Rangierbahnhof
Rangierbahnhof m., abgeleitet von "Rang(ordnung)" oder auch von französisch: "ranger" (aufstellen, einreihen); englisch: hump yard, marshalling yard, (USA:) classification yard; französisch: gare de triage f., (Belgien:) gare de formation; italienisch: scalo di smistamento m., stazione di smistamento f.; spanisch: estación de clasificación f.; niederländisch: rangeerterrein n., (Belgien:) vormingsstation n.
Die offizielle Abkürzung ist in Deutschland "Rbf" und in der Schweiz "RB". Bis 1901 schrieb man "Rangirbahnhof"; weiter waren die veralteten Begriffe "Verschubbahnhof" und "Verschiebebahnhof (Vbf)" in Gebrauch, letzteres einerseits vor allem in Norddeutschland bis 1960 und andererseits nach wie vor als offizieller Begriff in Österreich. In Deutschland werden seit der Privatisierung der ehemals staatlichen Deutschen Bahn (vorher: Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn) in der Konzernkommunikation anstatt des technischen Begriffs "Rangierbahnhof" beziehungsweise der entsprechenden Abkürzung "Rbf" in der offiziellen betrieblichen Bezeichnung einzelner Rangierbahnhöfe nunmehr verschiedene Begriffe wie "CargoBahnhof", "Drehscheibe", "Zugbildungsanlage" oder "hub" (englisch: Nabe) benützt, wobei diese Begriffe jedoch stets die in diesem Artikel beschriebene eisenbahntechnische Anlage bezeichnen.
Definition und Abgrenzung gegenüber anderen Bahnhöfen
Rangierbahnhöfe sind die Zugbildungsbahnhöfe des Wagenladungsverkehrs (das heißt: Transport einzelner Waggons in gemischten Zügen statt Ganzzugverkehr) im Güterverkehr der Eisenbahn. Im Gegensatz zu Personenbahnhöfen und Güterbahnhöfen dienen sie somit nicht verkehrlichen, sondern betrieblichen Aufgaben; wohl kann aber ein ganzer Bahnhof aus mehreren nebeneinander liegenden Bahnhofsteilen mit unterschiedlichen Aufgaben bestehen. Rangierbahnhöfe sind hinsichtlich der Ausdehnung ihrer Geleiseanlagen die größten Bahnhöfe überhaupt.
Zweck
Die im Wagenladungsverkehr beförderten einzelnen Waggons müssen für den Transport zu Zügen zusammengestellt und die Züge wieder zerlegt werden. Daher ist ein im Wagenladungsverkehr aufgegebener Waggon mehrere Male zu rangieren, und zwar einerseits im Abgangs- und Zielbahnhof sowie andererseits, da nicht jeder Abgangsbahnhof Güterzüge zu jedem Zielbahnhof bilden kann, während des Laufweges in Rangierbahnhöfen und teilweise auch noch in kleineren Eisenbahnknotenpunkten.
Standorte
Geographische Verteilung weltweit
Die größte Anzahl und Dichte von Rangierbahnhöfen bezogen auf die Streckenlänge der Eisenbahnen befindet sich in Mitteleuropa, den Beneluxländern und Frankreich; gefolgt von den übrigen Teilen Europas, der ehemaligen Sowjetunion sowie China und den USA (in diesen beiden Ländern hauptsächlich in der Osthälfte), und früher auch in Japan; also mehrheitlich in überwiegend industriell geprägten Gebieten. Relativ viele Rangierbahnhöfe, aber weniger dicht verteilt, wurden noch in Kanada und sogar Indien und der Südafrikanischen Republik errichtet; in Australien dagegen nur wenige. Auch in den Ländern der so genannten "Dritten Welt", besonders in Südamerika, gibt es nur wenige Rangierbahnhöfe, oft auch überhaupt keinen.
Standortfaktoren
Rangierbahnhöfe wurden vor allem an folgenden Standorten angelegt:
- in oder bei Orten mit großem eigenen Güteraufkommen, zumeist gleichzeitig wichtige Eisenbahnknotenpunkte:
- Bergbau- und Industriegebiete,
- großstädtische Ballungsräume,
- große Hafenstandorte;
- in weiteren Eisenbahnverkehrszentren:
- sowie in geringerer Anzahl an Grenzübergängen und in Spurwechselbahnhöfen,
- in den USA auch an oft in abgelegenen Ortschaften gelegenen Betriebsmittelpunkten ("hub") der Netze der dort seit jeher privat betriebenen Eisenbahngesellschaften.
Meistens treffen zwei oder mehr dieser Standortfaktoren zusammen: häufig ist beispielsweise die Kombination Industriegebiet, Ballungsraum und Haupt-Eisenbahnknotenpunkt unter anderem in Köln, Mannheim, [[Z%FCrich|Zürich]], Lüttich, Lyon, Mailand, Bukarest oder Char'kiv.
Andererseits besitzt nicht jeder Ort, auf den mindestens einer der genannten Standortfaktoren zutrifft, einen Rangierbahnhof. So gibt es selbst in Europa Großstädte wie Münster (Westf.), Pforzheim, Bern, Eindhoven, Cluj und sogar Florenz oder Sevilla sowie wichtigere Eisenbahnknotenpunkte wie Altenbeken, Treuchtlingen, Bruck an der Mur (Österreich), Culmont-Chalindrey (Frankreich), Voghera (Italien) oder Făurei (Rumänien), welche niemals Rangierbahnhöfe besessen haben.
Eisenbahnkomplexe mit mehreren Rangierbahnhöfen
In den Bereichen einiger Großstädte wurden zwei oder gelegentlich auch drei, sowie in den größten Industriegebieten (zum Beispiel: Ruhrgebiet, Hennegau/Hainaut, Saar-Lor-Lux, Oberschlesien, Donbass) und einigen der größten städtischen Ballungsräumen (zum Beispiel Berlin, Hamburg, Köln, Paris, Lyon, Moskau) noch mehr Rangierbahnhöfe angelegt. Die meisten Rangierbahnhöfe innerhalb eines Eisenbahnkomplexes weltweit wurden im Ruhrgebiet errichtet. In den größten Städten der USA und Kanadas hat jede der größeren privaten konkurrierenden Bahngesellschaften ihren eigenen Rangierbahnhof angelegt, ergänzt durch einige Rangierbahnhöfe lokaler Übergabe-Bahngesellschaften in Chicago, dem größten Eisenbahnknotenpunkt der Welt, und Saint Louis. Auch in manchen anderen Ländern ist das Bestehen mehrerer Rangierbahnhöfe an einem Ort teilweise auf deren Bau durch verschiedene später verstaatlichte Privatbahnen zurückzuführen. Häufigere Gründe dafür waren jedoch Kapazitätserweiterung sowie die Aufteilung der Eilgut- und der langsameren Frachtgutbeförderung auf verschiedene Rangierbahnhöfe.
Lage der Rangierbahnhöfe innerhalb der einzelnen Eisenbahnkomplexe
Innerhalb der Ballungsräume beziehungsweise Knotenbereiche befinden sich die Rangierbahnhöfe entweder direkt neben dem (Haupt-)Personenbahnhof, oder parallel entlang einer der den Personenbahnhof verlassenden Strecken oder an einer nur dem Güterverkehr dienenden Umgehungs- oder Ringbahn. In den grösseren Eisenbahnkomplexen besteht meistens eine vollständige betriebliche Trennung der Geleiseanlagen nach Personen- und Güterverkehr, wobei die zum Rangierbahnhof führenden Güterzugsstrecken oft bereits am Rande des Komplexes aus den durchgehenden Hauptstrecken abzweigen, gleichwohl aber direkt neben den Personengeleisen verlaufen können. Bei kleineren Anlagen sind die Rangierbahnhöfe dagegen meistens an die gemeinsamen Personen- und Gütergeleise angeschlossen.
Weiter bestehen insbesondere in Europa teilweise betriebseigene Rangierbahnhöfe in sehr großen Industrieanlagen (vor allem Eisenhütten und Chemiewerke) und sehr großen Häfen, die meistens von deren Anschlussbahnbetrieben selbst und nicht von der öffentlichen Eisenbahn betrieben werden.
Militärische Rolle
Während des ersten Weltkrieges wurden in Frankreich einige Rangierbahnhöfe für militärische Zwecke angelegt. Auch in anderen Ländern waren für die Auswahl der Standorte mancher Rangierbahnhöfe militärische Gründe mit entscheidend oder bestehende Rangierbahnhöfe waren zugleich militärische Objekte. Deshalb unterlagen die Standorte und technischen Details der Rangierbahnhöfe in vielen Ländern während Jahrzehnten und teilweise auch heute noch staatlicher Geheimhaltung, kartographischer Zensur und einem Fotografierverbot.
Bauweise, Rangiertechnik und Betrieb
Profil der Rangierbahnhöfe
In den Rangierbahnhöfen werden die Waggons entweder mit Lokomotiven ohne Anwendung der Schwerkraft im Gleisfeld bewegt oder durch Ablaufenlassen mittels Schwerkraft.
In Güterbahnhöfen mit Rangierbetrieb ohne Ausnutzung der Schwerkraft werden die Waggons aus Ausziehgleisen (Stumpfgleis an einem oder beiden Bahnhofsköpfen) heraus entweder abgestoßen oder mit der Lokomotive punktgenau im Gleisfeld rangiert. Dieses Verfahren ist heute in Europa, der ehemaligen Sowjetunion und China fast nur in kleineren Anlagen üblich (in Italien auch in wenigen größeren), während es in vielen anderen Ländern (besonders in Südamerika) auch in größeren Rangierbahnhöfen angewendet wird. Es ist umständlich, arbeitsintensiv, wenig leistungsfähig und daher teuer und für Anlagen mit großem Verkehrsaufkommen ungeeignet. Zur Leistungssteigerung bei gleichzeitiger Kostensenkung und Arbeitserleichterung wurde daher zum Rangieren schon seit dem 19. Jahrhundert die Schwerkraft ausgenutzt.
Die Rangierbahnhöfe im eigentlichen Sinne, in denen zum Rangieren die Schwerkraft benützt wird, sind mehrere Kilometer lang und können mehrere Tausend Waggons pro Tag bewältigen. Sie werden nach dem Profil in zwei Bauarten unterschieden: die meisten sind Flachbahnhöfe, hinzu kommen wenige Gefällsbahnhöfe (oder Gefällebahnhöfe). Beiden Bauarten gemeinsam ist die Geleiseanordnung in mehreren getrennten Gruppen: eine Einfahrgruppe; danach oder daneben die Richtungsgruppe oder Richtungsharfe (in Österreich: Reihungsbahnhof), worin die Waggons nach Zerlegung des eingefahrenen Zuges nach den Zielbahnhöfen rangiert werden und aus der die Züge entweder direkt ausfahren oder, sofern vorhanden, in der anschließenden Ausfahrgruppe den Bahnhof verlassen. Viele Rangierbahnhöfe haben noch eine Nachordnungsgruppe zum endgültigen Zusammenstellen von Zügen, die aus Waggons für mehrere Zielbahnhöfe bestehen.
Flachbahnhöfe
Im Flachbahnhof werden die Waggons aus der Einfahrgruppe oder dem Ausziehgleis heraus über ein auf einem künstlichen Hügel angelegtes ausgerundetes Gleis "abgedrückt" und in die Richtungsgruppe rangiert. Dieses Gleis nennt man Ablaufberg, Ablaufrücken oder Eselsrücken (in Österreich: Rollberg). Er ist je nach den örtlichen Verhältnissen etwa 1 bis 4 Meter hoch. In Mitteleuropa, Frankreich, Rumänien, der ehemaligen Sowjetunion und China wurden auch die Güterbahnhöfe zahlreicher kleinerer Eisenbahnknotenpunkte mit Ablaufbergen ausgerüstet. In Hochleistungsanlagen besitzt der Ablaufberg häufig zwei Berggleise statt einem, in den USA jedoch nur selten. In Deutschland ist in manchen Rangierbahnhöfen stattdessen der gesamte Weichenkopf an dem entsprechenden Ende der Einfahrgruppe in Form eines mehrgleisigen Ablaufberges ausgerundet angelegt (Auffahrrampe). Der zu zerlegende Zug wird von einer Rangierlokomotive auf den Ablaufberg geschoben und seine Waggons werden auf dessen Spitze an den erforderlichen Stellen entkuppelt, um sie von dort entweder einzeln oder bei gleichem Zielbahnhof in kleinen Gruppen ablaufen zu lassen, und rollen dann mithilfe der Schwerkraft vom Ablaufberg durch die darauf folgenden Weichen der Verteilzone in die den Zielbahnhöfen entsprechenden Geleise der Richtungsgruppe hinab.
Am Fuße des Ablaufberges muss die zunächst nicht kontrollierbare Geschwindigkeit der ablaufenden Waggons reguliert werden, damit sie je nach Gewicht, Laufeigenschaften, Windverhältnissen und Anzahl der bereits im Richtungsgleis befindlichen Waggons möglichst zielgenau bis zum letzten im Gleis stehenden Waggon ablaufen können. Diese Geschwindigkeitsregulierung erfolgte in älteren Rangierbahnhöfen manuell, und zwar üblicherweise in Europa mit Hemmschuhlegern und in den USA mit Waggonbremsern. Seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde dieses nach und nach durch ein neues Verfahren ersetzt, bei welchem die ablaufenden Waggons in der Verteilzone mit mechanischen Gleisbremsen für jeweils etwa 6 bis 12 Richtungsgleise abgebremst werden (mechanisierter Ablaufberg). Diese Gleisbremsen bestehen aus Balken, die im Gleis zum Abbremsen der Waggons gegen dessen Räder gedrückt werden. Sie werden wie die nachfolgenden Weichen vom Stellwerk am Ablaufberg aus bedient und entweder hydraulisch (z. B. Systeme Frölich, Thyssen, Saxby) oder pneumatisch (z. B. System Westinghouse) angetrieben; in einigen Ländern ist nur ein System und in anderen Ländern sind verschiedene Systeme in Gebrauch. Daneben gibt es andere seltenere Gleisbremsenbauarten, von denen insbesondere das System "Dowty" erwähnenswert ist: hierbei handelt es sich um zahlreiche senkrechte Zylinder, die die Waggons dadurch abbremsen, dass sie beim Überfahren im Gleis von den Rädern heruntergedrückt werden müssen; und die erst noch sehr lärmen. Die Steuerung der Gleisbremsen und Weichen im Ablaufstellwerk erfolgte zunächst manuell, während dafür in modernen automatischen Anlagen Computertechnik benützt wird. Die einzelnen Richtungsgleise besitzen in automatischen Ablaufanlagen für die Feinregulierung der Ablaufgeschwindigkeit (Laufzielbremsung), die früher auch in mechanisierten Bahnhöfen noch durch Hemmschuhleger besorgt wurde, weitere Gleisbremsen unterschiedlicher Bauart. Außerdem konnten die Waggons in älteren Rangierbahnhöfen im Richtungsgleis allein durch das Ablaufenlassen und Abbremsen noch nicht kupplungsreif zusammengestellt werden, weshalb sie dort noch von einer Rangierlok zusammengeschoben ("beigedrückt") werden mussten. Hierfür wurden in die Richtungsgleise automatischer Rangierbahnhöfe später so genannte Beidrückeinrichtungen oder Waggonförderanlagen, eine Art kleine Traktoren im Gleis, eingebaut.
Die Richtungsgruppe besitzt in Europa in der Regel nach je einer Gleisbremse zwecks möglichst gleich kurzem Durchlauf aller Waggons durch die Verteilzone je 8 Gleise in symmetrischer Weichenanordnung, häufig 32 Richtungsgleise mit vier Gleisbremsen. Abweichend hiervon folgen je einer Gleisbremse oft in China 6 und in Russland 7, sowie in den USA 6 bis 10 Richtungsgleise (dort haben auch Bündel von 8 Gleisen meistens asymmetrisch angeordnete Weichen). Ab etwa 48 Richtungsgleisen bestehen in der auf den Ablaufberg folgenden Weichenzone gewöhnlich zwei, manchmal auch drei Staffeln Gleisbremsen. Während in Europa, Russland, China und den meisten anderen Ländern die Länge der Einfahr-, Richtungs- und Ausfahrgleise etwa gleich ist, sind die Ein- und Ausfahrgleise in den USA und Kanada durchschnittlich zwei- bis dreimal so lang wie die Richtungsgleise, weil dort erheblich längere Züge als in den anderen Ländern gefahren werden. Da aber eine den Anforderungen genügende rangiertechnische Ausrüstung derartig langer Richtungsgleise nicht mehr möglich ist, werden dort lange Ferngüterzüge für einen Zielbahnhof in zwei oder drei Richtungsgleisen gebildet und die Zugteile anschließend in der Ausfahrgruppe vereinigt.
Gefällsbahnhöfe
Gefällsbahnhöfe unterscheiden sich von Flachbahnhöfen dadurch, dass in ihnen nicht nur die auf die Spitze des Ablaufberges folgende Verteilzone im Gefälle liegt, sondern nahezu der gesamte Bahnhof. Diese Bauart hat bei hoher Personalintensität eine sehr hohe Leistungsfähigkeit. Rangierlokomotiven werden darin, wenn überhaupt, nur zum Hinaufziehen eines zu rangierenden Zuges vor die im durchgehenden Gefälle liegende Ablaufanlage benützt. Bis zum Beginn des Ablaufenlassens werden die zu zerlegenden Züge darin ebenso durch Gleisbremsen oder versenkbare Bremsprellböcke (früher: Hemmschuhe) zurückgehalten wie anschließend in der Richtungsgruppe. Ansonsten entspricht die Anlage und Arbeitsweise der Gefällsbahnhöfe derjenigen der Flachbahnhöfe. Die meisten Gefällsbahnhöfe wurden in Deutschland (besonders in Sachsen) errichtet, sodann mehrere in England, und noch wenige weitere in einigen anderen Ländern. Sie wurden insbesondere bei entsprechenden topographischen Verhältnissen am gewählten Standort angelegt, aber zu ihrer Entstehungszeit unabhängig davon auch aus Kostengründen anstelle von Flachbahnhöfen errichtet, da früher Personal billig und Technik teuer war. Da diese Kostenverhältnisse sich später umgekehrt haben, ist diese Bauart heute veraltet. Deshalb werden auch seit Jahrzehnten keine neuen Gefällsbahnhöfe mehr errichtet. Der weltweit größte heute noch in Betrieb befindliche Gefällsbahnhof ist Nürnberg Rbf.
Anzahl der Rangiersysteme
Rangierbahnhöfe können einseitig oder zweiseitig angelegt sein.
Die meisten Rangierbahnhöfe sind einseitig. In einseitigen Bahnhöfen werden die Züge beider den Bahnhof durchlaufenden Richtungen in einem gemeinsamen Rangiersystem zerlegt und neu gebildet. Dabei behindern teilweise Züge, die gegen die Arbeitsrichtung des Ablaufberges in den Bahnhof einfahren, den Ablaufbetrieb. Um dieses zu vermeiden, wurde manchmal (besonders in Russland und China) am vom Ablaufberg abgewandten Ende der Einfahrgruppe eine Kehrschleife angelegt.
In zweiseitigen Rangierbahnhöfen besteht für jede Richtung ein gesondertes Rangiersystem. Waggons, die den zweiseitigen Bahnhof am selben Ende wieder verlassen müssen, von dem sie eingefahren sind, müssen innerhalb des Bahnhofes nach dem ersten Ablauf in das andere Rangiersystem überführt werden, um sie dort in das für den Zielbahnhof zutreffende Richtungsgleis ablaufen zu lassen (Eckverkehr). Dies ist gegenüber dem Vorteil der hohen Leistungsfähigkeit wegen der kosten- und zeitaufwändigeren zusätzlichen Rangierarbeit ein entscheidender Nachteil zweiseitiger Rangierbahnhöfe. Die zweiseitige Bauform wurde insbesondere gewählt, wenn beispielsweise bei Bergbaugebieten oder Seehäfen zwischen den beiden Fahrtrichtungen nur ein geringer Waggonaustausch erforderlich war oder wenn die erforderliche Leistungsfähigkeit in einem einseitigen Bahnhof nicht mehr bewältigt werden konnte; und zwar besonders in Großbritannien, Mitteleuropa, Russland, Indien, China und den USA; in anderen Ländern dagegen nur selten. Ältere Rangierbahnhöfe wurden häufiger zweiseitig angelegt als neuere, da später dank modernerer Rangiertechnik einseitige Rangierbahnhöfe mit höherer Leistungsfähigkeit errichtet werden konnten.
Als Sonderbauarten wurden abweichend hiervon auch wenige Rangierbahnhöfe mit mehr als zwei Rangiersystemen (besonders in Deutschland) sowie in Kopfform (besonders in Italien) erbaut.
Stückgutbeförderung
Neben der Beförderung ganzer Ladungen vom Abgangs- zum Zielbahnhof in einem Waggon gehörte zum Wagenladungsverkehr bis zu dessen Verlagerung auf die Straße auch der Transport von Stückgut, das heißt mehrerer Sendungen für verschiedene Kunden in einem Waggon. Dabei wurde das am Abgangspunkt anfallende Stückgut in den Waggons gemischt aufgegeben. Um dieses den richtigen Empfängern liefern zu können, musste es unterwegs in andere Waggons umgeladen werden, welche dann zuletzt alle für den jeweiligen örtlichen Stückgutbahnhof bestimmten Sendungen enthielten. Hierfür wurde ein Teil der Rangierbahnhöfe mit Stückgutumladehallen (manchmal mit vorgeschaltetem gesonderten Ablaufberg) ausgerüstet.
Geschichte
Frühzeit
Bereits 1846 wurde im Güterbahnhof Dresden-Neustadt erstmals zum Rangieren die Schwerkraft angewendet, allerdings noch mit einem insgesamt geneigten Ausziehgleis statt einem Ablaufberg heutiger Bauweise. Nachdem der Rangierbetrieb in der Frühzeit der Eisenbahn noch in einigen den Güterbahnhöfen angeschlossenen Rangiergleisen verrichtet wurde, zeichnete sich seit den 1860er Jahren ab, dass diese kleinen und bereits umbauten Rangieranlagen dem gestiegenen Verkehrsaufkommen nicht mehr genügten und aus diesem Grunde der Bau gesonderter "Rangirbahnhöfe" erforderlich wurde. Diese frühen Rangierbahnhöfe hatten noch bescheidenere Ausmaße als die heutigen. In ihnen wurde noch nicht mit Ablaufbergen, wohl aber teilweise mit geneigten Ausziehgleisen (damals übliche Bezeichnung: "Rangirkopf") oder manchmal auch mit Pferden rangiert. In diesen Bahnhöfen befanden sich im Gleisfeld als Rangierhilfsmittel teilweise noch Drehscheiben oder seltener Schiebebühnen.
Technischer Fortschritt
Der erste einfache Ablaufberg wurde 1858 im heute verschwundenen Übergabebahnhof Leipzig errichtet. Der erste Rangierbahnhof mit hintereinander angelegten Einfahr-, Richtungs- und Ausfahrgruppen war der Gefällsbahnhof Terre Noire bei Saint-Étienne in Frankreich (1863). Dem folgte 1869 in Nordostengland der Bahnhof Shildon. 1876 wurde im Bahnhof (Mülheim/Ruhr-)Speldorf der erste Ablaufberg mit Gegensteigung, wie er noch heute benützt wird, errichtet. Die heute übliche Anordnung der Geleiseanlagen der Rangierbahnhöfe mit getrennten Gruppen hat sich ab den 1890er Jahren durchgesetzt. In dieser Bauweise wurde 1889 in (Oberhausen-)Osterfeld-Süd der erste Hochleistungsrangierbahnhof als zweiseitige Anlage errichtet. Dem folgten in einer ersten großen Neubauwelle ab Ende des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa sowie ab den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auch in den übrigen Teilen Europas, den USA, Russland und Indien zahlreiche weitere sowie in verschiedenen anderen Ländern vereinzelte Rangierbahnhöfe. Diese waren noch nicht mechanisiert, wohl aber wurde die Notwendigkeit des zielgenauen Abbremsens der Waggons bereits erkannt und hierfür die Anwendung der Hemmschuhe durch den Einbau von Hemmschuhauswurfvorrichtungen am Fuße des Ablaufberges (in Deutschland: Bauart Büssing) als Vorläufer der späteren Gleisbremsen erleichtert.
Mechanisierung
In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden zwecks weiterer Leistungssteigerung und Verringerung des gefährlichen Einsatzes von Hemmschuhen die ersten Rangierbahnhöfe mit Balkengleisbremsen mechanisiert: 1923 in den USA der Bahnhof Gibson bei Chicago noch mit einer komplizierten, mit einer Vielzahl von Gleisbremsen versehenen Ablaufanlage, dann 1924 in Köln-Nippes sowie aus Anlass der dortigen eisenbahntechnischen Ausstellung in Seddin bei Potsdam (Knotenbereich Berlin) modernere Versuchsanlagen. Die erste den praktischen Anforderungen vollauf genügende mechanisierte Gleisbremsanlage (vier hydraulische Bremsen Bauart Frölich) wurde dann 1925 in der heute stillgelegten Ablaufanlage Hvw des Bahnhofes Hamm (Westf.) Rbf, der während Jahrzehnten Europas größter Rangierbahnhof war, in Betrieb genommen; weitere folgten in den nächsten Jahrzehnten.
Während des zweiten Weltkrieges wurden die Rangierbahnhöfe Deutschlands und teilweise auch anderer Länder durch Luftangriffe zerstört. Sie mussten daher anschließend wieder aufgebaut werden, wobei sie zunächst aber wegen Geldmangels oder in Deutschland auch wegen Auflagen der Besatzungsmächte nur manchmal bereits zugleich modernisiert wurden.
Automatisierung
Der erste teilautomatische Ablaufberg mit Computersteuerung der Gleisbremsen und Weichen wurde 1955 im Bahnhof Kirk bei Gary im Ballungsraum Chicago eröffnet, worauf ab den 60er Jahren zahlreiche weitere Rangierbahnhöfe automatisiert wurden und diese mit fortschreitender Vervollkommnung der Technik (Vollautomatisierung mit Laufzielbremsung) somit keine Hemmschuhleger mehr benötigten. Mit der durch Mechanisierung und Automatisierung erreichten Leistungssteigerung bestimmter Rangierbahnhöfe konnte gleichzeitig durch Stillegung anderer Rangierbahnhöfe eine durchgreifende Rationalisierung erzielt werden; dem gleichen Zweck diente auch der Umbau einiger zweiseitiger Bahnhöfe in einseitige sowie in einer zweiten Welle etwa ab der Mitte des 20. Jahrhunderts der Neubau großer Rangierbahnhöfe an Standorten, die bisher nur veraltete und wegen der umgebenden Bebauung nicht mehr erweiterungsfähige Rangierbahnhöfe besessen haben, welche dann teilweise oder vollständig stillgelegt wurden. Gleichzeitig entstanden auch in Ländern und Gebieten mit später einsetzender Industrialisierung viele neue Rangierbahnhöfe. Vor allem in China wurden zahlreiche neue Rangierbahnhöfe errichtet - unter anderem der zweiseitige heute größte Rangierbahnhof Asiens in Zhengzhou Bei (Nord) mit 34 und 36 Richtungsgleisen. Soweit die topographischen Gegebenheiten es zugelassen haben, wurden diese Neubauten wegen der größeren verfügbaren Fläche und der geringeren Grundstückspreise oft weit außerhalb des geschlossen bebauten Stadtgebietes errichtet. Diese Neubautätigkeit erreichte zum Beginn der achtziger Jahre ihren Höhepunkt, lediglich in Südamerika ist es bei nur sehr wenigen Rangierbahnhöfen geblieben.
Große Rangierbahnhöfe
Es entstanden als größter Rangierbahnhof der Welt der zweiseitige Bahnhof Bailey Yard bei North Platte (64 und 50 Richtungsgleise), gelegen nahezu im Herzen der USA an der Transkontinentalbahn von San Francisco nach Chicago; sowie als größter Rangierbahnhof Europas der zweiseitige Bahnhof Maschen Rbf südlich Hamburg (64 und 48 Richtungsgleise). In den USA gab es mehrere fast gleich große zweiseitige Rangierbahnhöfe. In Südafrika wurde der Bau des Rangierbahnhofes Sentrarand nordöstlich von Johannesburg begonnen, der mit vier Systemen à 64 Richtungsgleisen noch größer werden sollte; allerdings wurde davon nur ein System verwirklicht, damit ist er wenigstens der größte Rangierbahnhof Afrikas.
Die größte Ablaufanlage aller Zeiten im einseitigen Bahnhof Taschereau in Montréal mit 83 Richtungsgleisen ist bereits stillgelegt. Über 100 Richtungsgleise, allerdings einschließlich verschiedener direkt an den Ablaufberg angeschlossener Nebenanlagen, hatte früher der Bahnhof Nürnberg Rbf. Die größten Ablaufanlagen einseitiger Rangierbahnhöfe besitzen zur Zeit der Bahnhof Young Yard bei Elkhart am äußersten südöstlichen Rand des Knotenbereiches Chicago sowie der insgesamt etwas kleinere Bahnhof Agincourt in Toronto mit je 72 Richtungsgleisen. Bezüglich der Anzahl aller Bahnhofsgleise in einseitigen Rangierbahnhöfen ist jedoch der (kopfförmige!) Bahnhof MacMillan in Toronto mit 71 Richtungsgleisen und einer mit 50 Gleisen sehr großen Nachordnungsgruppe noch größer.
Mit diesen Bahnhöfen wurde der Höhepunkt und gleichzeitig im wesentlichen auch der Abschluss der Entwicklung erreicht.
Rangierbahnhöfe in der Kulturlandschaft
Die großflächigen Geleiseanlagen der Rangierbahnhöfe mit ihren technischen Bauten wie Flutlichtmasten (im deutschsprachigen Raum allerdings nur ausnahmsweise), Stellwerke, Werkstätten, Wassertürme, Über- und Unterführungen sowie die zugehörigen Eisenbahnerkolonien wurden ein wesentlicher und eindrücklicher Bestandteil industrieller und großstädtischer Kulturlandschaften. An abgelegeneren Standorten von Rangierbahnhöfen wuchsen kleinere Ortschaften zu eigentlichen "Eisenbahnstädten" heran.
Gleichwohl blieben Rangierbahnhöfe für Bahnreisende beim Blick aus dem fahrenden Zug oft unsichtbar, da sie teilweise an nur von Güterzügen befahrenen Strecken angelegt wurden.
Strukturwandel des Güterverkehrs und Niedergang der Rangierbahnhöfe
Gütertransport in der postindustriellen Gesellschaft
Schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann der Straßenverkehr als Konkurrent zum Eisenbahnverkehr aufzutreten. In dessen zweiter Hälfte begann mit der teilweisen Desindustrialisierung der Industrieländer infolge Kohle-, Stahl- und Ölkrisen ein allgemeiner wirtschaftlicher Strukturwandel, der sich mit dem Entstehen der postindustriellen und automobilen Informations-, Konsum- und Dienstleistungsgesellschaft ab etwa den achtziger Jahren erheblich verstärkt hat. Gleichzeitig entfiel infolge Ersatz durch andere Energieträger der Transport von Hausbrandkohle mit Feinverteilung zu den Güterbahnhöfen auch in abgelegeneren Gebieten.
Dies hatte eine weitgehende Änderung der Art der beförderten Güter von eisenbahntypischen schweren Massen- und Investitionsgütern für mehrheitlich relativ zentral an den Eisenbahnstrecken gelegene Großkunden und auch kleinere Kunden mit Gleisanschluss auf kleinteilige Konsumgüter für unzählige verstreute, oft auch in neuen Gewerbegebieten ohne Gleisanschluss gelegene kleine Kunden zur Folge. Hierdurch kehrten sich auch die Anforderungen der Kundschaft an das Transportmittel um. Statt der für die Beförderung grosser Mengen schwerer Güter erforderlichen hohen Leistungsfähigkeit bei geringerer Bedeutung der Geschwindigkeit wird nunmehr ein schneller termingebundener Transport mehrheitlich leichterer Waren an jeden Ort auch abseits der Eisenbahnstrecken ohne Zeitverzögerungen und zusätzliche Kosten infolge Umladens zwischen Schiene und Straße erwartet.
Da diese Anforderungen aus der ausschliesslich wirtschaftlichen Sichtweise der Kundschaft vom Straßenverkehr trotz seiner Staus subjektiv besser erfüllt werden als vom Schienenverkehr, dessen grössere Sicherheit und Umweltfreundlichkeit in der heutigen automobilen Konsumgesellschaft bei der Wahl des Transportmittels meistens nicht entscheidend ist, ging der Eisenbahngüterverkehr bei gleichzeitiger rascher Steigerung des Straßengüterverkehrs erheblich zurück.
Verlagerung des unwirtschaftlichen Wagenladungsverkehrs auf die Straße
Neben dem Rückgang des Eisenbahngüterverkehrs infolge des allgemeinen wirtschaftlichen Strukturwandels blieb auch eisenbahnseitig der gegenüber dem Ganzzugverkehr aufgrund des notwendigen Rangierens vor allem wegen der höheren Personalkosten teurere Wagenladungsverkehr nur mehr über wenige längere Strecken zwischen aufkommensstarken Zentren wirtschaftlich, aber nicht mehr für die übrigen Transporte auf Kurzstrecken, für kleine Kunden oder in ländlichen Gebieten. Die Unwirtschaftlichkeit des Wagenladungsverkehrs wurde in Europa (im Gegensatz zu Russland, China oder den USA) durch die bis heute noch fehlende automatische Kupplung der noch immer mit handbedienten Schraubenkupplungen ausgerüsteten Waggons verstärkt. Hinzu kommt in vielen Ländern die Umwandlung der Eisenbahnen von gemeinnützigen staatlichen zu gewinnorientierten und oft von nicht im Eisenbahnwesen ausgebildeten Managern geleiteten privaten Betrieben, die aus Kostengründen nur mehr die Verkehre ohne Rangiernotwendigkeit betreiben wollen.
Der Wagenladungsverkehr wurde daher zur Kostenverringerung zwecks Gewinnsteigerung erheblich rationalisiert durch:
- vor allem die Aufgabe des aufgrund des notwendigen Umladens besonders personal- und daher kostenintensiven Stückgutverkehrs; im weiteren durch:
- Aufgabe der getrennten Beförderung von Eilgut,
- teilweisen Ersatz durch Containerisierung und Ganzzugbetrieb,
- bahnseitige Kündigung der verbliebenen Gleisanschlüsse vieler kleiner selbst noch zum Eisenbahntransport gewillter Kunden,
- Schließung fast aller kleinen und vieler mittlerer Güterbahnhöfe,
- Verkleinerung fortbestehender Güterverkehrsanlagen (Abbruch der [von reinen Containerbahnhöfen abgesehen] öffentlichen Ladestellen, weil der Bahnhof nur mehr Anschlussgleise bedient, und Verminderung der Bahnhofgleise),
- bahnseitige Verweigerung der Annahme von Kurzstreckentransporten zwischen geöffneten Güterbahnhöfen,
- Umstellung der direkten Transportwege über die kürzesten Strecken auf das "Hub- and Spoke"-Verfahren mit Anbindung von Güterbahnhöfen nur mehr an einen Rangierbahnhöf statt in jede Richtung sowie Konzentration der Ferngüterzüge auf wenige Strecken, infolgedessen Umwegfahrten vieler Transporte;
- vollständige oder teilweise Stillegung von Eisenbahnstrecken,
- sowie den mit diesen Maßnahmen einhergehenden Personalabbau mit höherer Belastung des verbliebenen Personals.
Außer durch den allgemeinen wirtschaftlichen Strukturwandel wurden auch durch diese erheblichen Rationalisierungen viele Schienentransporte auf die Straße verlagert. Die Ablösung großer Bahnanlagen für höchste Leistungsfähigkeit durch kleinstmögliche Bahnanlagen zur größtmöglichen Kostenverringerung führte zu Engpässen und somit Rückgang der von der Kundschaft heute vorrangig geforderten Flexibilität. Weiter hat sich hierdurch bei den noch auf der Schiene verbliebenen Transporten häufig die Beförderungsdauer verlängert und haben Beschädigungen des Ladegutes zugenommen, was die verbliebene Kundschaft zusätzlich zur Transportverlagerung auf die Straße veranlaßt hat.
Gleichzeitig wurde in den meisten Ländern der Straßenverkehr begünstigt durch:
- dessen Finanzierung der Fahrwegkosten aus den Steuermitteln der Allgemeinheit und nicht ausschließlich denen der Spediteure im Gegensatz zur privatisierten Eisenbahn, die diese nunmehr allein zu tragen hat,
- Bevorzugung der Straße gegenüber der Schiene bei der Zuteilung der staatlichen Investitionsmittel für das Verkehrswesen und teilweise auch im Steuerrecht,
- die geringere Entlohnung der Lastwagenfahrer bei häufig angeordneter Überschreitung der zulässigen Lenkzeiten gegenüber den unter Beachtung der erforderlichen Sicherheitsbestimmungen höher bezahlten Lokomotivführern,
- sowie indirekt auch durch das Fehlen der bei der Eisenbahn notwendigen Sicherungstechnik der Weichen und Signale und des zu ihrer Bedienung erforderlichen Stellwerkspersonals.
Außerdem werden im Gegensatz zu Eisenbahnstrecken keine schwach genutzten Straßen wegen Unwirtschaftlichkeit stillgelegt! Alle diese Gründe führten zur Verlagerung vieler bisher auf der Schiene beförderter Transporte besonders im Wagenladungsverkehr auf die Straße, die im Güterverkehr ebenso wie im Personenverkehr die Eisenbahn als wichtigsten Verkehrsträger abgelöst hat. Der Wagenladungsverkehr wurde daher entweder stark eingeschränkt oder von einigen Bahngesellschaften auch ganz aufgegeben.
Umfangreiche Stillegungen von Rangierbahnhöfen
Die einst die Betriebskosten des Wagenladungsverkehrs vermindernden modernen Rangierbahnhöfe wurden aufgrund des unwirtschaftlich gewordenen Wagenladungsverkehrs und seines daraus folgenden Rückganges selbst unwirtschaftlich. Sie werden daher von den Eisenbahngesellschaften heute -anders als im Industriezeitalter- nur mehr in geringem Umfange benötigt. Während viele Eisenbahnen in ihren Veröffentlichungen früher mit Stolz die Rangierbahnhöfe als Hinweis auf die hohe Leistungsfähigkeit vorgewiesen haben, wird dies von ihnen heute vermieden, da in den Augen der Kundschaft Rangierbahnhöfe aufgrund der Aufenthaltszeiten der zeitweise nach starrem Fahrplan im Bahnhof stehenden statt fahrenden Waggons trotz der Staus auf den Autobahnen subjektiv für eine im Vergleich zum flexiblen rollenden Straßenverkehr zu langsame Beförderung stehen.
So wurden bis 1984 in Großbritannien und Japan alle Rangierbahnhöfe stillgelegt; später auch in Australien, Dänemark und Norwegen. Dabei blieb in Großbritannien, Australien und Dänemark noch ein sehr geringer Wagenladungsverkehr bestehen, für den nur mehr in kleineren Güterbahnhöfen ohne Ablaufberg rangiert wird (in Großbritannien teilweise in den Resten ehemaliger Rangierbahnhöfe). In Japan wurde der Wagenladungsverkehr außer auf die Straße aufgrund der konzentrierten Lage des größten Teiles seiner Industrien an der Südküste der Hauptinsel Honshu auch auf die Küstenschiffahrt verlegt.
In allen anderen Ländern, welche Rangierbahnhöfe besessen haben, wurde ebenfalls ein großer Teil davon stillgelegt, darunter besonders in ländlichen oder desindustrialisierten Gebieten, in Eisenbahnkomplexen mit mehreren Rangierbahnhöfen sowie in Grenzbahnhöfen. Außerdem wurden in den verbliebenen Rangierbahnhöfen meistens die Nachordnungsgruppen stillgelegt sowie manchmal die Anzahl der Richtungsgleise reduziert und in manchen zweiseitigen Rangierbahnhöfen wurde ein System (ohne Erweiterung des anderen Systems) stillgelegt. Der Wegfall des Stückgutverkehrs hatte die Stillegung der Umladehallen der verbliebenen Rangierbahnhöfe zur Folge. In den USA wurden teilweise auch als Folge von Fusionen privater Eisenbahngesellschaften Rangierbahnhöfe stillgelegt.
Stillgelegte Rangierbahnhöfe
In vielen einst typischen "Eisenbahnstädten" wie Rheine, Betzdorf, Weil am Rhein (Bahnhof Basel Bad. Rbf), Amersfoort (Niederlande), Mechelen (Belgien), Aulnoye (Frankreich), Mestre (Italien) oder Altoona (USA) wurden die Rangierbahnhöfe ebenso stillgelegt wie in manchen Metropolen wie Kopenhagen, Düsseldorf, Amsterdam, Brüssel, Rom, Montréal, Boston oder Washington. In manchen Orten mit mehreren Rangierbahnhöfen wurde sogar der größere stillgelegt und der kleinere beibehalten, beispielsweise in Frankfurt (Main) oder Prag.
Ehemalige Rangierbahnhöfe wurden manchmal in Containerbahnhöfe oder Abstellbahnhöfe für Personenzüge umgebaut. Meistens werden sie aber nach der Stillegung noch mit oft reduzierten Geleiseanlagen für einige Zeit (in der Regel ohne Benützung des Ablaufberges) im Ortsverkehr oder zum Abstellen von Waggons verwendet und später oft vollständig abgebrochen, so zum Beispiel 1986 der einst zweitgrößte Rangierbahnhof Deutschlands in Hohenbudberg (zwischen Duisburg und Krefeld). Der allfällige Erhalt von stillgelegten Rangierbahnhöfen als technische Denkmale scheitert an den aufgrund ihrer gewaltigen Größe zu hohen Kosten. Die Rangierbahnhöfe sind somit auch als ein einst wichtiger Bestandteil des Wirtschaftslebens und der Kulturlandschaft vieler bedeutender Eisenbahnverkehrszentren verschwunden. Dies blieb von der Öffentlichkeit im Gegensatz zum Verschwinden der Dampflokomotiven weitgehend unbemerkt.
Rangierbahnhöfe in der Gegenwart
Für den verbliebenen Wagenladungsverkehr werden heute nur mehr sehr wenige Rangierbahnhöfe benötigt, die in der Regel über eine leistungsfähige moderne automatisierte Rangiertechnik verfügen wie beispielsweise die beiden größten deutschen Rangierbahnhöfe in Maschen und Mannheim. Neue Rangierbahnhöfe werden heute im wesentlichen nur mehr in China errichtet, dessen Eisenbahnnetz noch immer durch größere neue Strecken auch für den Güterverkehr ergänzt wird. Ansonsten wurden Rangierbahnhöfe in den börsenorientierten statt gemeinnützigen Bahnunternehmen der postindustriellen Auto- und Informationsgesellschaft mit Ausnahme der wenigen für die Bedienung der verbliebenen gewinnbringenden Langstreckenrelationen des Wagenladungsverkehrs noch betriebenen Anlagen vollständig überflüssig.
Das hat keine technischen, sondern einzig wirtschaftliche Gründe, denn mit einem intakten Eisenbahnsystem hätte man mit Rangieren in den Rangierbahnhöfen als Produktionsanlagen und logistischem Herz des Schienengüterverkehrs und mit Umladen während des Laufweges selbst Handys vom Gleisanschluss der Telefonfabrik bis zum Stückgutbahnhof auf der Schiene befördern können, und der umweltbelastendere sowie unfallträchtigere Straßentransport wäre nur mehr auf dem Restabschnitt von dort bis zum Einzelhändler erforderlich gewesen.
Literatur
Kennziffer Dezimalklassifikation: 656.212.5
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- KRETSCHMANN Heinz Werner: Eisenbahnknotenpunkt Hamm. Entstehung und Entwicklung bis 1927. In: Jahrbuch für Eisenbahngeschichte 1987, Band 19, Seiten 5...54. Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte, Karlsruhe. Lübbecke: Uhle & Kleimann, 1987. ISBN 3-922657-59-1.
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- BLIER Dr Gérard: Nouvelle géographie ferroviaire de la France. Paris: La Vie du Rail. Tome (Band) I: Le réseau: structure et fonctionnement. 1991, ISBN 2-902808-34-8. Tome II: L'organisation régionale du trafic. 1993, ISBN 2-902808-43-7. Tome III: L'impact du chemin de fer. 1996, ISBN 2-902808-58-5.
- SCHIEBER Martin/ WINDSHEIMER Bernd/ IMHOF Heinrich: 100 Jahre Rangierbahnhof Nürnberg 1903-2003. Nürnberg: Herausgeber DB Cargo Niederlassung Nürnberg, DB Museum Nürnberg, Geschichte Für Alle e.V. - Institut für Regionalgeschichte. Sandberg Verlag, 2003. ISBN 3-930699-36-2.
- RHODES (Dr.) Michael: North American RAILYARDS. St. Paul (USA): Motorbooks International (MBI Publishing Company), 2003. ISBN 0-7603-1578-7.
Anmerkungen zu der auf dieser deutschsprachigen Seite bibliographierten fremdsprachigen Literatur: Der italienische Aufsatz PICIOCCHI zeigt unter anderem mit besonders übersichtlichen Diagrammen eine Auswahl verschiedener Bauformen von Rangierbahnhöfen auf. BLIER beschreibt in seiner dreibändigen französischen Eisenbahngeographie mit vielen Abbildungen kurz die meisten tatsächlichen Rangierbahnhöfe Frankreichs als großem Land; ein vergleichbares deutschsprachiges Werk über die Verhältnisse in Deutschland gibt es nicht, da die Fachbücher mehrheitlich theoretisch sind und nur wenige Angaben über tatsächlich gebaute Rangierbahnhöfe enthalten. Detaillierter beschreiben die beiden englischen Bücher von RHODES die Rangierbahnhöfe in Großbritannien bis zu ihrer Stillegung beziehungsweise in den USA und Kanada.
Ein wesentlicher Teil der in der Literatur verfügbaren Informationen besonders über einzelne Rangierbahnhöfe befindet sich weniger in Büchern als in Aufsätzen und Kurzmeldungen zahlreicher eisenbahntechnischer Fachzeitschriften, wobei insbesondere auf die inzwischen eingestellte und wahrscheinlich einzige rangiertechnische Fachzeitschrift der Welt: "Rangiertechnik", später "Rangiertechnik und Gleisanschlußtechnik" hingewiesen sei. Seltener sind entsprechende Informationen auch in Hobbyzeitschriften für Eisenbahnfreunde zu finden; sowie in Heimatliteratur, die außerhalb des Veröffentlichungsortes meist nicht auffindbar ist, da es sich in der Regel um einzelne Beiträge in Jahrbüchern oder Zeitschriften handelt. Eine weitere wichtige Informationsquelle besonders bei Fehlen entsprechender Literatur sind großmaßstäbliche Satellitenbilder sowie amtliche topographische und seltener auch kommerzielle Kartenwerke.
Hinweis: Betreffend einzelne Rangierbahnhöfe befinden sich in der Sekundärliteratur hinsichtlich der Jahreszahlen oder der Anzahl der Bahnhofsgleise manchmal unterschiedliche Angaben.
Weblinks
Weitere Informationen über Rangierbahnhöfe (allgemein und einzelne Bahnhöfe) sind auf dieser internationalen mehrsprachigen Seite zu finden (einschließlich einer nur im Mitgliederbereich zugänglichen Datenbank mit umfangreicher Bibliographie grundsätzlicher -auch fremdsprachiger- Literatur sowie Literatur über zahlreiche einzelne Rangierbahnhöfe in aller Welt, außerdem mit mehrsprachigem Fachwörterbuch und Daten über einzelne Rangierbahnhöfe).
Die zugehörige Linkseite verweist auf hunderte Internetseiten unter anderem mit vielen Fotos und Plänen über Rangierbahnhöfe in aller Welt, auch aus Ländern, von denen entsprechende Informationen schwer zugänglich sind. Die Bahnhöfe sind darin nach Ländern alphabetisch sortiert, wobei aufgrund der Internationalität der Seite nicht die deutschen oder englischen, sondern die im jeweiligen Land offiziellen endonymen geographischen Namen benützt werden, also z.B. "España" statt "Spanien" oder "Spain".