Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft
Die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft (SWG) ist ein Verein mit Sitz in Hamburg. Vereinszweck ist laut eigenen Angaben die Durchführung staatsbürgerlicher Bildungsarbeit, der vor allem durch Vortragsveranstaltungen erfüllt werden soll. In den Vorträgen und den Publikationen der SWG werden häufig geschichtsrevisionistische Themen wie die Relativierung der Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg und die Forderung nach Straffreiheit für die Holocaustleugnung behandelt.
Geschichte
Die SWG wurde am 9. April 1962 in Köln vom ehemaligen Pressereferenten von Joseph Goebbels und ehemaligen Chefredakteur der rechtsextremen Zeitung Das Deutsche Wort Hugo Wellems (†, Nachruf in Das Ostpreußenblatt vom 19. März 1988) mit dem damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Artur Missbach und Karl-Friedrich Grau gegründet. Hugo Willems war ebenfalls ein hoher Funktionär im Nationalsozialismus, auch als Referent im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda tätig, Mitglied der Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg und stand der SWG bis 1995 als Vorsitzender vor.[1] In den 1980er Jahren war außerdem Prof. Emil Schlee von der Partei Die Republikaner führend tätig. Nachfolger wurde Brigadegeneral a. D. Reinhard Uhle-Wettler. Seit April 2008 ist Menno Aden Vorsitzender der Gesellschaft.
Tätigkeiten und Publikationen
Die SWG organisiert in erster Linie Vortragsveranstaltungen über politische, soziale und wirtschaftliche Themen in Kiel, Hannover und Hamburg. Publiziert wird von der Gesellschaft das Deutschland-Journal mit einer Auswahl an Zeitungsartikeln und Referaten. Die Redaktionsanschrift ist die der Preußischen Allgemeinen Zeitung (ehemals Ostpreußenblatt), dessen Chefredakteur Artur Missbach bis zu seinem Tod die Gesellschaft leitete. Mit der Jungen Freiheit besteht ein reger Austausch beim Abdruck von Artikeln und Hinweisen auf Veranstaltungen der SWG.
Vortragende
- Arnulf Baring, Freie Universität Berlin
- Hans-Christian Beck, Generalmajor
- Hermann von Berg, Historiker
- Martin Blank, Deutsche Atlantische Gesellschaft
- Hellmut Diwald, Historiker, Universität Erlangen-Nürnberg
- Hans Filbinger, ehemaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg
- Gerhard Funke, Universität Mainz (em.)
- Lothar Groppe, früherer Militärpfarrer
- Klaus J. Groth, Publizist
- Otto von Habsburg, MdEP
- Jens Hacker, Politikwissenschaftler, Universität Regensburg
- Adolf Heusinger, General
- Siegfried Blasche, Direktor der Philosophischen Gesellschaft Bad Homburg e. V.
- Martin Hohmann, ehemaliger CDU-Politiker
- Bernd Kallina, Redakteur beim Deutschlandradio, Vorsitzender des Bonner Freundeskreises CSU
- Hubertus Knabe, Gauck-Behörde, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
- Hans-Helmuth Knütter, Universität Bonn
- Roger Kusch, ehemaliger Justizsenator von Hamburg
- Silvius Magnago, Landeshauptmann von Südtirol
- Alfred Mechtersheimer, Sprecher des Friedenskomittees 2000
- Erich Mende, früherer Bundesminister
- Hans-Joachim von Merkatz, früherer Bundesminister
- Armin Mohler, Publizist
- Ernst Nolte, Freie Universität Berlin
- Wilfred von Oven, ehemaliger Pressereferent von Josef Goebbels und Mitarbeiter des Grabert-Verlags
- Gisa Pahl, Rechtsanwältin, die mehrfach als Verteidigerin für Neonazis auftrat, Mitarbeiterin und Leiterin des Deutschen Rechtsbüros (DRB) von Jürgen Rieger
- Victor-Emanuel Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau
- Bolko von Richthofen
- Hermann Schäfer, früherer Bundesminister
- Paul Carell, eigentlich Paul Karl Schmidt, ehemaliger Pressesprecher des Reichsaußenministers Joachim von Ribbentrop
- Wolf Schneider, Journalist
- Dieter Stein, Chefredakteur der Jungen Freiheit
- Walter Truckenbrodt, Jurist, Diplomat
- Karlheinz Weißmann, Autor der Jungen Freiheit und Vordenker der Neuen Rechten
- Alfred de Zayas, Historiker, Völkerrechtler
- Friedrich Zimmermann, früherer Bundesminister des Innern
Kritik an der Tätigkeit des Vereins
Kritiker sehen bei dem sich selbst als konservativ verstehenden Verein Überschneidungen zur rechtsextremen Szene. Der Rechtsextremismus-Experte Prof. Wolfgang Gessenharter bezeichnete die SWG als ein „wichtiges Scharnier zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus“.[2] Auch Hamburgs Vize-Verfassungsschutz-Chef Manfred Muck hat 2001 „personelle Überschneidungen“ der SWG mit „rechtsextremen Organisationen“ bestätigt.[3]
1999 kam es zu einem Skandal, als SWG-Regionalleiter Oberst a. D. Manfred Backerra, ehemals Dozent für militärisches Nachrichtenwesen an der Führungsakademie der Bundeswehr, den Rechtspopulisten Ronald Schill neben einer ganzen Reihe Prominenter für eine Veranstaltung gewinnen wollte. Schill musste den Vortrag aufgrund der öffentlichen Proteste absagen. Eingeladen wurde an seiner Stelle der Brigadegeneral und frühere Befehlshaber der deutschen KFOR-Einheiten im Kosovo, Helmut Harff.
Geschichtsrevisionistische Aussagen in den Vereinspublikationen lassen sich ohne Zweifel in den Zusammenhang mit der Holocaustleugnung stellen. So meinte der derzeitige Vorsitzende unter anderem: „Wir haben zwar bis heute - anders als für die Vertreibung und die Kriegsgefangenen - noch keine amtlichen Dokumente über den Massenmord an den Juden.“[4] 1999 veröffentlichte Uhle-Wettler eine Festschrift für den englischen Auschwitz-Leugner David Irving. In einer Ausgabe der SWG-Schrift Deutschland-Journal klagt er im Jahr 2004: „Der vom Bundeskanzler ausgerufene ‚Aufstand der Anständigen‘ mit der Ermunterung des Denunziantentums sind ein weiteres Beispiel ‚untertänigen‘ Verhaltens, in diesem Falle gegenüber den Juden in Deutschland und möglicherweise auch der Sozialistischen Internationale, welche die einmal errungene Macht mit allen Mitteln zu festigen sucht.“ Im Jahr 2005 erklärte er anlässlich des 60. Jahrestages des Kriegsendes, „Deutschlands historische Schuld, die Singularität des Verbrechens des Holocaust und der vom Dritten Reich begonnene Eroberungs- und Vernichtungskrieg“ seien eine „verfügte sozialistische Geschichtsinterpretation“.[5]
Literatur
- Kurt Hirsch: Rechts von der Union. Personen, Organisationen, Parteien seit 1945. Ein Lexikon. Knesebeck u. Schuler, München 1989, 478 S., ISBN 3-926901-22-5
- Andreas Speit und Felix Krebs: „Rechts bei der Union“. In: Der Rechte Rand vom November 2005, Seite 3
- Andreas Speit: „‚Anlage als nicht übersandt betrachten‘. Antisemitismus in der ‚Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft‘ (SWG)“. In: Der Rechte Rand Nr. 101 vom Juli/August 2006
- Bündnis keinen Fußbreit den Faschisten (Hrsg): Antifaschistische Informationen. Rechte Organisationen in Hamburg, Nummer 1 vom 2. Juni 1995 (Auszug zu SWG siehe Weblinks)
Einzelnachweise
- ↑ Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 651.
- ↑ Andreas Speit: „Kein Gastspiel für Professor Daschitschew“, in: die tageszeitung vom 9. Mai 2008
- ↑ Andreas Speit: „Unbesiegte Deutsche. Zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus darf ein dubioser Verein seiner Erinnerungskultur huldigen“, in: die tageszeitung vom 30. April 2005, S. 25
- ↑ HLZ - Zeitschrift der GEW Hamburg Nr. 06-07, 2006, S. 40
- ↑ Reinhard Uhle-Wettler: „Zum Geleit“, in: Deutschland-Journal 2005
Weblinks
- Homepage der SWG
- Andreas Speit: „Wenn Generäle feiern. Seit 40 Jahren betreibt die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft »konservative Bildungsarbeit« im »vorpolitischen Raum«.“, in: Jungle World, Nr. 24/2002 vom 5. Juni 2002
- Andreas Speit: „Bundeswehr und ihre rechte Verbindungen: Neue Aufgaben ?“, in: taz-Nord vom 14. November 2003.
- Staats- und wirtschaftspolitische Gesellschaft. Eine ehrenwerte Gesellschaft, aus: Antifaschistische Informationen, Rechte Organisationen in Hamburg, Nr. 1 vom 2. Juni 1995. Hrsg. vom „Bündnis keinen Fußbreit den Faschisten“ (Online bei nadir.org)