Stadtbefestigung Hannover


Die Stadtbefestigung Hannover war ein System von Verteidigungsanlagen der Stadt Hannover in der Zeit von etwa 1200 bis 1800. Die im Mittelalter entstandene Stadtbefestigung umschloss die damalige Stadt und heutige Altstadt. Zu ihr gehörte eine um 1300 entstandene Stadtmauer mit Mauer- und Tortürmen sowie Stadttoren, wovon kaum noch Reste vorhanden sind. Von der im Vorfeld der Stadt gelegenen Hannoverschen Landwehr zeugen noch Gräben, Wälle und Warttürme. Ihre höchste Ausbaustufe erreichte die Stadtbefestigung Anfang des 17. Jahrhunderts als Bastionärsbefestigung nach niederländischem Vorbild. 1646 wurde die Calenberger Neustadt als vorgelagerter, neuer Stadtteil in die sternschanzenförmige Stadtbefestigung einbezogen. Die Entfestigung begann 1780 in Ermangelung eines militärischen Wertes und zur Raumgewinnung für neue stadtplanerische Vorhaben.
Stadtmauer
Die Stadtmauer entwickelte sich aus der um 1150 entstandenen Befestigung mit Wall, Palisade und Graben. Im 13. Jahrhundert erfolgte die Verbreiterung und Vertiefung des Grabens sowie Ersetzung der Palisade durch eine Mauer. Erstmals urkundlich erwähnt wird eine im Bau befindliche Stadtmauer durch Herzog Otto 1297. Der Ausbau zum geschlossenen Mauerring hat sich wahrscheinlich hingezogen, ist aber Mitte des 14. Jahrhundert anzunehmen. Wie eine Urkunde von 1314 berichtet, gab es zu dieser Zeit Verhandlungen des Herzogs mit der Stadt zum Abbruch von 30 Häusern am Steintor, die die Befestigungsanlagen störten.

Mauerkonstruktion
Die Mauer war 7 bis 8 m hoch und trug zum Schutz gegen Witterungseinflüsse auf der Mauerkrone eine Abdeckung. Die Mauerstärke betrug am Boden etwa 1,2 m und an der Krone etwa 0,8 m. An der Außenseite gab es zur Stützung Schrägstreben. Als Baumaterial diente Kalkbruchstein vom nahegelegenen Lindener Berg. An der Innenseite der Mauer führte zu ebener Erde ein Wächtergang entlang, ein Wehrgang in der Höhe ist nicht nachgewiesen.
Stadttore und Durchlässe

Ursprünglich gab es vier Stadttore, die dem Verkehr als Durchlasse dienten und jeweils von einem viereckigen Torturm überbaut waren. Anfangs waren es hölzerne Tore, die ab dem 13. Jahrhundert durch steinerne Tore ersetzt wurden. Auf das Baumaterial Stein weist der Name des Steintores hin.
- Steintor im Norden: 1314 erstmals erwähnt, 1741 abgetragen
- Leintor im Westen: 1340, 1798 abgetragen
- Aegidientor im Südosten: 1300, 1748 abgetragen
- Brühltor: 1646 beseitigt wegen Eingliederung der Calenberger Neustadt
Später kamen noch das Clevertor und das Calenberger Tor hinzu. Die Stadttore erhielten um 1500 im Vorfeld der Stadtmauer weitere Befestigungsanlagen. Sie schützen den Durchlass durch den vorgelagerten Wall. Dazu entstanden Torgebäude, neben den sich jeweils ein runder Zwingertürme befand.
Neben den Stadttoren gab es in der Stadtmauer Mauerdurchlässe. Sie dienten dazu, um die Verteidigungsanlagen und Wälle außerhalb der Stadt auf kurzem Wege erreichen zu können. Im 18. Jahrhundert entstanden weitere Mauerdurchbrüche als Pforten, da die Mauer ihre Verteidigungsfunktion verloren hatte.
Mauertürme


Zur Sicherung der Maueranlage wurden eine Reihe von Türmen gebaut. Insgesamt entstanden 34 Mauertürme im Verlauf der Mauer. 1352 wurden erst vier Mauertürme erwähnt, später standen die vielen Türme teilweise nur 30 m voneinander entfernt. Die älteren Türme wurden aus Steinquadern errichtet. Sie hatten eine Halbkreisform und waren zur Stadt hin offen. Die jüngeren Türme waren rechteckig und bestanden aus Ziegelsteinen. 1357 entstand der dreigeschossige Beginenturm als der mächtigste Turm der Stadt mit 3 m starken Mauern. Er ist noch heute vorhanden. Zunächst wurde der Turm als De nye Torn (Der neue Turm) bezeichnet. Später wurde er nach dem Kloster der Beginen benannt, in dessen Garten er sich befand.
Um 1930 bestanden noch Reste von 4 Mauertürmen, heute sind nur noch der Beginenturm und der Borgentrickturm vorhanden.
Wall und Graben
Die einstigen Wall- und Grabenanlagen sind bei der Schleifung der Verteidigungsanlagen Ende des 18. Jahrhunderts weitestgehend zerstört worden. Archäologische Untersuchungen von 1926 ergaben, das es anfangs einen Wall gab, der der Stadtmauer in 25 m Abstand vorgelagert war. Er stammte aus dem Bodenaushub für ein doppeltes Grabensystem, dass Teile der Stadt umgab. Es wird von 13 m breiten Gräben ausgegangen. In ihnen sammelte sich nur Regenwasser, da sie für eine Wasserzufuhr aus der Leine zu hoch lagen. Das Grabensystem erübrigte sich im Westen und Süden der Stadt, da dort die Leine und ihre feuchte Niederung Leinemasch Schutz boten.
Landwehr und Vorposten

Als die Stadtmauer bereits stand, wurde das Vorgeländes der Stadt Mitte des 14. Jahrhundert durch eine Landwehr gesichert. Sie entstand an den Grenzen ihrer Bannmeile und bestand aus einem heckenbestandenen Wall mit Graben. An den Straßendurchgängen gab es Warttürme und -häuser, die sich bis heute als Ausflugsgaststätten erhalten haben. Vermutlich umgab die Landwehr die gesamte mittelalterliche Stadt, Reste finden sich heute nur im östlichen Teil im Stadtwald Eilenriede.
Ausbau des Befestigungssystems
Die Weiterentwicklung der Artillerie führte im 15. Jahrhundert zum Ausbau der Stadtbefestigung. Dazu entstand im Norden und Osten ein 35 m breiter Graben, die anderen Seiten waren von der Leine und ihren Niederungen geschützt. Im Stadtbereich erhielte das Ostufer der Leine einen Wall, das daher als das Hohe Ufer bezeichnet wurde.
Ab 1632 wurde die Stadtbefestigung zu einer Bastionärsbefestigung nach niederländischem Vorbild [1]ausgebaut. Die Stärke der Befestigung beruhte dann nicht mehr auf der Stadtmauer, sondern auf Wall und Graben vor der Mauer. Dazu zog man breite Wassergräben und polygonale Erdwälle. 1646 wurde der neu vorgelagerte Stadtteil Calenberger Neustadt in die Festung mit einbezogen. Der Wall um die Altstadt hatte 8 Bastionen:

- Bastion hinterm Reithause
- Bastion vor dem Steintor
- Norder-Bothfelder-Bastion
- Bastion hinterm neuen Hause
- Süder-Bothfelder-Bastion
- Windmühlen Bastion
- Bastion auf dem Himmelreiche
- Bastion hinterm Archiv
Die Neustadt war in ihrem Wall durch 6 Bastionen gesichert:
- Bastion hinterm Holzhof
- Calenberger Tor- und Windmühlenbastion
- Bastion hinter Grafen Platens Hof
- Bastion hinter der röm.-kath. Kirche
- Bastion vor dem Clevertor
- Sparrenberg
Abriss der Stadtbefestigung

Im Siebenjährigen Krieg wurden die Festungsanlagen nochmals reaktiviert und durch außen liegende Schanzen, wie die Georgenschanzen auf dem Lindener Berg, verstärkt. Unmittelbar nach Kriegsende 1763 begann die Schleifung der Festungsanlagen. Sie engten die Altstadt ein und behinderten die städtebauliche Erweiterung. Ohnehin hatte die Stadtmauer seit langem ihre militärische Funktion eingebüßt, da die Bürger Mauerdurchbrüche vorgenommen hatten. Auch Mauertürme wurden von den Bürgern genutzt. Nach dem Siebenjährigen Krieg versteigerte die Stadt als erstes Palisaden an Bürger. 1767 wurde im Süden ein Wall abgetragen für die Anlage einer Esplanade, aus der sich später der Exerzierplatz am Waterlooplatz bildete. Ab 1780 erfolgte die Niederlegung systematischer, in dem Wälle abgetragen und mit deren Erdreich Gräben zugeschüttet wurden. Auf den so entstandenen flachen Wallpromenaden legte man Baumalleen an oder es entstanden neue Straßenzüge, wie 1783 der Friedrichswall und 1787 die Georgstraße. Auch die Außenwerke und Torbauten wurden abgebrochen. Einzelne Teile der Stadtmauer wurden beim Bau von Gebäuden eingezogen.
Heute noch erhaltene Reste


Nur noch an wenigen Stellen finden sich heute oberirdisch sichtbare Reste der Stadtmauer und der Mauertürme, von unterirdischen Fundamentresten ist dagegen an vielen Stellen auszugehen. Bis zum Zweiten Weltkrieg haben sich vor allem auf Hintergrundstücken Überreste erhalten. Im Krieg traten durch die Bombardierungen bedeutender Substanzverlust auf.
Heute gibt es vier Stellen mit erhaltenen Resten von Stadtmauer und Mauertürmen:
- Beginenturm [2] mit Mauerstück als Teil des heutigen Historischen Museums an der Leine
- Volkshochschule (Theodor-Lessing-Platz, früher "Knappenort") mit Stadtmauer außen und Stadtmauer mit Rest des alten Borgentrick-Turms innen [3]
- Fußgängerdurchgang vom Georgsplatz zur Osterstraße neben der Landeszentralbank [4];
- Hinterhöfe zwischen Oster- und Georgstraße
Ein letzter Rest einer wasserbautechnischen Einrichtung der Stadtbefestigung ist eine Bähre an der Leine am Friedrichswall. Es handelt sich um eine 20 m lange Ufermauer aus Steinquadern mit einem Sieltürmchen. Das frühere Siel regulierte den Wasserstand zwischen Leine und Stadtgraben.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.): Stadtlexikon Hannover: Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Schlütersche, Hannover, 2009, S. 585
- ↑ Fotovergleich früher - heute
- ↑ Stadttafel Nr. 35
- ↑ Stadttafel Nr. 23
Literatur
- Arnold Nöldeke: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. 1: Regierungsbezirk Hannover. Heft 2: Stadt Hannover. Hannover 1932. Neudruck: Wenner Osnabrück, 1979. Teil 1: Denkmäler des "alten" Stadtgebietes Hannover (Eingemeindungsstand bis 1. Januar 1870), ISBN 3-87898-151-1