Afrikanisierte Honigbiene
Afrikanisierte amerikanische Honigbienen, oft auch als "Killerbienen" bezeichnete Honigbienen, sind Bienen in den tropischen und subtropischen Zonen des amerikanischen Doppelkontinents, die aus Kreuzungsversuchen zwischen europäischen und afrikanischen Honigbienen hervorgegangen sind.
Die Honigbiene war sowohl in Nord- als auch in Mittel- und Südamerika vor der Ankunft der Europäer nicht heimisch. Im Zuge der Kolonisierung führte man dann europäische Honigbienen, meist deutsche oder italienische Rassen, ein. In tropischen Klimaten erwiesen sich diese Bienen aber als nicht besonders leistungsfähig. Deshalb versuchte man durch die Einkreuzung afrikanischer Bienen die Leistung der Honigbienen zu erhöhen.
Der Bienenzüchter Warwick Estavam Kerr fuhr im Rahmen seiner Bienenforschung 1955 nach Afrika und brachte deshalb auf Wunsch des brasilianischen Agrarministeriums im Jahre 1956 insgesamt 120 afrikanische Bienenköniginnen der Unterart Apis mellifera scutellata aus Johannesburg nach Rio Claro in Brasilien, das etwa auf 22° südlicher Breite liegt, um durch Kreuzung mit den dortigen Bienen europäischer Herkunft leistungsfähigere Honigbienen zu erhalten. Im Jahre 1957 entkamen durch Zufall 36 Schwärme mit afrikanischen Königinnen, die man nicht wieder einfangen konnte. Mitschuld an diesem Desaster trägt auch ein Angestellter, der das Gitter am Bienenstock entfernte und vorher nicht richtig instruiert wurde. Entgegen den bis dahin gemachten Erfahrungen, dass sich Honigbienen in den tropischen Gebieten Brasiliens kaum freilebend etablieren könnten, erwiesen sich die afrikanischen Honigbienen dem tropischen Klima gut gewachsen. Der Forscher und Züchter Kerr geht davon aus, daß sie ihre Angriffslust erst dadurch gewannen, weil sie sich in der Freiheit zunächst etablieren mußten. Mit Dichten von bis zu 100 wenn auch kleinen Kolonien breiteten sie sich mit einer Geschwindigkeit von 300 bis 500 km pro Jahr rasend über den ganzen Kontinent aus.
Dabei kreuzten sie sich immer wieder mit den bereits vorhanden, von Imkern gehaltenen Bienen. Erstaunlicherweise führte das nicht dazu, dass die Bienen europäischer wurden, sondern die afrikanischen Anteile verdängten die europäischen Anteile völlig, da die afrikanischen Bienen wesentlich besser an das dortige Klima angepasst waren. Neben anderen Unterschieden sind diese afrikanischen oder afrikanisierten Bienen auch wesentlich aggressiver gegen Menschen als europäische Bienen, was ihnen auch den Namen "Killerbienen" einbrachte, da eine sehr große Zahl von Bienenstichen durchaus tödlich sein kann. Erst in den gemäßigteren Breiten Südamerikas, etwa ab der Höhe von Buenos Aires, bildete sich eine Übergangszone, in der die Bienen immer europäischer wurden, bis sie schließlich in kühleren Gegenden, ungefähr auf der Höhe der Bahía Blanca, die dortigen europäischen Honigbienen nicht mehr verdrängen konnten. Innerhalb von weniger als 40 Jahren sind sie dann auch im Süden der USA angekommen, wo sie wohl erst in den nördlicheren Breiten den althergebrachten europäischen Bienen unterlegen sein werden. Nach Europa dürfte sich die Art aller Voraussicht nach nicht ausbreiten, da die Winter zu kalt sind.
Die einzelne "Killerbiene" ist nicht aggressiver als andere Bienenrassen. Bei Bedrohung greift jedoch der ganze Schwarm an, statt wie üblich nur eine kleine Anzahl Tiere. Auch verfolgen die "Killerbienen" ihre Opfer hartnäckig. Ein Schwarm besteht aus mehreren zehntausend Tieren. 500 Stiche reichen aus, um ein Kind zu töten, bei Erwachsenen wird es ab 1000 Stichen sehr kritisch.
Kerr konnte im Jahre 1965 durch Einkreuzen von harmloseren Arten die Aggressivität nach eigenen Angaben bremsen, aber gleichzeitig betont er, daß es die Imker waren, die "keine friedlicheren Bienen" mehr wollten. Das erscheint glaubwürdig, da die sogenannte "Afrikanisierte Biene" pro Schwarm 60 bis 80 Kilo Honig im Jahr produziert, was der vierfachen Produktion der alten Arten entspricht. Im Jahre 2005 gab Kerr zu, daß in Brasilien früher im Schnitt jährlich 25 Menschen durch Bienen getötet wurden. Nach den Bienenzüchtungen mit der "Afrikanisierten Biene" stieg die Zahl auf 195. Die Zahl soll durch Einkreuzung weniger aggressiverer Tiere aber wieder etwas gesunken sein. Die Bienen siedeln jedoch auch in der Wildnis, ohne daß die aggresiven Gene züchterisch ausgeschaltet werden.
Auf die Frage, ob er die Kreuzung noch einmal vornehmen würde, antwortete Kerr, daß die Forscher seinerzeit zu allen Bienenkongressen fahren und den Menschen erklären mußten, daß sie mehr Wert auf Schutzkleidung (insbesondere Handschuhe) legen sollten; bei weiteren Züchtungen ließen sich schließlich die aggresivsten Linien aussortieren. Und man dürfe nicht vergessen, daß Brasilien durch seine Züchtungen bei der Honigproduktion weltweit an dritter Stelle stünde, was für den sich in Armut befindlichen Nordosten Brasiliens eine wichtige Neuerung bedeute. Er bekräftigte aber dann, daß er die Züchtung in dieser Form heute nicht mehr so durchführen würde.
Kerr geht davon aus, daß das sich aus der Züchtung ergebende Problem wie beim Hai übertrieben dargestellt werde: "Wir haben in Brasilien jährlich knapp 200 Tote durch unsere Bienen. Auf einer bestimmten Straße in São Paulo sind es fünfmal soviele Verkehrstote."