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Referenden zur Unabhängigkeit Kataloniens 2009–2011

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Kundgebung der Befürworter der Unabhängigkeit in Barcelona am 11. September 2009

In den Monaten September und Dezember des Jahres 2009 wurden in mehreren Gemeinden Kataloniens Referenden zur Unabhängigkeit Kataloniens abgehalten. Im Februar und April 2010 sind entsprechende Referenden in weiteren katalanischen Gemeinden geplant. Die Ergebnisse sind in keiner Weise rechtlich bindend, bergen jedoch einen erheblichen politischen Zündstoff.

Historischer Hintergrund

Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien haben eine lange Tradition. Sie sind in der langen eigenständigen Entwicklung Kataloniens, die sich von Entwicklung Zentral-Spaniens, d.h. insbesondere Kastiliens unterschied, begründet. Nach der Reconquista, d.h. der Rückeroberung der Iberischen Halbinsel von den Mauren entstanden im wesentlichen 4 Königreiche: Kastilien, Portugal , Navarra und Aragon. Das historische Königreich Aragon umfasste dabei Katalonien, die Region um Valencia und die Balearen. Es bildete sich hier eine eigene romanische Sprache, das Katalanische heraus. 1469 heiratete Ferdinand, Erbe der Krone Aragoniens, seine Cousine Isabella, Erbin von Kastilien. Sie gingen als die Katholischen Könige (Los Reyes Católicos) in die Geschichte ein. Dies war jedoch zunächst bloß eine Personalunion, so dass die innere politische Eigenständigkeit Kataloniens erhalten blieb. Diese wurde jedoch nach dem Spanischen Erbfolgekrieg unter dem Bourbonenkönig Philipp IV. in den Jahren nach 1714 beseitigt.

Erst in der zweiten spanischen Republik, die allerdings nur von 1931 bis 1936/39 existierte, erhielt Katalonien einen Autonomiestatus zugesprochen. Es bekam eine eigene Regierung, die Generalitat, und ein eigenes Parlament. Nach dem Militärputsch General Francos stand Katalonien auf der Seite der Republikaner und bekam nach dem Sieg der Franquisten harte Repressalien zu spüren. Alle Spuren katalanischer Eigenständigkeit wurden unterdrückt und der Gebrauch der katalanischen Sprache in der Öffentlichkeit verboten. An den Universitäten und in den Schulen wurde nur in spanischer (kastilischer) Sprache unterrichtet. Presseerzeugnisse und Bücher in katalanischer Sprache waren verboten und konnten nur aus dem Ausland (insbesondere Frankreich) illegal bezogen werden. Die Zuwanderung aus Zentralspanien wurde gefördert.

Nach dem Tod Francos und der allmählichen Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse in Spanien erhielt Katalonien 1978 den Status einer Autonomen Gemeinschaft innerhalb Spaniens. Dieses Autonomiestatut überträgt Katalonien weitgehende Befugnisse auf dem Gebiet der Innenpolitik. Im Jahr 2006 wurde die Neufassung des Autonomiestatuts in einem Referendum in Katalonien bestätigt. Allerdings kam es zu erheblichen Verzögerungen in der Umsetzung der Bestimmungen dieses neuen Autonomiestatuts, da die autonomen Gemeinschaften bzw. Regionen der Balearen, Valencias und Aragoniens[1] und die spanische Oppositionspartei Partido Popular (PP) vor dem spanischen Verfassungsgericht dagegen Klage erhoben. Die ersten drei Klagen bezogen sich hauptsächlich auf Eigentumsrechte am kulturellen katalanischen Erbe, sowie auf Wassernutzungsrechte etc. während die PP in dem Autonomiestatut die Einheit Spaniens gefährdet sieht. Bis zum Ende des Jahres 2009 sind die Verfassungsklagen nicht entschieden worden. Die Verzögerung der Umsetzung des Autonomiestatuts hat zu einiger Unzufriedenheit in Katalonien geführt. Außerdem besteht generell Unzufriedenheit, dass Katalonien, das als einer der "Wirtschaftsmotoren" Spaniens gilt, immer noch einen erheblichen Teil seiner Einkünfte an die Zentralregierung nach Madrid abführen muss. Die Autonomie innerhalb Spaniens geht den katalanischen Nationalisten ganz allgemein nicht weit genug. Sie streben einen eigenen Staat Katalonien an, der ganz unabhängig von Spanien sein soll.

Katalanische Unabhängigkeitsreferenden 2009/2010

Stimmzettel beim Referendum in Arenys de Munt am 13. September 2009
Am Wahltag in Arenys de Munt
Eine Gegendemonstration der rechtsnationalistischen Falange in Arenys de Munt am 13. September 2009

Die Bewegung zur Durchführung vom Unabhängigkeits-Referenden nahm ihren Ausgang von der katalanischen Gemeinde Arenys de Munt. Auf Betreiben der Candidatura d'Unitat Popular, einer katalanischen Vereinigung parteiunabhängiger Kandidaten wurde dort ein Referendum initiiert. Die Frage, die den Wählern vorgelegt wurde, lautete:

«Està d'acord que Catalunya esdevingui un estat de dret, independent, democràtic i social, integrat en la Unió Europea?»

„Sind Sie damit einverstanden, dass die katalanische Nation ein unabhängiger demokratischer und sozialer Rechtsstaat in der Europäischen Union wird?“

An der Abstimmung in Arenys de Munt am 13. September 2009 nahmen 2.671 der 6.500 Wahlberechtigten teil, was einer Wahlbeteiligung von 41,09% entsprach. 2.569 (96,62%) stimmten mit Ja und 61 (2,29%) mit Nein. Diese bemerkenswert hohe Zustimmung bei allerdings einer enttäuschend niedrigen Wahlbeteiligung ermunterte die katalanischen Unabhängigkeits-Befürworter, entsprechende Kampagnien auch in anderen katalanischen Gemeinden zu starten. Am 12. und 13. Dezember 2009 fanden entsprechende Abstimmungen in 166 katalanischen Gemeinden statt. Insgesamt stimmten 192.460 der 702.072 Wahlberechtigten ab, was einer Wahlbeteiligung von im Mittel 27,41% entsprach. Es stimmten 182.625 (94,89%) mit Ja und 6.186 (3,21%) mit Nein.[2] In allen abstimmenden Gemeinden ergab sich eine Mehrheit für das Referendum.

Reaktionen und Bewertung

6 Comarcas haben sich zu dem Referendum geäußert:
  • Zustimmung zum Referendum
  • Ablehnung des Referendums
  • Die Reaktionen auf die Referenden fielen unterschiedlich aus. Die katalanischen Parteien Esquerra Republicana de Catalunya und die Candidatures d'Unitat Popular zeigten sich über die hohe Zustimmung zur Unabhängigkeit erfreut. Einzelne prominente Politiker aus der Convergència i Unió und der Iniciativa per Catalunya Verds unterstützten das Referendum ebenfalls. Ebenso kam Beifall aus den Reihen von Regionalparteien aus ganz Europa, so von der walisischen Plaid Cymru, der Scottish National Party, der belgischen Nieuw-Vlaamse Alliantie, der korsischen Partitu di a Nazione Corsa, der irischen Sinn Féin und anderen. 6 katalanische consell comarcal (entspricht etwa dem Kreistag eines deutschen Landkreises) verabschiedeten bis zum Jahresende 2009 Resolutionen zum Referendum. 5 stimmten dem Referendum zu, eine Comarca (Priorat) lehnte das Referendum ab.

    Klar abgelehnt wurde das Referendum von der "Bürgerpartei" Ciutadans – Partit de la Ciutadania, der Partido Popular (PP), der Unió Democràtica de Catalunya und mehrheitlich von der Sozialitischen Partei Kataloniens. Der spanische Ministerpräsident Zapatero kritisierte das Referendum als nicht verfassungsgemäß und wurde von der oppositionellen PP scharf angegriffen, weil er dieses nicht verfassungsgemäße Referendum durchgehen lassen habe.

    Tatsächlich besteht kein Zweifel, dass die Referenden in der jetzigen Form nicht verfassungsgemäß sind. Nach der spanischen Verfassung ist die Einheit Spaniens "unteilbar". Für eine Unabhängigkeit Kataloniens wäre also eine Verfassungsänderung notwendig, die wiederum eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern der Cortes Generales erforderte. Außerdem müsste die Verfassungsänderung per Referendum im ganzen Land (also nicht nur in Katalonien) bestätigt werden. Ein Referendum nur auf kommunaler oder regionaler Ebene ist in der spanischen Verfassung nicht vorgesehen und hat keinerlei Gesetzeskraft. Trotzdem haben die Referenden natürlich eine erhebliche politische Spengkraft, insbesondere wenn die Zustimmungsraten landesweit weiterhin hoch bleiben. Bei der Bewertung der Ergebnisse muss allerdings die sehr niedrige Wahlbeteiligung beachtet werden. Außerdem haben sich natürlich bisher gerade die Gemeinden zur Durchführung des Referendums bereit gefunden, in denen die katalanischen Nationalisten stark sind. In Barcelona, der größten Stadt und Hauptstadt Kataloniens, in der etwa ein Fünftel der Einwohner Katalonien lebt und in der die Autonomisten traditionell nur eine schwache Stellung haben, ist bisher kein Referendum vorgesehen. Die weiteren Planungen der Referendums-Befürworter sehen ein Referendum in weiteren katalanischen Kommunen am 28. Februar 2010 und am 25. April 2010 (letzteres in Girona und möglicherweise Barcelona) vor.

    Einzelnachweise

    1. Admitidos los recursos de Aragón, Valencia y Baleares contra el Estatuto catalán, Meldung von Hoy.es
    2. Consultes per la independència, Decidim.cat, abgerufen 26. Dezember 2009
    Commons: Referenden zur Unabhängigkeit Kataloniens 2009-2010 – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien