Geschichte Haitis

Die Geschichte Haitis bezieht sich auf die Geschichte des Karibikstaates Haiti, der heute die Westhälfte der Insel Hispaniola umfasst. Haiti war das erste Land Lateinamerikas, das sich aus dem Status einer Kolonie (in diesem Falle Frankreichs) befreite und 1804 die Unabhängigkeit erlangte. Nach den USA war Haiti zudem der zweite Staat des amerikanischen Kontinents, dem dies aus eigener Kraft, durch die Haitianische Revolution, gelang. Zur Geschichte des Landes gehören weiterhin 200 Jahre spanischer Kolonialherrschaft (1492 - 1697), die das Land mit der Dominikanischen Republik auf der Osthälfte der Insel teilt sowie 300 Jahre Sklaverei für die Mehrheit der Bevölkerung, die nach Ausrottung der indianischen Urbevölkerung ganz überwiegend aus zwangsweise aus Afrika verschleppten Menschen bzw. deren Nachkommen bestand. Erst im 17. Jahrhundert begann der Einfluss Frankreichs auf dem Gebiet des heutigen Haiti die spanische Herrschaft zu verdrängen und schließlich zu ersetzen. Ab diesem Zeitpunkt trennen sich auch die Entwicklungslinie des östlichen, spanisch geprägten und des westlichen (haitianischen) Teils der Insel Hispaniola, womit die Geschichte Haitis im engeren Sinn beginnt.
Die indianische Urbevölkerung
Zur Geschichte der Taino siehe Abschnitt Die Geschichte der Taínos auf Hispaniola im Artikel Taino

Die Größe der indianischen Urbevölkerung der Insel Hispaniola zum Zeitpunkt der Ankunft der ersten Europäer unter dem Kommando von Christoph Columbus 1492 wird auf 300 000 bis zu einer Million Menschen geschätzt. Die meisten dieser Indianer gehörten zum Volk der Taino, die zu den Arawak gerechnet werden. Im später haitianischen Teil lebte zudem eine kleine Gruppe der Ciboney, die bekannteren Kariben siedelten im später dominikanischen Teil.
Die Vorfahren der Taino waren um 250 n. Chr. nach Hispaniola eingewandert und beherrschten die Insel bei Ankunft der Europäer aufgeteilt in fünf Häuptlingstümer, von denen Guacanagari und Behechio sich auf dem haitianischen Teil befanden. [1]
Die von den spanischen Eroberern eingeschleppten Seuchen, insbesondere die Pocken, führten zu einem Massensterben der indianischen Urbevölkerung, das 1503 eingeführte System der Zwangsarbeit ("Encomienda") beschleunigte die Ausrottung der Taino. 1519 bis 1533 erhoben sich die angeblich nur noch 4000 Überlebenden unter ihrem von den Spaniern Enriquillo genannten Anführer gegen die spanische Herrschaft und konnten einen Vertrag mit ihnen durchsetzen, der die De-Facto-Sklaverei der Taino beendete. Mitte des 16. Jahrhunderts lebten dennoch nur noch wenige hundert Taino und Ende des 16. Jahrhunderts gelten sie als ausgerottet.[2]
Von der spanischen zur französischen Kolonialherrschaft
Zur Geschichte des Gebiets vor der Eigenstaatlichkeit Haitis siehe den Hauptartikel: Hispaniola.
Haiti bis zur Unabhängigkeit der Dominikanischen Republik
Am 1. Januar 1804 proklamierte Jean-Jacques Dessalines die Unabhängigkeit von Saint Domingue (gefeiert wird heute in Haiti der Tag der Verfassungsgebung, der 9. Mai 1801, als Unabhängigkeitstag). Am selben Tag besetzten französische Truppen Santo Domingo, wo die Sklaverei wieder eingeführt wurde. Praktisch wurde damit nur der Westteil Hispaniolas unabhängig.
Das Land erhielt den Namen „Haiti“, die Selbstbezeichnung lautete damals „Erster Freier Negerstaat“. Aus dem vielleicht einzigen erfolgreichen Sklavenaufstand der Weltgeschichte ging damit die erste selbstständige (aber instabile) Nation Lateinamerikas hervor. Dessalines ist heute einer der Nationalhelden Haitis.
Dessalines entwarf eine Flagge, indem er einfach das Weiß der französischen Tricolore entfernte. Er ernannte sich selbst am 8. Oktober (oder Dezember) zum Kaiser Jakob I. (Empereur Jacques I) und erließ am 20. Mai 1805 eine neue Verfassung. Die meisten der im Lande verbliebenen Franzosen wurden ermordet. Die Plantagen wurden enteignet und aufgeteilt, besetzt oder verlassen. Die auf dem Export der Landwirtschaft beruhende wirtschaftliche Stärke Saint Domingues schwand. Das Ziel einer egalitären Gesellschaft, die Triebfeder der französischen Revolution und auch des haitianischen Freiheitskampfes war, wurde verfehlt. Die Mulatten wurden die neue Elite, die Schwarzen blieben weitgehend eine ungebildete und rechtlose Landbevölkerung.
1805 eroberte Haiti das seit einem Jahr unter französischer Herrschaft stehende Santo Domingo.
Dessalines Grausamkeit rief schon im folgenden Jahr eine Verschwörung zwischen dem Schwarzen Henri Christophe und dem Mulatten Alexandre Pétion hervor, durch welche er am 17. Oktober 1806 ermordet wurde. Mit seinem Tod endete auch das Kaisertum; Haiti wurde wieder Republik.
Als Führer des Freiheitskampfes (der Schwarzen) wurde auch Henri Christophe ein Nationalheld Haitis.
Alsbald brach auch die durch den gemeinsamen Hass gegen die Weißen in den Hintergrund gedrängte Rivalität zwischen Mulatten und Schwarzen offen aus und blieb fortan das Motiv aller inneren Kämpfe des neuen Staats. Pétion, als Anführer der Mulatten, und Christophe, als Anführer der Schwarzen, kämpften miteinander um die Oberherrschaft. Das Land spaltete sich in eine südliche Mulatten-Republik mit Pétion als Präsident an der Spitze und in einen nördlichen Staat (Nord-Haiti), dem Henri Christophe als ernannter Präsident vorstand.
Beide Staaten trennte ein breiter Landstrich, den man absichtlich unbebaut ließ, und der bald, von Lianen und Dorngesträuch überdeckt, eine natürliche Grenze bildete.
1808 verlor Haiti die Herrschaft über Santo Domingo. Einer Ansicht nach eroberten die Spanier Santo Domingo zurück; einer anderen Ansicht nach konnten die spanischen Kreolen (einheimische Nachfahren von Spaniern) von Santo Domingo mit britischer Unterstützung die Haitianer vertreiben, legten dann aber ihr Land wieder in spanische Hände.
Am 26. März 1811 verwandelte Christophe Nord-Haiti in eine erbliche Monarchie und ließ sich unter dem Namen Henri I zum König krönen. Er ahmte in lächerlicher Weise den französischen Hofstaat nach und vergab inflationär komisch anmutende Titel, Hof- und Staatsämter. Schließlich gab es vier Prinzen, acht Herzöge, 22 Grafen und eine große Anzahl von Angehörigen des niederen Adels.
Auf dem 945 Meter hohen Pic La Fernere ließ er von über 200.000 Zwangsarbeitern die mächtigste Festung seiner Zeit außerhalb Europas errichten. Zugleich erschien ein neues Staatsgesetzbuch (Code Henri).
Die Sklaverei blieb im Grunde die alte, nur trat an die Stelle der Peitsche der Säbel. Zwischen beiden Staaten (des Westteils) herrschte unversöhnliche Feindschaft, und nur in der Zurückweisung der nach dem Wiener Kongress erneuerten Ansprüche Frankreichs waren sie einig. Pétion gab am 2. Juni 1816 seiner Republik eine Verfassung, welche Abschaffung aller Sklaverei, Pressefreiheit etc. festsetzte. Nach Pétions Tod am 27. März 1818 versuchte Henri I. die Mulatten-Republik mit seinem Königreich zu vereinigen; allein der Mulatten-General Jean-Pierre Boyer, der als Präsident Nachfolger Pétions geworden war, wusste diesen Versuch zu vereiteln. Henri I. selbst, welchen ein Aufruhr republikanisch gesinnter Mulatten in seinem Reich zu Grausamkeiten gereizt hatte, wurde immer verhasster, und im September 1820 brach ein Aufstand gegen ihn aus, der bald das ganze Reich erfasste und den Abfall seiner Truppen zur Folge hatte, worauf der König Henri I. sich am 8. Oktober 1820 erschoss. Hierauf fand, da sich das Heer dem Präsidenten Boyer unterwarf, am 26. November 1820 die Vereinigung beider Teile Haitis zu einer einzigen Republik statt.
Am 1. Dezember 1821 proklamierte José Núñez de Cáceres den „Unabhängigen Staat Spanisch-Haiti“ (Estado Independiente de Haití Español).
1822 kam es zum erneuten Anschluss Santo Domingos an Saint Domingue. Zu dem Ablauf gibt es zwei Ansichten: (1) Der Plan von Cáceres, das Land Großkolumbien unter Simón Bolívar anzuschließen, scheiterte, weil die Mehrzahl der Schwarzen und Mulatten eine Union mit Haiti vorzog, wo die Sklaverei bereits abgeschafft war. Der Anschluss an Haiti (und Abschaffung der Sklaverei) erfolgte 1822. Möglich ist auch (2), dass Jean-Pierre Boyer, nachdem er Nord- und Süd-Haiti in seiner Macht hatte, mit den nun frei gewordenen militärischen Kräften 1822 Santo Domingo unterwarf und es am 8. Februar annektierte. Hauptmotiv war dabei die Verstaatlichung der spanischen Kirchengüter, die Sklavenbefreiung und die Einsetzung einer effizienteren nach französischem Vorbild ausgerichteten Landesverwaltung.
Die Republik Haiti wurde in der Folge von den meisten Staaten anerkannt. Nach mehreren vergeblichen Wiedereroberungsversuchen erkannte selbst Frankreich sie 1825 an, allerdings gegen eine an die ehemaligen Plantagenbesitzer zu zahlende Entschädigung von 150 Mio. Franc, die 1838 bei Gelegenheit des Abschlusses eines Handelsvertrags zwischen Frankreich und Haiti auf 60 Mio., in 30 Raten bis 1867 zu zahlen, herabgesetzt wurde. Dieser Betrag ruinierte die haitianische Wirtschaft.
Haiti musste zur Bezahlung der Schulden Steuern einführen, die langanhaltende Unzufriedenheit, besonders im spanisch geprägten Ostteil, verursachte. Insbesondere finanzierte Boyer sie durch Anleihen bei französischen Banken, und diese Auslandsverschuldung wurde chronisch.
Seit 1822 regierte Boyer nach der Verfassung vom 2. Juni 1816 als Präsident auf Lebenszeit, jedoch unter beständigem Zerwürfnis mit dem Repräsentantenhaus.
Im Frühjahr 1842 wurde Haiti von einem furchtbaren Erdbeben heimgesucht, das einige Städte fast vernichtete; besonders hart wurde die Stadt Cap-Haïtien betroffen. Boyer wurde 1843 durch eine von den Mulatten Dumesle und Herard Rivière geleitete Verschwörung gestürzt, ging nach Europa ins Exil, wo er 1850 in Paris verstarb.
Die siegreichen Parteihäupter teilten darauf die Stellen unter sich auf. Widerstand zeigte sich nur in dem spanisch geprägten Ostteil (Santo Domingo), weshalb Rivière eilig mit Truppen dahin zog, die vornehmsten Einwohner von Santo Domingo gefangennahm und eine Besatzung unter seinem Bruder, dem Obersten Leo Herard, zurückließ. Aber kaum wurde eine neue Verfassung eingeführt und hatte Rivière als Präsident die Macht übernommen, als im August 1843 im Ostteil wieder ein offener Aufstand ausbrach.
Am 27. Februar 1844 erkämpfte sich und proklamierte Santo Domingo als Dominikanische Republik (República Dominicana) seine Unabhängigkeit vom westlichen Landesteil Haiti.
Instabilität (1844 bis 1915)
Haiti nach der Unabhängigkeit der Dominikanischen Republik
Nach dem Abfall der Dominikanischen Republik von Haiti am 27. Februar 1844 rief Herard Rivière über den Osten der Insel den Blockadezustand aus, rief die Nationalgarde zu den Waffen, und schon am 10. März 1844 brachen zwei Heere, 20.000 Mann stark, nach Osten auf. Die eine Kolonne, unter Pierrot, einem schwarzen General, wurde jedoch schon auf dem Marsch von Pimentel bei Seybo geschlagen, und auch die zweite, unter Rivière selbst, erlitt am 9. April bei Santiago erneut eine Niederlage.
Nun empörten sich in Haiti die Schwarzen gegen die Mulatten. Um zu retten, was noch zu retten war, willigten diese ein, dass ein Schwarzer, Guerrier, zum Präsidenten gewählt werden sollte, zumal dieser bei seinem hohen Alter und seiner unmäßigen Neigung zum Trunk Hoffnung gab, dass die wirkliche Leitung der Geschäfte nach wie vor in den Händen der Farbigen bleiben würde. Wirklich wurde Guerrier schon Anfang 1845 ein Opfer seiner Trunksucht.
Unter seinem Nachfolger Pierrot machten die Mulatten einen Versuch, ihren alten Einfluss wiederzugewinnen, und erhoben sich am 25. September 1845, um die Zurückberufung Rivières zu erzwingen. Die Bewegung wurde jedoch sofort unterdrückt, und die Mulatten sahen sich nun blutigen Verfolgungen ausgesetzt. Der Hass der Schwarzen äußerte sich unter anderem in einem Gesetz, das jede Ehe zwischen Weißen und Schwarzen verbot. Als sich Anfang 1846 der Volksunwille gegen den Präsidenten Pierrot wandte, gab dieser seine Sache sofort auf und trat in den Privatstand zurück.
Der durch diese Revolution am 28. Februar 1846 auf den Stuhl gehobene Präsident war General Jean-Baptiste Riché. Die Verfassung von 1843 wurde durch die vom 14. November 1846 ersetzt, welche im Wesentlichen die von 1816 war. Der Präsident, ein fast 70-jähriger Mann, aber noch von hoher Tatkraft, stellte in kurzer Zeit den Frieden auf der Insel wieder her, vermehrte die Hilfsquellen des Landes und ließ sich die Zivilisierung des haitischen Volkes angelegen sein. Zu früh für Haiti starb er am 27. Februar 1847.
Der als sein Nachfolger proklamierte General Faustin Soulouque versprach zwar in einem Erlass vom 3. März, das frühere Ministerium beizubehalten und die Politik seines Vorgängers fortzusetzen. Er begann jedoch seine Regierung mit einem Ministerwechsel, der die den Weißen feindlichsten Schwarzen an das Ruder brachte, und Vorbereitungen zu einem Krieg gegen die Nachbarrepublik traf. Im März 1849 kam es zu einem Einfall in San Domingo. In der Schlacht bei Savanna Numero am 22. April 1849 behaupteten die Dominicanos jedoch unter General Santana nach einem fürchterlichen Gemetzel das Feld. Soulouques Heer löste sich auf, und Santana würde dem westlichen Staat ein völliges Ende gemacht haben, wenn ihn nicht ein Aufstand nach San Domingo zurückgerufen hätte.
Kaiserreich (1849 bis 1859)
Nach seiner Rückkehr von dem erfolglosen Feldzug ließ Soulouque sich am 26. August 1849 in Port-au-Prince zum Kaiser ausrufen und setzte sich in der Kathedrale selbst die Krone auf. Als Kaiser Faustin I. ordnete er nun sein Reich ganz nach napoleonischem Vorbild und umgab sich mit einer glänzenden Kaisergarde. Das Ausland reizte er durch Monopolisierung von Zucker und Kaffee, zeitweilige Sperrung der Häfen gegen fremde Schiffe und hohe Steuern, die er den auswärtigen Kaufleuten auferlegte. Nur den energischen Vorstellungen der Konsuln von England, Nordamerika und Frankreich gelang es endlich im Sommer 1850, die Aufhebung dieser Monopolisierung zu erwirken, doch trat an deren Stelle ein erhöhter Ausgangszoll auf Kaffee und andere Hauptausfuhrartikel.
Im Innern herrschte der Kaiser willkürlich und grausam. Am 30. September 1850 begann er abermals die Feindseligkeiten gegen San Domingo. Doch das Landheer des Kaisers erlitt am 9. Oktober in den Bergen von Banica wiederum eine bedeutende Niederlage. Anfang 1851 boten endlich England, Frankreich und die Vereinigten Staaten ihre Vermittlung bei den Feindseligkeiten an. Neue Eroberungspläne Faustins auf San Domingo, trotz der Protestaktionen Frankreichs und Englands im Dezember 1855 ins Werk gesetzt, scheiterten aber so kläglich wie die früheren. In der Savanne von San Tome wurde das 18.000 Mann starke, teils unter Faustins, teils unter General Fabre Geffrards Kommando stehende Heer am 22. Dezember geschlagen. Der Kaiser selbst floh und überließ die kaiserliche Kasse samt Bagage etc. dem Feind. Er ließ hierauf drei Generäle und mehrere Offiziere – angeblich aufgrund des Einverständnisses der Dominicanos – erschießen, sammelte die Reste seines Heeres, erlitt aber mit 10.000 – 12.000 Mann in der "großen Savanne" (Sabanalarga) am 24. Januar 1856 eine zweite entscheidende Niederlage. Zwar verkündete er unmittelbar nach seiner Rückkehr durch eine Proklamation, dass der Krieg gegen San Domingo nur vorläufig aufgeschoben sei, doch führten die Vermittlungen Englands und Frankreichs sowie die kühne Haltung der Dominicanos noch in demselben Jahr zum Abschluss eines dreijährigen Waffenstillstandes.
Wiederherstellung der Republik (1859 bis 1915)
Inzwischen erfolgte Faustins Sturz. Eifersüchtig auf das Ansehen, das sein General Geffrard bei den Truppen genoss, hatte er bereits dessen Verhaftung und Hinrichtung angeordnet, als dieser, noch rechtzeitig gewarnt, am 21. Dezember 1858 nach Gonaïves entkam und hier von den Truppen des Distrikts Artibonite zum Präsidenten von Haiti ausgerufen wurde. Faustins Regierung war so verhasst, dass Geffrard schon am 15. Januar 1859 ohne Widerstand in Port au Prince einziehen und die Präsidentschaft übernehmen konnte. Er schützte den nach Jamaika abziehenden Exkaiser vor der Volkswut und nahm auch sonst keine politischen Verfolgungen vor. Intelligent und aktiv, begünstigte er Künste und Wissenschaften und gewährte volle bürgerliche und religiöse Duldung, rief aber eben hierdurch beständige Opposition von Seiten der Schwarzen alten Schlags hervor. Die Armee wurde verringert, der frühere liberale Zolltarif wiederhergestellt und eine Flotte gegründet. Mehrere Revolten wurden niedergeworfen, namentlich 1865 mit Hilfe Englands auch die der Partei der sogen. Lizards („Eidechsen“) unter dem Rittmeister Salnave.
Diesem gelang es jedoch zwei Jahre später, Geffrard zu stürzen und wurde daraufhin auf vier Jahre zum Präsidenten gewählt, worauf eine neue Verfassung der Republik verkündet wurde.
Aber schon 1868 erhob sich die Partei der Cacos („Papageien“) unter General Nissage Saget gegen die Partei Salnaves; Saget siegte nach zweijährigen Kämpfen, eroberte 1869 Port au Prince und ließ 1870 Salnave erschießen. Saget wurde darauf für vier Jahre zum Präsidenten der Republik gewählt.
Ihm folgte 1874 General Michel Domingue. Da dieser und sein Neffe, der Vizepräsident Rameau, durch Habsucht und Erpressung allgemeine Unzufriedenheit erregten, kam es 1876 zu einem Aufstand, infolge dessen am 19. Juli 1876 das Haupt der Nationalen, General Pierre Théoma Boisrond-Canal, zum Präsidenten gewählt wurde. Doch schon im Juli 1879 wurde Boisrond-Canal, dessen Regierung keine glückliche war, durch die Gegenpartei der Liberalen nach einem blutigen Straßenkampf in Port au Prince, bei dem ein großer Teil der Stadt in Flammen aufging, gestürzt und General Salomon zum Präsidenten erhoben. Ein Ausstand unter Salomons Rivalen Boyer Bazelais, welcher 1883 in Miragoane ausbrach, wurde nach hartnäckigen Kämpfen Ende 1883 unterdrückt.
Bis 1915 gab es elf weitere Präsidenten. Florvil Hyppolite (1889–96) regierte sechseinhalb Jahre. In der turbulenten Zeit von 1912 bis 1915 amtierten allein sieben Präsidenten.
Intervention der USA (1915 bis 1934)

Am 28. Juli 1915, unmittelbar nachdem eine Menschenmenge Präsident Jean Vilbrun Guillaume Sam gelyncht hatte, wurde Haiti durch die USA besetzt. Offizielles Ziel der Intervention war es, die öffentliche Ordnung in dem von inneren Konflikten zerrissenen Land wieder herzustellen.
Nach Ansicht von Historikern richtete sie sich aber auch gegen den deutschen Einfluss in Haiti. Deutsche Einwanderer dominierten damals die Wirtschaft des Landes und in Washington fürchtete man, dass das Deutsche Reich Flottenstützpunkte in der Karibik-Republik einrichten könnte. 1918, kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs, wurde Haiti gezwungen Deutschland den Krieg zu erklären, womit der Weg zur Enteignung der Deutschen frei war.
Die amerikanische Besatzung dauerte 19 Jahre und war für Haiti in vieler Hinsicht traumatisch. Zwar bauten die Amerikaner Straßen, Krankenhäuser und Telefonanlagen. Doch mit ihrem rassistischen Hochmut gegen Schwarze und Mulatten demütigten sie die Haitianer zutiefst. Die Besatzer verpflichteten für ihre Straßenprojekte Bauern zur Zwangsarbeit und ihr Kampf gegen die "Caco"-Rebellen forderte tausende Menschenleben. Der Voodoo wurde als "Satanskult" unterdrückt.
Erneute Unabhängigkeit (1934 bis 1957)
Schließlich wurden die US-Streitkräfte 1934 im Rahmen der Good Neighbour Policy aus Haiti abgezogen. Während des Zweiten Weltkrieges erklärte Haiti dem Deutschen Reich am 12. Dezember 1941 den Krieg. Mit dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten am Tag zuvor wurden auch zahlreiche Staaten Mittelamerikas, die durch Bündnisse mit den USA verbunden waren, in den Krieg hineingezogen. Noch am Tag der deutschen Kriegserklärung an die Regierung in Washington erklärten die Staatschefs von Costa Rica, Guatemala und der Dominikanischen Republik den Achsenmächten den Krieg; Kuba, Nicaragua, Haiti, Honduras und El Salvador folgten am nächsten Tag. Allerdings war diese Beteiligung am Zweiten Weltkrieg eher formal, es gab keinen relevanten Beitrag der mittelamerikanischen Staaten zu den Kampfhandlungen in Europa oder Asien. Jedoch kam es im Laufe des Zweiten Weltkrieges zu Angriffen deutscher U-Boote auf strategisch wichtige Ziele in der Karibischen See und dem Golf von Mexiko. Durch die Kriegserklärungen waren somit die britischen und US-amerikanischen Seestreitkräfte in der Lage, auch in den Hoheitsgewässern ihrer mittelamerikanischen Alliierten zu operieren und deren Flugplätze zu nutzen.
Duvalier-Diktatur (1957 bis 1986)
Siehe auch: François Duvalier
1957 wurde der Arzt François Duvalier, genannt Papa Doc mit Hilfe des Militärs zum Präsidenten gewählt und brachte so sich und seinen Familienclan in die Schlüsselpositionen des Staates. Er entmachtete systematisch die mulattische Elite. Nach seinem Tod 1971 trat sein Sohn Jean-Claude Duvalier, genannt Baby Doc, seine Nachfolge an und ließ sich als Präsident auf Lebenszeit bestätigen. Im Jahr 1984 kam es zu ersten Unruhen. Zwei Jahre später wurde das Kriegsrecht ausgerufen. Jean-Claude Duvalier wurde im weiteren Verlauf abgesetzt und ging ins französische Exil.
Zeit des Übergangs (1986 bis 1990)
Nach Baby Docs Absetzung und Flucht begann die Zeit des Übergangs, mit weiteren Versuchen eine stabile Republik zu bilden. Das Einkammerparlament mit 59 Sitzen wurde aufgelöst. Am 21. März 1986 ernannte sich General Henri Namphy zum Präsidenten. Am 19. Oktober 1986 wurde bei einer nur fünfprozentigen Beteiligung eine verfassunggebende Versammlung gewählt, die für 1987 eine Präsidialrepublik mit einer entsprechenden Verfassung vorbereiten sollte. Am 29. März 1987 wurde die neue Verfassung mit großer Mehrheit vom Volk angenommen.
Es wurde ein Abgeordnetenhaus mit 83 Mitgliedern, das alle vier Jahre gewählt wird, und ein Senat mit 27 Mitgliedern, der alle sechs Jahre gewählt wird, installiert. Alle fünf Jahre sollte das Staatsoberhaupt direkt gewählt werden.
Im November 1987 mussten die Wahlen zum Parlament abgebrochen werden, da die immer noch zahlreichen Anhänger von Duvalier wahlwillige Bürger bedrohten und sogar ermordeten.
Leslie Manigat wurde dann im Januar 1988 als Präsident gewählt, aber schon im Juni vom Militär wieder entmachtet. Der heutige Ministerpräsident Gerard Latortue war übrigens Außenminister im Kabinett. Nachdem General Namphy eine nur aus Militärs bestehende Regierung ernannte, erfolgte drei Monate später schon der nächste Putsch, diesmal durch Generalleutnant Avril.
Im Jahr 1990 stürzte General Hérard Abraham den Diktator Prosper Avril und übergab die Macht an Zivilisten, um so den Weg für freie Wahlen zu ebnen.
Die Amtszeit von Jean Bertrand Aristide (1990 bis 2004)
In diesen Wahlen gewann Jean Bertrand Aristide 1990 die Präsidentenwahlen, wurde aber bereits 1991 durch einen Armeeputsch gestürzt. General Raoul Cédras übernahm die Macht. Es folgten drei düstere Jahre für das Land. Misswirtschaft, Terror und Korruption bestimmten den Alltag der Bürger, eine Flüchtlingswelle zum US-Militärstützpunkt Guantanamo in Kuba setzte ein. Trotz oftmaliger Wechsel der Position des Ministerpräsidenten verbesserte sich die Lage nicht, im Gegenteil. Nun wurden Wirtschaftssanktionen verhängt und der internationale Druck stieg.
Am 19. September 1994 intervenierten die USA in Haiti nach 1915 ein zweites Mal und setzten Jean Bertrand Aristide wieder ins Präsidentenamt ein. Er löste zu Beginn des Jahres 1995 das Militär auf, stärkte aber im Gegenzug den Polizeiapparat (Chimeres). Der spätere Rebellenführer und Gegenspieler Guy Philippe kehrte aus Ecuador in seine Heimat zurück und stieg im neu geschaffenen Polizeiapparat schnell auf. 1995 wurde er dann zum Polizeichef von Cap-Haïtien. Ein weiteres Ziehkind von Aristide, René Préval, wurde zum Präsidenten ernannt.
Am 31. März 1995 wurde Haiti unter ein UNO-Mandat gestellt, das Ende 1997 wieder auslief. Während dieser Zeit funktionierte das öffentliche Leben einigermaßen.
Nachdem im Januar 2000 die Interventionstruppen der USA das Land verließen, fanden vier Monate später umstrittene Parlamentswahlen statt. Es gewinnt die Partei Aristides (Lavalas (kreolisch f. Lawine) -Familie) die Mehrheit der Parlamentssitze. Die internationale Hilfe für Haiti wird eingestellt.
Nachdem am 26. November 2000 Jean-Bertrand Aristide mit 91,8 % der Stimmen erneut zum Präsidenten gewählt wurde, wurden Manipulationsvorwürfe laut. Aristide trat sein Amt am 7. Februar 2001 an. Im November 2002 nahm die Zahl der Protestkundgebungen gegen Aristide weiter zu, der Ruf nach einem Rücktritt wurde lauter. Immer wieder kam es zu Zusammenstößen zwischen Aristide-Gegnern und regierungstreuen Demonstranten.
Revolution und Übergang (2004)
Der Sturz von Jean Bertrand Aristide
Am 200. Unabhängigkeitstag am 1. Januar 2004 kam es zu schweren Unruhen in Haiti, die mit Schüssen gegen den Präsidenten Jean Bertrand Aristide und seinen südafrikanischen Amtskollegen Thabo Mbeki in der Stadt Gonaïves begannen. Haitianische Polizisten und südafrikanische Sicherheitsleute erwiderten das Feuer. Im ganzen Land kam es daraufhin zu Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und den Sicherheitskräften.
Gegen Aristide gerichtete Aufstände, vor allem der "Revolutionären Widerstandsfront des Artibonite" (FRRA), brachten das Land Anfang Februar an den Rand eines Bürgerkrieges. Am 5. Februar 2004 hatten die Aufständischen unter ihrem Anführer Butteur Métayer in der Stadt Gonaïves (160 Kilometer nordwestlich von Port-au-Prince) die Macht übernommen.
Nachdem am 14. Februar 2004 die früheren Putschisten Louis-Jodel Chamblain und Guy Philippe aus ihrem Exil in der Dominikanischen Republik zurückgekehrt waren, schlossen diese sich dem Aufstand an. Die Rebellen eroberten daraufhin in den folgenden Tagen zahlreiche Städte und Orte im Norden der Karibikrepublik.
Schließlich erreichten die Truppen Ende Februar Port-au-Prince. Nun gab der amtierende Präsident Jean-Bertrand Aristide dem Druck der Rebellen und der USA nach, die ihn bis dahin unterstützt hatten, und verließ das Land am 29. Februar 2004 (kurioserweise der Geburtstag von Guy Philippe) mit zunächst unbekanntem Ziel. Nach Aristides Flucht übernahm der Oberste Richter Boniface Alexandre die Amtsgeschäfte des Staatsoberhaupts in der Hauptstadt. Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen waren bis Anfang März 2004 mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen.
Am 4. März 2004 kündigte der Anführer der Rebellen Guy Philippe an, ihre Waffen niederzulegen, was er dann später wieder relativierte. In der Hauptstadt Port-au-Prince demonstrierten am selben Tag Tausende für die Rückkehr von Aristide. Am 7. März 2004 schossen unbekannte Täter auf friedliche Demonstranten und töteten mindestens sechs Menschen. Erstmals seit Beginn der Unruhen kam auch ein ausländischer Journalist ums Leben.
Jean Bertrand Aristide im Exil
Von seinem Exilort in Bangui, Zentralafrikanische Republik aus warf Aristide am 1. März 2004 den USA vor, ihn gegen seinen Willen aus dem Land gebracht zu haben. Die US-Regierung dementierte umgehend; man sei lediglich bei der Flucht ins Ausland behilflich gewesen, hieß es weiter.
Am 9. März 2004 teilte ein Rechtsanwalt von Aristide mit, dass man die USA und Frankreich wegen Entführung verklagen will. Der konkrete Vorwurf lautete, die Regierung von US-Präsident George W. Bush habe Aristide aus Haiti entfernen wollen und Frankreich habe durch den Verstoß gegen internationales Recht dabei geholfen.
Unterstützung erhielt Aristide am 9. März 2004 jetzt auch von der Afrikanischen Union (AU) und der Gemeinschaft der Karibikstaaten. Die 53 Staaten umfassende AU erklärte an ihrem Hauptsitz Addis Abeba, die Entfernung Aristides aus seinem Amt sei verfassungswidrig. Dabei gehe es nicht um Personen, sondern um die Grundsätze der Demokratie. Außerdem forderte die aus 15 Staaten bestehende Karibische Gemeinschaft eine internationale Untersuchung der Entführungsvorwürfe. Aristides Anwalt hatte vorher erklärt, dass man auch Beschwerde bei den Vereinten Nationen einlegen wolle, wenn man die Unterstützung einiger afrikanischer Staaten bekomme.
Weiterhin rief Aristide zum Widerstand gegen die seiner Meinung nach inakzeptable Besatzung auf. So sagte er bei seinem ersten öffentlichen Auftritt: Ich bin der demokratisch gewählte Präsident und bleibe es auch.
Die Ankündigung südafrikanischer Regierungsvertreter vom 5. März 2004, der Aufenthalt Aristides in der Zentralafrikanischen Republik sei nur vorübergehender Natur bestätigte sich acht Tage später. Jamaika gewährte am 13. März 2004 dem Ex-Präsidenten ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht. Die neue Regierung zeigte sich darüber besorgt, könne doch eine solche Nähe Aristides zu Haiti weitere Unruhen schüren. Als weitere Reaktion auf diesen Vorgang berief die neue Regierung am 15. März 2004 ihren Botschafter von Jamaika ab und fror die Beziehungen zu dem Staat ein. Jamaikas Premierminister Percival J. Patterson versicherte jedoch, dass er Aristide ausschließlich aus "humanitären Gründen" einreisen lasse, bevor ein endgültiges Exilland außerhalb der Region für ihn gefunden sei. Er müsse sich jeglicher politischer Betätigung enthalten.
Der 22. März 2004 brachte eine neue Wendung der Exilfrage. Nigeria wolle dem gestürzten nun Asyl gewähren, hieß es von dort. Man sei dazu vorübergehend bereit, teilte das Präsidentenamt in der nigerianischen Hauptstadt Abuja mit.
Am 1. April 2004 kündigte die haitianische Übergangsregierung an, eine unabhängige Kommission zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen gegen den gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide einrichten. Das Gremium solle alle Verstöße auflisten, um dann formell seine Auslieferung zu beantragen.
Nachdem die Gemeinschaft der karibischen Staaten (Caricom – Caribbean Community) Südafrika am 10. Mai 2004 offiziell darum gebeten hat den entmachteten Staatschef einreisen zu lassen, hat die südafrikanische Regierung am 13. Mai 2004 bekannt gegeben, dass sie nach Rücksprache mit den Regierungen von Frankreich und den USA, Aristide zeitweilig aufnehmen wird.
Am 30. Mai 2004 brach er von Kingston, der jamaikanischen Hauptstadt, zusammen mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern ins Exil nach Südafrika auf. Dort wurde er am 31. Mai von Präsident Thabo Mbeki begrüßt. Nach eigenen Angaben will er sich nur vorübergehend in Südafrika aufhalten, bis sich die Lage in Haiti wieder beruhigt hat. Er sieht sich immer noch als rechtmäßiger Präsident des Landes.
Ausländische Truppenpräsenz
Die USA, Frankreich und Chile entsandten am 29. Februar 2004, also noch am selben Tag, an dem Aristide das Land verlassen hat, erste Truppen nach Haiti. Insgesamt befanden sich im März 2004 1.600 US-Soldaten, 800 französische und 130 chilenische Soldaten im Land.
Brasilianische Regierungsvertreter teilten am 4. März 2004 mit, dass sie sich, wenn gewünscht, mit 1.100 Soldaten an einer UN-Truppe für Haiti beteiligen könnten. Brasilien ist damit das erste Land, das ein solches Angebot unterbreitet. Und tatsächlich, am 9. April 2004 teilte der brasilianische Verteidigungsminister José Viegas mit, dass Brasilien im Juli 2004 die Führung der neuen UN-Friedenstruppen in Haiti übernehmen wird. Das südamerikanische Land werde dazu 1.470 Soldaten von Heer, Marine und Luftwaffe in die Karibik-Republik schicken. Viegas legte Wert auf die Klarstellung, dass der militärische Einsatz der Brasilianer in Haiti ganz anderer Natur sei als jener der USA in Irak.
In Port-au-Prince traf am 17. März 2004 ein erstes 170 Mann starkes kanadisches Kontingent der offiziellen internationalen Friedenstruppe ein, welches die Eingreiftruppen ablösen soll. An der auf 90 Tage ausgelegten Mission beteiligen sich auch die USA, Frankreich und Chile, die bereits Truppen außerhalb des Mandates entsandt hatten.
Französische Soldaten rückten am 19. März 2004 von der Hauptstadt Port-au-Prince aus in den Norden des Landes aus, der bisher von den Rebellen gehalten wurde. Ein Konvoi von 150 Mitgliedern der französischen Fremdenlegion erreichte die Stadt Gonaïves, 250 Soldaten nahmen in der Hafenstadt Cap-Haïtien ihre Positionen ein. In beiden Städten haben sich die Rebellen nur dann zur Niederlegung ihrer Waffen bereit erklärt, wenn die Anhänger Aristides gleichziehen. Rebellenführer Butteur Metayer sagte in Gonaïves, man werde den einrückenden Franzosen alle Gewehre aushändigen, mit denen man in den letzten Wochen gekämpft habe.
Am 1. Mai 2004 erteilte der UN-Sicherheitsrat offiziell das Mandat für den Einsatz von 6.700 Blauhelmen und 1.200 Zivilpolizisten. Die UN-Soldaten lösten die in Haiti stationierte multinationale Truppe unter US-Führung im Juni ab.
Bildung einer Übergangsregierung
Die Bemühungen um die Bildung einer neuen Regierung kamen am 5. März 2004 weiter voran. Es wurde eine Wahlkommission gebildet, die dem neuen, am 8. März 2004 vereidigten Übergangspräsidenten Boniface Alexandre einen neuen Premierminister vorschlagen soll. Am 9. März 2004 schlug die Kommission den Juristen und Wirtschaftsexperten Gerard Latortue als neuen Ministerpräsident vor. Er nahm die Berufung an und kehrte einen Tag später aus seinem Exil in Florida nach Haiti zurück. Am 12. März 2004 wurde er vereidigt und trat damit offiziell sein Amt an. Hauptaufgabe seiner Regierung wird es sein, freie Wahlen zu organisieren.
Bei der Regierungsbildung solle nach Willen von Latortue auch der gemeinsam mit ihm nach Haiti zurückgekehrte frühere General Hérard Abraham eine führende Rolle spielen, sagte Latortue. Abraham hatte 1990 nach dem Sturz des Diktators Prosper Avril die Macht an Zivilisten übergeben und den Weg für die ersten freien Wahlen in der Geschichte des Landes geebnet.

Latortue löst damit seinen Vorgänger Yvon Neptune ab, der noch die alte Regierung unter dem gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide geführt hatte. Präsident Alexandre rief seine Landsleute in der Zwischenzeit zur Versöhnung auf. Bei seiner Amtseinführungszeremonie bedankte er sich ausdrücklich bei der internationalen Gemeinschaft für deren Hilfe. Dieses Ziel verfolgt er der neue Ministerpräsident, der sich am 12. März 2004 bereits mit Vertretern der Aristide-Partei Lavalas traf, um seinem Ziel der nationalen Versöhnung mit der Einbindung aller relevanten Kräfte des Landes näher zu kommen.
Am 17. März 2004 wurde das neue Kabinett vorgestellt, zu diesem Zweck traf sich im Vorfeld der Ministerpräsident mit Vertretern aller Seiten zu einem Gespräch. Latortue ernannte 13 neue Minister, jedoch kein Mitglied der Lavalas-Partei des gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide wurde berücksichtigt. Latortues Vorgänger Yvon Neptune warnte deshalb vor einer weiteren Polarisierung in Haiti.
Am 6. April 2004 einigte sich die Übergangsregierung schließlich endgültig auf einen Fahrplan für Neuwahlen. Der neue Präsident soll sein Amt dann am 7. Februar 2005 antreten, zuerst hatte man Ende 2004 die Wahlen geplant.
- Die wichtigsten Politiker der neuen Übergangsregierung im Überblick
- Innenminister und Innere Sicherheit: Hérard Abraham (Ex-General)
- Außenminister: Yvon Siméon (ein enger Vertrauter Latortues)
- Finanzminister: Henry Bazin (Vorsitzender der Vereinigung der Ökonomen Haitis)
- Justizminister: Bernard Gousse
Aktuelle Situation (seit 2004)
Die Rolle des Militärs nach Aristide
Nach der Nominierung des neuen Ministerpräsidenten Gerard Latortue durch den Rat der Weisen warf der ehemalige Oberst Himler Rebu der Kommission vor, man hätte einen taktischen Fehler begangen, sich nicht für Hérard Abraham zu entscheiden. Abraham war der ehemalige Oberbefehlshaber der haitianischen Armee. Die unmittelbare Priorität müsse sein, bewaffnete Unruhen zu vermeiden, und dafür sei Abraham der bessere Mann. Rebu, in den späten achtziger Jahren selber Putschführer, plädierte für eine starke Persönlichkeit, die nun das Amt des Verteidigungs- und Innenministers besetzen müsse.
Nachdem Latortue dieser Forderung Folge leistete und Hérard Abraham in das Amt berief, gab der neue Innenminister am 18. März 2004 sogleich bekannt, wieder eine Armee aufstellen zu wollen. Aristide hatte diese Anfang 1995 aufgelöst.
Status der Auslandsbeziehungen nach der Revolution
Die Beziehungen sind zunächst verworren.
Beziehungen zur Dominikanischen Republik
Die Streitkräfte des Nachbarlandes Dominikanische Republik kündigten nach den Ereignissen eine Verstärkung ihres Einsatzes an der Grenze an. Dies habe Staatspräsident Hipolito Mejía aufgrund von Berichten angeordnet, wonach die haitianischen Rebellen mehr als 3000 Gefangene befreit hätten. Am 12. März 2004 nahmen haitianische Rebellen 36 Geschäftsleute aus der Dominikanischen Republik als Geiseln, um einen Kumpanen aus dem Gefängnis freizupressen. Die Entführer drohten damit, die Verschleppten zu töten, falls der Haitianer nicht freikomme.
Beziehungen zur Weltgemeinschaft
Im März 2004 hat mit Dominique de Villepin erstmals seit dem Ende der französischen Kolonialherrschaft in dem Karibikstaat vor 200 Jahren ein französischer Außenminister das Land besucht.
Venezuelas Präsident Hugo Chavez kündigte am 18. März 2004 an, die neue Regierung Haitis nicht anzuerkennen, und bot Aristide ebenfalls Asyl an. Auch Jamaikas Premier P. J. Patterson betrachtet Aristide, der dort zu Gast ist, weiter als legitimen Präsidenten.
Beziehungen zur Karibischen Gemeinschaft CARICOM
Nach der Verurteilung des Sturzes von Aristide durch die Karibische Gemeinschaft CARICOM am 1. März 2004 setzte Latortue die Mitgliedschaft Haitis in dem Staatenbündnis CARICOM aus. Der Vorsitzende der CARICOM Patterson hatte zuvor Aristide in Jamaika Asyl angeboten. Nun erwägen die Mitgliedstaaten des Bündnis aus Protest gegen den von USA unterstützten Regierungswechsel ihrerseits die Suspendierung der Mitgliedschaft des Landes in der Organisation. Ein geplantes Treffen mit dem neuen Ministerpräsidenten Gerard Latortue am 24. März 2004 wurde abgesagt. Am 26. März 2004 beschloss der Karibikgipfel in St. Kitts einstimmig, die neue Regierung nicht anzuerkennen.
Beziehungen zu den USA
Die Übergangsregierung wird definitiv von den USA unterstützt. Bei einem Besuch des US-Außenministers Colin Powell Anfang April 2004 vereinbarte man, ein mehrköpfiges Expertenteam nach Haiti zu entsenden, das die Übergangsregierung beraten soll. Zudem stellt Washington rund 50 Millionen Dollar für ein Infrastrukturprogramm zur Verfügung.
Innere Sicherheit
Kurz nach dem Sturz von Aristide kam es zu vereinzelten Übergriffen auf US-Soldaten. Dabei wurden bis zum 10. März 2004 vier Haitianer getötet.
Das Pentagon erklärte am 11. März 2004, man werde die Mission zur Befriedung Haitis ausweiten. Man plant ein rasches Handeln der im Land stationierten Marineinfanteristen, um die Gewalt unter der Bevölkerung zu stoppen. Diese ging auch zwei Wochen nach der Flucht von Aristide weiter. In Port-au-Prince kam es wieder zu Schießereien zwischen Anhängern des Ex-Präsidenten und Sicherheitskräften. Zuvor wurde eine Demonstration für Aristide mit Tränengas aufgelöst.
Menschenrechtsgruppen kritisierten Ende März 2004 die schlechte Sicherheitslage im Norden Haitis. Die Organisation Human Rights Watch erklärte, Anhänger des gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide und Journalisten, die auf seiner Seite gestanden hätten, würden unerlaubt von Kämpfern festgehalten. Die Leiterin der Organisation, Joanne Mariner, forderte eine Ausweitung des Einsatzes internationaler Truppen.
Schwere Vorwürfe artikulierte die Organisation auch an die Rebellen. Sie werden verdächtigt, nach ihrer Eroberung der Stadt Cap-Haïtien im Februar Menschen außergerichtlich hingerichtet zu haben. Die Menschen seien getötet und mit Zementblöcken sowie Metall beschwert ins Wasser geworfen worden.
Nach einer ersten Kabinettssitzung der neuen Regierung am 24. März 2004 erwägt man nach dem Vorbild Südafrikas eine Wahrheitskommission einzurichten, um Gewalttäter aus der Vergangenheit zur Rechenschaft zu ziehen. Am 6. April 2004 wurde der frühere haitianische Innenminister Jocelerme Privert verhaftet. Der Politiker wird für ein Massaker an Oppositionellen während der Unruhen im Februar 2004 verantwortlich gemacht.
Humanitäre Lage
In einem dringenden Spendenappell der Vereinten Nationen an die internationale Gemeinschaft Anfang März 2004 bat man um Spenden für die acht Millionen Haitianer. 35 Millionen Dollar seien für die humanitäre Hilfe notwendig, mit dem Geld könne man Haiti sechs Monate mit Medikamenten und Nahrungsmitteln versorgen. Das Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF teilte darüber hinaus mit, dass rund 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche dringend humanitäre Hilfe brauchen. Viele seien seit langer Zeit unzureichend ernährt und besonders von Infektionskrankheiten bedroht.
Die Lage im Norden Haitis verschlechtert sich unterdessen nach Angaben von Hilfsorganisationen täglich. Viele Orte dort hätten wegen der unsicheren Lage schon seit Wochen nicht mehr mit Lebensmitteln versorgt werden können. Babys sind nach Angaben von Ärzten die ersten Opfer. Zehn sollen in Monat März 2004 bereits wegen Unterernährung und Flüssigkeitsmangel gestorben sein.
Die angespannte humanitäre Lage verschärfte sich im Frühjahr 2008, als Proteste gegen die stark angestiegenen Preise für Reis, Mais und andere Grundnahrungsmitteln zu schweren Ausschreitungen mit mehreren Todesopfern führten.[3]
Literatur
- Walther L. Bernecker: Kleine Geschichte Haitis, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1996, ISBN 3-518-11994-X
- J.C. Dorsainvil : Manuel d'Histoire d'Haïti, Port-au-Prince, 1957
- Gottfried Heinrich Handelmann: Geschichte der Insel Haiti, Kiel 1860.
- Hyacinth Holland: Trost, Karl. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 38, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 653–656.
Weblinks
- The Louverture Project – Chronologie der haitianischen Revolution (Wiki)
- Federal Research Division County Studies A Country Study: Haiti
sonstige Links
Einzelnachweise
- ↑ Saunders, Nicholas J. The Peoples of the Carribbean: An Encyclopedia of Archaeology and Traditional Culture. ABC-CLIO, 2005: xi, xv. ISBN 978-1576077016 s. hier
- ↑ Kohn GC, editor. Encyclopedia of plague and pestilence. New York, NY: Facts On File, Inc.; 1995. nach [1]
- ↑ Wiener Zeitung: Im Würgegriff der Armut vom 10. April 2008.