Steinmetzzeichen
... das ist ein Steinmetzzeichen (Auszug aus einer seit 2002 vorliegenden Abhandlung)
Das Steinmetzzeichen ist ein grafisches Zeichen, Gemerk oder Markierung, dessen Formen, oder Formenerweiterungen auf einer einfachen Linie, einem Kreis oder Kreisbogen basieren.
Die Steinmetzzeichen wurden überwiegend vertieft eingeritzt oder eingearbeitet. Seltener sind die erhaben gearbeiteten Steinmetzzeichen. Neben den Steinmetzzeichen existieren auch Versetzzeichen, welche in den meisten Fällen vom Steinmetzzeichen zu unterscheiden sind. Die Versetzzeichen wurden durch den Steinmetz oder Maurer in Werkstücke eingeschlagen, um deren Lage, Ausrichtung und Drehung im Baukörper bei der Anfertigung festzulegen, beziehungsweise dem Versetzer deutlich anzuzeigen. Diese Versetzzeichen werden im folgenden nicht weiter behandelt, da sie von den Steinmetzzeichen in ihrer inhaltlichen Bedeutung klar zu unterscheiden sind.
Seltener vorkommend sind Meisterzeichen, beziehungsweise solche Zeichen, welche auch als Meisterzeichen erkennbar sind. Das Meisterzeichen (eines Bau-, Werk- oder Bildhauermeisters) unterscheidet sich ab dem frühen 16. Jahrhundert oftmals nicht durch seine Form von den am gleichen Bau vorkommenden Steinmetzzeichen. Vielmehr wurde es in einer Rahmung, einem Wappenschild und in erhabener Form gearbeitet oder in deutlich exponierter Lage hervorgehoben. Die geometrische Form des dargestellten Meisterzeichens bleibt jedoch einfach und lässt sich kaum von den anderen (Steinmetzzeichen) am gleichen Bau unterscheiden.
Die Bedeutung der Steinmetzzeichen wird in seiner Betrachtung in den Mittelpunkt gestellt. Es erscheint nicht als Fussnote oder Anhang bei der Untersuchung eines konkreten Objektes. Vielmehr soll das Steinmetzzeichen in seiner Darstellung, Form, Formenentwicklung und Anwendung der Ausgangspunkt für umfangreiche Betrachtungen sein. Dabei sind die Beziehungen der grafischen Steinmetzzeichen zu ihrer Verbreitung im Zeitraum vom 14. bis 17. Jahrhundert ebenso zum Gegenstand dieser Arbeit geworden, wie die Betrachtung der mittelalterlichen Bauverhältnisse. Nicht unwesentlich ist dabei die Erfahrung, dass die Auswertung registrierter Steinmetzzeichen an einem konkreten Baukörper nachfolgende Aussagen ermöglichen oder präzisieren kann:
- zeitliche Abläufe und Geschwindigkeit der Baumassnahme
- Koordinierung und spezifische Einteilungen der Steinmetzgruppen
- die Anordnung konstruktiver und statisch tragender Teile am Baukörper
- Art und Umfang der Baumassnahme (oder Teilmassnahme)
- Art und Weise der Umsetzung der Pläne in der Bauphase
- relative Anzahl der am Bau tätigen Werkleute
- Änderungen während der Bauausführung
- Bauunterbrechungen
Zudem ermöglicht das Steinmetzzeichen als persönliches Signum eines Steinmetzen im Idealfall Kenntnisse über dessen Arbeitsstätten, Aufenthalte und Leistungen. Über das vorgefundene Steinmetzzeichen den Urheber, seine Wirkungsstätten und Lebensdaten zu ermitteln, ist daher ein Anspruch dieser Arbeit. Es versteht sich von selbst, dass die Begrenztheit der gesammelten Daten keine erschöpfenden Schlüsse zulassen.
Für die Beurteilung der Anwendung eines Steinmetzzeichens ist es unerlässlich die geschichtlichen Rahmenbedingungen genau zu betrachten. Wie funktionierte zum Beispiel eine mittelalterliche Baustelle, wer verfügte über ein Steinmetzzeichen? Was waren die Voraussetzungen für dessen Anwendung? Sind stilistische Auffassungen einzelner Bau- und Werkmeister, Steinmetze oder Steinmetzgruppen, deren Verpflichtungen gegenüber dem Klerus oder den Landesherren, geographische Bewegungen der Steinmetzen unter den verschiedensten gesellschaftlichen Gegebenheiten und deren Bewegungsfreiheit in den jeweiligen politischen Grenzen rekonstruierbar?
Durch die anhaltende Verwitterung von Steinoberflächen, die Beschädigungen und Zerstörungen der letzten Jahrhunderte und nicht zuletzt auch durch eine Vielzahl von Überarbeitungen, ist bedauerlicherweise ein grosser Verlust von Steinmetzzeichen an allen Baukörpern festzustellen. Die Erfassung ist daher zu einem Wettlauf mit der Zeit geworden. Ich will mit dieser Arbeit Kollegen und Interessenten im Bereich der Bauforschung, Denkmalpflege und mittelalterlicher Archäologie ansprechen. Neben dem Angebot eines Registers als Nachschlagewerk überregional vorgefundener Steinmetzzeichen, möchte ich gleichzeitig in einer Abhandlung das Steinmetzzeichen einer differenzierten Betrachtung unterziehen. Das Nachschlagewerk als Grundlage für weitere Nachforschungen. Das Zusammentragen und Auswerten von Steinmetzzeichen mit Rückschlüssen auf deren mögliche Urheber und Ihrer Lebens- und Arbeitsstationen sollen hierbei angeregt werden. Voraussetzung hierfür ist die quantitative Erfassung, welche nunmehr in einer ersten Fassung vorgelegt werden kann.
Der Wunsch nach einer zentralen "Sammelstelle" für Steinmetzzeichen lässt sich nur durch ein breites Interesse verwirklichen. Wegen der hohen Verluste originaler Oberflächen an bedeutenden Bauwerken, ist das historische Zeugnis "Steinmetzzeichen" vielerorts bereits unwiederbringlich verlorengegangen. Andererseits ermöglichen die heute überdurchschnittlich vielen Restaurierungs- und Baumassnahmen an denkmalgeschützten Objekten eine Erfassung und Registratur bisher unbekannter Steinmetzzeichen. Ein weiteres Vorantreiben dieses Projektes ist nur durch gegenseitige Zuarbeit und Unterstützung möglich.
weiterführende Informationen, Bilder und Auswertungen zum Thema unter: steinmetzzeichen