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H-Klasse (Schlachtschiff)

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Als "H"-Klasse wird eine sechs Einheiten umfassende Schlachtschiffklasse der deutschen Kriegsmarine bezeichnet, die im Rahmen des Z-Plan 1939 begonnen, jedoch nie fertiggestellt worden ist.

Klassenbezeichnung

Die Bezeichnung "H" leitet sich aus der marineinternen Nummerierung für Großkampfschiffe ab, die ihre Baubezeichnung nach dem Alphabet erhielten: Nach den Schlachtschiffen der Bismarck-Klasse mit den Bezeichnungen F und G folgten H bis N. Für die Schiffe sind keine offiziellen Namensvorschläge bekannt; die von Zeit zu Zeit im Internet auftauchenden möglichen Namen für das erste Schiff ("Hindenburg", "Friedrich der Große") sind rein spekulativ.

Vorgeschichte

Nachdem Deutschland durch das deutsch-britische Flottenabkommen vom 18. Juni 1935 die Freiheit zum Bau von Schlachtschiffen zurückerhalten hatte, begann die Marine umgehend mit dem Bau zweier vollwertiger Schlachtschiffe, den späteren Bismarck und Tirpitz, deren Konstruktionspläne schon fertig ausgearbeitet waren. Die nächsten Einheiten sollten dann schwerer ausfallen, insbesondere nachdem durch das faktische Scheitern der Londoner Flottenkonferenz 1936 die internationalen qualitativen Beschränkungen im Schlachtschiffbau weggefallen waren. Hitler selbst hatte offenbar eine Steigerung des Kalibers der Hauptgeschütze gegenüber der Bismarck gefordert, um eine Überlegenheit der deutschen Schlachtschiffe gegenüber ihren potentiellen Gegnern zu erreichen. Schon in "Mein Kampf" hatte er bemängelt, dass die Schiffe der kaiserlichen Marine kleiner ausgefallen seien als ihre britischen Pendants.

Einsatzkonzept

Für die in der sog. "Heye-Denkschrift" behandelten sechs Schlachtschiffe konnte anfangs kein konkreter Einsatzzweck formuliert werden, was Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Marineführung geschuldet war, jedoch konnte sich die "Dickschiff-Fraktion" mit der Aufnahme der Schlachtschiffe in den Z-Plan durchsetzen. Gemäß der Strategie des Handelskrieges sollten die Schiffe auch in der Lage sein, im Atlantischen Ozean gegen feindliche Geleitzüge zu operieren. Zum ersten Mal wurde für Schlachtschiffe ein Dieselantrieb vorgesehen, der ihnen eine hohe Reichweite, vergleichbar der der Panzerschiffe, beschert hätte. Für den Einsatz gegen Handelsschiffe spricht weiterhin der vorgesehene Einbau von Torpedorohren, welche auf Großkampfschiffen aufgrund der hohen Feuerentfernungen taktisch überflüssig geworden und nicht mehr anzutreffen waren.

Großadmiral Erich Raeder notierte in seiner Denkschrift vom 3. September 1939:

"[...] Bei der Jagd der britischen Flotte auf diese über die Ozeane zerstreuten, Handelkrieg führenden deutschen Streitkräfte würden zwei Gruppen von je 3 schwersten Schlachtschiffen mit Motoren und 40 cm-Geschützen die Aufgabe gehabt haben, die zur Jagd mehr oder weniger aufgelöst fahrenden britischen schweren Streitkräfte zu stellen und zu schlagen."

Diese Denkschrift diente jedoch in erster Linie dazu, auf die Mitverantwortung Hitlers für den mangelhaften Stand der Marinerüstung hinzuweisen. Ob der skizzierte Einsatzzweck zu diesem Zeitpunkt tatsächlich von der gesamten Marineleitung unterstützt worden ist, ist nicht mit Sicherheit zu klären.

Baubeginn und Ende

Die schweren Einheiten des Z-Plan sollten aufgrund ihrer langen Bauzeit vorerst in den Hintergrund rücken, jedoch gab Hitler den von ihm favorisierten Schlachtschiffen den Vorrang und befahl deren Herstellung bis 1944.[1] So wurden am 14. April 1939 die Aufträge für die Schlachtschiffe "H" und "J" und am 25. Mai die Aufträge für die Einheiten "K", "L", "M" und "N" vergeben.

Bis Kriegsbeginn sind nur die ersten zwei Einheiten H und J begonnen worden. Für H waren über 1.000 t Material verbaut. Die Kiellegung für L war für September, die für N für Oktober vorgesehen; in beiden Fällen kam es nicht mehr dazu, da im September 1939 der Schwerpunkt der Marinerüstung auf die U-Boote gelegt worden war. Nur die im Bau weit fortgeschrittenen schweren Einheiten sollten noch fertiggestellt werden. Am 10. Oktober 1939 verfügte Großadmiral Erich Raeder den Baustopp der Einheiten, und sie wurden im Laufe des Jahres 1940 abgebrochen.

Obwohl diese Schiffe also keinerlei strategische Rolle mehr spielen sollten, hat die ihnen zugewiesene Priorität Konsequenzen gehabt: Von den anderen Einheiten, die im „Z-Plan“ vorgesehen waren, konnte keine einzige andere mehr begonnen werden. Der Bau der leichteren Schiffe, insbesondere der U-Boote, musste auf später verschoben werden. So trug die H-Klasse indirekt zur Schwäche der deutschen Seestreitkräfte in den ersten Kriegsjahren bei.

Zum Zeitpunkt des Baustopps waren von der Firma Krupp allerdings bereits sieben der acht 40,6-cm-Geschütze, die für das erste Schiff der H-Klasse vorgesehen waren, fertiggestellt. Drei davon wurden ab 1943 im Raum Calais als Seezielgeschütze in betonierten Bunkern aufgestellt, sie wurden im Herbst 1944 von US-Truppen von der Landseite her erobert und zerstört. Drei weitere wurden nach Norwegen verbracht, wo sie die Ausfahrt des wichtigen Erzhafens Narvik überwachen sollten. Die Arbeiten an den vier Geschützbunkern waren bei Kriegsende im Mai 1945 so weit fortgeschritten, dass die norwegische Armee sie übernahm. Außerdem wurde eine Kanone in Kristiansand zur Sperrung des Kattegats in der Batterie Vara aufgestellt und auch schon ausprobiert. Sie wurden in die Küstenverteidigung der NATO im Nordmeerbereich einbezogen und erst Ende der 1960er Jahre außer Dienst gestellt.

Antrieb

Außergewöhnlich und für Schlachtschiffe ein absolutes Novum war die Konzeption des Antriebes. Erstmalig war für Großkampfschiffe eine ausschließlich aus Dieselmotoren bestehende Antriebsanlage geplant. Zwölf 9-Zylinder-Diesel von MAN mit insgesamt 165.000 PS sollten die drei Propeller antreiben. Nach den guten Erfahrungen mit den Dieselmotoren (Gewichtseinsparung, höhere Reichweite, einfachere Wartung gegenüber Dampfturbinen) in den Panzerschiffen der Deutschland-Klasse wollte man allgemein fast alle neuen Schiffe des Z-Plan mit Dieselmotoren ausrüsten. Spekulativ betrachtet wäre der Antrieb wahrscheinlich erfolgreich gewesen, auch wenn er die kriegswirtschaftliche Problematik der Treibstoffversorgung, trotz des gegenüber Turbinenanlagen deutlich reduzierten Verbrauchs, nicht gelöst hätte.

Kriegswirtschaftliche Aspekte der H-Klasse

Hätte die Kriegsmarine wie vorgesehen bis 1944 die sechs Schlachtschiffe der H-Klasse fertiggestellt, wäre deren Versorgung mit Treibstoff in Friedens- und besonders in Kriegszeiten ein ernstes Problem für die Kriegsmarine geworden. Weder reichten die deutschen Kapazitäten zur Gewinnung von synthetischem Treibstoff aus, noch konnten genügend Devisen zum Einkauf ausreichender Ölmengen aus dem Ausland erwirtschaftet werden, um alle sechs Schiffe zusammen mit den anderen Einheiten des Z-Plans einsatzbereit zu halten. Im Krieg schließlich hätte ein Ölboykott der westlichen Alliierten schnell die Reserven der Kriegsmarine schwinden lassen und die deutsche Armada in ihren Häfen festgehalten. Der Z-Plan und insbesondere der Bau der H-Klasse war also davon abhängig, dass Deutschland Zugang oder Kontrolle in direkter oder indirekter Form über ausländische Ölresourcen erlangte.[2]

Insgesamt orientierte sich die Konzeption einer deutschen Schlachtflotte, wie sie bereits seit den 20er Jahren betrieben wurde, nicht an den Erfordernissen und Gegebenheiten. Deutschland hätte sich keine Schlachtflotte leisten können, wie Großbritannien sie besaß; sie in operativer Bereitschaft zu halten, wäre unmöglich gewesen.

Weiterentwicklungen "H-41" bis "H-44"

Während des Krieges wurden weitere Entwurfsstudien erarbeitet, die eine Weiterentwicklung des Schlachtschifftyps zum Ziel hatten. Im Zentrum der Fragestellung stand dabei zu keinem Zeitpunkt, ob man die Nachfolger der H-Klasse überhaupt noch bauen sollte, sondern lediglich, wie sie zu konzipieren seien. Der wachsenden Gefährdung dieser Schiffe durch Luftangriffe sollte durch stetige Verstärkung des Panzerschutzes und damit einhergehende Größensteigerungen begegnet werden:

  • Projekt "H-41" sah verstärkte Panzerdecks vor, was eine Steigerung der Verdrängung auf über 60.000 t nötig machte. Um weiterhin eine Geschwindigkeit von 30 kn erreichen zu können, wäre ein gemischter Antrieb aus Diesel und Turbinenanlage zum Einsatz gekommen.
  • "H-42" beinhaltete weitere Verstärkungen bei Seiten- und Horizontalpanzer, wodurch das Schiff auf 78.000 t angewachsen wäre, was wiederum eine stärkere Maschinenanlage erforderte.
  • "H-43" und "H-44" waren Entwürfe, die neben weiteren Panzerverstärkungen eine Steigerung der Hauptbewaffnung auf 8 x 50,8 cm vorsahen. Ein solches Schiff wäre 330 m lang geworden und hätte 111.000 t verdrängt.

Insbesondere die letzten Projekte waren völlig realitätsfern. Schiffe von der Größe von "H-44" wären operativ kaum sinnvoll einzusetzen gewesen, da sie in der Deutschen Bucht nicht vernünftig hätten manövrieren können. Es stellt sich die Frage, ob von seiten der Marine überhaupt Interesse an solchen "Superschlachtschiffen" bestanden hat oder ob nicht Hitler die treibende Kraft hinter diesen Planungen war, die an seine gigantischen Architekturvorhaben (Welthauptstadt Germania) erinnern.

Technische Daten

  • Kiellegung: 15. Juli (H) bzw. 15. August (J) 1939
  • Bauwerft: Blohm & Voss, Hamburg (H), AG Weser, Bremen (J)
  • Verdrängung
    • offiziell: 40.000 ts
    • tatsächlich (standard): 52.600 ts
  • Länge (ü. alles)/ Breite / Tiefgang: 278 m / 37 m / 10 m
  • Leistung an den Wellen: maximal 165.000 PS
  • Höchstgeschwindigkeit: 30 kn über 3 Schrauben
  • Maximale Fahrstrecke: 19.000 Seemeilen
  • Panzerung
    • Gürtelpanzer:
      • Hauptteil: 300 mm (170 m lang, Höhe ~5 m)
      • Bugpartie: 150 auf 60 mm verjüngend
      • Achterschiff: 90 auf 30 mm verjüngend
    • Oberdeck: 50 mm (Ausnahme im Bereich der SA und an den Schiffsenden: 80 mm bzw. 30 mm)
    • Panzerdecks: 120 mm mit Böschungen (über den Munitionskammern: 150 mm mit Böschungen)
    • Zitadellpanzer: 150 mm
    • Kommandoturm: 385 mm / 150 mm achtern
    • Torpedoschott: 45 mm (Abstand zur Außenseite des Rumpfes: 5,15 m)
    • Türme der Schweren Artillerie: 385 mm Front / 240 mm Seiten / 130 mm Decke
    • Mittlere Artillerie: 100 mm Front / 40 mm Seiten / 35 mm Decke
      • Barbetten: 80 mm
  • Bewaffnung
    • Schwere Artillerie: 8 x 40,6 cm L/47 C/34 in 4 Doppeltürmen (jeweils 2 vorn und achtern)
    • Mittelartillerie: 12 x 15 cm L/55 C/28 in 6 Doppeltürmen (jeweils 3 backbord und steuerbord)
    • Flugabwehr
      • 16 x 10,5 cm L/65 in Doppeltürmen (vorgesehen war ein neuer Typ, sog. "Flaktürme 1937")
      • 16 x 3,7 cm L/83 C/30
      • 24 x 2 cm L/65 C/30
    • 6 x 53,3 cm - Torpedorohre, seitlich unterhalb der Wasserlinie
    • vier Bordflugzeuge Typ Arado Ar 196
  • Baukosten: etwa 240 Mio. Reichsmark pro Schiff (etwa 20% mehr als Bismarck)

Literatur

  • Breyer, Siegfried: Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer 1905-1970, München 1970, ISBN 978-3-88199-474-3
  • Dülffer, Jost: Hitler, Weimar und die Marine. Reichspolitik und Flottenbau 1920-1939, Düsseldorf 1972, ISBN 3-7700-0320-9
  • Salewski, Michael: Die Deutschen und die See. Studien zur deutschen Marinegeschichte des 19. Und 20. Jahrhunderts, Hrsg. von Jürgen Elvert und Stefan Lippert, Stuttgart 1998, ISBN 978-3-515-06266-4

Einzelnachweise

  1. Michael Salewski: Die deutsche Seekriegsleitung 1935 – 1945. Bernard & Graefe Verlag 1985, ISBN 3-7637-5168-8
  2. Überlegungen nach Siegfried Breyer/Gerhard Koop: Die deutsche Kriegsmarine 1935 - 1945 (Band 4), Augsburg 1998.