaiser.

Hochmittelalter und Spätmittelalter

Im Hochmittelalter und Spätmittelalter blieb das Heilige Römische Reich ein loser Bund. Das Teilherzogtum der Sachsen, das auch große Teile des heutigen Westfalen-Lippes umfasste, fiel im 12. Jahrhundert an den mächtigen Heinrich dem Löwen. Im Konflikt zwischen Kaiser Friedrich I. Barbarossa und Heinrich dem Löwen wurde 1180 dessen sächsisches Herzogtum allerdings geteilt und die Herzogswürde für Westfalen dem Erzbischof von Köln übertragen. Das so entstandene Herzogtum Westfalen umfasste vor allem heute südwestfälische Gebiete. In den restlichen ehemals sächsischen Gebieten des heutigen Westfalen-Lippes konnten sich nach der Zerschlagung Heinrichs Herzogtums im Laufe der Zeit mehrere Territorien emanzipieren, die bis zum Ende des Heiligen Römisches Reiches in ihrer Kleinteiligkeit charakteristisch für die Gebiete des heutigen Nordrhein-Westfalens bleiben sollten. Die größeren dieser in verschiedenen Ausprägungen der Eigenstaatlichkeit und Staatsform bestehenden Gebiete waren Lippe, Paderborn, Ravensberg, Minden, Münster und Mark. Etwa die Hälfte dieser Gebiete waren geistliche Territorien unter Einfluss der Römischen Kirche, der im ottonisch-salischen Reichskirchensystem erhebliche Macht zuwuchs. Im Westen des heutigen Nordrhein-Westfalens erlangte vor allem das geistliche Territorium Kurköln besondere Bedeutung, das neben dem bereits beschrieben Einfluss im Herzogtum Westfalen auch erheblichen Einfluss auf Territorien wie Mark, Paderborn und Minden in heute westfälischen Regionen hatte. In Südwestfalen etablierte sich zusätzlich die Territorien Mark und Berg. Im Rheinland entstanden neben Köln einige weitere Herrschaften darunter die später vereinigten Herzogtum Kleve und Jülich, die später auch Kontrolle über Ravensberg und Berg erlangten. Die rechtlichen und faktischen Beziehungen und Machtverhältnisse zwischen diesen Territorien und damit die jeweilige Bedeutung der jeweiligen Teilterritorien des Heiligen Römischen Reiches waren kompliziert und waren im Laufe des Hoch- und Spätmittelalters mehren Verwerfungen unterworfen. Neben diesen größeren Territorien gab es auch weitere kleinere Territorien, darunter auch reichsunmittelbare Städte und reichsunmittelbare Stifte.

Die Städte im heutigen Nordrhein-Westfalen profitierten im Mittelalter stark durch den nun einsetzenden Handel, der in Westfalen erstmals das Niveau erreicht haben dürfte, das während der römischen Zeit im Linksrheinischen bereits erreicht wurde. Der Hellweg verband als einer der bekanntesten Handelswege große Handelsstädte wie Dortmund oder Soest miteinander, die sich im Mittelalter zu Städtebünden zusammenfanden und schließlich vielfach der Hanse beitraten.

Frühe Neuzeit

Reichskreise zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis ist in Hellbraun dargestellt.

Als im Rahmen der Reichsreform Maximilians I. die Reichsstände 1500 zu sechs, 1512 zu zehn Reichskreisen zusammengefasst wurden, war einer davon der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis. Über das Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens hinaus umfasste er den Westen des heutigen Niedersachsens und das belgische Fürstbistum Lüttich. Zählte die Freie Reichsstadt Köln noch zum Reichskreis, so war Kölns linksrheinisches Umland (Kurköln) und Bonn und auch das Herzogtum Westfalen (Sauerland) Teil des Kurrheinischen Reichskreises. Die Reichsstände des Gebietes waren zu einem großen Teil geistliche Gebiete und waren damit fest in der Hand von Adelsfamilien der jeweiligen Territorien (insb. die Stifte Münster, Paderborn, aber auch Osnabrück). Im Zuge der Reformation und der Konfessionalisierung auch Nordwestdeutschlands, entstand eine Zweiteilung: der Niederrhein und Teile Westfalens wurden bzw. blieben dauerhaft lutheranisch, Lippe wurde reformiert. Die Gegenreformation erreichte eine Verstärkung der römisch-katholischen Reichsstände des Gebietes. Insbesondere unter der Herrschaft von Clemens August von Bayern (1700–1761) wurden große Teile des heutigen Nordrhein-Westfalens „vereinigt“: Münster und Paderborn (1719) sowie Kurköln mit dem Herzogtum Westfalen (1723).[1] Clemens August zentralisierte von seinem Haupt- und Regierungssitz in Bonn aber die Verwaltung dieser Territorien nur teilweise. Die Personalunionen in den geistlichen Territorien wechselten. Häufig entschieden sich die Domkapitel bewusst gegen Personalunionen ihrer zukünftigen Fürstbischöfe. Dennoch boten eine nicht zu unterschätzende „nordrhein-westfälische“ Kontinuität die katholischen Adelsfamilien, die sich gegenseitig in den Domkapiteln und Klöstern Positionen verschafften. Preußen, das bisher kein entscheidender Machtfaktor im heutigen Nordrhein-Westfalen war, erlangte im 17. Jahrhundert Teile Westfalens wie Ravensberg, Kleve. Minden und die Mark. Die brandenburgisch-preußischen Kurfürsten bzw. Könige vereinheitlichten zwar die Verwaltung ihrer niederrheinisch-westfälischen Lande, dennoch genossen diese Territorien in Preußen auf Grund ihrer Situation als Exklave große Autonomie. Im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurden alle geistlichen und die meisten kleineren unter den weltlichen Territorien mediatisiert und größeren weltlichen Territorien zugeschlagen. Brandenburg-Preußen konnte nach Kleve, Ravensberg, Mark und Minden mit Münster und Paderborn weitere wichtige Gebiete erwerben.

Unter napoleonischem Einfluss

Unter Napoleon gerieten zunächst die westlichen und südlichen Gebiete des heutigen Landes unter französischen Einfluss. 1806 wurden die rechtsrheinischen Teile des nordrheinischen ehemaligen Kurfürstentums Köln mit weiteren rechtsrheinischen Gebieten unter Aufhebung einiger 1803 entstandener Zwergstaaten durch Kaiser Napoleon I. zum neuen Großherzogtum Berg mit der Hauptstadt Düsseldorf vereinigt. Die sauerländischen Gebiete um Arnsberg wurden dem Großherzogtum Hessen zugeschlagen. Diesen Rheinbundstaaten gelang als napoleonischen Vasallenstaaten bis 1806 die Expansion ihrer Machtbereiche. Berg umfasste ab 1806 einen großen Teil des Westteils des späteren Nordrhein-Westfalens, allerdings ohne das an Frankreich gefallene linke Rheinufer. Berg entwickelte sich - im Hinblick auf verschiedene rechts-, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Gesichtspunkte - zu einem der fortschrittlichsten und modernsten deutschen Staaten. Große Teile der ostwestfälischen Gebiete Preußens wurden Teil des neu geschaffenen Königreichs Westphalen. Dieser französischen Vasallenstaat umfasste neben dem heutigen Ostwestfalen aber hauptsächlich Gebiete außerhalb der namensgebenden Landschaft und erstreckte sich auch auf hannoversche bzw. hessische Gefilde. Auch im Königreich Westphalen wurde daraufhin eine effiziente Verwaltung nach französischem Vorbild eingeführt. 1813 wurde das Großherzogtum und die anderen Gebiete von Koalitionstruppen besetzt, 1815 durch den Wiener Kongress einer Neuordnung unterzogen und die meisten Territorien dem Königreich Preußen einverleibt. Düsseldorf verlor seine führende Rolle als Haupt- und Residenzstadt. Neben den wiederlangten preußischen Territorien vergrößerte sich Preußens Besitz im heutigen Land Nordrhein-Westfalen also enorm. Mit Ausnahme des mehr oder weniger von Preußen abhängigen Lippe, das auch während der napeolonischen Zeit seine Unabhängigkeit wahren konnte, war das Gebiet des späteren Nordrhein-Westfalens nach Ende der französischen Herrschaft vollkommen preußisch.

Als Teil Preußens

Hauptartikel: Provinz Westfalen und Rheinprovinz

Seit 1815 waren große Teile des späteren Nordrhein-Westfalens unter dem Dach eines einzigen Staates, dem Königreich Preußen, vereint. Das Gebiet des heutigen Landes lag dabei in einer westlichen Randlage Preußens. Der so vergrößerte Einheitsstaat Preußen gliederte seine westdeutschen Gebiete neu in die Provinz Westfalen mit der „Provinzialhauptstadt“ Münster und die fusionierte Rheinprovinz (“Rheinland”) mit der „Provinzialhauptstadt“ Koblenz. Wenn der neue Oberstaat auch die jeweilige eigene Identität von erweitertem Rheinland und Westfalen tendenziell förderte, so handelte es sich staatsrechtlich bei den „Provinzen“ lediglich um unselbständige Regierungs- und Verwaltungsbezirke in demselben zentralen Einheitsstaat. Als dieser, der seit 1918 die Staatsform des republikanischen Freistaates hatte, 1945 unterging (förmlich 1947 aufgelöst), ging auch die längste Periode der Vereinigung von Nordrhein und Westfalen in einem einzigen, nicht zersplitterten Staat zu Ende; sie hatte von 1815 bis 1945, also 130 Jahre gedauert. 1946 bildeten sie einen gemeinsamen selbständigen Staat. Bei dieser Betrachtung bleibt lediglich der Landesteil Lippe außer acht, der vor 1946 über Jahrhunderte eigenständig war.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich das Ruhrgebiet basierend auf den Kohle- und Erzfunden in der Region zu einem industriellen Zentrum. Die vormals ländlich und durch einzelne Handelsstädte geprägte Raum entwickelte sich im Folgenden zu einen der größten Ballungszentren der Welt.

Zwischen den Weltkriegen

Als Folge des Ersten Weltkrieges der das heutige nordrhein-westfälische Gebiet nicht direkt betraf, besetzten die Alliierten Siegermächte bis 1930 Teile des Rheinlandes (Alliierte Rheinlandbesetzung) und zwischen 1923 und 1925 auch das gesamte Ruhrgebiet (Ruhrbesetzung), dessen strategische Bedeutung für die Rüstungsindustrie und die deutsche Wirtschaft insgesamt enorm war. Im Anschluss daran blieb die Region bis 1936 (siehe „deutsche Rheinlandbesetzung“) demilitarisiert.

Nationalsozialistische Diktatur und Zweiter Weltkrieg

Die größte Stadt des Landes – Köln – liegt 1945 in Trümmern.

Im Nationalsozialismus waren die preußischen Provinzen und Lippe nur noch wenig bedeutungsvolle Hüllen des diktatorisch gelenkten Deutschen Reiches. Jüdische Bewohner, die nicht rechtzeitig flohen, wurden in Westfalen, im Rheinland und in Lippe fast vollständig deportiert und getötet. Für die Rüstung des Deutschen Reiches hatten die industriellen Zentren an Rhein und Ruhr enorme Bedeutung. Demzufolge flogen die Alliierten im Verlauf des Krieges schwere Luftangriffe auf das Ruhrgebiet. Den vorrückenden Alliierten gelang 1944 die Einnahme erster nordrheinischer Städte wie Aachen in der Schlacht um Aachen. Versuche der Wehrmacht im Rheinland und Westfalen die Alliierten zurück zu werfen misslangen. Besonders verlustreich für beide Seiten war die Schlacht im Hürtgenwald. Der Ruhrkessel führte 1945 zur Aufgabe des Ruhrgebiets. Bombardements und Bodenkrieg ab Ende 1944 bis etwa April 1945 hatten zu einer fast völligen Zerstörung der industriellen und städtischen Kernen der preußischen Provinzen und Rheinland und Westfalen geführt. Beide Provinzen des de-facto untergegangenen Preußens sowie Lippe wurden von den Briten besetzt.

Geschichte des Landes seit 1946

Gründung des Landes

Besatzungszonen in Deutschland ab Februar 1947
Das Ständehaus in Düsseldorf, heute Ausstellungsgebäude "K 21" der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, früher Sitz des ehemaligen rheinischen Provinziallandtages und ehemaliges Landtagsgebäude von Nordrhein-Westfalen

Hauptartikel: Gründung und Geschichte des politischen Systems Nordrhein-Westfalens

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Siegermächte uneins über das weitere Schicksal des Ruhrgebiets. Während Frankreich einen eigenständigen, politisch schwachen Staat oder ein internationalisiertes Gebiet favorisierte, sprach sich die sowjetische Seite für einen Viermächte-Status aus, vergleichbar mit Berlin. Letzteres wurde von den Briten, zu deren Besatzungszone die Region gehörte, entschieden abgelehnt, um den sowjetischen Einfluss nicht nach Westen auszudehnen. Die USA verhielten sich in dieser Frage offiziell neutral, unterstützten aber stillschweigend die Briten. Darüber hinaus befürwortete die britische Regierung eine Eingliederung des Ruhrgebiets in einen zukünftigen deutschen Staat, um eine Wiederholung der schweren Wirtschaftskrise und damit der Instabilität nach dem Ersten Weltkrieg zu vermeiden. Allerdings sollte sowohl die Wirtschaftsmacht als auch das potenziell sozialistische Proletariat des Industriereviers kompensiert werden. Aus diesem Grund entwickelten die Briten die Idee des Zusammenschlusses mit dem ländlich und katholisch geprägten Westfalen. Zudem sollte die Einbeziehung leistungsfähiger Agrarlandschaften die logistisch schwierige Aufgabe der Versorgung des dicht besiedelten Ruhrgebiets erleichtern. Das Projekt war von Anfang an umstritten, nicht zuletzt innerhalb Deutschlands, wo Politiker das wirtschaftliche und Bevölkerungs-Übergewicht des neuen Landes fürchteten. Zudem gab es kaum Gemeinsamkeiten der beiden Landesteile Nordrhein und Westfalen, abgesehen davon, dass beide rund 130 Jahre lang preußische Provinzen gewesen waren. Historisch stand Westfalen Niedersachsen und Nordrhein der zu Rheinland-Pfalz zugeschlagenen südlichen Hälfte des Rheinlandes näher. Am ehesten verwischten sich die Grenzen im Ruhrgebiet.

Seine rechtlichen Grundlagen erhielt Nordrhein-Westfalen mit der Verordnung Nr. 46 der britischen Militärregierung vom 23. August 1946 „Betreffend die Auflösung der Provinzen des ehemaligen Landes Preußen in der Britischen Zone und ihre Neubildung als selbständige Länder“.[2] Aus dem nördlichen Teil der preußischen Rheinprovinz und aus der Provinz Westfalen wurde das neue Land Nordrhein-Westfalen gebildet.

1947 musste das vormalige Land Lippe auf Betreiben der Briten seine Selbstständigkeit aufgeben. Seine Regierung entschied sich nach Verhandlungen mit beiden benachbarten Ländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen (beide britische Verwaltungszone) für den Anschluss an Nordrhein-Westfalen. Am 21. Januar 1947 trat durch die britische Militärverordnung Nr. 77 die Vereinigung in Kraft und sollte durch eine Volksabstimmung in Lippe innerhalb von fünf Jahren bestätigt werden, was jedoch unterblieb. Am 5. November 1948 wurde mit Verabschiedung des „Gesetzes über die Vereinigung des Landes Lippe mit Nordrhein-Westfalen“ durch den nordrhein-westfälischen Landtag der Beitritt auch rechtsformal vollzogen.

Der besonderen wirtschafts- und rüstungspolitischen Bedeutung des Ruhrgebiets trug das am 29. April 1949 beschlossene Ruhrstatut Rechnung: Eine internationale Behörde sollte die Schwerindustrie der Region kontrollieren, politisch durfte Nordrhein-Westfalen sich der Bundesrepublik anschließen. Die Kontrollbehörde wurde allerdings kaum tätig. Produktionsbeschränkungen wurden nach kurzer Zeit wieder aufgehoben, um den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu fördern. 1952 wurde die Behörde offiziell aufgelöst, so dass die Montanindustrie ungebremst produzieren konnte.

Chronik

21. Juni 1946 Britisches Kabinett beschließt in Whitehall in London die Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen
17. Juli 1946 Auf einer Pressekonferenz beim Alliierten Kontrollrat in Berlin wird die Zusammenlegung des nördlichen Rheinlands mit Westfalen bekannt gegeben.
24. Juli 1946 Ernennung von Rudolf Amelunxen zum Ministerpräsidenten durch die britische Besatzungsbehörde
23. August 1946 Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen durch die Verordnung Nr. 46 der britischen Militärregierung
2. Oktober 1946 Konstituierende Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen
21. Januar 1947 Verordnung Nr. 77 der britischen Militärverwaltung zur Eingliederung des Landes Lippe nach Nordrhein-Westfalen tritt vorläufig in Kraft.
20. April 1947 Erste Landtagswahl
5. November 1948 Der Landtag in Düsseldorf beschließt das „Gesetz über die Vereinigung des Landes Lippe-Detmold mit dem Land Nordrhein-Westfalen“, Gründung des Landesverbandes Lippe
23. Mai 1949 Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland tritt in Kraft. Nordrhein-Westfalen wird ein Land der Bundesrepublik Deutschland.
10. Mai 1949 Der Parlamentarische Rat bestimmt Bonn zur vorläufigen Bundeshauptstadt.
18. Juni 1950 Annahme der Landesverfassung durch Volksentscheid
10. März 1953 Das Landesgesetz über die Landesfarben, -flagge und -wappen wird verabschiedet.
12. Mai 1953 Die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe werden gegründet.
11. Mai 1954 Die Gründung des Westdeutschen Rundfunks in Köln wird beschlossen.
30. Juni 1965 Die Landesregierung eröffnet die Ruhr-Universität in Bochum.
12. Dezember 1968 Die Landesregierung eröffnet die Universität Dortmund.
1. Juli 1969 Die erste Stufe der Neugliederung der Gemeinden und Kreise tritt in Kraft. Hierdurch wird zunächst die Zahl der Gemeinden im Land reduziert.
1. August 1971 Das Bildungsangebot in Nordrhein-Westfalen wird um 15 Fachhochschulen in Aachen, Bielefeld, Bochum, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Hagen, Köln, Krefeld, Lemgo, Münster, Paderborn, Siegen und Wuppertal erweitert.
16. Mai 1972 Es folgen die Gesamthochschulen in Duisburg, Essen, Paderborn, Siegen und Wuppertal sowie 1975 die einzige deutsche Fernuniversität in Hagen.
1. Januar 1975 Die zweite Stufe der Neugliederung der Gemeinden und Kreise tritt in Kraft. Hierdurch wird nochmals die Zahl der Gemeinden reduziert und alle Kreise im Lande werden neu geordnet.
17. Oktober 1994 Die neue Kreisordnung und die neue Gemeindeordnung treten in Kraft, nach der die kommunale Doppelspitze abgeschafft wird. Gleichzeitig wird die Direktwahl der Landräte und der Oberbürgermeister bzw. Bürgermeister eingeführt.
6. Juli 1999 Der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen erklärt die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen für verfassungswidrig. Die Klausel wird daraufhin im Kommunalwahlgesetz gestrichen.
1. Januar 2003 Alle Gesamthochschulen werden in Universitäten überführt.
22. Mai 2005 Die SPD verliert bei der Wahl des 14. Landtages nach 25 Jahren den Status als stärkste Fraktion und wird nach 39-jähriger Regierung (seit 1995 mit den Grünen) von den Wählern in die Opposition geschickt. Die bisherige Opposition aus CDU und FDP tritt in Koalitionsverhandlungen ein.
22. Juni 2005 Knapp 39 Jahre nach dem Sturz von Franz Meyers durch ein konstruktives Misstrauensvotum am 8. Dezember 1966 wird mit Jürgen Rüttgers erstmals wieder ein CDU-Politiker zum Ministerpräsidenten gewählt.
1. November 2009 Durch Staatsvertrag mit Hessen wächst Nordrhein-Westfalen um 14 ha und 22 Einwohner, die kulturell ohnehin seit Jahrzehnten nach Brilon-Bontkirchen ausgerichtet waren.

Nordrhein-Westfalen-Tag

Bis 2006 feierte das Land seine runden Geburtstage mit Veranstaltungen in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Ab 2007 finden diese Nordrhein-Westfalen-Tage jährlich in wechselnden Städten des Landes statt.[3] 2007 fand der Nordrhein-Westfalen-Tag in Paderborn, 2008 in Wuppertal und 2009 in Hamm statt.[4] Veranstaltungsorte werden 2010 die Stadt Siegen und 2011 die Stadt Bonn sein.[5]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. hinzu kamen 1724 Hildesheim und 1728 Osnabrück, letzteres ebenfalls im niederrheinisch-westfälischen Kreis
  2. Verordnung Nr. 46 – Auflösung der Provinzen des ehemaligen Landes Preußen in der Britischen Zone und ihre Neubildung als selbständige Länder.
  3. Rheinische Post vom 17.Dezember 2005, abgerufen am 28. November 2009 Rüttgers will Jährlichen Nordrhein-Westfalen-Tag
  4. NRW-Tag 2009 in Hamm – Elephantastisch
  5. www.energieland.nrw.de: Nordrhein-Westfalen-Tag in Paderborn – Landesregierung beteiligt sich mit einem umfassenden Angebot

Literatur

  • Jörg Engelbrecht: Nordrhein-Westfalen in historischer Perspektive. In: Werner Künzel, Werner Relleke (Hrsg.): Geschichte der deutschen Länder. Entwicklungen und Traditionen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Münster 2005, S. 255–278.
  • Christoph Nonn: Geschichte Nordrhein-Westfalens. C.H.Beck, 2009, ISBN 978-3-406-58343-8 (128 Seiten mit 2 Karten).
  • Landschaftsverband Rheinland, Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.): Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-27303-9.
  • Nordrhein-Westfalen Jahrbuch 2007. 8. Jahrgang. K. G. Saur Verlag, München 2006, ISBN 3-598-23954-8, S. 508 (mit allen wichtigen Adressen und Personen des öffentlichen Lebens!, auch als CD-ROM, ISBN 3-598-23955-6).

Koordinaten: 51° 29′ N, 7° 33′ O

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