Zehnt
Der Begriff Zehnt, Zehnter, der Zehnte, (auch Kirchenzehnter), (v. lat.: decenia, mittelniederdt.: teghede) bezeichnet eine etwa zehnprozentige traditionelle Steuer an eine religiöse (z.B.: Tempel, Kirche) sowie weltliche (König, Grundherr) Institution.
Eine solche Abgabe war bereits im Altertum in verschiedenen Kulturen nicht nur des Orients bekannt und war über das Mittelalter bis in die frühe Neuzeit üblich.
Der Zehnte in der Bibel
Bereits der König und Priester Melchisedech erhält von Abraham den Zehnt als Steuer.
Das mosaische Gesetz schreibt vor, dass Israelit dem Herrn einen Zehnten "vom Ertrag des Landes und den Früchten der Bäume" sowie von den Rindern und Schafen geben soll (3Mo 27,30ff). Dieser Zehnte war für den Unterhalt des Stammes Levi bestimmt, dem der Tempeldienst zugewiesen war und der deshalb keinen Landbesitz hatte. Die Naturalabgabe konnte auch durch eine Geldgabe ersetzt werden, nur musste der Betrag um ein Fünftel höher sein. Grundsätzlich war der Betrag zum Heiligtum zu bringen, aber in jedem dritten Jahr wurde der Zehnte vor Ort den Leviten und Armen zur Verfügung gestellt.
Diese Zehntvorschriften wurden allerdings längst nicht immer und nicht immer vollständig beachtet - oder ins Extreme geführt (die Pharisäer gaben sogar den Zehnten von den Küchenkräutern).
Der Zehnte im Christentum
Im Neuen Testament wird von den Christen kein Zehnter gefordert, nur eine freiwillige Unterstützung armer Mitchristen und armer Gemeinden.
In der Frühzeit des Christentums verlangten verschiedene Kirchenväter von den Gläubigen einen Zehnten auf freiwilliger Basis.
Erwähnt wird ein Zehnter der katholischen Kirche, zahlbar an den Bischof, erst im frühen Mittelalter zur Zeit von Karl dem Großen und vollständig geregelt im Decretum Gratiani um 1140.
Durch das Eigenkirchenwesen (Kirchen unter dem Patronat von Grundherren) und die Klöster als weltliche Grundherren wurde der Zehnte jedoch oft de facto zur weltlichen Abgabe. Oft wurde der Zehnte auch verpachtet, und der Pächter bekam die Differenz zwischen dem Zehnten und den tatsächlichen Abgaben.
Heute erwarten Freikirchen von ihren Mitgliedern einen Zehnten als freiwillige Abgabe, wobei der tatsächlich gespendete Betrag normalerweise dem Einzelnen überlassen ist.
Der Zehnte im Mittelalter
Bauern mussten den zehnten Teil ihrer Ernte abliefern, Handwerker den zehnten Teil ihrer Produktion.
In Europa wurden zur Aufbewahrung in den Dörfern spezielle große Scheunen, die Zehntscheunen (im alemannischen Sprachraum Zehntscheuern), gebaut, die vielfach nach der Kirche die größten Bauwerke eines Dorfes darstellten. Zehntpflichtige Orte oder Höfe wurden auch als Zehntbesitz bezeichnet. Der Zehntbesitz wurde durch meist durch Kauf, Stiftung oder Schenkung erworben.
Ein einzelnes Kloster, wie Ebstorf in der Lüneburger Heide, konnte über 60 Dörfer im Zehntbesitz haben.
Im Mittelalter wurde der aus dem Alten Testament stammende Zehnt erweitert. Man unterschied zwischen Großzehnt und Kleinzehnt:
- Der Großzehnt war analog der Bibel auf Getreide und meist Großvieh zu entrichten
- der Kleinzehnt war zusätzlich auf andere Feldfrüchte (Küchenkräuter, Obst, Gemüse) und Kleinvieh zu entrichten. Was genau kleinzehntpflichtig war, war örtlich unterschiedlich.
Daneben entwickelten sich weitere Zehntarten, die ebenfalls von Ort zu Ort unterschiedlich erhoben wurden:
- Der Weinzehnt, er war auf gekelterte Weine zu entrichten
- der Heuzehnt, auf geerntetes Heu
- der Holzzehnt, auf geschlagenes Holz
- der Blutzehnt, auf geschlachtete Tiere bzw. Tierprodukte wie Fleisch, Eier und Milch
- der Novalzehnt, auf Neubruch, dass heißt auf durch Rodung nutzbar gemachtes Land.
Abschaffung des Zehnten
Nach der Reformation wurde der Zehnte in protestantischen Gebieten der Schweiz verstaatlicht - im Ausgleich dazu übernahm der Staat die finanzielle Verantwortung für die Kirchen.
In der Schweiz wurde der Zehnte im 19. Jahrhundert mit der Bildung des modernen Bundesstaats abgeschafft.
Auch in Deutschland hielt sich der Zehnte noch bis ins 19. Jahrhundert. In vielen Fällen war die Abschaffung des Zehnten mit einer Ablösesumme verbunden, die in vielen Fällen zu starker und langer Verschuldung der Bauern führte.