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Jugendpornografie

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Der Begriff Jugendpornografie bezeichnet im deutschen Strafrecht pornografische Darstellungen sexueller Handlungen von und an Personen über 14 und unter 18 Jahren (Jugendlichen). Der Besitz und die Verbreitung solcher Darstellungen können nach § 184c StGB strafbar sein.

Gesetzesbeschluss

Am 5. November 2008 trat das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie in Kraft. Durch Art. 1 dieses Gesetzes wurde der neue § 184c StGB eingeführt, der erstmals die Strafbarkeit von Jugendpornografie („jugendpornographische Schriften“) regelt. Vorher wurde in Deutschland im Rahmen der Strafgesetze lediglich Kinderpornografie durch § 184b StGB geregelt. Mit dem gleichen Gesetz wurde auch der Begriff der Kinderpornografie in § 184b StGB von (pornografische Darstellungen von) sexuellem Missbrauch an Kindern auf alle sexuellen Handlungen mit Kindern ausgeweitet. Die beiden Paragraphen sind weitgehend wortgleich und werden im Artikel über Kinderpornografie unter Deutsches Recht detaillierter und auch vergleichend dargestellt (siehe dort).

Vorgeschichte

In Deutschland brachte die Bundesregierung erst Ende 2006 einen Gesetzentwurf ein, der die Vorgaben des EU-Rahmenbeschlusses umsetzen sollte. Auf Betreiben der Oppositionsparteien führte der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages im Juni 2007 zunächst aber eine Expertenanhörung durch, bei der Juristen Gelegenheit bekamen, zu dem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen.[1] Aufgrund der Kritik, die nun auch bei dieser Anhörung geäußert wurde[2], verzögerte sich die Umsetzung des Rahmenbeschlusses in Deutschland zunächst weiter und mündete in einem Konflikt zwischen den Politikern der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD einerseits und denen der Oppositionsparteien FDP, GRÜNE und DIE LINKE andererseits, die im Dezember 2007 dann die Öffentlichkeit suchten, um das Gesetz in dieser Form doch noch zu verhindern.[3][4][5] Nachdem so auch in der Öffentlichkeit Kritik an den geplanten Ausweitungen des Sexualstrafrechts aufgekommen war, stellte die große Koalition den Gesetzentwurf erneut zurück und willigte in mehrere Formulierungsänderungen ein, die die Kritik berücksichtigen sollten. Die Politiker der Oppositionsparteien lehnten den Gesetzentwurf auch in dieser gemäßigten Fassung weiterhin entschieden ab.[6]

Das Gesetz wurde jedoch, nur mit den Stimmen der Regierungsmehrheit und gegen die Stimmen aller Oppositionsparteien, am 20. Juni 2008 vom Bundestag beschlossen. Man verzichtete dabei auf eine öffentliche Debatte im Plenum und gab die Reden lediglich zu Protokoll.[7]

Gegenpositionen

Als kritisch an der neuen Regelung wird unter anderem betrachtet, dass nun auch pornografische Bild- und Filmwerke, in denen ausschließlich Volljährige zum Einsatz kommen, als jugendpornografisch eingestuft werden könnten, wenn man sie so interpretieren kann, dass sie sexuelle Handlungen mit Jugendlichen lediglich zum Thema („zum Gegenstand“) haben. Das wäre immer schon dann möglich, wenn die Volljährigen wie Jugendliche erscheinen – sog. Scheinjugendliche.

Die durch den EU-Rahmenbeschluss nahegelegte Ausdehnung des Begriffes Kinderpornografie auf Darstellungen von sexuellen Handlungen von Jugendlichen wurde bereits 2001 von der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung heftig kritisiert, es handele sich um eine „massive, weit gehende Kriminalisierung der Sexualität Jugendlicher“[8].

Insbesondere wird die Kriminalisierung von Abbildungen, auf denen Darsteller mit „jugendlichen Erscheinungsbild“ zu sehen sind, scharf kritisiert. Hierbei stützt sich die Kritik vor allem auf eine fehlende Rechtssicherheit für Anbieter von Pornografie mit erwachsenen Darstellern, weshalb der Erotikanbieter Hustler Verfassungsbeschwerde eingereicht hat.[9]

Während es im Rahmen von Kinderpornografie wegen des altersmäßigen Abstandes von Kindern (unter 14) und Volljährigen (über 18) eher unwahrscheinlich ist, dass die Darstellungen Volljähriger (wegen ihres jüngeren Aussehens) so interpretiert werden, als stellten sie die Handlungen von Kindern dar, könnte dies im Bereich der Jugendpornografie für einen diffusen Kreis junger Erwachsener zum Regelfall werden. Hypothetisch würde im Extremfall jemand, der am selben Tage 18 Jahre alt geworden ist, stets als eine unter-18-jährige (zum Beispiel 17 Jahre und 364 Tage alte) Person interpretiert werden. Ab welchem Abstand zum Alter von genau 18 diese Interpretation dann sicher ausgeschlossen werden kann, wird im Einzelfall sowohl von Juristen wie auch von Laien häufig schwer zu bestimmen sein. Dadurch ergibt sich eine erhebliche Rechtsunsicherheit für Produzenten von pornografischem Bild- und Filmmaterial, wenn sie Darsteller für ihre Produktionen auswählen sollen.

Privatpersonen machen sich hingegen nicht strafbar, wenn sie etwa (bisher legale) Pornofilme und -bilder, auf denen Pornografie mit Scheinjugendlichen gezeigt wird, lediglich besitzen, jedoch nicht verbreiten, öffentlich vorführen etc.[10] Die (bisher legale) Neubeschaffung oder Weitergabe solcher Materialien kann aber unter Umständen nun strafbar sein.

Folgen

Die damalige deutsche Justizministerin Brigitte Zypries kommentierte die Problematik einige Monate vor Verabschiedung des Gesetzes im Abgeordnetenwatch noch folgendermaßen: „Auf die Kategorie ‚Scheinjugendlicher‘ bezogen bedeutet das, eine jugendpornografische Schrift liegt vor, wenn aus der Sicht eines verständigen Beobachters nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass die Darsteller Jugendliche sind.“[10]

Dem hat das Bundesverfassungsgericht später widersprochen, wobei es die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Strafbarkeit von Kinderpornografie (nach § 184b StGB alter Fassung) auf den neuen Straftatbestand der Jugendpornografie prinzipiell für übertragbar hielt. Es hat mehrere Klagen gegen den neuen Paragraphen nicht zur Entscheidung angenommen, weil es es für unwahrscheinlich hielt, dass ein ernsthaftes Strafbarkeitsrisiko von dem Begriffe „Scheinminderjährigkeit“ ausgehe.[11]

Im Gegensatz zur deutschen Justizministerin geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass es nach der neuen Strafvorschrift nicht genügt „dass die Volljährigkeit der betreffenden Person für den objektiven Betrachter zweifelhaft ist; vielmehr müsste der Beobachter umgekehrt eindeutig zu dem Schluss kommen, dass jugendliche Darsteller beteiligt sind.“ Das Gericht führt ganz konkret als ein mögliches hinreichendes Kriterium – in Bezug auf die Darsteller – an, „wenn sie (fast) noch kindlich wirken und die Filme somit schon in die Nähe von Darstellungen geraten, die als (Schein-) Kinderpornographie unter den Straftatbestand des § 184b StGB fallen.“ Damit schließt es die Strafbarkeit bezüglich Darstellern aus, die ihrem Aussehen nach lediglich noch jugendlich sein könnten, genauso gut aber auch bereits volljährig, und beschränkt sie auf (höchstens) die Fälle, in denen es unmöglich erscheint, Darsteller als erwachsen anzusehen[12] – auch wenn ihr tatsächliches Alter bekannt und sie volljährig sind. Auch diese Fälle schränkt es noch weiter hinsichtlich der Vorsätzlichkeit – seitens der Hersteller – ein, und lässt nur jene Fälle als strafbar gelten, in denen die Fiktion der Scheinjugendlichkeit vorsätzlich geschieht.[11]

Literatur

  • Heidi Gerlinger: Sehnsucht nach Liebe? eine Analyse des Phänomens Kinderprostitution. Verlag der Jugendwerkstatt, Östringen 1994, ISBN 3-925699-22-8
  • Michael Schetsche: Internetkriminalität. Daten und Diskurse, Strukturen und Konsequenzen. in: Martina Althoff u.a. (Hrsg.): Zwischen Anomie und Inszenierung. Nomos VG, Baden-Baden 2004, ISBN 3-8329-0561-8, S. 307-329
  • Gisela Wuttke: Kinderprostitution, Kinderpornographie, Tourismus. Lamuv-Verlag, Göttingen 1998, ISBN 3-88977-531-4
  • Dirk Wüstenberg: Strafrechtliche Änderungen betreffend pornografische Schriften mit Kindern und Jugendlichen in Deutschland, in: Archiv für Urheber- und Medienrecht (UFITA) 2009, S. 497-517

Einzelnachweise

  1. Deutscher Bundestag: Anhörung Kinderpornografie, Juni 2007
  2. Multimedia und Recht 2007, Heft 8, XIV: Expertenanhörung zum Gesetzentwurf «Bekämpfung der Kinderpornografie»
  3. Spiegel Online: Fummeln verboten, 10. Dezember 2007
  4. Stern: Petting-Paragraf: "Die Bundesregierung ist prüde", 11. Dezember 2007
  5. Focus Online: Auch in der Union regt sich Unmut, 12. Dezember 2007
  6. Deutscher Bundestag: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, 18. Juni 2008
  7. Weblog Schutzalter: zu Protokoll gegebene Reden, 25. Juni 2008
  8. Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung: Stellungnahme zum Entwurf des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern, 2001
  9. http://www.pornoanwalt.de/wp-content/uploads/2008/11/hustler_pr_3208_verfassungsbeschwerde-2.pdf
  10. a b Antwort von Brigitte Zypries vom 3. Juli 2008 an Tobias Riepe: http://abgeordnetenwatch.de/brigitte_zypries-650-5639--f117677.html#frage117677
  11. a b techno_lex Rechtsanwälte: Voraussetzungen der „Scheinminderjährigkeit“ bei jugendpornographischen Schriften nach [https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__184c.html § 184c StGB], Bundesverfassungsgerichtsbeschluss vom 6. Dezember 2008, Az.: 2 BvR 2369/08; 2 BvR 2380/08
  12. http://anwaltniemeyer.de/artikel/88/2009