Mittelstand
Die in Deutschland gebräuchliche Bezeichnung Mittelstand steht nach quantitativen Kriterien für die kleinen und mittlere Unternehmen (KMU bzw. teilweise SME für engl. Small and Medium sized Enterprises) und nach qualitativen Kriterien für die Familienunternehmen.
Der Begriff wird gelegentlich verwechselt mit dem der soziologischen Mittelschicht. Historisch siehe auch Kleinbürger beziehungsweise Bürgertum.
Mangels äquivalenter Übersetzungen hat der Begriff als Lehnwort mittelstand in die englische und spanische Sprache Eingang gefunden.
Mittelstandsdefinition
Eine allgemein akzeptierte oder gar gesetzlich vorgeschriebene Definition des Mittelstandes gibt es nicht. Aus quantitativer Sicht bezieht sich der Mittelstandsbegriff auf Unternehmen aller Branchen einschließlich des Handwerks und der Freien Berufe, die eine bestimmte Größe nicht überschreiten. Hilfsweise werden zur Größenbestimmung die Kriterien Jahresumsatz, Anzahl der Arbeitsplätze und/oder Bilanzsumme herangezogen.
Da es branchenspezifische Unterschiede in den oben genannten betriebswirtschaftlichen Kenngrößen gibt, ist eine standardisierte Festlegung von Größenkriterien schwierig. So werden die quantitativen Kriterien zumeist je nach Kontext definiert. Allgemeinhin ordnet das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern und einem Umsatz unter 1 Million Euro den kleinen Unternehmen zu, solche mit 10 bis 500 Mitarbeitern und maximal 50 Millionen Euro Umsatz den mittleren Unternehmen. Beide Größenklassen zusammen bilden gemäß dieser Definition den Mittelstand nach quantitativen Kriterien. Die KfW Bankengruppe definiert dagegen den Mittelstand über einen maximalen Jahresumsatz von 50 Millionen Euro bzw. über eine maximale Jahresbilanzsumme von 43 Mio Euro. Unternehmen, deren Umsatz darüber liegt, können sich nicht für bestimmte staatliche Förderungen aus dem Hause der KfW Bankengruppe bewerben. Im internationalen Vergleich wird der Small Business oder das mittelgroße Unternehmen anhand einer Obergrenze definiert, die je nach Staat zwischen 100 und 500 Beschäftigten variiert.
Die qualitative Mittelstandsdefinition, sprich die Definition von Familienunternehmen, bestimmt sich durch die Einheit von Eigentum, Leitung, Haftung und Risiko. Es geht also um die Einheit von wirtschaftlicher Existenz und Führung sowie die verantwortliche Mitwirkung der Unternehmensführung an allen unternehmenspolitisch relevanten Entscheidungen (Konzernunabhängigkeit). Ausdruck dafür ist die Beteiligungshöhe bei verbundenen Unternehmen anhand der Minderheitsklausel für Beteiligungen im Rahmen der EU-Definition oder der Definition des IfM Bonn.
Volkswirtschaftliche Bedeutung
Der Mittelstand in der Bundesrepublik Deutschland umfasst nach quantitativer Definition
- rund 99,7 % aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen, in denen knapp
- 65,9 % aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten angestellt sind,
- rund 38,3 % aller Umsätze erwirtschaftet werden sowie
- rund 83,0 % aller Auszubildenden ausgebildet werden.[1] [2]
Betrachtet man hingegen nur die Familienunternehmen, sprich den Mittelstand nach qualitativen Kriterien, zeigt sich die volkswirtschaftliche Bedeutung anhand folgender Zahlen:
- Etwa 95 Prozent der in Deutschland ansässigen Betriebe und Unternehmen werden als Familienunternehmen geführt.
- Sie tragen mit einem Anteil von etwa 41,5 Prozent zum Umsatz aller Unternehmen bei und stellen
- 57 Prozent der Arbeitsplätze.[3]
Umfangreiches Datenmaterial enthalten die vom Institut für Mittelstandsforschung Bonn herausgegebenen Schlüsselzahlen zum Mittelstand, die jährlich neu berechnet und auf den Internetseiten des Instituts veröffentlicht werden.
Finanzierung des Mittelstandes
Nach Berechnungen der Deutschen Bundesbank umfasste die Finanzierung des Mittelstandes (nach quantitativen Kriterien) im Jahr 2004 eine durchschnittlichen Eigenkapitalanteil von 15,1 % der Bilanzsumme. Das Fremdkapital wird zu 80 % durch Kredite finanziert.
In allen Wirtschaftssektoren liegen die durchschnittlichen Eigenkapitalquoten der KMU deutlich unter denjenigen der Großunternehmen, die 2004 eine durchschnittliche Eigenkapitalquote von 27,5 % aufwiesen. Es gilt jedoch zu beachten, dass die durchschnittlichen Eigenkapitalquoten eine hohe Streuung nach Wirtschaftssektoren aufweisen. Im Vergleich zu 1997 konnten die kleinen und mittleren Unternehmen ihre Eigenkapitalquoten jedoch stärker ausweiten als die Großunternehmen.[4]
Ehrung des Mittelstandes
Seit 1993 werden von dem Benchmarking-Unternehmen compamedia GmbH aus Überlingen im Rahmen des Benchmarkingprojektes „TOP 100“ die innovativsten Unternehmen im deutschen Mittelstand ausgezeichnet. Die Gewinner werden mit Hilfe einer unabhängigen wissenschaftlichen Untersuchung (Leitung: Prof. Dr. Nikolaus Franke vom Lehrstuhl für Entrepreneurship und Innovation der Wirtschaftsuniversität Wien) ermittelt, erhalten das gleichnamige Gütesiegel und werden mit einer Reihe von PR- und Marketingaktionen unterstützt. Mentor von „TOP 100“ ist Lothar Späth. Ebenfalls von compamedia wird der Mittelstandswettbewerb „TOP JOB“ durchgeführt: Hier werden seit 2002 die besten Arbeitgeber im deutschen Mittelstand ermittelt (Leitung: Prof. Dr. Heike Bruch vom Institut für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen), geehrt und öffentlichkeitswirksam präsentiert. Mentor ist Wolfgang Clement.
Seit 1998 werden in Sachsen-Anhalt der Unternehmer, Existenzgründer und Investor des Jahres ausgezeichnet. Diese Auszeichnung soll herausragende Leistungen der Unternehmer (KMU) herausstellen. Der Wirtschaftsspiegel, ein Wirtschaftsmagazin für Sachsen-Anhalt, hat dafür eine 10-köpfige Jury zusammengestellt. Die Auszeichnung wird jährlich auf einem „Ball der Wirtschaft“ übergeben. Schirmherr dieser Veranstaltung ist der Minister für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt.
Seit März 1995 wird der deutsche Mittelstand mit dem „Großen Preis des Mittelstandes“ ausgezeichnet. Der „Große Preis des Mittelstandes“ ist eine von dem Erfurter Künstler Karsten I. W. Kunert gestaltete Bronze-Skulptur, die jedes Jahr an erfolgreiche Unternehmen von der Oskar-Patzelt-Stiftung verliehen wird.
Siehe auch
- Kleine und mittlere Unternehmen
- Familienunternehmen
- Nivellierte Mittelstandsgesellschaft, Mittelschicht
- Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung
- Mittelstandsförderung
Literatur
- Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.) (2007): Der Mittelstand in der Bundesrepublik Deutschland: Eine volkswirtschaftliche Bestandsaufnahme, BMWi Dokumentation Nr. 561, Berlin
- Haunschild, L.; Wallau, F.; Hauser, H.-E.; Wolter, H.-J. (2007): Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen, Gutachten im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen, in: Institut für Mittelstandsforschung Bonn (Hrsg): IfM-Materialien Nr. 172, Bonn.
- Malcolm Schauf (Hrsg.): Unternehmensführung im Mittelstand – Rollenwandel kleiner und mittlerer Unternehmen in der Globalisierung. 1. Auflage. München und Mering 2006, ISBN 3-86618-035-7.
Weblinks
- Institut für Mittelstandsforschung Bonn
- ifm Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim
- Deutsches Institut für kleine und mittlere Unternehmen (DIKMU)
- Top 100 – Deutschlands beste Innovatoren
Quellen
- ↑ Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn: Schlüsselzahlen des Mittelstands in Deutschland 2006/2007, [21. März 2009]
- ↑ Institut für Mittelstandsforschung (ifm) der Universität Mannheim: Bedeutung des Mittelstands in Deutschland, [13. Dezember 2005]
- ↑ Haunschild, L.; Wallau, F.; Hauser, H.-E.; Wolter, H.-J. (2007): Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen, Gutachten im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen, in: Institut für Mittelstandsforschung Bonn (Hrsg): IfM-Materialien Nr. 172, Bonn.
- ↑ Adenäuer, C., Haunschild, L. (2008): Anmerkungen zur Eigenkapitalquote im deutschen Mittelstand, in: Institut für Mittelstandsforschung Bonn, Working Paper 2/08