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Frankfurter Nationalversammlung

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Die Frankfurter Nationalversammlung, die von 1848 bis 1849 in der Frankfurter Paulskirche tagte, war das erste, frei gewählte Parlament für ganz Deutschland. Ihr Zustandekommen war ein Ergebnis der Märzrevolution. Die Versammlung erarbeitete in langen und kontrovers geführten Debatten die auf demokratischen Prinzipien beruhende, sogenannte Paulskirchenverfassung, die wesentliche liberale Forderungen aus der Zeit des Vormärz erfüllte. Die Verfassung sah u.a. einen Grundrechtekatalog vor sowie einen kleindeutschen Gesamtstaat in Form einer konstitutionellen Monarchie mit einem Erbkaiser an der Spitze. Die Nationalversammlung scheiterte an der Weigerung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV., die ihm angetragene Kaiserkrone anzunehmen. Ihr Verfassungswerk jedoch wurde im 20. Jahrhundert zum Vorbild für die Weimarer Reichsverfassung von 1919 und das bundesdeutsche Grundgesetz von 1949.

Die Nationalversammlung in der Paulskirche

Entstehung

Soziale Spannungen und die reaktionäre Politik der wesentlich vom österreichischen Staatskanzler Metternich seit dem Wiener Kongress von 1815 geprägten Restauration vieler europäischer Mächte führten 1848 in fast ganz Europa zu revolutionären Unruhen. In Teilen des österreichischen Kaiserreiches, darunter beispielsweise in Ungarn, Böhmen und Norditalien, kam es zu blutigen Aufständen. Zusätzlich zu den liberalen Reformforderungen und einer nationalen Einigung im Deutschen Bund strebte die revolutionäre Bewegung die Unabhängigkeit von Österreich – im polnischen Teil Posens die Unabhängigkeit von Preußen – und einen eigenen polnischen Staat an. Auslöser und erster Höhepunkt dieser Ereignisse war die Februarrevolution in Frankreich, die den so genannten Bürgerkönig Louis Philippe stürzte und ins englische Exil trieb, sowie die Ausrufung der Zweiten Republik zur Folge hatte.

Der ersten Anstoß zur Wahl einer gesamtdeutschen Nationalversammlung ging von dem liberalen Abgeordneten Friedrich Daniel Bassermann aus. Er forderte am 12. Februar 1848 in der Badischen Kammer eine vom Volk gewählte Vertretung beim Bundestag in Frankfurt, der einzigen Institution, die damals noch ganz Deutschland repräsentierte. Zwei Wochen später fachten die Meldungen vom geglückten Umsturz in Frankreich die revolutionäre Stimmung zunächst in Baden, dann auch in den übrigen deutschen Fürstentümern weiter an.

19. März 1848: Nach den Barrikadenkämpfen in Berlin

Bürger und liberale Politiker forderten u.a. die Aufhebung der Pressezensur und anderer Restriktionen, die Einsetzung liberaler Landesregierungen, vor allem aber die deutsche Einheit, eine gesamtdeutsche Verfassung und die Einberufung einer Nationalversammlung. Am 5. März 1848 trafen sich einige reformwillige Politiker und Abgeordnete einzelner Landtage in Heidelberg, um die Zukunft Deutschlands zu erörtern. Sie beschlossen die Gründung eines Vorparlaments, das Wahlen zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung vorbereiten sollte. Das Vorparlament tagte vom 31. März bis zum 3. April in Frankfurt.

In der Zwischenzeit wurden in Deutschland zahlreiche konservative Regierungen gestürzt und durch liberale Kräfte ersetzt. Im März 1848 kam es nach vergleichbaren Ereignissen in vielen deutschen Staaten, wie etwa in Baden, Sachsen u.a., auch in Preußen zu Aufständen, worauf sich auch König Friedrich Wilhelm IV. zu Zugeständnissen entschloss. Unter anderem sollte die Pressefreiheit wieder eingeführt und eine deutsche Verfassung ausgearbeitet werden. Als die Berliner Bevölkerung dem König dafür danken wollte, löste sich in der Menge – wahrscheinlich vom preußischen Militär – ein Schuss, worauf es zu blutigen Barrikadenkämpfen kam (siehe Märzrevolution).

Am 19. März 1848 ließ der König alle Soldaten aus Berlin abziehen. Kurze Zeit später beschloss der Vereinigte Landtag, welcher die Zusammenkunft der acht preußischen Provinziallandtage darstellte, die Durchführung freier Wahlen zur Nationalversammlung, die schließlich am 1. Mai durchgeführt wurden. Auf je 50.000 Männer wurde ein Abgeordneter gewählt. Das Wahlrecht war an die „Selbständigkeit“ geknüpft und wurde in jedem der deutschen Staaten anders gehandhabt. Schätzungsweise hatten nur 85% der Männer das Wahlrecht, wo hingegen Frauen dieses Recht gänzlich verweigert wurde. Da nicht alle Wahlkreise auch Abgeordnete entsandten, hatte das Parlament nur ungefähr 585 Mitglieder.

Am 18. Mai kam es zur ersten Sitzung der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt, an der allerdings nur 330 Abgeordnete teilnahmen. Den gemäßigten Liberalen Heinrich von Gagern ernannte man zum Präsidenten des Parlaments.

Aufgaben und Probleme

Die Hauptaufgaben der Nationalversammlung waren die

  • Ausarbeitung einer Verfassung und die
  • Einheit Deutschlands.

Aber schon zu Beginn stellten sich der neuen Volksvertretung Hindernisse und Probleme in den Weg. So verweigerten beispielsweise die einflussreichen europäischen Mächte Frankreich und Russland dem Parlament ihre Anerkennung, da sie kein Interesse an einer deutschen Einigung hatten. Da die Versammlung zudem auf keiner Staatsordnung basierte, war sie politisch sehr instabil.

Die Abgeordneten teilten sich in drei Lager auf, die in den entscheidenden Fragen uneins waren:

  • 1. Die „demokratische Linke“, die sich aus der extremen und der gemäßigten Linken zusammensetzte
  • 2. Die „liberale Mitte“, die sich aus dem linken und rechten Zentrum zusammensetzte
  • 3. Die „konservative Rechte“ aus Protestanten und Konservativen

Die konservativen Kräfte befürworten die Bildung einer Erbmonarchie, die unter der Führung von Preußen oder Österreich stehen sollte. Ihre politischen Gegner strebten hingegen die Gründung einer Republik an.

Die nationale Einheit Deutschlands stellte die Frankfurter Nationalversammlung ebenfalls vor große Schwierigkeiten. Die Delegierten erklärten, entgegen aller tschechischen Bemühungen, Böhmen und Mähren als ein Teil des Deutschen Bundes. Ebenfalls beschlossen die Abgeordneten die Eingliederung der Provinz Posen, wodurch man der dort ansässigen polnischen Bevölkerung natürlich vor den Kopf stieß.

Besonders kompliziert war die Lage im Schleswig-Holstein. Die beiden Landeshälften bildeten zwar seit 15. Jahrhundert ein Herzogtum, das auf ewig ungeteilt bleiben sollte und in Personalunion mit Dänemark verbunden war. Allerdings war nur Holstein Teil des Deutschen Bundes, nicht aber Schleswig, dessen deutsche Bewohner gleichwohl nach einer Vertretung in der Nationalversammlung verlangten. Der Versuch der Kopenhagener Regierung, die revolutionären Unruhen in Deutschland zu nutzen, um das ganze Herzogtum, einschließlich Holsteins mit dem dänischen Gesamtstaat zu vereinigen, löste nicht nur dort sondern in ganz Deutschland Unruhen aus. Im Auftrag des Deutschen Bundes besetzten preußische Truppen Schleswig-Holstein. Auf Drängen Großbritanniens, Russlands und Frankreichs vereinbarten Preußen und Dänemark am 26. August in schwedischen Malmö jedoch einen Waffenstillstand, der den Abzug aller Soldaten aus Schleswig-Holstein vorsah und das Land unter eine gemeinsame Verwaltung stellte. Die Frankfurter Nationalversammlung lehnte den Vertrag von Malmö, der ohne ihre Beteiligung zustande gekommen war, zunächst ab, um ihn in einer zweiten Abstimmung im September 1848 mit knapper Mehrheit doch noch anzunehmen. Daraufhin kam es in Frankfurt zu einem Volksaufstand, gegen den die Nationalversammlung schließlich preußische und österreichische Bundestruppen herbeirufen musste. Die Aufständischen, die zugleich links und nationalistisch gesinnt waren, sahen sich von da an nicht mehr durch die Nationalversammlung repräsentiert. Für deren Scheitern war die Spaltung der Kräfte, die die Revolution getragen hatten, von entscheidender Bedeutung.

Großdeutsche oder kleindeutsche Lösung

Für die Einigung Deutschlands kamen nur zwei Lösungen In Frage: Die kleindeutsche Variante sah vor, dass sich Deutschland unter Führung Preußens ohne das Kaisertum Österreich zusammenschließen sollte, um nicht mit den der Problemen dieses Vielvölkerstaates belastet zu sein. Die Anhänger der Großdeutschen Lösung hingegen befürworteten die Einbeziehung Österreichs. Einige davon nahmen sogar dessen Teilung in Kauf, so dass nur die von Deutschen besiedelten Gebiete eingliedert worden wären.

Der österreichische Kaiser war natürlich gegen eine Spaltung seines Staates. In Folge dessen erwählten die Abgeordneten der Nationalversammlung in der Frankfurter Reichsverfassung vom 28. März 1849 den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zum zukünftigen Kaiser eines geeinten Deutschlands ohne Österreich. Die somit betriebene Reichseinigung von unten scheiterte jedoch, als der König am 28. April 1849 die ihm am 3. April von der Kaiserdeputation angetragene Würde mit der Begründung ablehnte, dass er eine Krone, die mit dem „Ludergeruch der Revolution“ behaftet sei, nicht akzeptieren könne. Damit war die Deutsche Revolution endgültig gescheitert.

Auflösung

Am 5. April zogen alle österreichischen Abgeordneten aus Frankfurt ab. Am 14. Mai legten dann auch die Preußen ihre Mandate nieder. Die von Heinrich von Gagern geforderten Neuwahlen fanden nicht statt, so dass die Nationalversammlung immer weiter geschwächt wurde. In der Folgezeit verließen fast alle rechten Abgeordneten das Parlament. Die verbliebenen linken Kräfte beschlossen am 31. Mai ein neues Parlament in Stuttgart zu gründen, um somit dem Einflussbereich Preußens zu entgehen. Die Frankfurter Nationalversammlung war hiermit aufgelöst. Das unerwünschte Stuttgarter Rumpfparlament wurde am 18. Juni durch württembergische Soldaten geräumt.

Präsidenten der Nationalversammlung

Bekannte Mitglieder

Das Einheitsdenkmal auf dem Paulsplatz

Zitate und Résumés

Die Tatsache, daß die Entscheidung über das Schicksal der Revolution in Wien und Berlin fiel, daß in diesen beiden Hauptstädten die wichtigsten Lebensfragen erledigt wurden, ohne das man von der Existenz der Frankfurter Versammlung auch nur die leiseste Notiz nahm – diese Tatsache allein genügt, um festzustellen, daß diese Körperschaft ein bloßer Debattierklub war, bestehend aus einer Ansammlung leichtgläubiger Tröpfe, die sich von den Regierungen als parlamentarische Marionetten mißbrauchen ließen, um zur Belustigung der Krämer und Handwerker kleiner Staaten und Städte ein Schauspiel zu geben, solange man es für angezeigt hielt, die Aufmerksamkeit dieser Herrschaften abzulenken. (Friedrich Engels, Revolution und Konterrevolution in Deutschland, 1852)

Literatur

  • Heinrich Best, Wilhelm Weege: Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49. Droste-Verlag, Düsseldorf 1998, ISBN 3-7700-0919-3
  • Johann Gustav Droysen: Aktenstücke und Aufzeichnungen zur Geschichte der Frankfurter Nationalversammlung. Neudruck der Ausgabe 1924. Biblio-Verlag, Osnabrück 1967. ISBN 3-7648-0251-0
  • Sabine Freitag (Hg.): Die 48-er. Lebensbilder aus der deutschen Revolution 1848/49, Verlag C. H. Beck, München 1998, ISBN 3-406-42770-7
  • Hans Jessen (Hg.): Die Deutsche Revolution 1848/49 in Augenzeugenberichten, Karl Rauch Verlag, Düsseldorf 1968
  • Günter Mick: Die Paulskirche. Streiten für Recht und Gerechtigkeit, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1997
  • Wolfgang J. Mommsen: 1848 - Die ungewollte Revolution; Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt / Main 2000, 334 Seiten, ISBN 3-596-13899-X
  • Ulrich Speck: 1848. Chronik einer deutschen Revolution, Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1998, ISBN 3-458-33914-0
  • Wilhelm Ribhegge: Das Parlament als Nation: die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49. Droste-Verlag, Düsseldorf 1998. ISBN 3-7700-0920-7
  • Veit Valentin: Geschichte der deutschen Revolution 1848-1849, 2 Bände, Beltz Quadriga Verlag, Weinheim und Berlin 1998 (Neudruck), ISBN 3-886-79301-X


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