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Kirchensteuer (Deutschland)

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Die Kirchensteuer leitet sich vom staatlichen Steuerbegriff her, ist aber in keiner Weise eine staatliche Leistung oder staatlich festgesetzte Abgabe. Er führt sich zurück auf althochdeutsch "stiura" = "Unterstützung". Im Sinne des Steuerrechts sind Steuern "Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft" (§ 3 Abgabenordnung (1977)). An dieses Verständnis knüpft auch die Kirchensteuer an. Sie wird - ausschließlich von Mitgliedern der jeweiligen Kirche - in Deutschland als Zuschlag zur Einkommensteuer und Grundsteuer A erhoben; die Erhebung als Zuschlag zur Vermögensteuer ist in den Kirchensteuergesetzen der deutschen Bundesländer ermöglicht. Die Einführung der Einkommensteuer seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Sachsen und Norddeutschland - einen ersten Versuch in Deutschland gab es 1808 in Preußen, der aber scheiterte, weil die Bürger dies als Eindringen des Staates in die persönlichen Verhältnisse auffassten - bildet damit die Voraussetzung für die Kirchensteuer.

Auf Gemeindeebene kann zusätzlich Kirchgeld erhoben werden.

Eine partiell vergleichbare Steuer gibt es in mehreren Kantonen der Schweiz und in Österreich.

Abgaben für die Kultusgemeinde

Vorpfingstlich

In der Bibel werden unterschiedliche Abgaben angesprochen. Es gibt Geld- und Naturalabgaben:

Nachpfingstlich

Lukas beschreibt die Kirche in ihren Anfängen als eine Gemeinschaft, die die Gütergemeinschaft pflegt. So sollen nach Apostelgeschichte 2,44f;4,32 in der Urgemeinde alle Gläubigen alles gemeinsam besessen haben. Die Habe wurde demnach eingesetzt "je nachdem einer bedürftig war". Für diese zuweilen als "urchristlicher Kommunismus" bezeichnete Gütergemeinschaft sind verschiedene Gründe denkbar:

  • Durch ihre Koversion zum Christentum fielen die Gemeindeglieder aus dem jüdischen Hilfesystem heraus und wurden aus dem familiärem Rückhalt ausgeschlossen.
  • Jesus lebte mit seinen Jüngern ein entsprechendes Vorbild.
  • Besitz wurde als Gefahrenquelle für das endzeitliche Heil gesehen (vgl. Matthäus 19,24).
  • Es gab eine lebendige Erwartung der Wiederkunft Christi, durch die alles Materielle wertlos wurde.

Vermutlich hat es keine volle Gütergemeinschaft gegeben, wohl aber eine ausgeprägte Solidarität untereinander. Dafür sprechen etwa folgende neutestamentliche Belege:

Kirchliche Finanzierung

Die Entwicklung bis zum 19. Jahrhundert

Die Kirche lebt seit dem 1. Jahrhundert von Schenkungen, Erbschaften und wie oben dargestellt von Kollekten, also Sammlungen unter Gliedern der christlichen Gemeinde. Ab dem 6. Jahrhundert Kirche lässt sich eine Finanzierung durch Bewirtschaftung von Grund und Boden feststellen.

Ein Einschnitt bedeutet das Wirken von Karl Martell, der von 714 bis 741 fränkischer Hausmeier war. Für die 732 ausgetragene Schlacht gegen die Araber bei Tours gab er Bauern Land aus kirchlichem Besitz als Lehen, wenn sie ihrem Herrn schwergepanzert in den Krieg folgten. Pippin, von 741 bis 768 König, führt den geistlichen Zehnt ein als Ausgleich für die Enteignungen in der Zeit Karl Martells. Im 10. Jahrhundert wird der seit Karl dem Kahlen (843-877) eingesetzte Zerfall der abendländischen Kultur besonders stark. Viele Adlige erzwingen die Übertragung von Klöstern in privaten Erbbesitz, Laienäbte werden eingesetzt. Ähnliches bewirkt die Wirren im 16. Jahrhundert infolge der Reformation. Kirchen und Klöster werden säkularisiert. Weltliche Landesherren bereichern sich daran. Schließlich wird im Augsburger Religionsfrieden von 1555 das "Landesherrliche Kirchenregiment" festgeschrieben: "Wessen Region, dessen Religion". Für etliche Regenten scheint dies ein Freibrief zur persönlichen Bereicherung gewesen zu sein.

Noch weiter führt der 1789 gefasste Beschluss der französischen Nationalversammlung, in der das gesamte Kirchengut zu Nationaleigentum erklärt wurde. Dies wird für den Bereich der heutigen Bundesrepublik Deutschland durch die Abtretung der linksrheinischen Gebiete Deutschlands an Frankreich im Jahr 1797 relevant. Schließlich wird 1803 im Reichsdeputationshauptschluss die Säkularisation und damit die Enteignung der Kirche beschlossen.

Die Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert: auf dem Weg zur Kirchensteuer

In der nachnapoleonischen Zeit finanziert sich die Kirche zunächst durch

  • Ertrag aus dem Restvermögen
  • staatliche Leistungen, die auf Grund des des landesherrlichen Kirchenregimentes gewährt werden
  • staatliche Ergänzungsverpflichtungen wegen der Säkularisationen.

Im 19. Jahrhundert beginnt die Geldwirtschaft zu dominieren. Damit wird der Zehnte unpraktikabel. So beginnt 1827 die Einführung der Kirchensteuer. Lippe-Detmold ist das erste deutsche Territorium, in dem sie erhoben wird. Es folgen 1831 Oldenburg, 1835 die preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen durch die rheinisch-westfälische Kirchenordnung, 1838 Sachsen, 1875 Hessen, 1888 Baden, 1892 Bayern und 1905/06 Preußen. Verschiedene Gründe sind für diese Entwicklung genannt worden. Es geht zum einen um den Versuch der Landesherrschaften sich aus dem Unterhalt der Kirchen zurück zu ziehen, um so die öffentlichen Haushalte zu entlasten. Zum anderen wird damit argumentiert, dass der Anteil der kirchlich gebundenen Bevölkerung zurück gehe und so eine grundsätzliche allgemeine Finanzierung durch das Ganze des Staates nicht mehr begründbar sei.

1919 wird die Kirchensteuer in der Weimarer Reichsverfassung verankert. In Artikel 137, Absatz 6 heißt es: "Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben." 1939 werden in Österreich, das zu diesem Zeitpunkt wieder zu einem Teil des nun nationalsozialistischen Deutschen Reiches geworden war, Kirchenbeiträge als privatrechtliche Pflichtleistungen geordnet. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland übernimmt 1949 in seinem Artikel 140 die Weimarer Regelung. Es heißt dort: "Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes."

Zur gegenwärtigen Kirchensteuererhebung in Deutschland

Voraussetzung für Kirchensteuererhebung sind

  1. die Anerkennenung einer religiösen Organisation als Körperschaft des öffentlichen Rechts
  2. Kirchensteuerbeschlüsse der zuständigen Leitungsgremien (es handelt sich hierbei beispielsweise in der Ev.Kirche im Rheinland um die Presbyterien, in der Protestantischen Landeskirche der Pfalz um die Landessynode)
  3. die Anerkennenung der Beschlüsse durch die zuständigen Landesministerien (meist: Finanzministerium).

Heute beträgt die Kirchensteuer in den meisten Kirchen und Bundesländern, die in ihren Kirchensteuergesetzen eine Obergrenze festlegen, 8% bzw. 9% von der Einkommensteuer und erbringt je nach Kirche unterschiedlich etwa 63% bis 80% der kirchlichen Einnahmen. Davon ist ein Teil – z.B. sind es 2004 in Rheinland-Pfalz 4% – an die Finanzbehörden abzuführen als Betrag für die Dienstleistung der Steuererhebung.

Zur Kirchensteuererhebung sind alle religiösen Körperschaften des öffentlichen Rechts in Deutschland berechtigt. Derzeit nutzen diese Möglichkeit:

  • die evangelischen Landeskirchen und ihre Gemeinden in der EKD
  • die Bistümer der römisch-katholischen Kirche
  • das Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland
  • die Freireligiöse Gemeinden bzw. Landesgemeinde Baden, Mainz, Offenbach und Pfalz
  • die Unitarische Religionsgemeinschaft Freie Protestanten
  • die jüdischen Gemeinden ("Kultussteuer")

Diskussion um die Kirchensteuer

In der Bundesrepublik Deutschland kam es 1973 in Folge der "Freiburger Thesen" der FDP zur Diskussion, da dort die Trennung von Staat und Kriche und damit die Ersetzung des staatlichen Kirchensteuereinzugs durch ein kircheneigenes Beitragssystem gefordert wurde. In abgeschwächter Form befinden sich diese Forderungen auch heute noch im Programm der FDP. Ähnliche Positionen wurden außerdem von der Partei "Die Grünen" formuliert.

Aber auch innerkirchlich ist die Kirchensteuer nicht unumstritten. Seit etwa 1980 gibt es Debatten darüber, ob die Anbindung an staatliche Besteuerungsziele sinnvoll und rechtens sei. Zudem wurde und wird über den Sinn einer Steuer diskutiert, die von weniger als 40% der Kirchenmitglieder entrichtet wird. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Möglichkeit der Erhebung von Kirchgeld zunehmend Bedeutung. Je nach den Landesgesetzen kann es ein in seiner Höhe festes oder variables Kirchgeld geben.

Nach ihrem 1990 erfolgten Beitritt zur Ev. Kirche in Deutschland forderten die evangelischen Landeskirchen im Bereich der früheren DDR auf Grund ihrer Geschichte von den EKD-Gliedkirchen eine größere Distanz zum Staat, die teilweise mit der Forderung einherging, die Kirchensteuer abzuschaffen.

Die Erhebung durch die staatlichen Finanzbehörden wird im Allgemeinen als unproblematisch angesehen. Wo wie etwa in Österreich die Kirchen die Kirchensteuer selbst erheben (eben deshalb auch "Kirchenbeitrag" genannt und nicht als staatliche Steuer zu verstehen), ist mit einem erheblichen Aufwand für die Verwaltung zu rechnen. Zudem zeigte sich in den Baseler Kantonen, dass nach einer entsprechenden Umstellung, dass die Steuermoral sich deutlich verschlechterte. So sind die Kirchen in Deutschland der Meinung, dass, um die vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können, eine beständige Zahlung der Beiträge unerlässlich ist.

In Deutschland verzichten viele, insbesondere kleinere, in der Vereinigung evangelischer Freikirchen zusammengeschlossene Konfessionen auf den Einzug von Kirchensteuer. Ihnen ist eine deutliche Unterscheidung zwischen Staat und Religionsgemeinschaften wichtig. Die Mitgliedsbeiträge werden hier in der Regel als freiwillige Spenden bezeichnet. Manche geben den biblischen Zehnten aber als verbindliche Regel für solche "freiwilligen Gaben" vor. Vgl. dazu zum Beispiel den Bund Freier evangelischer Gemeinden [1], den Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland [2] oder die Evangelisch-methodistische Kirche [3].

siehe auch

Zehnt