Nazipunk
Nazipunk ist in der Punkszene verbreitete Fremdbezeichnung für Personen mit neonazistischen oder rassistischen Ansichten, die sich an den Dresscode der Punks halten. Der Großteil der Punkbewegung steht ihnen ablehnend gegenüber. Wenngleich sich das Selbstverständnis der Punks und nationalsozialistische Denkweisen widersprechen, existierten einige wenige Individuen und Bands mit rechtsextremistischen oder zumindest rechtsoffenen Haltungen.
Die Bezeichnung basiert auf dem Stück der Dead Kennedys namens „Nazi Punks Fuck Off!“ (engl. „Nazipunks, verpisst euch!“). Der englische Text geht allerdings nur an einer Stelle auf Punks mit Nazi-Hintergrund ein. Der restliche Text kritisiert den elitären Anstrich der Punkrockszene mit seinen Dresscodes und Regeln.
Geschichtlicher Hintergrund
Durch den starken Einfluss rechtsextremer Parteien in England strömte ein Teil der Oi!-Bewegung ins rechtsextreme/neonazistische und ein Großteil der Punks ins linksradikale Lager. Es gab jedoch schon vorher eindeutig als solche zu klassifizierende Nazipunks, wie die Angehörigen der Organisation Punk Front, die der British National Front unterstand.
In Deutschland ist zu diesem Thema beispielhaft die Savage Army (SA) zu nennen. Diese Organisation war in den frühen 1980ern in Hamburg für ihre Gewaltbereitschaft berüchtigt und rekrutierte sich aus ehemaligen Punks. Heute gibt es Bands und Individuen aus der Punkszene, die sich mit Rechtsextremisten und Neonazis solidarisieren. Auch diese Personen werden oft abwertend Nazipunks genannt.
Öffentliche Wahrnehmung
Da Medien oftmals nur von den „linken Punks“ und den „rechten Skinheads“ berichteten, ist vielen Menschen unbekannt, dass es in beiden Gruppen Unpolitische, Linke (bei den Skins z.B. Redskins oder RASH) wie Rechte gibt.
Nazipunkbands
Als Nazipunkbands bezeichnete Musikgruppen sind zum Beispiel: ABH, Arma Blanca, Chaotic PigSS (Chile), The Dirty White Punks, Fight For Freedom, Final Blow 88, Forward Area, The Fuck-Ups, Homicide, Midgårds Söner, Ódio Mortal, Phase One, The Raw Boys, V-Punk (Deutschland), White Pride, Warfare 88, Rotte Charlotte (Deutschland), A.D.L. 122 (Italien).
Sonstiges
Als Nazipunks werden manchmal aber auch (vorschnell) Personen bezeichnet, die sich der Punkszene zugehörig fühlen und aus Gründen der Provokation Symbole, Embleme und sprachliche Codes aus der Zeit des Nationalsozialismus benutzen, ohne die nationalsozialistische Ideologie zu unterstützen, oder aber diesen Eindruck erwecken und sich nicht glaubwürdig abgrenzen. Insbesondere in der Frühzeit des Punk, in den 70er Jahren, war diese Provokationsform allgemein üblich, vor allem unter Punks in Großbritannien und den USA. So trugen beispielsweise Mitglieder der Sex Pistols wie z.B. Sid Vicious gelegentlich Hakenkreuz-T-Shirts. Auch in der deutschen Punkszene diente das Spiel mit Nazisymbolik der Abgrenzung und Provokation gegenüber „Establishment“ und „Hippie“-Punks.[1]
Kontroversen um Bands
Es gibt in der Punkszene auch einige umstrittene Bands, denen eine nicht offen gezeigte neonazistische Einstellung nachgesagt wird.
- So wurde unter anderem Wattie Buchan von The Exploited dieser Vorwurf gemacht, als bekannt wurde, dass er zusammen mit Ian Stuart Donaldson, Frontmann der Neonazi-Band Skrewdriver, einen trinken war. Außerdem existiert seit Mitte der 1980er das Gerücht, Wattie würde der National Front nahe stehen. Die Band bestreitet diesen Vorwurf. [2] [3]
- Auch der deutschen Band SS-Kaliert wurde dieser Vorwurf wegen des kontroversen Textes „Faschistenpack“ gemacht. Darüber hinaus fiel der Gitarrist der Band, die sich nicht eindeutig auf der linken Seite positioniert, mit einem T-Shirt der Band The Jinx auf. Aufgrund dieser Vorwürfe bezog die Band in ihrem Lied „Auge um Auge“ und in sämtlichen Interviews klar Stellung. Der Song Faschistenpack wird von der Band seid über 4 Jahren nicht mehr live gespielt.
- Weitere Vorwürfe gab es gegen Willi Wucher von der Band Pöbel & Gesocks, dass er privat Kontakte zu neonazistischen Kreisen unterhielte. Wucher spielte in den 1980er Jahren bei der Oi!-Band Body Checks, die in einem ihrer Stücke zu Gewalt gegen Punks aufrief, sich in 90ern unter Beteiligung lediglich eines Originalmitglieds (nicht Wuchers) reformierte und bei der rechten Plattenfirma Funny Sounds ein Reunion-Album einspielte. In seinem alten Fanzine Scumfuck berichtete er einmal über den Besuch eines Skrewdriver-Konzertes, was ihm Kritik von Lesern und anderen Fanzines einbrachte. Außerdem unterhielt er eine kurze Geschäftsbeziehung zu der Plattenfirma DIM Records. In mehreren Artikeln auf der Homepage von Indymedia versuchte er sich endgültig von den Vorwürfen zu befreien. [4]
- Der ehemalige APPD-Politiker Karl Nagel stand ebenfalls längere Zeit im Verdacht neonazistisch zu sein, da ihm vorgeworfen wurde, mit der APPD zur Zusammenarbeit Rechtsextremer und Linker aufgefordert zu haben, und er einen Link zur Querfront auf seiner Homepage hatte. Er hatte an mindestens einem Querfront-Treffen der Nationalanarchisten teilgenommen.[5] Später traf er dann Christian Worch [6]
- Die Band OHL, die sich in ihren Songs auch klar gegen Links aussprechen, ist ebenfalls von solchen Vorwürfen betroffen. Auch wird ihnen aufgrund ihres Bandnamens sowie ihrer Albennamen und -cover, die fast ausschließlich Soldaten zeigen, Soldatenverherrlichung vorgeworfen. Da sie sich aber gleichzeitig auch gegen Rechtsradikalismus aussprechen, werden sie auch gerne als „CDU-Punks“ tituliert.
- Als Angelic Upstarts 1987 (?) im Berliner Quartier Latin auftreten sollten und eine Naziband als Vorgruppe angekündigt war, kam es zu Auseinandersetzungen mit Antifas. Zur Rehabilitation der Angelic Upstarts waren sie dann einige Zeit später Hauptact bei einem großen Antifafestival im Berliner Tempodrom. (Zusatzinfo: Später wurde eine Vergewaltigung im Kontext des Antifa-Solikonzerts im Umfeld des Tempodroms in der Berliner Interim thematisiert.)
- Die Nazi-Band V-Punk sorgte seit Jahren immer wieder für Schlagzeilen. [7] [8] [9]
- Bei mehreren Troopers-Konzerten 2002, z.B. im Berliner SO36 und im Eastend, sorgte die Security dafür, dass keine bekannten Nazikader das Konzert besuchten. Ein Teil des Publikums war trotzdem durch Kleidung und Outfit klar dem rechten Publikum zuzurechnen. Auch die Beobachtungen der Treptower Antifa belegen die Attraktivität der Troopers für Neonazis.[10] Die Troopers selbst sagten Konzerte mit der Band Kategorie C ab, nachdem sie darüber informiert wurden, mit wem und vor welchem Publikum sie spielen sollten.
Einzelnachweise
- ↑ http://www.karlnagel.de/website/action/sub/bb2001/main_text.php?skin=website_std&id=20051129_075600_bb22
- ↑ Exploited-Artikel auf der Homepage von Conne Island
- ↑ Reaktionen auf eine französische Fanpage
- ↑ http://de.indymedia.org/2003/04/49571.shtml
- ↑ http://de.indymedia.org/2004/02/75697.shtml
- ↑ "Vom Punk zum Neonazi? Karl Nagel letztes Gefecht" von Ernst Corinth am 13. April 2001 auf Telepolis http://www.heise.de/tp/r4/artikel/7/7359/1.html
- ↑ V-Punk haben ausgespielt http://www.turnitdown.de/284.html
- ↑ Die endlos traurige Geschichte von V-Punk?! http://www.legal-kriminal.de/extra/kiel.htm
- ↑ V-punk und kein Ende dk 06.05.2002 03:02 http://de.indymedia.org/2002/05/21524.shtml
- ↑ https://www.adf-berlin.de/html_docs/chronologie/berlin_treptow.php